Die ersten drei Monate dieses Jahres zeigen eine äußerst ungünstige Entwicklung des deutschen Außenhandels. Auf der Einfuhrseite ist vor allem der Posten Rohstoffe, seit Februar aber auch die Einfuhr von Fertigfabrikaten sehr stark gestiegen. Die bedrohliche Passivität der Handelsbilanz ist unverkennbar durch die Lage unserer Industrie veranlasst, welche in manchen Branchen, insbesondere in der Textilindustrie, für das Inland stark beschäftigt ist und deshalb viel Rohstoffe einführt, während auf der anderen Seite die Fabrikatausfuhr wegen zu hoher Preise stockt. Die wachsende Einfuhr von Fertigwaren zeigt, dass die Industrie sogar im eigenen Markt unter der Konkurrenz billiger Auslandswaren zu leiden hat, welche von der schlecht beschäftigten ausländischen Industrie durch die Lücken der Einfuhrkontrolle und des Devisenzuteilungssystems nach Deutschland gebracht werden. Es ist wohl nur der Einwirkung offizieller und privater Kreditaufnahme im Ausland und dem Rückfluss von in der Inflationszeit gehamsterten Devisen und Sorten zur Reichsbank und Golddiskontbank sowie auf den freien Devisenmarkt zu danken, dass uns bisher eine Erschütterung des Kurses der Markwährung infolge der ungünstigen Gestaltung des Außenhandels erspart blieb.
Die Exportlage der Industrie ist so ungünstig, dass in vielen Fällen geradezu mit Verlust ausgeführt wird, lediglich, weil den betreffenden Firmen andere Quellen der Devisenbeschaffung nicht mehr zur Verfügung stehen. Woher rührt nun die Wettbewerbsunfähigkeit der deutschen Industrie gegenüber dem Auslande?
Auch die Erfahrung anderer Industriestaaten, insbesondere der Tschechoslowakei, hat gezeigt, dass eine Industrie durch eine lange Inflationsperiode konkurrenzunfähig dem Ausland gegenüber wird, was sich erst nach Wiederherstellung stabiler Währungsverhältnisse und Aufhören des Valutadumpings geltend macht. Dies gilt auch heute noch für Deutschland. Zwar dürften sich die Löhne, soweit dieselben am Schluss der Inflationsperiode über das Weltmarktniveau hinausgeschossen waren, in den meisten Fällen absolut und relativ gesenkt haben. In den wichtigeren Rohstoff- und Halbzeugindustrien stehen die Löhne unter dem Weltmarktniveau. Doch ist dies keineswegs in allen Industrien der Fall, insbesondere nicht überall in der Textilindustrie. Außerdem wird nach Ansicht solcher Beobachter, die einen verhältnismäßig großen Überblick haben, die Niedrigkeit der Lohnsätze durch schlechte Ausnutzung der Arbeitskraft (infolge schlechter Betriebsorganisation, Kurzarbeit, schematischer Kürzung der Arbeitszeit, Minderleistung, besonders der Ungelernten) ausgeglichen, so dass „einem Lohnminus je Kopf ein Lohnplus je Stück entspricht“ („Frankf. Zeitung“).
Sicherlich wirkt die Inflation insofern nach, als sich die Industrie noch keineswegs überall zu den Grundsätzen scharfer Kalkulation zurückgefunden hat. Seit nahezu zehn Jahren ist die deutsche Wirtschaft der Heranübung mit dem Pfennig entwöhnt worden und nunmehr fehlt, namentlich bei der jüngeren Generation, nicht allein die entsprechende geistige Einstellung, es fehlt auch vielfach die objektive Möglichkeit ganz scharfen Kalkulierens, unter anderem, weil der Industrie noch die aus längerer Praxis und scharfer rechnerischer und statistischer Betriebsbeobachtung zu gewinnenden Daten fehlen, welche die Voraussetzung exakter Kalkulation sind. Die entsprechenden Daten der Vorkriegszeit sind in der Regel nicht mehr verwendbar, weil sich überall die Betriebsorganisation, das Verhältnis von Sachaufwand und Arbeitsaufwand, die Rohstoffpreise und die Löhne, die Technik und anderes mehr verschoben haben. So tappt die Industrie hinsichtlich der richtigen Preisgestaltung noch vielfach im Dunkeln und berechnet besonders allgemeine Unkosten zu reichlich. Dazu kommen die noch immer nicht überall abgeschafften Risikoprämien für Geldentwertung, die in einer Periode langdauernder Stabilisierung keine Berechtigung haben. Man kann derartige Risikozuschläge bei andauernder Stabilisierung nicht beibehalten. Die Industrie muss sich von dem Gedanken frei machen, schon vor Eintritt einer neuen Währungsverschlechterung sich gegen die Folgen derselben sichern zu wollen. Dieses Streben ruft durch den ungünstigen Einfluss der Preissteigerung und Hemmung der Exportfähigkeit der Industrieprodukte auf die Handelsbilanz und Zahlungsbilanz geradezu die Gefahr der Währungsverschlechterung herbei, vor der man sich schützen möchte.
Die scharfe Kalkulation der Industrie wird vielfach weiter beeinträchtigt durch den verwöhnenden Einfluss, der vom inneren Markt ausgeht, welcher noch keineswegs überall die inflationistische Denkweise überwunden hat, dem die Ware um jeden Preis lieber ist als das Geld, und welcher daher den Preisforderungen der Industrie und des Handels gegenüber zu nachgiebig ist.
Zu diesem, aus der Inflations¬epoche nachwirkenden, preissteigernden Momenten kommen aber eine Reihe besonderer Ursachen, welche man zum Teil freilich auch in die Rubrik: Einfluss inflationistischen Denkens, einordnen könnte. In dem Maß, in welchem die Gestaltung der Transportpreise, die für manche Güter das Friedensniveau überschritten haben, das Ansteigen der Löhne auf den Weltmarktstand, die Notwendigkeit, die Anlagen entsprechend dem Goldwert der Neubeschaffung zu amortisieren, die deutschen Kalkulationen auf eine normale Basis bringt, macht sich die Belastung durch den Versailler Vertrag und seine Folgen mehr und mehr fühlbar. Man hat berechnet, dass die Micumverträge die Produktion einer Tonne Kohlen mit 7 M belasten. Trotz der im Verhältnis zum Ausland niederen Löhne im Bergbau und großer Zuschüsse der Werke, die auf die Dauer nicht erträglich sind, musste dies den Preis für Kohle und Eisen an und über den Weltmarktpreis treiben. Die Last muss mit der Zeit auf die Verbraucher und die Kohle- und Eisen verarbeitende Industrie weitergewälzt werden. Dies ist erleichtert durch die Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit der freien Auslandskonkurrenz. Soweit die Devisenbeschaffung privatwirtschaftlich überhaupt möglich und die Einfuhr erlaubt ist, wirkt die Devisenrationierung mit ihren hohen Spesen der Bardekung wie ein Schutzzoll. So hat die Eisen verarbeitende Industrie Deutschlands, die an der Spitze unserer Exportindustrie steht, nicht allein mit großen Schwierigkeiten und Kosten einen großen Teil ihres Rohmaterialbedarfs vom Ausland hereinzuholen, auch für den Teil ihrer Rohstoffe, die sie unter den heutigen Verhältnissen noch aus Deutschland beziehen kann, muss sie hohe Preise anlegen. Für die Industrie des besetzten Gebietes treten als besondere Erschwerung der Lage die Belastung mit unentgeltlichen Sachlieferungen und Ausfuhrabgaben hinzu, welche von den Besatzungsmächten erhoben werden. Ähnlich leidet die Textilindustrie unter hohen Preisen ihres Rohstoffs und Halbzeugs. Die Textilrohstoffe sind zurzeit sehr teuer und die deutsche Industrie hat die günstige Einkaufsgelegenheit im vorigen Jahre aus Mangel an Kaufkraft nicht wahrnehmen können. Der teure Rohstoff wird in der Weiterverarbeitung noch mehr in die Höhe getrieben.
Die Spinnereien können von dem tatsächlichen Monopol, welches ihnen das gegenwärtige System der Devisenrationierung und Einfuhrregelung gibt, einen sehr weitgehenden Gebrauch in der Gestaltung ihrer Preise machen, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit der Webereien dem Ausland gegenüber beeinträchtigt wird. Besonders diejenigen Betriebe, welchen ihre Kapitalsituation eine volle Eindeckung mit Rohstoffen gestattet, sollen sehr beträchtliche Gewinne erzielen. In der Weberei, die teilweise dringender Nachfrage gegenübersteht, erscheinen die Gewinnzuschläge in einzelnen Branchen übrigens ebenfalls übermäßig hoch, und solange die Nachfrage des Inlands bei solchen Preisen anhält, wird man nicht mit Verlust oder doch ohne Gewinn exportieren. Die besonders starke Verteuerung des Eisens und der Gespinste und Gewebe ist für die Exportlage der deutschen Industrie besonders bedenklich, weil sie die exportfähigsten Gewerbe, nämlich die Webereien und Wirkereien und die Konfektion, sowie die mechanische Industrie trifft.
Zu diesen besonderen Belastungen einzelner Branchen tritt nun die allgemeine steuerliche Belastung. Zwar ist diese auch im Auslande hoch, doch wird die deutsche Industrie, welche während der Inflationszeit übermäßig geschont war, im Steuernotbau der Gegenwart durch die ungerechte Verteilung der Steuerlasten zu sehr und zu einseitig belastet. Neben der Einkommensteuer und Gewerbesteuer leidet die Industrie besonders unter der roh wirkenden Umsatzsteuer, welche die vertikal desintegrierten Veredlungsgewerbe mehrfach trifft und Belastungen bis zu 8–10 % und mehr des Wertes der Endware ergibt. Das Schlimmste ist die durchaus ungenügende Versorgung des größten Teils der deutschen Industrie (wie der deutschen Wirtschaft überhaupt) mit flüssigem Kapital und die fehlerhafte Kapitalbeschaffung im Wege des Kredits.
Neuanlagen, wie sie die Flucht in die Sachwerte in den letzten Jahren vielfach hat entstehen lassen, bedeuten nur dann eine Steigerung der Wirtschaftskraft, wenn sie bei entsprechendem Absatz voll ausgenutzt werden können, indem das Betriebskapital für Vollbetrieb vorhanden ist. Die Wirtschaftlichkeit eines Werkes hängt nicht in erster Linie davon ab, dass ein Teil seiner Anlagen modernisiert und erweitert worden ist, sondern davon, dass infolge des richtigen Verhältnisses von festem und flüssigem Kapital, Arbeitskräften und Absatz der ganze Betrieb voll ausgenutzt werden kann. Ohne diese Voraussetzungen haben die schönsten Anlagen zum Teil nicht mehr als Abbruchswert. Nun ist es heute in einzelnen Industriezweigen, auch in solchen, die nicht über Mangel an Aufträgen zu klagen haben, Ausnahme, dass der Betrieb voll läuft. Der schwere Betriebskapitalmangel zwingt zu Stilllegung und Leerlauf eines Teils der Maschinen. Wer die Verhandlungen über die Zusammenlegung der Kriegsindustrie mitgemacht hat, der weiß, welche Unwirtschaftlichkeit und welche außerordentliche Steigerung der Selbstkosten je Wareneinheit hiermit verbunden ist.
Die Art, wie die deutsche Industrie den Mangel an Betriebskapital durch Inanspruchnahme des Kredits auszugleichen sucht, macht das Übel nicht besser, sondern schlimmer. Es ist nur als Folge der Entartung des kaufmännischen Denkens in der Inflationszeit zu verstehen, wenn heute unter Kaufleuten zu Produktionszwecken Kredit zu Zinssätzen von 40–80 % pro anno gegeben und genommen wird. Solange der Betriebskredit noch ganz überwiegend bei der Reichsbank zu relativ niedrigen Zinssätzen genommen werden konnte, belasteten die ungeheuren Bankzinsen die Produkte nur für die Spitzen des Kreditbedarfs. Nach der Einschränkung der Reichsbankkredite ist die Industrie aber in immer größerem Umfange auf den teuren Privatkredit angewiesen. Es ist bei vernünftiger Preisstellung und normalem Gang der Produktion ganz ausgeschlossen, derartige Zinsen herauszuwirtschaften, die schon bei vierteljährlichem Durchlauf des Kapitals durch die Produktion (den man als abnorm kurze Produktionsdauer ansehen kann) die Betriebsspesen und Rohstoffkosten der mit Hilfe geliehenen Kapitals produzierten Waren um 10–20 % erhöhen würden. Um so weniger ist es zu verstehen, wenn auch heute noch manche Unternehmen, sogar sehr bedeutende Firmen, ihre Lage zu verbessern glauben, wenn sie bei stockendem Absatz ihren Kunden mit Stundung des Warenpreises entgegenkommen, wobei wiederum ihr eigenes Kreditbedürfnis erhöht wird.
Das Zerren an der Kapital- und Kreditdecke, wie es in den letzten Monaten stattfindet, vermag die Betriebskapitalversorgung in keiner Weise zu verbessern, im Gegenteil schrecken die offenbar unsicheren Verhältnisse unseres Kreditmarktes das ausländische Kapital von der Investition in Deutschland ab, das uns allein Erleichterung und Entspannung der Lage bringen kann, soweit dieselbe im Wege reichlicher Kreditkapitalversorgung zu erzielen ist. Eine vermehrte Kreditversorgung aus dem Inland ist kaum angängig. Höchstens könnte eine Reform in der Kreditgebarung bei der Reichsbank und bei den Privatbanken und eine Reorganisation der privaten Bankbetriebe zu einer ökonomisch rationelleren Ausnutzung der vorhandenen Kreditkapitalien ohne unnötige Verteuerung des Kredits durch übermäßige Spesen führen, wie ich in einem früheren Aufsatz in dieser Zeitschrift nachzuweisen versucht habe.
Im Interesse der Wiederherstellung unseres Exports ist es jedenfalls dringend zu wünschen, dass die Reichsbank dem Drängen auf neue vermehrte Kreditgewährung widersteht. Die notwendige Reaktion auf die ungesunden Verhältnisse wird nicht geringer und ungefährlicher, wenn die Volkswirtschaft mit stimulierenden Mitteln inflatorischen Kredits noch eine Zeitlang im Gang gehalten wird. Kapitalnot und Kreditnot sind aus den eigenen Kräften der deutschen Wirtschaft nur auf eine Weise zu beheben bzw. zu mildern: nämlich durch Abbau des übergroßen Apparates in Industrie und Handel, in welchem zurzeit unwirtschaftlich große Kapitalien festgelegt sind und ein großer unproduktiver Menschen- und Materialverbrauch stattfindet, und durch rationelle Verwendung des begrenzten Vorrats an Betriebskapital. Man möchte unseren Industriellen die Ausführungen des Amerikaners Ford über den Abbau seiner Kriegswerkstätten und die Umstellung seiner Betriebe auf Friedenswirtschaft auf das wärmste zur Beachtung und, mutatis mutandis, zur Nachahmung seiner Maßregeln empfehlen. Die Fordwerkstätten waren aus dem Kriege mit einer technisch gewiss hochstehenden Einrichtung, aber mit einem mit Rücksicht auf die Kriegsbedürfnisse gegenüber dem bisherigen einfachen Produktionsprogramm zu differenzierten Produktionsplan hervorgegangen. Die differenzierte Produktion erforderte große Anlagen, in denen übermäßig viel Kapital fixiert wurde, und bedingte übermäßige Büroarbeit und Werkstattkontrollen. Sie verteuerte aus diesem Grunde und wegen der unvollkommenen Ausnutzung der Anlagen die Produktion. Es mangelte infolge der starken Kapital Festlegung an Betriebskapital, und die Männer von Wall Street hofften schon, Ford durch Anleihehilfe in ihre Abhängigkeit bringen zu können. Doch Ford wusste sich allein zu helfen, indem er die Produktion der neuaufgenommenen Artikel aufgab, die unnötigen Anlagen und Maschinen abbrach und verkaufte und die Betriebsorganisation aufs höchste vereinfachte. Dabei wurden interessanterweise auch unwirtschaftliche Bequemlichkeiten der Betriebsführung beseitigt. Es kam z. B. zur Abschaffung einer großen Anzahl von Telefonanschlüssen. Auf diese Weise bekam Ford ohne Inanspruchnahme von Kredit das Betriebskapital frei, um in wesentlich vergrößertem Maßstab, unter Verbilligung des Produkts, seine Automobilfabrikation weiterzuführen. Gerade unter deutschen Verhältnissen lassen sich die Methoden Fords nicht sklavisch nachahmen. Die deutsche Industrie muss wegen der Bedarfsgestaltung ihres Marktes differenzierter produzieren als die amerikanische. Aber leiden wir nicht auch unter übermäßiger Fixierung des Kapitals in Anlagen, die zwar technisch noch leistungsfähig sein mögen, die wir aber wirtschaftlich wegen ihrer Unverwendbarkeit mit rücksichtsloser Entschlossenheit als Alteisen behandeln sollten? Leiden wir nicht an einer unrationellen und vielfach luxuriösen Betriebsorganisation? Der spekulative Charakter der Inflationskonjunkturen hat dazu beigetragen, dass vor allem die Handelseinrichtungen (bei der Industrie selbst, noch mehr aber bei Banken und Handelsgeschäften) in Einrichtungen und Personalaufwand vielfach ganz übertrieben entwickelt worden sind1, daher übermäßig viel Kapital und Arbeitskräfte binden und produktiver Verwendung entziehen. Und doch ist dies das A und O für die Besserung: Liquidierung unnötig festgelegter Kapitalien, Verwendung derselben als Betriebskapital und Konzentration der vorhandenen und freigesetzten Betriebskapitalien auf wirklich produktive Arbeit. Dazu gehört, dass erstens die innere Betriebsorganisation und das Abwesen der daraufhin kontrolliert wird, ob wirklich mit dem geringst möglichen Aufwand die größtmögliche Wirkung erzielt wird; und ferner, dass die Ansammlung von Lagervorräten möglichst vermieden wird. Wo Unternehmer auf ihren Beständen festsitzen, ist es unter den heutigen Verhältnissen im Allgemeinen weder volkswirtschaftlich noch privatwirtschaftlich rationell, ihnen das Durchhalten im Wege der Kredithilfe zu ermöglichen. Ebensowenig ist es rationell, wenn absatzhungrige Fabrikanten ihrem Betriebe das nötige Betriebskapital entziehen und sich unsinnig teuren Kredit aufnehmen, um ihren Kunden durch Warenpreisstundung entgegenzukommen. Ihr Geschäft würde eine solidere Basis haben, wenn sie durch rationelle Verwertung ihres eigenen Kapitals die Preise ihrer Produkte zu senken und dadurch den Absatz, besonders im Export, zu steigern wüssten.
Alles dies wird sich jedoch im Allgemeinen nicht allein kraft der Einsicht des Unternehmertums, sondern es wird sich großenteils nur unter dem Druck der Not vollziehen. Wenn eine große Anzahl von Konkursen und Stilllegungen das Betriebskapitalerfordernis in Industrie und Handel vermindert haben werden, werden die Übrigen bleibenden besser versorgt sein und rationeller arbeiten können. Wenn der Druck der Ausverkäufe aus Konkursen und Liquidationen die Warenpreise gesenkt haben wird, wird die Notwendigkeit entsprechende Anstrengungen hervorrufen, die Selbstkosten noch mehr zu senken und trotzdem vor allem wettbewerbsfähig zu bleiben. Die falsche Maxime aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, dass die Preise richten den steigenden Selbstkosten eines unwirtschaftlichen Betriebs entgegenkommen müssen, wobei vlt. „Planwirtschaft“ gewollt oder ungewollt nachhilft, muss der gesunden Einsicht weichen, dass eine Produktion nur dauerhaft gedeihen kann, wenn sie ihre Selbstkosten denjenigen Preisen anpassen weiß, welche möglichst große Käuferschichten des In- und Auslandes auf die Dauer zahlen können und wollen. Der Weg zur Gesundung geht über die Krise, und es ist wichtig, dass stützende Eingriffe, die nötig sind, wenn sie an sich Lebensfähiges durch die Krise retten, nicht auch lebensunfähige Gebilde zu halten, den natürlichen Ablauf des Prozesses zu hemmen und zu verfälschen suchen. Die Bestimmungen über die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses z. B. können zwar segensreich wirken, soweit an sich gesunde und lebensfähige Firmen, die durch falsche Finanzwirtschaft in vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, durch Anwendung der Geschäftsaufsicht gerettet werden, jedoch können sie leicht bei zu bereitwilliger Anwendung dazu führen, auf die Dauer lebensunfähigen Existenzen eine zwecklose Gnadenfrist zu gewähren. Vor allen Dingen ist es durchaus verfehlt, wenn die Geschäftsaufsicht dahin führt, eine Liquidation der Warenbestände festgefahrener Firmen zu verhindern.
Weitere Erschwernisse liegen in der Organisationsgebarung der Industrie selbst, wie sie sich in den letzten Jahren herausgebildet hat. In den letzten Jahren der industriellen Konzentrationsbewegung hat manches an Kapital notleidende Unternehmen Unterschlupf in einem Konzern gefunden, dem es um die Sachwerte zu tun war, und der nun in manchen Fällen aus Kapitalmangel selbst nicht in der Lage ist, diese Sachwerte auszunutzen (Tag!). Der Periode der Expansion muss hier die Periode der Zusammenfassung, der inneren Rationalisierung und Intensivierung folgen. Dazu kann eine gesündere Kreditwirtschaft wesentlich beitragen, die manche Verschwendungen geradezu unmöglich macht.
Zum Schluss sei es gestattet, ausführlicher auf den schon angedeuteten Zusammenhang der Teuerung und der Wettbewerbsunfähigkeit unserer Industrie mit gewissen Maßregeln der Übergangswirtschaft einzugehen, die sich auf Währung und Außenhandel beziehen. Ein hervorragender Textilindustrieller, Herr Georg Müllerörlinghausen, hat in einem höchst instruktiven Artikel in der „Frankfurter Zeitung“ die Not und Gefahr geschildert, in welche insbesondere die deutsche Textilindustrie durch ihre „gute“ Konjunktur und die hohen Preise ihrer Produkte geraten ist, und welche zu einer Bedrohung der Währungslage Deutschlands wird. In Vielem wird man ihm unbedingt zustimmen können, insbesondere in seiner glänzenden, in dieser Weise nur dem Fachmann möglichen Darstellung der Konjunkturlage. Diese Lage schildert er als eine höchst eigenartige. Im Innern zu Anfang des Jahres dringende Nachfrage, zum Teil erklärt als „Aufatmungsbedarf“ infolge der Währungsstabilisierung, zum Teil als Vorversorgung in Erwartung steigender Preise, welche noch durch eine falsche Kreditpolitik gefördert wird, dazu starke Einfuhr ausländischer Textilfertigwaren, namentlich auf Grund des elsässischen zollfreien Kontingentes. Trotz der steigenden Preise hat die Textilindustrie mit einer wachsenden Kapitalanspannung und Zinsbelastung zu kämpfen, weil die steigenden Rohstoffpreise den Zuwachs an Kapitalkraft mehr als aufhoben (wozu wohl noch die immer säumiger werdende Zahlungsverweigerung der Kundschaft tritt). Der Mangel an Rohstoff und Betriebskapital bedingt viele Loren in der Industrie, welcher zusammen mit der hohen Steuerbelastung die Produktionskosten über den Weltmarktpreis hinaustreibt und dadurch die Exportfähigkeit der Industrie zum Schaden unserer Währung lahmlegt. Die Gefahr der Lage wird erhöht durch die Verhältnisse auf dem Rohstoffmarkt, wo knappe Ernten für Wolle und Baumwolle und das russische Ausfuhrverbot für Flachs einen hohen Preisstand hervorgerufen haben, der bei dem unberechenbaren Charakter dieser Rohstoffmärkte, die Industrie, welche auf Basis dieser teuren Rohstoffe arbeitet, ständig mit schweren Rückschlägen bedroht. Gerade für die deutsche Industrie ist die Gefahr besonders groß, weil sie in der Zeit des Währungsverfalls nicht kauffähig war und daher ihren Rohstoffbedarf erst spät, während der vollen Hausse, eindecken konnte. Nicht leichter wird ihre Lage auch dadurch, dass alle großen Textilstaaten, außer Frankreich, schlechte Konjunktur haben und ihre Waren zu Preisen verschleudern, gegen welche anzukämpfen für uns ruinös wäre. Herr Müller sieht in dieser Lage den Ausweg darin, neue Gebiete für hochwertige Fabrikate mit viel Arbeitslohn zu erschließen und diesen Absatz so billig zu finanzieren, dass nicht die Zwischenzinsen die Substanz fressen. Bis hierher wird man im ganzen den Schlussfolgerungen des Herrn V, Erforscher, folgen können, wenn auch nicht recht ersichtlich ist, wo sich jene neuen Exportabsatzgebiete für hochwertige Produkte finden sollen und wenn die billige Finanzierung des Exports ein frommer Wunsch bleiben dürfte, solange nicht die politische und wirtschaftliche Lage Deutschlands das Vertrauen ausländischer Kreditgeber auf die deutsche Wirtschaft so steigert, dass sie ihr Kapital für solche Zwecke zur Verfügung stellen. Dagegen wirkt die Anschauung des Verfassers, dass wir im Interesse unserer Währung das System von Einfuhrkontrolle und Devisenrationierung beibehalten müssten, weil ohne dieses ein übermäßiger Import stattfinden würde, nicht überzeugend.2 Er selbst kann den starken Import von Textilfertigwaren, welcher durch die hohen Inlandspreise bewirkt ist, nicht leugnen. Auch scheint er selbst anzunehmen, dass ein Abbau der Einfuhrkontrolle und der Devisenrationierung zu einer Preissenkung führen muss. Eine solche Preissenkung wird bewirkt einmal durch den Fortfall der hohen Spesen der Devisenrepartierung oder des Deviseneinkaufs im besetzten Gebiet und ferner durch den Wegfall der monopolartigen Stellung der Hersteller, denen Einfuhrkontingente bewilligt werden und welche Devisen zugeteilt erhalten, während der Markt ihrer Fertigwaren nach Möglichkeit vor Einfuhr geschützt wird. Dieses ganze System hat nicht hindern können, dass eine Versorgung des Inlandsmarktes mit Textilwaren stattfindet, deren volkswirtschaftliche Berechtigung Müller-örlinghausen selbst der des Apfelsinenimports vergleicht. Auf der anderen Seite spricht aber psychologisch und wirtschaftlich sehr Vieles gegen die Annahme, dass Öffnung der Grenzen und Freigabe des Devisenverkehrs zu einem übermäßig valutagefährdenden Import führen müssten. Wenn die Möglichkeit billiger Versorgung im Ausland die Inlandspreise senkt, so wird schwerlich eine stärkere Kauflust eintreten; im Gegenteil, wird die Tendenz für Vorversorgung zurücktreten, welche jetzt immer noch in Erwartung steigender Preise sich geltend macht. Auf der anderen Seite aber wird die Industrie genötigt sein, auf Senkung ihrer Selbstkosten Bedacht zu nehmen und wirklich neue Absatzmärkte im Ausland zu suchen, was sie unseres Erachtens nicht tun wird, solange ihr das jetzige System im Inland Absatz zu höheren Preisen sichert. Voraussetzung dabei ist allerdings, dass eine günstigere Gestaltung der außenpolitischen Lage, die jetzt bei politisch kluger Behandlung der Reparationsfrage nicht „ausgeschlossen“ erscheint, den Außenwert unserer Währung halten hilft, ohne dass die Gold- und Devisenbestände der Reichsbank und der Goldnotenbank zu sehr angegriffen werden. Weitere Voraussetzung ist, dass die Reichsbank an ihrer Politik rigoroser Krediteinschränkung festhält, so dass der deutschen Wirtschaft zum übermäßigen Einkauf im Ausland die Mittel fehlen. Wenn dann wirklich eine Anzahl textilindustrieller Unternehmungen zum Erliegen kommen und auf Abbruch verkauft werden müssen, so müsste auch das als notwendiges Übel hingenommen werden. Ganz ohne Einschränkung des Anlagekapitalbestandes wird sich das Gleichgewicht zwischen Anlagekapital und Betriebskapital auch auf diesem Industriegebiet nicht herstellen lassen. Ohne dies ist aber der Leerlauf unvermeidlich, der die Produktionskosten vieler Industrien, besonders der Textilindustrie, unerträglich steigert. Eine Politik, die trotz dieses Leerlaufs eine zu große Anzahl von Unternehmungen weiter zum Leben verhilft, führt zur Unproduktivität und dadurch zur neuen Gefährdung unserer Währung, die wir, auch aus dem wohlverstandenen Interesse unserer Industrie heraus, um jeden Preis vermeiden müssen.
- [1] Interessant war z. B. die Angabe der Tagespresse, dass im Metallhandel, welchem früher neben den drei führenden Welthäusern etwa 80 Firmen angehörten, jetzt über 300 Firmen tätig sind, um die Hälfte der früher gehandelten Metallmengen umzusetzen.
- [2] Hiermit soll nicht Stellung genommen werden zu der weiteren Frage, ob nicht rein devisenmarkttechnische Erwägungen eine vorläufige Beibehaltung des Einheitskurses und des Zuteilungssystems ratsam erscheinen lassen.