Der augenblickliche Zustand des deutschen Geldwesens kann kaum anders als ein Übergang zum Übergangsstadium bezeichnet werden. Der Absturz der Mark in der zweiten Oktoberwoche verdrängte die alte Währung in solchem Tempo aus ihrem bisher schon recht beschränkten Verwendungsgebiet, dass schleunigst Notmaßnahmen ergriffen werden mussten für die wenigen Wochen, die bis zur Errichtung der Rentenbank und die Einführung der Rentenmarkscheine in den Verkehr verstreichen. Es handelte sich nicht bloß um den Druck von Notgeldscheinen, die auf Reichsmark lauten, durch lokale Verwaltungskörper und private Gesellschaften. Man schritt auch zur Selbsthilfe in der Schaffung von sogenannten wertbeständigen Zahlungsmitteln, weil die Not der Gehalts- und Lohnempfänger unerträglich wurde; zudem rückte die Gefahr des Zerfalles der Marktzusammenhänge zwischen Stadt und Land in eine bedrohliche Nähe.
Faßt man die gegenwärtige Geldzirkulation und die im Gange befindliche Währungsreform ins Auge, so ist dreierlei zu unterscheiden: 1. der gegenwärtige Wirrwarr, entstanden durch massenhafte Notgeldausgabe, um der plötzlich entstandenen akuten Schwierigkeiten Herr zu werden; 2. das erstrebte relativ geordnete Übergangsstadium und 3. die Vorbereitung zur endgültigen Währungsreform, d. i. zur Einführung der Goldwährung.
1. Von der Zusammensetzung des heutigen Geldwesens ist es nicht gerade leicht, ein erschöpfendes Bild zu geben. Was heute an gesetzlichen Zahlungsmitteln umläuft, ist, an der Friedenszirkulation gemessen, selbst unter Berücksichtigung der Zusammenschrumpfung der Wirtschaft, außerordentlich gering. Die phantastischen Zahlen des letzten Reichsbankausweises ergeben, nach dem Dollarkurs reduziert, einen Banknotenumlauf von etwa 80 Millionen Goldmark, wozu noch das unbeträchtliche Kontingent der Privatnoten hinzutritt. Erhebliche Beträge von auf Papiermark lautenden Notgeldscheinen ergänzen noch den Notenumlauf, der nicht mechanisch mit den Friedenszahlen in Parallele gestellt werden kann infolge der gewaltigen Unterschiede in der Zirkulationsgeschwindigkeit oder, wie die Engländer den zugrunde liegenden Vorgang jetzt treffender bezeichnen, der „velocity of purchasing“ (Kaufgeschwindigkeit). Trotz des scheinbar geringen Notenumlaufs an einzelnen Stellen durch die Notgeldausgabe zu viel vom Guten getan wurde, beweist die Äußerung Franz Urbigs, der in einem Vortrag den Missbrauch unter Hinweis auf die ungünstige Einwirkung auf den Devisenmarkt scharf getadelt hat.
Die Verdrängung der Währungseinheit dürfte im Giroverkehr viel weiter gediehen sein als im Bereiche der Bargeldzahlung. Durch die verspäteten Gutschriften der Banken ist der Weg der Giroüberweisung praktisch ungangbar geworden. Bei den gegenwärtig möglichen Devisenkursschwankungen schützt allerdings auch der bestorganisierte Überweisungsverkehr den Empfänger nicht vor Verlusten. In den Richtlinien des Reichsverbandes der deutschen Industrie wird dementsprechend auch erklärt, dass bei Papiermarkzahlungen Schecks als Barzahlung nicht mehr in Frage kommen.
Neben der Reichsmark quillt stets breiter der Strom der „wertbeständigen“ Zahlungsmittel: Devisen und Noten der Edelvalutaländer in legaler oder illegaler Verwendung, Dollarschatzanweisungen vom April dieses Jahres, Goldanleihescheine, Notgeld, Goldgiroüberweisungen, und schließlich sollen nach Pressemeldungen auch die ersten Rentenmarkscheine gesichtet worden sein. Während die aus importierten Rohstoffen hergestellten Waren im Großhandel bereits längst mit Devisen bezahlt werden, beschlossen weitere Geschäftszweige, für die Lieferungen wertbeständige Reichsanleihen in Empfang zu nehmen. So stellten unter anderen der Holzgroßhandel und der Verband deutscher Herrenwäschefabrikanten ihren Zahlungsverkehr auf Dollarschatzanweisungen ein. Einen mächtigen Anstoß erhielt diese Bewegung von der Landwirtschaft her. Durch die Initiative der Reichsgetreidestelle, die Goldanleihescheine den Landwirten einhändigte, die für Steuerzahlungen verwendbar gemacht wurden, rückte die Goldanleihe ins Zentrum des inneren wertbeständigen Verkehrs, mittels welcher die Ernte mobilisiert werden soll. Seit der letzten Oktoberwoche wird Getreide an der Berliner Börse in Goldanleihe notiert. Ihre Verbreitung wird auch durch die Stückelung unterstützt, da sie bereits ursprünglich in Beträgen von 1 und 2 Dollar ausgegeben wurde, während die Dollarschatzanweisung nur in Abschnitten von 5 Dollar und darüber ausgestellt wird. Die jüngste Zahlungsmittelkrise gab Veranlassung, kleine Abschnitte, auch Bruchteile des Dollars, schleunigst in Zirkulation zu bringen. Zu diesem Zwecke wird ein Zuschussbetrag von 200 Mill. Goldmark über die bisher abgesetzten 190 Mill. emittiert (zulässige Gesamtemission 500 Mill.). Nach einer Verfügung des Reichsfinanzministers soll wertbeständiges Notgeld durch Hinterlegung von Devisen und in Goldanleihe einlösbar sein.
2. Das geregelte Übergangsstadium wird erreicht, wenn die Rentenbankscheine in die Verkehrskanäle eingezogen und der Umlauf von Reichsbanknoten stark abgebaut wird. Auch die Minderung des Umlaufes von Goldanleihescheinen wird angestrebt. Ab Januar nächsten Jahres werden auf Wunsch der Inhaber die Goldanleihestücke gegen Rentenbankscheine nach dem Nennwerte (1 Goldmark = 1 Rentenmark) eingetauscht. Die Papiermark bleibt gesetzliches Zahlungsmittel, um schwerwiegende juristische Entscheidungen für das Zivilrechtsdokument nicht zu erschweren. Durch eine inoffizielle Gebrauchshandgabe im Verkehrsaufkommen wird die Million als Rechnungseinheit eingeführt. Die kleineren Noten werden durch Ausgabeverkehr verschwinden. Der Ausbruch von Papiermark, die heute praktisch unwechselbar ist, wird durch Einstellung der Schatzanweisungen ein wirksamer Riegel vorgeschoben. Papiermark kann nur noch auf Grund kommerzieller Kredite (mit oder ohne Wertbeständigkeitsklausel) in die Wirtschaft fließen. Demgegenüber steht die Sauberhaltung der Reichsbank von der Schatzwechselbelastung und die Einlösung der auf dieser Grundlage zirkulierenden Noten gegen Rentenbankscheine – in welchem Tempo, ist noch nicht bekannt. Auf diesem Wege werden zunächst Rentenbankscheine in erheblichem Betragen in die Zirkulation gelangen, daneben fortlaufend durch Kreditvergabe der Rentenmarkabteilung der Reichsbank und durch die Zahlungen der öffentlichen Kassen. Andererseits ist den Rentenmarkscheinen ein Abflusskanal gesichert, indem dafür stets 6%ige Goldobligationen zum Nennwerte erhältlich sind.
Die Wertrelation zwischen gesetzlichem Zahlungsmittel und der Rentenmark als dem Gelde mit Kassenkurs wird täglich von der Reichsbank festgesetzt werden müssen. Die unmittelbare Berührung der Rentenmark mit dem Dollar wird sorgfältig vermieden. Das Nebeneinander von Rentenmark einerseits, Goldanleihescheinen und Dollarschatzanweisungen andererseits bleibt bestehen, und damit bleibt die Frage, wie sich die Rentenmark zur Goldmark und zum Dollar verhält, dauernd akut. Der Reichsverband der deutschen Industrie hat den Beschluss gefasst, dass die Rentenmark zunächst zum Goldnennwert angenommen wird. Die Relation von Rentenmark und Goldmark wird offenbar der Prüfstein der ganzen Übergangsregelung sein; von dieser hängt auch in erster Linie das Schicksal des in der Rentenbankverordnung niedergelegten Programms ab. Einen finanziellen Sanierungsprozess geordneter Bedeutung bilden daneben die Goldanleihe und die Kursdisparitäten der Dollarschatzanweisungen. Die Dollarschatzanweisung hielt sich bis zur Einheitskursverordnung um einige Prozent über dem Kurs der Goldanleihe, hauptsächlich wohl aus dem Grunde, weil für die erste die Reichsbank die Bürgschaft übernahm. Seit der Verordnung, die sich auf die Kursfestsetzung für ausländische Zahlungsmittel und Schatzanweisungen bezieht, wurde die Goldanleihe in Frankfurt und Hamburg infolge Stückmangels höher als Dollar und Schatzanweisung notiert.
3. Eine Vorbereitung zur definitiven Währungsregelung stellt die Ermächtigung der Reichsbank zur Errichtung einer Goldabteilung dar. Diese soll auf Goldmark lautende und gegen Gold einlösbare Noten emittieren, die zu einem Drittel mit Gold oder Devisen, zu zwei Dritteln mit Goldwechseln gedeckt werden müssen. Macht die Reichsbank von dieser Ermächtigung Gebrauch, dann wird sie gleichzeitig über eine Papiermark-, eine Rentenmark- und eine Goldmarkabteilung verfügen. Diese Dreigliederung widerspiegelt nur den komplizierten Aufbau des deutschen Geldwesens während der Übergangsperiode.
Georg Kemeny