Hamburg, den 27. November 1928.
Von sachkundiger Seite wird uns geschrieben:
Das Kreditabkommen, welches die Reichsbahn durch die Deutsche Verkehrskreditbank A.-G. mit einer Gruppe von Londoner Bankiers abgeschlossen hat, und über das so viele, zum Teil widersprechende Nachrichten durch die Tagespresse gegangen sind, soll in den folgenden Darlegungen mit dem Auge eines Kaufmannes, insbesondere dem Auge eines Hamburger Kaufmannes, betrachtet werden. Die Einzelheiten des Abkommens dürfen als bekannt vorausgesetzt werden. Es handelt sich darum, für den Bedarf der Reichsbahn in den nächsten Monaten einen Kredit zu erhalten, da die Reichsbahn mit inländischen Kohlen nicht genügend versorgt werden konnte und nicht genügend ausländische Zahlungsmittel zu beschaffen vermochte, um die benötigten englischen Kohlen zu bezahlen.
Für diese Kredite sollten besondere Sicherheiten gegeben werden, und zwar:
- Zahlungsverpflichtung der Reichsbahn,
- Hypothek auf Kohlenvorräte, welche der Bahn gehören,
- Garantie des Kohlesyndikates, seine eingehenden Devisen zur Verfügung zu stellen,
- Eine Verpflichtung der Devisenbeschaffungsstelle, Devisen von ungefähr monatlich 300.000 £ zu liefern,
- Eine Garantie von führenden Industriellen, Reedereien, Versicherungsgesellschaften und Handelsfirmen aus ganz Deutschland,
- Die Verpflichtung von sechs führenden deutschen Banken, ihrerseits wiederum die Garantie für die unter 5 genannten Garanten zu übernehmen.
Die Frage, ob es überhaupt nötig war, in dieser Weise auf englische Kohlen zurückzugreifen und ob nicht die Möglichkeit vorhanden war, den Bedarf durch die inländische Produktion, wenn auch notdürftig, zu decken, kann bei der vorliegenden Betrachtung ganz ausgeschlossen werden. Es ist hierüber eine Interpellation beim Reichstag angemeldet. Man wird also darüber in nächster Zeit hören. Im Übrigen ist wohl anzunehmen, dass die Bahn ganz ohne englische Kohlen nicht auskommen kann, denn Schlesien kann nicht den ganzen Bedarf liefern, die Lieferungsmöglichkeiten von Rhein und Ruhr sind zu unbestimmt, und die übrige deutsche Produktion könnte größtenteils nur Brennstoffe liefern, welche für die Bahn schlecht geeignet und daher unrentabel sind. Das gewaltsame Heranziehen von ungeeigneten Brennstoffen hat Betriebsstörungen und Heizraumstörungen stets in weitestem Umfange zur Folge.
Dass die Kohlen infolge der Aufnahme eines Kredites durch die verschiedenen dabei mitwirkenden Mittelspersonen, durch die Garantien und durch Zinsen verteuert werden, steht außer allem Zweifel. Die Reichsbahn ist aber augenscheinlich der Meinung gewesen, dass nur dieses Kreditabkommen ihr den Bezug der benötigten englischen Kohlen ermöglichen könnte, und wenn dem so war, so kommt es im Wesentlichen nur darauf an, inwieweit ein Teil dieser Unkosten sich bei anderer Behandlung der Sache hätte vermeiden lassen, jedenfalls ist die auf diese Weise entstandene Extrabelastung gering gegen die Verteuerung der Kohlen, welche entstanden sind dadurch, dass der Markt in unverständlicher und ungeschickter Weise beeinflusst worden ist.
Vor fast 1 ½ Monaten sind die Verhandlungen in London eingeleitet worden. Es war von Anfang an ein Kredit in Aussicht genommen von 4.000.000 £. Davon sollten 1.000.000 £ gegen alte Schulden der Bahn benutzt werden und 3.000.000 £ sollten zum Einkauf von 2.000.000 Tonnen englischer Kohlen dienen; nach einer anderen Version sollten sogar 2.500.000 Tonnen englischer Kohlen gekauft werden. Diese Nachricht ging sofort durch die englische Presse, und es liegt ohne weiteres klar auf der Hand für jeden, der sich auch nur einmal vorübergehend mit dem englischen Kohlenmarkt befasst hat, dass die Bekanntgabe des beabsichtigten, derart gewichtigen Einkaufes den Markt sofort befestigen muss. Jeder Grubenbesitzer, jeder Exporteur, jedermann, der in England größere Kohlenkontrakte in Hand hatte, wusste also seit langen Wochen, dass ein Einkauf von 2.000.000 Tonnen gemacht werden sollte, und dieses beeinflusste natürlich sofort den ganzen englischen Kohlenmarkt.
Dem auf diese Weise ungeschickt angekündigten Einkauf von 2.000.000 Tonnen gegenüber sind nun nach langen Wochen, wie aus den letzten Nachrichten hervorgeht, 400.000–600.000 Tonnen zum Abschluss gelangt. Ohne die vorherige Ankündigung des größeren Quantums hätte man diese Kohlen weit billiger kaufen können, und so ist nicht nur der deutsche Steuerzahler in empfindlicher Weise dadurch benachteiligt worden, dass die Bahn höhere Preise bezahlen muss, sondern auch jeder Verbraucher in Deutschland, der inzwischen englische Kohlen in dem befestigten Markt hat kaufen müssen.
Diese Art der Behandlung wiederspricht jedem kaufmännischen Gefühl. Man musste sich von vornherein sagen, dass man durch ein derartiges Vorgehen unnötigerweise auf den Markt einwirkt. Der kaufmännisch vorgehende Einkäufer würde unbedingt den umgekehrten Weg beschreiten. Er würde nach kleineren Teilmengen anfragen und würde dann allmählich am Markt die Gesamtmenge günstig decken. In unserem Falle heißt dieses, dass man zunächst die Sache hätte einleiten sollen durch die Einziehung der Garantien der unter Nr. 5 oben angeführten Sicherheiten, denn es ist jetzt bekannt geworden, dass der Plan nur dadurch in ganzer Auswirkung nicht zustande gekommen ist, dass die Garantien unter Nr. 5 nur in der Höhe von ungefähr 1.000.000 t eingelaufen sind. Alsdann würde man von vornherein nicht von einem Einkauf von 2 oder 2½ Mill. tons gesprochen haben, sondern von einigen 100.000 tons, und der Hauptschaden wäre vermieden worden.
Sodann berührt es sonderbar, dass – wenn man derartige gewichtige Garantien aufbringen will: Garantien von Industrie und Handel, Doppelgarantie von führenden deutschen Banken, Verpflichtung der Lieferung von Devisen und Verpfändung von Kohlenfeldern – man nicht auf Grund dieser Sicherheiten wenigstens zunächst versucht hat, die Kohlen durch die führenden Einfuhrfirmen auf Grund deren guten Verbindungen zu erhalten, sondern dass man geflissentlich den gesamten Handel beiseitegeschoben hat, um den Einkauf einer Firma in die Hand zu geben. Dass hierdurch keine Verbilligung irgendwelcher Art eintreten kann, ist für den Eingeweihten vollkommen klar, denn diese eine deutsche Firma kauft die Kohlen auch wieder durch ihre Verbindung in England ein, und diese englische Verbindung wird auch wieder sehen, die Kohlen da zu bekommen, wo sie gerade günstig zu haben sind. Sie wird also auch wieder in diesem Falle von anderen englischen Firmen kaufen. Die Ausschaltung von Zwischengliedern, die sehr oft in Verkennung der wirklichen Sachlage als Hauptzweck heutigen Tages in den Vordergrund gerückt wird, ist doch nicht eingetreten.
Die Handelskammer Hamburg hat in der Angelegenheit an den Reichsverkehrsminister ein Schreiben gerichtet, welches sie in ihren Mitteilungen vom 17. November veröffentlicht hat. Da sich die Ausführungen der Handelskammer vollständig mit der allgemeinen Ansicht des Handels decken, so sei es erlaubt, diese Ausführungen, wenigstens im Auszug, hier anzuführen. Eine Wiedergabe des ganzen Berichtes der Handelskammer würde nur zu Wiederholungen führen und diesen Artikel unnötig verlängern. Die Handelskammer schreibt wie folgt:
„Auf das e. Schreiben vom 25. Oktober – E. VI. U1 Nr. 9080 – beehrt sich die Handelskammer zu erwidern, dass sie dem dortigen Wunsch, die hiesigen Reedereien, Handels- und Industriefirmen zu gewinnen, für die Einhaltung der Verpflichtungen aus den Kohlenlieferungsverträgen zwischen der Firma J. Henry Schröder & Co., London, und der Verkehrskreditbank die Garantie zu übernehmen, gern nachgekommen ist. …
Nach Ansicht der Handelskammer würde es sich empfehlen, an Stelle des Abschlusses eines Kreditabkommens die Einfuhr der englischen Kohle durch die großen Kohlenimportfirmen vorzunehmen. Nach Ansicht der Handelskammer würden diese weit billiger in der Lage sein, die erforderlichen Kredite der Eisenbahn zu beschaffen.
Soweit die englische Seite in Frage kommt, beläuft sich der Kommissions- und Zinssatz auf mindestens 12 %. Hinzukommt noch die Provision für die Verkehrskreditbank und die Ausfallsgaranten, von denen anzunehmen ist, dass sie die Garantie nicht wie die Erstgaranten unentgeltlich übernehmen werden. … Da das Kreditabkommen den Anschein erweckt, als ob die Kohlenimporteure umgangen werden sollten, besteht in den Hamburger Wirtschaftskreisen leider wenig Neigung zur Übernahme von Garantien, weil sie nicht dazu beitragen wollen, dass ein wichtiger und alteingesessener Hamburger Geschäftszweig ausgeschaltet wird. Im Falle der Einfuhr durch deutsche Kohlenimporteure würde sich auch die Heranziehung der deutschen Schifffahrt in weit größerem Umfange, als es jetzt der Fall sein dürfte, ermöglichen lassen.
Der politischen Bedeutung des Abkommens, die nach Mitteilung des Herrn Referenten dort hoch eingeschätzt wird, kann die Handelskammer kein besonderes Gewicht beimessen, da es sich nicht um einen dem Reich oder dem Reichsverkehrsministerium unmittelbar, sondern um einen der Verkehrskreditbank unter Garantieübernahme seitens fast des gesamten deutschen Wirtschaftslebens bewilligten Kredit handelt. Es ist daraus im Gegenteil ein Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Reiches zu entnehmen, denn während den Hamburger Importfirmen aller Handelszweige vom Ausland ein erheblicher Kredit ohne Garantien eingeräumt wird, wird im vorliegenden Falle die Beibringung besonderer Bürgschaften gefordert, was in Zukunft auch für den deutschen Handel von unbequemen Folgen sein kann, da an ihn das gleiche Ersuchen um Herbeiführung von Garantien gestellt werden könnte. Die Handelskammer gibt daher ergebenst anheim, nochmals zu prüfen, ob nicht die beabsichtigte Einfuhr ganz oder doch zum größten Teil durch die bekannten Kohlenimportfirmen vorgenommen werden kann.“
Soweit die Handelskammer. Es liegt noch ein anderer Grund vor, weshalb die Berliner Ministerien die moralische Verpflichtung gehabt hätten, nicht die Importeure beiseite zu schieben, sondern den Versuch hätten unternehmen müssen, unter Heranziehung aller zuverlässigen und für diese Art des Imports in Betracht kommenden Firmen den Einkauf vorzunehmen. Es muss daran erinnert werden, dass bei Beginn des Ruhreinfalles vom Reichskohlenkommissar an die Importeure die Aufforderung gerichtet wurde, möglichst viele Kohlen zu importieren und dazu ihre ganze Macht und ihre Verbindungen zu benutzen, um bei dem Ausfall der Ruhrkohlen die deutsche Wirtschaft vor dem Erliegen zu bewahren. Seitens des Wirtschaftsministeriums wurde damals sogar beabsichtigt, einen festen Bestand von 4–500.000 tons in englischer Kohle zu schaffen. Diese Bestandschaffung sollte auch möglichst in eine Hand gelegt werden, und zwar in die Hand des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikates. Die Gesamtheit der deutschen Kohlenimporteure hat damals angeboten, diese Reserven aufzubringen, ohne dass das Reich einen Pfennig dafür auslegen brauchte, welcher Vorschlag damals vom Reichswirtschaftsminister angenommen wurde. Die Reserveläger sind dann wirklich von den Importeuren geschaffen worden. Wie richtig es war, hierfür Reichsmittel nicht zu verschwenden, zeigte sich sehr bald, denn schon nach wenigen Wochen wurde den Importeuren mitgeteilt, dass nur ein Teil der Reserven noch nötig wäre, und bald darauf, dass die Reserven ganz abgebaut werden könnten. Abrufe gegen die Reserveläger sind überhaupt nicht erfolgt. Der Handel konnte sehen, wie er die Lager los wurde, und den Verlust hat der Handel allein getragen. Durch die Bekanntgabe der Notlage Deutschlands und durch die öffentlichen Mitteilungen, welche durch die Presse gingen, dass in weitem Umfange Reserveläger geschaffen werden sollten, hat damals Deutschland in erster Linie selbst mit dazu beigetragen, die Preise unnötig zu befestigen, und aus dem heutigen Ergebnis sieht man, dass man durch den damaligen Schaden nicht klüger geworden ist und dass derselbe Fehler, wenn auch in etwas anderer Form, wiederum gemacht worden ist.
Es ist gewiß erfreulich, daß in den Kreisen der englischen Bankiers noch ein gewisses Vertrauen zu Deutschland besteht, zum mindesten ein Vertrauen zu den Garantien von deutscher Industrie, deutschem Handel und deutschen Banken, aber es ist abwegig, dieses Vertrauen in der maßlosen Weise zu überschütten, wie es jetzt in der Tagespresse geschieht. Die deutschen Importeure haben das Vertrauen des englischen Handels verloren, sie würden sonst nicht imstande gewesen sein, den Import von englischen Kohlen in dem großen Umfange, wie er für Deutschland nötig war, durchzuführen. Und dass es sich um Vertrauen handelt, um Kredite handelt, die der Importhandel in Gestalt von Lieferungen und in Gestalt von großen Kontrakten tatsächlich von englischer Seite erhalten hat, ist jedem Kaufmann ohne weiteres geläufig.
Durch die Tagespresse ist eine große Reihe von Artikeln gegangen, welche augenscheinlich mit der Absicht geschrieben worden sind, das Kreditabkommen als eine große Tat und als einen großen Fortschritt zu verherrlichen. Man könnte diese Artikel auf sich beruhen lassen, wenn nicht darin auch gleichzeitig Anwürfe gegen die Importeure im Allgemeinen enthalten wären. Erstens sollen sich die Importeure dadurch missliebig gemacht haben, dass sie Zahlung gegen die gemachten Lieferungen verlangt haben zu einer Zeit, als die Reichsbahn nicht zahlen konnte; zweitens soll die Reichsbahn Ursache gehabt haben, über die Qualität der gelieferten Kohlen teilweise zu klagen; drittens soll der Einkauf dadurch verteuert sein, dass die Importeure erst wieder durch andere Firmen in England gekauft haben und nicht direkt von den Gruben. Auch soll teilweise die Qualität der Firmen, durch deren Hand die Kohlen in England gegangen sind, zu wünschen übrig gelassen haben.
Alle diese Vorwürfe fallen in nichts zusammen. Für den Verbraucher kommt es nur darauf an, dass er die richtigen Kohlen, Kohlen in guter Qualität und zu billigen Preisen bekommt und dass sein Kontrahent, d. h. die letzte Hand, zuverlässig und vertrauenswürdig ist. Es ist wirklich naiv, dem Kaufmann vorzuwerfen, dass er besteht auf Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung, wenn er seinerseits der Verpflichtung zur Lieferung nachgekommen ist. Man muss den Spieß umdrehen: Man muss der Reichsbahn den großen Vorwurf machen, dass sie große Kontrakte getätigt hat und die Verpflichtung der sofortigen Zahlung eingegangen ist, sich dabei aber nicht vergewissert hatte über die rechtzeitige Beschaffung der Devisen. Den Importeuren konnte es natürlich nicht möglich sein, nun plötzlich sich die enormen Kredite zu verschaffen, denn die Importeure haben, obgleich ihnen Vertrauen und Kredite zur Verfügung stehen, als richtige Kaufleute stets darauf gesehen, ihren Zahlungsverpflichtungen in England unbedingt rechtzeitig, und sehr rechtzeitig, nachzukommen. Nur dadurch werden letzten Endes Vertrauen und Kredit aufrechterhalten und gestärkt.
Wenn die Reichsbahn über die Behandlung von Seiten der bisherigen Lieferanten teilweise Ursache zur Klage gehabt hat, so liegt das nur daran, dass sie teils in der Wahl der Lieferanten nicht vorsichtig genug gewesen ist, teils nicht genügend Sachkenntnis über englische Kohlen und den englischen Kohlenhandel im Allgemeinen gehabt hat bzw. haben konnte. Und dann hat sie es auch nicht für der Mühe wert gehalten, sich bei einer so wichtigen Angelegenheit bei den Stellen zu informieren, die sicher imstande gewesen wären, jede gewünschte Auskunft zu geben. So hätte sicher der Kohlenkommissar, Abteilung Einfuhr, eine Übersicht über die in Betracht kommenden Importfirmen der Bahn zur Verfügung stellen können. So besteht, wie der Staatsbahn bekannt war, eine Organisation der Hamburger Kohlenimportfirmen – und über Hamburg ist früher hauptsächlich der Import englischer Kohlen gekommen – in Gestalt des Vereins der Importeure englischer Kohlen zu Hamburg, und dieser Verein hätte im allgemeinen Interesse und natürlich auch im Interesse seiner Mitglieder und anderer deutscher Importeure jede zweckdienliche Auskunft gegeben.
So hätte man sich bei den nordischen Ländern erkundigen können, z. B. in Schweden, denn es musste der Reichsbahn bekannt sein, dass die nordischen Bahnen fast ausschließlich Kohlen verfeuern, die aus England stammen, und durch jahrzehntelange Praxis wissen diese Bahnen, welche Kohlensorten passend sind und wie man solche zweckmäßig und günstig einkauft. Die nordischen Bahnen gehen bekannt, wenn sie Offerten zu haben wünschen. Sie fordern die ihnen als vertrauenswürdig bekannten Firmen auf, ihnen Offerten zu machen. Es ist keine unbedingte Submission über die Konkurrenz, das freie Spiel der Kräfte ist tätig und die Bahnen erhalten infolgedessen günstige Angebote. Sie wählen davon aus und behalten sich natürlich vor, beliebige Mengen unterhalb der Angebote zu akzeptieren oder auch zurzeit nicht einzukaufen, wenn ihnen die Preise nicht genehm erscheinen. Auf diese Weise kann man für verhältnismäßig kleine Mengen Aufträge und doch, ohne den Markt zu beunruhigen, von verschiedenen Seiten insgesamt große Mengen einkaufen.
Die Reichsbahn ist bis jetzt gerade entgegengesetzt verfahren. Es ist nicht bekannt, ob sie die Firmen, welche die Lieferung bisher gemacht haben, zu einem Angebot aufgefordert hat; es ist möglich, dass sie nur stets von den Firmen gekauft hat, die freiwillig ohne Aufforderung an die Bahn herangetreten sind. Jedenfalls steht fest, dass eine ganze Reihe von erstklassigen führenden Firmen niemals von der Reichsbahn aufgefordert worden ist, Angebote zu machen, und daher scheint es, als wenn die Reichsbahn, seitdem sie zu englischen Kohlen ihre Zuflucht hat nehmen müssen, nicht alles und nicht das Zweckmäßige getan hat, um die richtige Qualität zum billigsten Preis zu kaufen.
Die unnötige Beunruhigung und Beeinflussung des englischen Marktes, die schon oben wiederholt erwähnt worden ist, wurde auch bei der bisherigen Art des Einkaufes der Bahn nie vermieden, denn sobald die Bahn im Markt war, gingen sofort Benachrichtigungen durch die englische Presse, und da jede offizielle Grundlage der Reichsbahn fehlte, welche Angebote und welche Mengen sie zu haben wünschte, so wurden durch diese Geheimhaltung natürlich die Nachrichten arg entstellt, die benötigten Mengen wurden übertrieben, und der Schaden nicht nur für die Reichsbahn, sondern für die Gesamtheit der deutschen Verbraucher war angerichtet.
Nicht direkt zur Sache gehörig, aber als bezeichnende Tatsache mag erwähnt werden, dass die Reichsbahn ihre Lieferanten von englischen Kohlen gezwungen hat, die besonderen Bedingungen der Reichsbahn anzuerkennen und dass in diesen Bedingungen die allgemein übliche und vom Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat für Lieferungen in deutschen Kohlen natürlich auch zugrunde gelegte Streikklausel ausgeschaltet worden ist. Ja, die Reichsbahn ist noch einen Schritt weitergegangen. Sie hat in ihren Lieferungsbestimmungen ausdrücklich erwähnt, dass die Verkaufsbedingungen des Vereins der Importeure englischer Kohlen zu Hamburg nicht gültig sind und hat dieses getan, ohne auch nur diesem Verein vorher ein Wort über diese Bedingungen zu gönnen. Die Verkaufsbedingungen des Vereins der Importeure bestehen mit unwesentlichen Änderungen seit über 25 Jahren, sind von sämtlichen Verbrauchern, auch von den Behörden, stets als berechtigt anerkannt worden und haben seit Jahrzehnten niemals Anlass zu Einwendungen gegeben. Es ist daher unverständlich, wie gerade die Reichsbahn zu einer anderen Ansicht gelangen konnte.
An der Tatsache des Kreditabkommens ist heute nichts mehr zu ändern, auch nichts an der Tatsache, dass der Handel im Allgemeinen ausgeschlossen ist und dass man es für richtig gehalten hat, einer einzelnen Firma und deren englischen Verbindungen den Alleineinkauf zu übergeben. Man muss jedoch die Hoffnung nicht aufgeben, dass bei den maßgebenden Stellen in Berlin mit der Zeit eine bessere Einsicht Platz greift und dass in Zukunft schwere Fehler vermieden werden, denn wir können es uns wirklich in Deutschland nicht leisten, dass unsere Wirtschaft durch derartige falsche Maßnahmen ungünstig beeinflusst wird.