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Der Kampf um das Erdöl ist heute nicht in erster Linie ein wirtschaftlicher, sondern ein politischer, bei dem der „Militarismus" im Hintergrund steht. Er spielt sich vor allem zwischen Großbritannien und den U.S.A. ab, welche letzteres jetzt auch erkannt haben, daß zur Sicherung ihrer militärischen Stellung in Ostasien der große Petroleumbesitz im eigenen Kontinent nicht genügt, sondern daß es darauf ankommt, an möglichst verschiedenen Punkten Ölquellen und Ölstations zur Verfügung zu haben. Auch Frankreich meldet jetzt Ansprüche an. So steht das Petroleum heute im Mittelpunkt aller imperialistischen, machtpolitischen Bestrebungen, die bei den Siegerstaaten noch viel schärfere und rücksichtslosere Formen angenommen haben als vor dem Weltkriege. Die Großmächte sind eingedenk des Worts eines englischen Ministers, der behauptete, daß das Petroleum den Weltkrieg gewonnen habe. So ist der Kampf um das Erdöl immer schärfer geworden, und wenn die Gegensätze in einem Punkte ausgeglichen wurden, finden sie an einem anderen neue Nahrung.

Die Vereinigten Staaten suchten dabei auf diesem Gebiete die Politik der offenen Tür zu vertreten, von der sie freilich auf anderen Gebieten nichts wissen wollen. Amerika kontrolliert noch zirka 75% der Weltproduktion und produziert noch zirka 75% seines Bedarfs im Inlande. Die riesige Zunahme des Verbrauchs, der zwanzigmal so groß ist wie derjenige Englands, führte aber dazu, daß jetzt ein Viertel eingeführt werden muß der größte Teil aus Mexiko. Da aber die Ergiebigkeit der amerikanischen Quellen zurückgeht und bei einer weiteren Steigerung des Verbrauchs im gegenwärtigen Umfange mit einer Erschöpfung der amerikanischen Lager in etwa 30 Jahren gerechnet werden muß, hielt Amerika die Sicherstellung seiner künftigen Erdölversorgung für bedroht und suchte nun in allen anderen Weltgegenden weitere Erdölquellen in seinen Besitz zu bringen.

Dabei stieß es auf ähnliche Bestrebungen seitens Großbritanniens, das schon früher die Bedeutung des Petroleums, insbesondere auch in militärischer Hinsicht, erkannt hatte. Waren schon vor dem Kriege auf dieser Grundlage mancherlei Reibungsflächen vorhanden, so verstärkten sie sich nach dem Friedensschluß. Die Vereinigten Staaten warfen Großbritannien vor, daß dieses die Politik der offenen Tür nicht nur im eigenen Lande, sondern auch in dritten Ländern verhindere und sich überall ausschließliche Berechtigungen zu verschaffen trachte.

Richtig ist, daß die U.S. englisch-holländisches Kapital im eigenen Lande in großem Umfange zugelassen haben. Aber sie haben auch erst während des Krieges im Zusammenhang mit dem Ausbau ihrer Handels- und Kriegsflotte die Bedeutung von Stützpunkten für die Erdölversorgung in anderen Ländern erkannt. Seitdem erst unterstützt die amerikanische Regierung die Standard-Oil-Gruppe in ihren Bestrebungen. Damit wuchs aber auch der Gegensatz gegenüber England.

Wenn der englische Vorsitzende des interalliierten Petroleumrats demgegenüber behauptet hat, „die britische Erdölpolitik sei in erster Linie darauf gerichtet, alle gesetzlichen Vorkriegsrechte in den Territorien, die unter britische Herrschaft gekommen sind, anzuerkennen und keinerlei Interessen zu schädigen, nur weil sie von Ausländern vertreten werden", so ist diese Behauptung angesichts des Vorgehens gegen die deutschen Konzessionen in Rumänien, der Türkei und Mesopotamien unverständlich. Es wird hier mit denselben unwahren Methoden gearbeitet, mit denen die Alliierten den Weltkrieg entfesselten.

England betont seinerseits, daß es nur 2½% der Weltproduktion (mit Persien 4½%) in seinem eigenen Machtbereich gewinne. Tatsächlich aber hat es zusammen mit dem Königl. Niederländischen Shell-Konzern schon 1918 56% der Weltproduktion unter seiner Kontrolle gehabt. Seitdem ist aber die Konkurrenz mit den Amerikanern immer schärfer geworden. Englands Einfluß überwiegt in Venezuela, wo aber auch die Standard Oil Co. interessiert ist. Auch in Argentinien hat namentlich die Anglo-Persian Co. einen Vorsprung; in Nordargentinien ist aber auch die Standard Oil Co. mit aussichtsreichen Bohrungen beschäftigt. Hier hat auch die I.P.U. (Dea) Konzessionen erworben, und auch von Stinnes wird dasselbe berichtet. Die Dea besitzt die zurzeit größte argentinische Produktionsunternehmung La Astra. Bolivien ist ganz in der Hand der Standard Oil Co., und dasselbe gilt für Peru; auch in Kolumbien überwiegen amerikanische Interessen; in Kanada konkurrieren alle drei Konzerne, ebenso, wie schon gesagt, in Rußland.

Über die viel verschlungenen Erdölkämpfe kann hier natürlich nur das Wichtigste gesagt werden. Sehr scharf gerieten die englischen und amerikanischen Interessen in Niederländisch-Indien aufeinander und führten zu politischen Reibereien, die für den Charakter der heutigen Weltpolitik der Großmächte und ihr Verhalten kleineren Staaten gegenüber typisch sind. Im Djambidistrikt auf Sumatra wollte die holländische Regierung zusammen mit der Königlich Niederländischen Gesellschaft, die dort große Konzessionen hatte, die Ausbeute durch eine gemeinsame Gesellschaft betreiben, an der nur holländische Untertanen beteiligt sein sollten. Dagegen richtete sich in Holland selbst Widerspruch seitens der zahlreichen prinzipiellen Gegner des Staatsbetriebes.

Schon vor der Beratung in der II. Kammer aber hatte die Standard Oil Co. mehrfach bei der holländischen Regierung den Antrag gestellt, sie bei der Ausbeutung der Djambiölfelder zu beteiligen. Dies vor allem mit dem Hinweis darauf, daß holländische Unternehmungen auch in den U.S. produzierten. Während der Beratung des Gesetzes erhielt Holland von den U.St. eine offizielle Note, in der Gleichberechtigung für das amerikanische Kapital verlangt wurde. Amerika drohte mit Repressalien und die Königlich Niederländische Gesellschaft musste für ihre amerikanischen Unternehmungen fürchten. Nichtsdestoweniger gelang es England, das Eindringen der Amerikaner in Ostasien zu verhindern. Im Mai 1921 erhielt die Königlich Niederländische Gesellschaft die alleinige Konzession bei einer Gewinnbeteiligung des Staates bis zu 70 %. Die holländische Regierung erklärte sich nur bereit, für die noch vorhandenen Ölfelder auf Sumatra und Borneo mit anderen Unternehmungen ähnliche Verträge abzuschließen. Auch Japan hatte sich übrigens während der Verhandlungen gemeldet, das ebenso wie Amerika gerne Ölstations in Ostasien haben möchte. Tatsächlich hat inzwischen der Standard-Oil-Konzern Konzessionen auf Borneo erhalten.

Am schärfsten wurde der Gegensatz zwischen den Großmächten in der Frage der mesopotamischen Ölfelder. Hier hatte schon 1903 die Bagdadbahn für eine Breite von je 20 km auf beiden Seiten der Bahn Konzessionen für Bergbauunternehmungen erhalten. 1914 hatte die britische Regierung Ölkonzessionen in Mesopotamien erhalten, die der Turkish Petroleum Co. übertragen wurden, an der, wie gesagt, auch die Deutsche Bank beteiligt war. Schon während des Weltkrieges 1916 hatten Frankreich und England ein Abkommen über die kleinasiatischen Gebiete getroffen, wonach Frankreich alle britischen Erdölkonzessionen in den ihm zufallenden Gebieten anzuerkennen versprach. Nachdem beide Länder sich 1919 über Rumänien verständigt hatten, kam im April 1920 das Abkommen von San Remo zustande, wonach Frankreich an allen Erdölvorkommen Mesopotamiens eine Beteiligung von 25 % erhielt, dafür aber gewisse Verpflichtungen hinsichtlich des Transports durch sein Einflussgebiet übernahm.

Dieses Abkommen erregte nun die Missstimmung der Amerikaner, die in einer Note an die englische Regierung verlangten, bei allen aus der Beendigung des Krieges sich ergebenden Fragen beteiligt zu werden und auf Grund Art. 22 des Völkerbundsvertrags offene Tür in den Mandatsgebieten verlangten. England erwiderte mit einer ausführlichen Denkschrift, aus der aber das Bestreben deutlich hervorgeht, die mesopotamischen Ölfelder für sich zu monopolisieren. Über die amerikanische Antwort ist nichts bekannt. Aber es scheint, dass Amerika sich in Persien Kompensationen geholt hat.

In Persien glaubte England nach der russischen Revolution keine Rücksicht mehr auf frühere Abmachungen mit Russland nehmen zu brauchen, durch die beide Länder 1907 Persien derart aufgeteilt hatten, dass der Norden von Russland, der Süden von England kontrolliert werden sollte. Ein 1920 mit der von England beeinflussten persischen Regierung vereinbarter Vertrag kam wegen Ausbruch der Revolution in Persien nicht mehr zum Abschluss. Jetzt erschien plötzlich die Standard Oil Co. und verlangte von der neuen persischen Regierung die früheren russischen Konzessionen. Russland protestierte und auch die Anglo-Persian Co. legte Verwahrung ein. Aber das persische Parlament bewilligte den Übergang an den Standard-Oil-Konzern, und so hat sich Amerika doch sehr aussichtsreiche asiatische Gebiete gesichert.

Ende 1921 aber ergaben sich wieder Schwierigkeiten zwischen England und Frankreich wegen des Mossulgebietes, wobei die englische und französische Stellung den Türken gegenüber hineinspielte. Frankreich hatte im November 1921 ein Abkommen mit der Angora-Regierung getroffen, wonach ein Teil der Bagdadbahn in die Verwaltung einer französischen Gesellschaft übergehen sollte mit allen Konzessionen der früheren Bahngesellschaft auf dieser Strecke. England protestierte und die Angelegenheit ist noch in der Schwebe. Frankreich wird sich wohl gegen Konzessionen in diesem Gebiet den englischen Wünschen fügen müssen, da die Herrschaft über die kleinasiatischen Ölfelder für England von der größten Wichtigkeit ist.

Auch auf der Konferenz von Genua im Frühjahr 1922 spielte das Erdöl eine sehr große Rolle. Hier handelte es sich hauptsächlich um den Besitz und Einfluss der großen Konzerne in den russischen Ölgebieten. Jeder hatte mit der Sowjetregierung getrennt verhandelt und jeder glaubte, von dem Konkurrenten übervorteilt zu sein. Tatsächlich aber scheint die Sowjetregierung nur einen gegen den anderen ausgespielt zu haben und bindende Abmachungen sind noch nicht getroffen. Der holländische Konzern hat im Wesentlichen die Rothschildschen Unternehmungen, die Standard Oil Co. diejenigen des Nobelkonzerns erworben. Beide aber und die Anglo-Persian Co. bewerben sich um weitere Konzessionen.

Die kurze Darstellung zeigt, wie heute die Großmächte kraft ihrer militärischen und finanziellen Machtmittel über die Petroleumschätze auch in unabhängigen, nur politisch und wirtschaftlich schwächeren Ländern verfügen und wie dieses wichtige Produkt von anscheinend nur noch beschränkter Vermehrbarkeit in die Hände ganz weniger großkapitalistischer Gesellschaften gerät, die mit ihren Regierungen aufs engste zusammenarbeiten. Dass Deutschland, das an der Entwicklung der osteuropäischen Petroleumindustrie einen so großen Anteil gehabt hat, dabei ausgeschaltet wird, gilt als selbstverständlich.

(Vorabdruck – Auszug – aus einem demnächst in der Neuauflage des "Wörterbuchs der Staatswissenschaften" erscheinenden Artikel „Petroleum“)

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