In Nr. 16 des „Wirtschaftsdienst“ vom 18.4.24 beschäftigt sich Bernhard Harms in einem „Rentenmark- und Sachverständigengutachten“ überschriebenen Artikel damit, die seit einigen Monaten herrschende Wirtschaftskrisis als den Ausfluss verfehlter Stabilisierungsmaßnahmen nachzuweisen. Er geht von der Annahme aus, dass die Rentenmark die „grandioseste Inflation“ sei, die die Welt jemals gesehen habe, dass ihre Schöpfung auf einem verhängnisvollen Irrtum beruhte und dass sie lediglich einer Verkennung vom Wesen und den Funktionen des Geldes ihr Dasein verdanke. Der von der Rentenbank gewährte Kredit ist nach Harms lediglich ein „Erzeugnis der lithographischen Kunst“, und nach seiner Ansicht ist durch eine falsche Methode der Stabilisierung eine Scheinblüte in das deutsche Wirtschaftsleben hineingetragen worden, die schneller, als sie gekommen ist, zusammenbrechen muss. Die verfehlten Maßnahmen einer Stabilisierung mit Hilfe der Rentenmark haben die Exportfähigkeit der deutschen Industrie vernichtet, gleichzeitig aber die Neigung zu einer schädlichen Luxuseinfuhr begünstigt. Durch eine grandiose Kreditinflation seien gewaltige Massen von künstlicher Kaufkraft geschaffen worden, die zu einer gänzlich unnatürlichen Steigerung der Inlandsproduktion führten; und wenn auch der Glaube an die wundertätige Wirkung der Rentenmark anfangs merkwürdigerweise eine Preissenkung bewirkt habe, so sei die preissteigernde Wirkung dieser ungeheuren Inflation gar nicht aufzuhalten gewesen und inzwischen auch eingetreten. Alle die schweren Erschütterungen, die das deutsche Wirtschaftsleben seit Monaten durchmache, seien die notwendigen Folgeerscheinungen der Einführung eines Geldsystems, das die Ausfuhr systematisch erdrosselte und ein verarmtes Volk zum Oberkonsum an Auslandserzeugnissen führte. Das Experiment der Rentenmark war nach Harms in jeder Beziehung ein schwerer Fehler. Nach seiner Meinung werde die Geschichte der Geldpolitik dermaleinst die Einführung der Rentenmark als einen unbegreiflichen Irrtum kennzeichnen und die Idee eines Inlandgeldes im Zeichen der Weltwirtschaft gebührend kritisieren. Lange Zeit werde vergehen müssen, ehe man die schweren Folgen dieser Kreditinflation wieder überwinden könne. Das Experiment der Rentenmark stehe an der Spitze aller jener überstürzten Maßnahmen, welche die deutsche Wirtschaft seit Jahren über sich ergehen lassen musste, und mit ihr sei „das Maximum irreführenden Unverstandes“ erreicht. Vorübergehend habe sie die blassen Wangen eines Schwerkranken mit zartem Rot überzogen, das Leichtgläubige zu täuschen vermochte, während Kundige alsbald das Symptom vermehrten Fiebers erkannten.
Diese Anklagen von gewaltiger Schwere und von großer Tragweite haben in der breitesten Öffentlichkeit Aufsehen erregt und in fachwissenschaftlichen Kreisen, man muss geradezu sagen, höchst peinliche Überraschung hervorgerufen. Als Antwort auf die zahlreichen Gegenäußerungen veröffentlichte Harms einen zweiten Artikel, der unter der Überschrift „Deutschland und das Sachverständigengutachten“ durch die Presse ging (z. B. „Industrielle Praxis“, Elberfeld, 24.5.1924) und die Behauptungen des ersten Artikels noch in kräftiger Weise zu unterstreichen versuchte. Hier, in diesem zweiten Artikel, beschäftigt er sich wirklich mit dem Sachverständigengutachten, während er sich in dem ersten Artikel im „Wirtschaftsdienst“ trotz der Überschrift „Rentenmark und Sachverständigengutachten“ lediglich auf die Behauptung beschränkt, dass die durch Stabilisierung herbeigeführte Scheinblüte der deutschen Wirtschaft die Sachverständigen zu völlig falschen Urteilen über die Fähigkeit Deutschlands zu Reparationszahlungen verleitet habe.
Die auf so ungeheuerlichen Anklagen gestützte Kritik von Bernhard Harms zeigt sich bei näherer Untersuchung als eine geradezu unbegreifliche Häufung schwerster Irrtümer. Alle die von Harms vorgebrachten Tatsachen – soweit sie der Wirklichkeit entsprechen – alle schweren Erschütterungen des deutschen Wirtschaftslebens, die wir gegenwärtig erleben, sind nicht die Auswirkungen eines verfehlten Experimentes, sondern die notwendigen Folgen jeder in irgendeiner Form erfolgenden Stabilisierung nach vorhergehender schwerer Geldentwertung. Die von Tag zu Tag sich verschärfende Wirtschaftskrisis erklärt sich daraus, dass die vorläufigen Maßnahmen der Stabilisierung, wie sie von der Rentenmark gedacht waren, infolge innerpolitischer Schwierigkeiten und anderer Hemmnisse nicht schon seit Monaten durch Errichtung der Goldnotenbank und Zuführung genügender ausländischer Kredite in einen Dauerzustand übergeführt werden konnten. Dass eine Stabilisierung notwendig war, ist auch für Harms anscheinend nicht zweifelhaft, allein die Art, wie sie durchgeführt worden ist, bildet den Gegenstand seiner vernichtenden Kritik. Wie eine richtige Lösung ausgesehen haben müsste, bleibt indessen das Geheimnis von Harms. Er begnügt sich lediglich mit dem allgemeinen Hinweis, dass man in Österreich durch den Anschluss an die bestehenden Verhältnisse die schweren Erschütterungen der Wirtschaft vermieden habe, die uns die Einführung der Rentenmark brachte. Dort habe man es in vorbildlicher Weise erreicht, die Preise niedrig zu halten (auf etwa ¾ der Preishöhe deutscher Waren) und damit die Exportfähigkeit der österreichischen Industrie zu bewahren. Dieser Hinweis auf das österreichische Beispiel ist schon deshalb verfehlt, weil dort bekanntlich die Stabilisierung nur durch die Inanspruchnahme namhafter langfristiger Auslandskredite (in Höhe von 650 Millionen Goldkronen) erzielt werden konnte – eine Vorbedingung, die für die deutsche Stabilisierung ernstlich gar nicht in Betracht kam. Wer indessen die Vorgänge in Österreich auch nur einigermaßen verfolgt hat, der wird bestätigen, dass sich dort nach vollzogener Stabilisierung im Allgemeinen durchaus die gleichen Folgen gezeigt haben wie bei uns. Man braucht nur die Presseäußerungen, die „Berichte aus den neuen Staaten“ und andere Quellen zur Hand zu nehmen, um die wesentlichen Züge des gleichen Bildes dort wie hier zu erkennen. Damals haben die Ausländer wegen der plötzlich einsetzenden enormen Verteuerung nach vollzogener Stabilisierung fluchtartig Wien verlassen, die Exporteure klagten über die sinkende Exportfähigkeit und das Dumping der valutaschwachen Länder, die Kapital- und Kreditnot trat ebenso wie hier in Erscheinung, und nur ganz allmählich vermochte der dortige Wirtschaftsverkehr sich auf die völlig veränderte Situation umzustellen.
Harms beliebt es, die Vorgänge so hinzustellen, als ob sich die für die Aufrechterhaltung der deutschen Währung verantwortlichen Organe und die gesamte deutsche Wirtschaft durch den Wunderglauben an die deutsche Rentenmark in einem wahren Taumel gewiegt hätten, dass man gewissermaßen eine wahre Blüte der deutschen Wirtschaft gesehen habe und dass man erst durch seine Mahnrufe, durch sein „Läuten der Alarmglocke“, wie er es in seinem zweiten Artikel nennt, aus diesem Taumel erwacht sei.
Mag auch zugegeben werden, dass in manchen Kreisen des Auslandes das Wunder der Rentenmark vielfach kritiklos angestaunt worden ist, so muss man doch bekennen, dass die wirkliche Situation allen wirklichen Sachverständigen, namentlich aber den verantwortlichen Führern der deutschen Wirtschaft, vollkommen klar gewesen ist. Schon längst ehe die öffentliche Stabilisierung durch die Rentenmark vorgenommen wurde, hat die deutsche Wirtschaft den Weg der Selbsthilfe beschritten. Durch die zunehmende Einführung wertbeständiger Faktoren in den wirtschaftlichen Verkehr versuchte man, die Geldentwertung von sich auf andere abzuwälzen – insbesondere auf die Abnehmer und Konsumenten, also in gewissem Sinne eine private Stabilisierung durchzuführen, die dann in der Einführung der Goldmarkrechnung ihren höchsten Ausdruck fand. Die Folgen dieser Maßnahmen sind ja noch in aller Gedächtnis. Die verschärfte Flucht aus der Papiermark in die Sachwerte führte schließlich so weit, dass viele Besitzer von Sachwerten diese gegen Papiermark überhaupt nicht mehr herausgaben (insbesondere Landwirte). Die Lebenshaltung breitester Schichten der Bevölkerung, die sich schon jahrelang an der äußersten Grenze bewegt hatte, war im allerhöchsten Maße bedroht – die Gefahr, „bei vollen Scheunen zu verhungern“, wurde in bedrohliche Nähe gerückt. In dieser Zeit der allerhöchsten Not, im Augenblick, wo sich die Auflösung der deutschen Wirtschaft im großen Stile vorzubereiten schien, wurde der Plan der Rentenmark geboren. Es berührt in hohem Maße peinlich, diese zum Teil wohlbekannten, in der Öffentlichkeit beinahe bis zum Überdruss dargestellten Vorgänge hier wiederholen zu müssen; allein angesichts der geradezu ungeheuerlichen Verkennung der wahren Zusammenhänge ist das zur Steuerung der historischen Gerechtigkeit unumgänglich notwendig. Lediglich als vorläufiger Notbehelf war die Rentenmark als Hilfsmittel für wenige Monate gedacht, bis mit allergrößter Beschleunigung die eigentliche Währungsreform durch Einführung einer Goldnotenbank vorbereitet werden konnte. Wie hätte man damals die vorläufige Stabilisierung der Währung und die Balancierung der öffentlichen Haushalte in Deutschland durchführen sollen – ohne ausländische Kredite, über die ja Österreich verfügen konnte? Die Antwort auf diese Kardinalfrage ist Harms schuldig geblieben und er wird sie auch schuldig bleiben müssen. Die sinnreiche Erschließung der allerletzten noch vorhandenen Quelle des Kredites durch Belastung der gesamten Wirtschaft mit einer Generalhypothek hat erst ermöglicht, die Notenpresse wirklich einzustellen. Sie hat weiter die Möglichkeit geschaffen, den öffentlichen und privaten Wirtschaften vorübergehend, für einige Monate wenigstens, diejenigen spärlichen Kredite zur Verfügung zu stellen, ohne die ein Zusammenbruch der staatlichen Finanzwirtschaft wie der Privatunternehmungen gar nicht mehr aufzuhalten war.
Harms arbeitet mit Vorliebe mit einem Begriff, der aus der Inflationszeit stammt und damals zum Gemeinplatz geworden ist: der „Scheinblüte“ der deutschen Wirtschaft, die durch die Einführung der deutschen Rentenmark entstanden sei und die in schlimmster Weise über die wirklichen Gefahren hinweggetäuscht habe. Mir ist die Vorstellung einer auch nur zum Schein blühenden Wirtschaft geradezu unverständlich, und mir ist nicht klar geworden, auf welchem Wege Harms zu der Überzeugung gelangt ist, dass gewissermaßen die breiteste Öffentlichkeit eine Blüte des Wirtschaftslebens gesehen hätte. Beinahe jedem aufmerksamen Zeitungsleser mußten schon mindestens seit Beginn des Jahres 1924 die bedrohlichen Klagen auffallen, die aus allen Ecken und Enden der deutschen Wirtschaft ertönten. Ganz gewiß hat aber in Deutschland eine geradezu überwältigende große Zahl von Sachverständigen bis tief in die Reihen führender Praktiker hinein von vornherein klipp und klar gesehen, daß mit dem Augenblick der Stabilisierung ja erst für die einzelnen Unternehmungen die Zeit eines bitteren Kampfes um die Existenz anbrechen mußte. Schon der Übergang zur Goldmarkrechnung, die von weitblickenden Unternehmern bereits seit 1922 für die Beurteilung des wirtschaftlichen Erfolges ihrer Unternehmungen festgestellten Goldmarkbilanzen und eine Reihe von anderen Vorgängen zeigten die ungeheure Wertevernichtung, die großen Substanzverluste, die tatsächliche Verschuldung der Unternehmungen als Folge der Inflation im hellsten Licht. Wer Gelegenheit hatte, mit führenden Persönlichkeiten des praktischen Wirtschaftslebens in dauernder Fühlung zu bleiben, der wird bestätigen, mit welch großen und schweren Sorgen man seit etwa Mitte Oktober der künftigen Entwicklung entgegensah. Wußte man doch, daß mit der Einführung der Rentenmark die spärlichen Kredite nur für eine sehr knappe Übergangszeit zur Verfügung gestellt werden konnten, daß an langfristige Auslandskredite vorläufig nicht zu denken war, daß nach Stillegung der Notenpresse die ordentlichen Ausgaben der öffentlichen Wirtschaften nur noch durch ordentliche Einkünfte, d. h. auf dem Wege schwerer, bedrückender Steuerbelastung möglich war, daß somit für alle Unternehmungen der deutschen Wirtschaft eine sehr schwere Zeit des Übergangs anbrechen würde, ehe wieder einigermaßen befriedigende Verhältnisse eintreten könnten. Ich erinnere mich, aus diesen Kreisen fortwährend schwere Befürchtungen vernommen zu haben, daß bereits im Januar die Rentenmarkkredite erschöpft wären und damit eine Krisis von unberechenbarer Dauer und Wirkung eintreten könnte. Auch die starke Belebung des Inlandsgeschäftes hat man als eine vorübergehende Konjunkturerscheinung angesehen und weite Kreise der Wirtschaft haben gerade die vielbeschäftigten Unternehmungen zu größter Vorsicht gemahnt. Man hat insbesondere darauf hingewiesen, daß bei einer bald einsetzenden rückläufigen Konjunktur gerade die auf einen großen Umfang der Produktion eingestellten Betriebe die schwersten Nackenschläge erhalten und geradezu in ihrer Existenz bedroht werden würden.
Daß mit Eintreten der Stabilisierung jeglicher Art (ob durch die Rentenmark oder sonst irgendwie) die aus verschiedenen anderen Gründen schon stark behinderte deutsche Ausfuhr auf ein Minimum zusammenschrumpfen müßte, war jedem Einsichtigen ebenfalls vollkommen klar. Die ausfuhrhemmende Wirkung jeder Steigerung des Geldwertes ist ein längst anerkannter Satz der allgemeinen Geldlehre, den auch Harms wohl nicht bestreiten wird, und wer aus den Kreisen der deutschen exportierenden Händler und Erzeuger ihn noch nicht gekannt hatte, dem ist er jedenfalls seit dem Frühjahr 1920 so lebhaft eingeschärft worden, daß er ihn wohl inzwischen nicht mehr vergessen haben wird. Als damals die vorübergehende starke Steigerung des Geldwertes einsetzte, erhielt die deutsche Wirtschaft, namentlich aber die Exportindustrie, sehr empfindliche Schläge. Der steigende Geldwert führte schon die Gestehungskosten für Ausfuhrgut nahe an die Weltmarktpreise heran, die Ausfuhr sank rapide. Es ist heute zur Binsenweisheit geworden, daß bei sinkendem Geldwert, d. h. bei steigender Spannung zwischen Inlandwert und Auslandwert des Geldes die Ausfuhr befördert, bei steigendem Geldwert und sinkender Spannungsdifferenz dagegen gesenkt wird. Wie soll also eine Stabilisierung irgendeiner Art, die doch gerade die Steigerung dieses Geldwertes herbeiführen will, anders wirken als ausfuhrhemmend?
Von jeder Stelle aus, wo man das von Harms entworfene Gesamtbild betrachtet, ist es perspektivisch falsch gesehen, im ganzen und in den Einzelheiten völlig verzeichnet. Die schwere Kapitalnot und Kreditkrisis erklärt sich, nicht wie Harms annimmt, als die Folgeerscheinung einer gewaltigen Inflation, sondern im Gegenteil aus der Tatsache, daß man sich seitens der Reichsbank mit einer erfreulichen Energie gegen die Inflation stemmt und alle Quellen hermetisch verschließt, aus denen direkt oder indirekt eine Inflation zur Entstehung gelangen könnte. Gerade die gefährlichste Form jeder Inflation, die Kreditinflation, sucht man durch rücksichtslosen Zwang und schonungslosen Druck auf die Wirtschaft niederzuhalten. Man geht dabei von der zweifellos richtigen Anschauung aus, daß wir nunmehr, wo durch die innerpolitischen Verhältnisse die Weiterführung der Währungsreform schon um Monate verzögert und ihr endgültiger Abschluß noch gar nicht abzusehen ist, die Schicksalsfrage an uns herantritt: Sollen wir die gerade jetzt unter ungeheuren Opfern endlich erreichte vorläufige Stabilisierung wieder preisgeben oder soll der eingeleitete Gesundungsprozeß unserer Geldverfassung durch weitere tiefe Eingriffe in die deutsche Wirtschaft weitergeführt werden? Mit vollstem Recht hat man sich für die letztere Maßnahme entschieden in der sicheren Voraussicht, daß ja bei einer Preisgabe der Währung die Wirtschaft ebenfalls verloren sei und daß somit alle die drakonischen Maßregeln der Kreditverweigerung bei gleichzeitiger Auferlegung schwerer Steuerlasten von zwei Übeln das weitaus kleinere ist. Eine Stabilisierung, wie sie uns die Rentenmark vorläufig gebracht hat und wie sie nur unter enormen Opfern noch eine Zeit lang aufrechterhalten werden kann, ist unter glücklichen Umständen ein einziges Mal möglich, sie ein zweites Mal auch nur versuchen zu wollen, wäre ein aussichtsloses Beginnen.
Abgesehen davon, daß die von Harms angeführten Ursachen samt und sonders falsch gesehen sind, stimmen auch eine Reihe von mitgeteilten Tatsachen, auf die er seine Ursachenforschung gründet, nicht mit den Tatsachen überein. Das gilt namentlich für seine Ausführungen über die Preisbewegung. Zweifellos hätte sich diese „grandioseste aller Inflationen“ nach den anerkannten Grundsätzen der allgemeinen Geldlehre in einer ungeheuren, alles bisher Dagewesene in den Schatten stellenden Preisrevolution äußern müssen, was offenbar den Tatsachen widerspricht. Einzig und allein diese Erscheinung hätte Harms zu bedenken geben müssen, daß seine Theorie auf schwankendem Boden aufgebaut ist. Er gibt zwar selbst zu, daß nach erfolgter Stabilisierung die Preise anfangs sogar zurückgingen, aber er erklärt diesen Vorgang einfach durch eigenartige massenpsychologische Erscheinungen, durch den Wunderglauben an die Rentenmark. Inzwischen sei jedoch eine Ernüchterung eingetreten und nun sei die allgemeine Preissteigerung da.
Die Wirklichkeit indessen zeigt ein ganz anderes Bild; namentlich erklärt sich ursächlich das anfängliche Sinken und dann langsame Steigen der Preise mit zunehmender Stabilisierung aus ganz anderen Zusammenhängen. Im Anschluß an die seit August 1923 durchgeführte Goldmarkrechnung war durch verschiedene Gründe, die hier im einzelnen nicht auseinandergesetzt werden können, das Niveau der Preise, ausgedrückt in Goldmark, erheblich übersteigert. Die Goldmarkpreise waren aber nur scheinbar eine feste Basis, denn sie gerieten mangels genügender wertbeständiger Zahlungsmittel im Verkehr selbst wieder in Bewegung, weil bei Zahlungen in Papiermark angesichts der von Stunde zu Stunde eintretenden rasenden Entwertungsverluste die Erzeuger und Händler diese Entwertungsverluste in einem Aufschlag auf die Goldpreise von sich abzuwälzen suchten. Je mehr die nur spärlich vorhandenen wertbeständigen Zahlungsmittel durch die Einleitung von Rentenmark in den Verkehr zahlenmäßig verstärkt wurden, je mehr also durch die Hingabe wertbeständiger Rentenmark Entwertungsverluste beseitigt wurden, desto mehr zeigten die Goldpreise eine sinkende Tendenz, weil ja jetzt dieser Zuschlag für Entwertungsverluste abgebaut werden konnte. Das sind die wirklichen Ursachen für den monatelang andauernden Preisrückgang nach Einführung der Rentenmark. Ganz und gar stimmt aber nicht die These von Harms, daß wir uns Mitte April, wo er seinen Artikel schrieb, in einer inflationistischen Aufwärtsbewegung aller Preise befanden. War zwar auch auf manchen Gebieten eine nicht geringe Preissteigerung zu verzeichnen, so gibt es doch weite Kreise der Wirtschaft – so die Landwirtschaft –, die zu dauernden Preissenkungen gezwungen sind, die wegen Absatzschwierigkeiten ihre Preise stetig abbauen und mit ihrer Preishöhe unter die Gestehungskosten heruntergehen müssen.
So erklärt sich die schwere Krisis, mit der die deutsche Wirtschaft gegenwärtig ringt, aus ganz anderen Ursachen, als Harms uns glauben machen will. Sie liegen einmal in Maßnahmen, die in der Inflationszeit mit einer gewissen Notwendigkeit zu veränderten Wirtschaftsformen geführt haben, sie erklären sich zum Teil als notwendige Folgeerscheinungen jeder, wie auch immer gearteten Maßnahme der Stabilisierung nach Zusammenbruch des Geldwertes, sie haben ihre Hauptursache jedoch in den innerpolitischen unseligen Hemmungen, die eine Vollendung des vorläufigen Stabilisierungswerkes um viele Monate hinauszögern in einer Zeit, wo jeder einzelne Tag einen uneinbringlichen Verlust für die deutsche Wirtschaft bedeutet. Das führt mit Notwendigkeit auf die Zusammenhänge zwischen der Rentenmark und dem Artikel Sachverständigengutachten, deren Klarlegung einem zweiten Artikel1 vorbehalten sein soll.
- 1 lm Anschluß an diesen zweiten Aufsatz wird eine Erwiderung von Professor Dr.Harms auf die Darlegungen Professor Dr. Bäuers veröffentlicht werden. Die Schriftleitung.