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I.

Der Übergang von den Papiermarkbilanzen zu den Goldmarkbilanzen hat das theoretisch stets umstrittene Bewertungsproblem in verschärfter Weise neu aufleben lassen. Während sich in früheren Zeiten der Streit um die Frage „Anschaffungswert oder Markt- bzw. Tageswert" drehte, ist anlässlich der Umstellung auf Gold eine neue Richtlinie für die Bewertung aufgetaucht, nämlich die Bewertung des Gesamtkapitals nach der Ertragskraft und, daraus abgeleitet, die Bewertung der Einzelposten der Bilanz, so dass es sich also bei den letzteren nur um die zweckmäßige Aufteilung einer auf bestimmte Weise gewonnenen Gesamtziffer handelt.

Diese drei Bewertungsgrundsätze sollen im nachstehenden einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.

II.

Der Streit, ob Bilanzposten zum Anschaffungs- oder Tageswert aufgenommen werden sollen, hat eine doppelte Ursache. Ursprünglich entstand er dadurch, dass, veranlasst durch das Eingreifen des Gesetzgebers, den Kaufleuten Inventuren und daraus abgeleitet Bilanzen vorgeschrieben wurden mit dem ausgesprochenen Zweck, Vermögensübersichten zu schaffen. Aus diesen Übersichten sollte der ins gesamte Wirtschaftsleben verflochtene Unternehmer seinen Status erkennen und sich mit seiner Geschäftsgebarung danach einrichten, damit eine Schädigung der Gesamtwirtschaft vermieden werde. Es ist bezeichnend, dass diese, zuerst in der „ordonnance de commerce" von 1673 erscheinende, auf Savary zurückgehende Vorschrift den Erfahrungen entstammte, die dieser als Mitglied einer Reformkommission zur Untersuchung der Missbräuche im Handel gewonnen hatte.

Bei solchen Inventuren den Tageswert anzuwenden, lag nahe, wenn sich auch andererseits bei Bilanzgegenständen, die nicht zur Veräußerung bestimmt und im Einzelnen auch schwer veräußerlich sind, wie z. B. bei Anlagen, vom Standpunkt des Zweckes der gesetzlichen Vorschriften Bedenken vorbringen lassen.

Dieser vom Gesetzgeber gewollte Zweck der Bilanzen kreuzt sich nun aber mit einem anderen, schon vorher ausgebildeten Zweck des Rechnungswesens, dem der Ermittelung des Erfolges oder der Gewinnrechnung. Diese historisch überkommene, mit Hilfe der Bilanzen bzw. des Bilanzkontos der doppelten Buchhaltung gewonnene Rechnung geht von einem in seinen Grundlagen genau feststehenden Gewinnbegriff aus. Der Gewinn, der hier gesucht wird, ist der Ertrag eines im Betriebe arbeitenden Geldkapitals, d. h. in Geld veranschlagter Sachgüter. Mit Recht betrachten die Wirtschaftshistoriker die doppelte Buchhaltung als den sichtbarsten Ausdruck, den der nach den Kreuzzügen sich durchsetzende Kapitalismus gefunden hat. Das ganze wirtschaftliche Denken wird auf Geld- und Geldkapital eingestellt und Zweck wirtschaftlichen Strebens wird die Geldkapitalvermehrung durch Erträgnisse des Kapitals.

Die Berechnung dieser Erträgnisse ist nun dann sehr einfach, wenn (wie es dem Steuerfiskus z. T. erscheint), ein ruhendes Kapital als Quelle des Ertrages vorhanden ist, dem der Ertrag in gegebenen Geldwerten entströmt. Alsdann ergeben die laufenden Einnahmen, abzüglich der als Verwaltungskosten auftretenden Ausgaben, den Ertrag. Dieser Ertrag ist die Summe an Geldwerten, die von dem Ausfluss aus der Quelle verbleibt. Die Wertveränderungen der Quelle selbst haben mit diesem Ertrag ersichtlich nichts zu tun.

Schwieriger wird es, wenn das Kapital nicht als ruhende Ertragsquelle erscheint, sondern die Vermögenswerte, durch die es dargestellt ist, verbraucht werden, um den Ertrag hervorzubringen. In diesem, für das Erwerbsleben zutreffenden Falle müssen aus den Einnahmen zunächst die Teile ausgesondert werden, die vom Kapital verbraucht sind, ehe vom Erfolg gesprochen werden kann. Das Kapital muss rechnungsmäßig wiederaufgebaut werden, oder, anders ausgedrückt, ehe nicht das Kapital erhalten ist, liegt kein Gewinn vor. Bei dieser Sachlage tritt die Frage der Kapitalerhaltung demnach in den Vordergrund.

Aus dieser Kapitalerhaltung ergeben sich nun in erster Linie die Bewertungsgrundsätze für die Bilanz. In dem Rechnungswesen ist das Kapital außer im Kapitalkonto bzw. dem Kreditoren-Hypothekenkonto u. dgl. (fremdes Kapital) ausgedrückt in den Anschaffungspreisen der Einzelwerte, die zwecks Ertragserzielung verbraucht werden. Soll das Kapital vor der Gewinnfeststellung wiederaufgebaut sein, so muss das Verbrauchte (Waren, Anlagen) nach den Anschaffungspreisen ausgesondert werden, denn dies entspricht den verbrauchten Kapitalteilen. Dieses Verbrauchte wird praktisch in der Regel auf die Weise gefunden, dass man den Restbestand feststellt und vom Gesamteingang abzieht (s. Warenkonto), oder dass man den Eingang auf die Gebrauchsdauer verteilt (Abschreibung bei Anlagen). Ob man mit Restbeständen oder mit Abschreibungen arbeitet, in allen Fällen erfordert diese Art der Gewinnermittlung eine Verwendung der Anschaffungspreise. Nur so ist es möglich, den Ertrag eines gegebenen, in ständigem Verbrauch und Wiederaufbau befindlichen Kapitals zu ermitteln.

Da die Bilanz nun nichts anderes darstellt, als ein technisches Mittel zur Erfolgsrechnung, und zwar ein aus der doppelten Buchhaltung abgeleitetes1, so ergibt sich daraus, dass die Bilanzwerte im Grundsatz Anschaffungswerte sein müssen.

III.

Die praktische Bilanzgestaltung hat nun zwischen den hier entwickelten beiden Standpunkten eine Synthese vollzogen, wobei ein doppelter Gesichtspunkt erkennbar ist. Vorherrschend wird der Standpunkt der soliden Erfolgsberechnung. Von diesem Gesichtspunkt aus entsteht die Neigung, unterzubewerten, zum mindesten aber erkennbare Wertminderungen sofort zu berücksichtigen. Diese Unterbewertungen belasten die laufende Periode mit Kosten, die, weil es in ihrer endgültigen Auswirkung noch gar nicht erkennbare Vermögensveränderungen sind, mit den auszusondernden, dem Kapitalaufbau dienenden Kosten nichts zu tun haben. Man nimmt auf diese Weise eventuelle zukünftige Einnahmeverringerungen vorweg.

Daneben bildete sich die neuerdings von der Theorie2 scharf herausgearbeitete Marktpreisbewertung bei bestimmten Umsatzwerten heraus, wobei der Gedanke zum Vorschein kommt, dass die Dispositionserfolge und -misserfolge in dem Jahre zur Verrechnung kommen sollen, das sie verursacht hat. Diese Bewertungsart verlässt also die einseitige Unterbewertung und geht je nach Lage des Falles auch über den Anschaffungspreis hinaus. Ursprünglich ist diese Bewertung öfter bei den gesamten Umsatzwerten (Waren, Rohstoff) anzutreffen gewesen. Die theoretische Durchbringung dieser Frage hat dann die Unterscheidung zwischen eisernem Bestand und spekulativen Vorräten zutage gefördert. Dabei wird, um Störungen in den periodischen Erfolgsrechnungen zu vermeiden, der sogenannte eiserne Bestand auf eine feste Ziffer heruntergeschrieben und stets unverändert in die Bilanz aufgenommen, während nur die spekulativen Vorräte der Marktpreisbewertung unterliegen.

Bei allen diesen Bewertungsarten handelt es sich aber nur um eine Variation des Themas vom Anschaffungspreis. Dieser bildet die Grundlage der Bewertung. Die Abweichung erfolgt nur aus der Aufrichtung bestimmter Nebenzwecke. Als diese ergeben sich die solide Erfolgsberechnung und die Berechnung eines Erfolges, der vor allem die Vergleichbarkeit zwischen den Periodenergebnissen ermöglichen soll.3 Zu einer grundsätzlichen Anwendung des Marktwertes ist es in der Wirklichkeit nie gekommen, trotz der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere der irreführenden Vorschrift des § 40 HGB. Dieser § 40 spricht vom Werte am Tage der Bilanz. Er ist aber, worauf neuerdings wieder4 hingewiesen hat, nur im Zusammenhang mit § 38 zu verstehen, der die kaufmännische Übung zum obersten Grundsatz erhebt. Daher bestimmt § 40 nur, „dass die Wertbeilegung zeitlich unter den Gesichtspunkt des Bilanzstichtages zu stellen ist.“5 Mehr nicht.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich auch, dass die in der juristischen Literatur häufiger anzutreffende Meinung, die Bilanz der A.-G. sei eine Gewinnermittlungs- bzw. Verteilungsbilanz, die der Einzelkaufleute u. a. eine Vermögensbilanz, auf falschen Voraussetzungen beruht. Richtig ist, dass das Aktienrecht ausdrücklich auf die Gewinnermittlung abgestellt ist, während die für die sonstigen Unternehmungsarten in Frage kommenden Bilanzvorschriften die Vorstellung einer Vermögensbilanz aufkommen lassen. Die im Verkehr aufgestellten Bilanzen sind aber immer Vermögensbilanzen nur insoweit gewesen, als der altüberlieferte Zweck der Erfolgsrechnung es zuließ. Diese Art von Bilanzen wurden der Absicht des Gesetzgebers auch vollauf gerecht, da sie bei den von Fall zu Fall bewertbaren Posten niemals zu Bewertungen über den Marktpreis führen können, oft aber darunter bleiben und alsdann einen solid aufgemachten Status ausweisen.

IV.

In der neueren Zeit ist nun die Forderung der Bewertung zum Marktpreis, die seither von juristischer Seite wegen der positiven Rechtsvorschriften aufgestellt wurde, auch unter wirtschaftlicher Begründung erhoben worden. Dies gilt für Schmidt-Frankfurt, der in drei großen Arbeiten diesen Standpunkt mit Nachdruck vertreten hat.6

Die Forderung Schmidts geht aus von einer besonderen Auffassung des Gewinnbegriffes. Für ihn ist der Gewinn nicht geld-, sondern gütermäßig bestimmt. Das zeigt sich darin, dass er als aus den Einnahmen abzusondernde, der Kapitalerhaltung dienende Kosten nicht die Anschaffungs-, sondern die Wiederbeschaffungspreise verwendet sehen will.

Gewinn liegt für ihn erst dann vor, wenn die Einnahmen die Kosten der Wiederbeschaffung decken, d. h. wenn die Erhaltung eines durch das gleiche Güterquantum dargestellten Kapitals vollzogen ist.

Von diesem bei ihm als Umsatzgewinn bezeichneten Gewinn scheidet Schmidt die Vermögenswertänderungen. Während Umsatzgewinn den Unterschied zwischen Erlös und dem Wiederbeschaffungspreis darstellt, sind die Unterschiede zwischen diesem und den Anschaffungspreisen nicht Gewinn-, sondern Vermögenswertänderungen. Wenn also eine Ware zu 1000 M gekauft und für 1250 M verkauft wird, während der Wiederbeschaffungspreis 1100 M beträgt, so ergibt sich nach Schmidt folgende Rechnung:

Warenkonto: Kapitalkonto:
an Bilanz 1000 M per Debitor 1250 M an Bilanz 1250 per Bilanz 1000 M
an Kapital 100 M         per Waren 100 M
Gewinn 150 M         per Gewinn 150 M
Summe 1250 M   1250 M   1250 M   1250 M

Der Gewinn ist also nicht dargestellt durch den Unterschied zwischen dem Geldwert der Einnahme und dem verbrauchten Geldkapital, das zur Wiederherstellung des ursprünglichen Geldkapitals erforderlich ist (hier 1000 M), sondern zwischen den Einnahmen und dem Geldbetrag, der nötig ist, dasselbe Güterquantum dem Betrieb zu erhalten, hier 1100 M. Die 100 M Mehreinnahme aus der Wertsteigerung der Ware gelten nicht als Gewinn, sondern als Kosten, weil sie zur gütermäßigen Kapitalerhaltung erforderlich sind.

Diese Auffassung vom Gewinn erfordert an sich noch keine Abweichung von der üblichen Bilanzbewertung. Daher hält auch Geldmacher7 , der parallel zu Schmidt ähnliche Gedankengänge entwickelt hat, an der Bewertung zu den „historischen Einstandspreisen“ fest. Die Korrekturen am Kapitalkonto werden alsdann bei der Erfolgsfeststellung wie im vorhergehenden Beispiel vollzogen. Schmidt dagegen stellt bei jeder Bilanz den Marktwert fest und leitet auch diese Differenzen über ein Wertveränderungskonto, weil er den Marktpreisen, die ja die Grundlage seiner Erfolgsrechnung bilden, möglichst nahe sein will bzw. weil er glaubt, auf die Erfassung der Vermögenswertveränderungen Wert legen zu müssen.

Wie in Anwendung der überlieferten Grundsätze sowie der Gedanken Geldmachers und Schmidts die Bilanzen sich gestalten, soll nachstehendes Beispiel dartun:

Wenn, um bei dem vorigen Beispiel zu bleiben, die Hälfte der Ware verkauft worden wäre, so würden sich folgende Rechnungen ergeben:

a) Herkömmlich:

Warenkonto: Bilanz:
  1000   625 Waren 500 Kapital 1000
Gewinn 125 Bilanz 500 Debitoren 625 Gewinn 125
  1125   1125   1125   1125

b) Nach Geldmacher:

Warenkonto: Bilanz:
  1000   625 Waren 500 Kapital 1000
Korrektur (Differ. geg. Wiederbeschaffungspreis) 50 Bilanz 500 Debitoren 625 Preisausgl.-Konto für Waren 50
Gewinn 75         Gewinn 75
Summe 1125   1125   1125   1125

c) Nach Schmidt:

Warenkonto: Bilanz:
  1000   625 Waren 550 Kapital 1000
Wertveränd.-Kto. Differenz gegen Wiederbeschaffg. 50 Bilanz 550 Debitoren 625 Wertveränderungs-konto 50
Wertsteigerg. des Bestandes 50         Gewinn 75
Gewinn 75            
Summe 1175   1175   1175   1175

Die Marktpreisbewertung ist also zur Errechnung des Schmidtschen Gewinnes keine an sich unbedingt notwendige Maßnahme. Sie ist nur eine plastische Verkörperung des seiner Erfolgsrechnung zugrunde liegenden Gedankens vom Wiederbeschaffungspreis bzw. der gütermäßig bestimmten Kapitalerhaltung. Kapital- und Wertveränderungskonto in der Bilanz sollen den Marktpreis der Werte decken und damit diesen Gedanken sichtbar zum Ausdruck bringen.

Obwohl also der bilanzmäßige Tageswert für Schmidts Erfolgsrechnung eigentlich belanglos ist und es nur auf die Kostenverrechnung zum Tageswert bei ihm ankommt, hat er ihn doch mit wahrem Feuereifer verfochten. Die Verordnung über die Goldmarkbilanz8 , die, weil hier eine Neuaufrichtung der Bilanzen vorliegt, als bequemsten Weg die Neubewertung auf Grund des Tageswertes im Grundsatz vorsieht, spricht er als Beleg für seine Theorien an und konstatiert mit Genugtuung den Zusammenbruch der Lehre vom Anschaffungswert, der sich in dieser gesetzlichen Regelung offenbare.

Daß diese ganze Beweisführung falsch ist, habe ich an anderer Stelle nachzuweisen versucht.9 Ebenso habe ich mehrfach10 dargelegt, daß der Schmidtsche Erfolgsbegriff nicht der allein richtige ist, daß er wohl den seitherigen ergänzen, aber keinesfalls ersetzen kann.

Schmidt leitet seinen Erfolgsbegriff aus weitausgreifenden gesamtwirtschaftlichen Betrachtungen her, die von einem als notwendig erachteten Gleichlauf zwischen Kosten und Einkommen ausgehen. Für ihn ist die seitherige Erfolgsrechnung Ursache wirtschaftlicher Störungen, während er in der sachgemäß geführten Erfolgsrechnung eine Harmonie des wirtschaftlichen Ablaufs gewährleistet sieht.

Wieweit diese Schmidtschen Behauptungen richtig sind, muß dahingestellt bleiben. Die Nachprüfung haben vor allem die Volkswirte vorzunehmen, in deren Untersuchungsgebiet diese Vorgänge fallen. Aber selbst, wenn sich all diese Konstruktionen – gegen die man auf Grund der Erfahrung mit derartigen Beweisführungen ein berechtigtes Mißtrauen hegen darf – als richtig erweisen sollten, so ist damit noch gar nichts gegen die überlieferte Art der Erfolgsrechnung und der Bilanz gesagt. Was Schmidt bewiesen hätte, wäre dann weiter nichts, als daß die geldkapitalistische Einstellung, die von einem angelegten Geldkapital einen Ertrag erwartet und diesen in dem Überschuß gegenüber dem Ursprungskapital erblickt, von der Gesamtwirtschaft aus betrachtet, falsch wäre. Sein Vorwurf kann sich also nur gegen diese Grundtatsache des Wirtschaftslebens richten. Dagegen ist – wenn einmal diese Grundeinstellung vorhanden ist, sei es aus psychologischen Notwendigkeiten, sei es aus zufälligen geschichtlichen Entwicklungen – die übliche Art der Erfolgsrechnung die einzig mögliche. Sie allein zeigt uns, wie Geldkapitalien rentieren. Sie allein bringt alle Rechnungen auf eine vergleichbare Grundlage. Sie allein schafft die Grundlagen, die für die gesamte Finanzierung erforderlich sind, indem sie dartut, wie weit hingegebene Kapitalien erhalten geblieben sind bzw. wo der bessere oder schlechtere Ertrag aus ihnen fließt. Es liegt also bei der üblichen Erfolgsrechnung so, daß man von ihr sagen muß: sie müßte erfunden werden, wenn sie noch nicht da wäre. Keinesfalls trifft zu, wie Schmidt in unverständlicher Übertreibung behauptet, daß die seitherige Erfolgsrechnung allen Gesetzen der Logik spotte. Sie ist – von dem gegebenen und mit der Wirklichkeit sich deckenden Ausgangspunkt aus – das denkbar logischste Gebilde.

Nun verknüpft Schmidt die Frage der bilanzmäßigen Erfolgsrechnung mit der der Kalkulation. Für ihn gibt es in beiden Fällen nur die gleiche Einstellung. Entweder benutzt man also hier wie dort den Wiederbeschaffungspreis oder den Anschaffungspreis. Daß diese Einstellung falsch ist, habe ich mehrfach zu zeigen versucht.11 Die Einstellung bei der Kalkulation, bei der es sich um die Bewertung für einen Einzelvorgang des geldwirtschaftlichen Tauschverkehrs handelt, ist eine grundsätzlich andere, wie bei der periodischen Erfolgsrechnung, bei der der Ertrag eines Geldkapitals berechnet werden soll. Im ersten Falle bildet der Wiederbeschaffungspreis, im zweiten der Anschaffungspreis die gegebene Grundlage der Kostenbestimmung. Die Theorie der Bilanz kann mit der Theorie der Selbstkostenberechnung nicht gestützt werden, solange für den Gesamtbetrieb die geldkapitalistische Einstellung gegeben ist.

Der unhistorische Sinn, der sich bei Schmidt wie bei den meisten Konstruktionstheoretikern zeigt, offenbart sich außer bei der Nichtbeachtung der wirtschaftsgeschichtlichen Tatsache des geldkapitalistischen Denkens auch bei der Verkennung der praktischen Folgen einer Tagesbewertung. Die Geschichte des Bilanzrechtes ist die Geschichte der Bilanzmanipulationen. Die strengen Bewertungsvorschriften des Aktienrechtes sind die Reaktion auf den Bilanzschwindel mittels der Bewertungstaktik. Die „historischen Einstandspreise“ als einwandfreie Preisziffern sind jeder Willkürbewertung entrückt. Die schwankenden Tageswerte, die für viele Waren und ganz besonders für die industriellen Anlagen nicht genau feststellbar sind, würden der Willkür Tür und Tor öffnen. Aus diesem Grunde habe ich mich schon im Jahre 1921 gegen die Schmidtsche „Wertberichtigung“ gewendet.12 Damals schrieb ich: „Die Vorschriften des Aktienrechtes, daß der Anschaffungspreis der oberste Wertansatz für die Bilanz sein sollte, sind s. Z. mit gutem Grund erlassen worden. Die Wertberichtigung kann, obwohl ihre Verfechter das Gegenteil erstreben, sehr leicht die künstlichen Gewinnrechnungen der Gründerzeit wieder aufleben lassen“.

Faßt man die bisherigen Darlegungen zusammen, so ergibt sich, daß die Angriffe gegen die überlieferte Art der Bilanzierung und Erfolgsberechnung im Kerne unberechtigt sind, und daß keine Veranlassung vorliegt, von der Anschaffungspreisbewerbung abzugehen.

Die Vorschriften der Goldmarkbilanzen schließen daher auch mit gutem Recht den Anschaffungspreis, indem sie für die erste Bilanz die aus taktischen Gründen zugelassene Aufbewertung als gesondert auszuweisen vorschreiben und die jeweiligen Werte als Anschaffungspreis für die Zukunft erklären. Wenn daher Schmidt schreibt13 : „Also will man das alte Spiel der Gewinnrechnung auf Grundlage der Anschaffungswerte wieder aufnehmen. Das ist eine logische Ungereimtheit sondergleichen“, so liegt diese Ungereimtheit keinesfalls beim Gesetzgeber.

V.

Im Zusammenhang mit der Goldmarkbilanz ist noch ein weiterer Bewertungsgrundsatz aufgetaucht, und zwar die Bewertung des Gesamtkapitals nach dem Ertrag und danach Bewertung der Einzelaktiva.

Diesen Standpunkt vertreten Schmalenbach in seiner Arbeit „Die Goldmarkbilanz“14 sowie Haußmann15 und Fischer16 im Bankarchiv. Schmalenbach schreibt: „Ich würde eine Bestimmung begrüßt haben des Inhalts: übersteigt die Summe der nicht zur Weiterveräußerung bestimmten Anlagewerte den Gesamtwert der Anlage, - so sind die Einzelwerte entsprechend herabzusetzen.“ Haußmann schreibt: „Bei einer Eröffnungsbilanz, zumal bei einer solchen, welche eine Anpassung der gesamten Wertverhältnisse an einen neuen Wertmaßstab, wie es die Goldmarkbilanz ist, zum Ausdruck bringen soll, besagt der Wert des einzelnen Gegenstandes nur etwas im Zusammenhang mit dem Ganzen. Da der Gesamtwert mit der Summe der an und für sich betrachteten Einzelwerte nicht identisch zu sein braucht, bedarf es hiernach vorerst der Feststellung, wie der Gesamtgoldwert, der für die Fixierung des Goldkapitals wie für die Bewertung im einzelnen von entscheidender Bedeutung wird, zu finden ist.“

Fischer beschränkt seine Ausführungen auf die Anlagekonten, wenn er schreibt: „Es gibt, wirtschaftlich betrachtet, für die Bewertung dieser Anlagekonten nur einen Maßstab, und das ist die Frage, wieweit hierdurch die Umsatzmöglichkeit des Unternehmens, eine Erhöhung erfahren hat.“ Weiter: „Er (der Leiter eines Unternehmens) wird andererseits aus klar zu Tage liegenden Gründen danach streben müssen, sobald wie möglich wieder zu einer Dividende zu gelangen. Hindert man ihn daran dadurch, daß man ihn zwingt, die Anlagekonten in einer Höhe aufzunehmen, die sowohl zu seinem Goldumsatz als auch zu seinen sonstigen Betriebsmitteln in falschem Verhältnis steht, so wird sowohl über den Vorstand wie über die Aktionäre leicht eine Stimmung der Gleichgültigkeit und Verdrossenheit kommen.“

Der in diesen Ausführungen zutage tretende Gedanke ist also der, die Bewertung habe sich so zu gestalten, daß das sich ergebende Kapital eine angemessene Rente aufweise.

Bei der Beurteilung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte auseinander zu halten.

Grundsätzlich darf die Bilanzbewertung nicht mit der Rentenfrage verknüpft werden. Die Bilanzbewertung geschieht zwecks Errechnung der Rente für ein gegebenes Geldkapital. Die aus dem Geldkapital entspringende Bewertung ist das Gegebene, die Rente das Gesuchte. Wohl ergibt sich je nach dem Charakter der gesuchten Rente eine bestimmte grundsätzliche Bewertungsart, aber die Bezifferung im Einzelfall ist nicht bestimmt durch die Ziffer einer gewünschten Rente. Würde man dies zum Grundsatz erheben, so wäre die Bilanz nicht das Mittel zur Erfolgsberechnung, sondern zur Darstellung eines Ertragswertes auf Grund eines angenommenen Ertrages. Es bedeutete dies die Umkehrung des Ausgangspunktes.

Von diesem grundsätzlichen Standpunkt ist das Verhalten bei einer Eröffnungsbilanz bzw. dem Erwerb eines Betriebes sowie ein taktisches Verhalten im späteren Verlauf zu unterscheiden.

Bei dem Erwerb eines Betriebes geht man tatsächlich vom Ertragswert aus. Man will nicht mehr Kapital anlegen, als sich rentieren kann. Diese Berechnung hat an sich mit der Bilanz gar nichts zu tun. Sie ergibt den Kaufpreis des Betriebes. Erst die daraus sich ergebende Bezifferung der Einzelwerte hat bilanzmäßige Wirkung. Diese stellt aber einen einmaligen Vorgang dar. Die so gefundenen Werte bedeuten die Anschaffungswerte der Einzelteile, die dann den kommenden Erfolgsberechnungen als Grundlage dienen.

Bei der Goldmarkbilanz, die ja eine Neueinstellung bzw. -ausrichtung bedeutet, kann man sich zweifellos von ähnlichen Gesichtspunkten leiten lassen. Allerdings liegt die Berechnung wegen des Fehlens einer Übersicht über die Gestaltung der Verzinsungsverhältnisse sehr im Dunkeln. Aber das gilt doch zweifellos, daß im vorliegenden Falle Anlagen nicht mehr wert sind, als man dafür zahlen würde, wenn man sie für die Zwecke des Betriebes jetzt zu kaufen hätte. Was die Anlage seinerzeit gekostet hat, kann für diesen Fall nicht entscheidend sein. War sie teuer, weil sie sehr ausgedehnt ist, während diese Ausdehnung für den Betrieb jetzt zwecklos ist, so würde dieser nicht mehr dafür zahlen als evtl. für eine kleine Anlage. Daher nimmt er sie bei der Neubewertung mit vollem Recht unter den Anschaffungskosten auf.

Der hier vertretene Bewertungsgrundsatz der Ableitung der Einzelwerte aus dem Gesamtwert hat eigentlich nur für den Fall der Neuerrichtung von Unternehmungen Berechtigung. Der Verkehr wendet ihn aber auch für spätere Bilanzen an; dies jedoch nur gelegentlich anlässlich der Sanierungen. Wenn das Unternehmen für seine Verhältnisse überkapitalisiert ist und keine angemessene Rente erbringt, findet eine Herabsetzung des Gesamtkapitals und daran anschließend eine Neubewertung der Einzelteile statt. An sich bedeutet diese Maßnahme eine Störung der Ertragsrechnung, da die zukünftige Rente sich nicht mehr auf das angelegte Kapital bezieht, dessen Ertrag eigentlich festzustellen ist, wodurch dann auch die Vergleichsmöglichkeiten aufgehoben werden. Sie ist daher nur als taktische Maßnahme verständlich. Der Verkehr braucht sie aus Gründen der Finanzpolitik. Er ist sich aber der Besonderheit dieser Maßnahme vollauf bewusst, was sich deutlich aus der Bezeichnung Rekonstruktion, die für dieses Vorgehen beliebt wird, ergibt. Sie stellt für ihn einen zweiten oder dritten Anfang dar, genau so wie es jetzt bei den Goldbilanzen der Fall ist. Der Bilanztheoretiker, der nur von einem Gedanken befangen ist, wird auch hier leicht von logischer Ungereimtheit sprechen. Wer dagegen das Leben in der Fülle seiner Äußerungen in sich aufnimmt, wird die Logik dieses Vorgehens voll erkennen.

Mit diesen Ausführungen kann der Überblick über die Bewertungsfrage und ihre neuere literarische Behandlung als abgeschlossen gelten. Die Untersuchung zeigt, daß die Theorie des Anschaffungspreises weder durch die zeitweise Gestaltung des deutschen Währungswesens mit seinen bilanzmäßigen Auswirkungen, noch durch theoretische Erwägungen im Kerne berührt wird. Sie behauptet sich vollauf, solange man den Ausgangspunkt der historisch überkommenen Verrechnung nicht außer acht lässt. Ich hege keinerlei Befürchtungen, daß man sie zum alten Eisen wird werfen müssen. Die Angriffe haben ihren Bestand nur gefestigt. Wieweit die überkommene Erfolgsrechnung noch durch Ergänzungen ausbaufähig ist, wozu die Schmidt-Geldmacherschen Ausführungen beachtenswerte Anregungen geben, steht auf einem anderen Blatt.

  • [1] Vgl. meine Aufsätze „Zur Theorie der Erfolgsrechnung“, Z. f. handelswissenschaftliche Forschung: 17. Jahrg., S. 416 ff. und „Die Bilanz als Mittel der Erfolgsberechnung“, Z. f. Betriebswirtschaft. 1. Jahrg., S. 34.
  • [2] Schmalenbach: „Grundlagen dynamischer Bilanzlehre“. Leipzig 1922.
  • [3] Nach Schmalenbach: Maßgeblicher Gewinn a. a. O.
  • [4] „Goldmarkbilanz“, Z. f. h. w. Forschung, 18. Jahrg., S. 5.
  • [5] Die organische Bilanz im Rahmen der Wirtschaft, Leipzig 1921. Der Wiederbeschaffungspreis des Umsatzlagers in Kalkulation und Volkswirtschaft, Berlin 1923. Bilanzwert, Bilanzgewinn, Bilanzumwertung, Berlin 1924.
  • [6] Vgl. meinen Aufsatz „Zur Theorie der Erfolgsrechnung“ am a. O.
  • [7] Wirtschaftsunruhe und Bilanz. 1. Teil. Grundlagen und Technik der Bilanz- und Erfolgsrechnung. Berlin 1923, S. 61.
  • [8] Vergl. Schmidt: „Die neuen Goldmarkbilanzen“, Z. f. Betriebswirtschaft, Jahrg. 1, S. 2.
  • [9] Vergl. meinen Aufsatz: „Tatsächswert oder Anschaffungswert in der Bilanz“, Z. f. h. w. Forschung, Jahrg. 18, Maiheft.
  • [10] Vergl. die Zitate in dem vorerwähnten Aufsatz.
  • [11] Vergl. den Aufsatz: „Tageswert oder Anschaffungswert a. a. o.“
  • [12] Das Problem der Scheingewinne. Freiburg 1921.
  • [13] „Goldmarkbilanz“, S. 22
  • [14] a. a. O. S. 9
  • [15] Jahrg. 23, S. 137 ff und S. 99 ff.
  • [16] Jahrg. 23, S. 137 ff und S. 99 ff.

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