Die durch den Dawes-Bericht vorgesehene Industrieobligation (vergl. „W.-D.“ Nr. 35, S. 1136) wird in das deutsche Recht eingeordnet durch das Gesetz über die Industriebelastung – Industriebelastungsgesetz (R.-G. Bl. 1924, Teil II, S. 257) und durch das Gesetz zur Aufbringung der Industriebelastung (Aufbringungsgesetz) (R.-G. Bl. 1924, Teil II, S. 269), beide vom 30. Aug. 1924. Die Gesetze sind auf Anregung von außen entstanden und ihre Texte beruhen auf internationaler Vereinbarung. Während aber das Belastungsgesetz die dingliche Haftung der Industrie nach außen und nach innen insoweit, als der Staat Bürge ihrer Verpflichtung ist, festlegt, regelt das „Aufbringungsgesetz“ die obligatorischen Schuldverhältnisse, die sich aus der Heranziehung eines die Zahl der Hypothekenschuldner überschreitenden Kreises von Leistungsträgern ergibt. Den Ausgleich zwischen den belasteten und den zur Aufbringung herangezogenen Unternehmen vermittelt gemäß § 24 Abs. 2 des Belastungsgesetzes die „Bank für deutsche Industrie-Obligationen“.
Der Kreis der in Form einer Hypothek des öffentlichen Rechts Belasteten umfasst die Unternehmer „der industriellen und gewerblichen Betriebe mit Einschluss der bergbaulichen, der Schifffahrtsbetriebe (See- und Binnenschifffahrt), der Privatbahnen, Kleinbahnen und Straßenbahnen“. Das Organisationskomitee erklärt hierzu, dass es Banken, Handel, Versicherungsgesellschaften und das Hotelgewerbe freigelassen habe, da „deren viele nur in ganz ungenügendem Umfange hypothekarische Sicherheit zu bieten in der Lage sind“ (Entwurf, Reichstagsdrucksache Nr. 447, 1924, S. 22). Von der Heranziehung der Reichsbetriebe ist abgesehen, da das Reich ohnehin für alle Reparationsverpflichtungen mittelbar oder unmittelbar haftet; jedoch findet sich die wichtige Bestimmung, dass Privatunternehmungen, die erst in Zukunft auf den Staat übergehen, in der Haftung bleiben (§ 3, Abs. 2). Unternehmen mit einem Betriebsvermögen von 50.000 ℛℳ und weniger bleiben außerhalb der Belastung. Jedoch kann man in der Zusatzbestimmung (§ 4, Abs. 2), dass die Freigrenze von Reichsregierung und Treuhänder abweichend festgesetzt werden kann, eine Warnung vor bilanzmäßigen Kunstgriffen erblicken. Gegen andere Umgehungsmöglichkeiten wendet sich die Vorschrift des § 1, Abs. 2, durch welche neben dem Unternehmer Eigentümer, Pächter und Nießbraucher eines belasteten Betriebes mit haftbar gemacht werden.
Von der Höhe der auf das einzelne Unternehmen entfallenden Last geben Gesetz und Begründung noch keine Vorstellung, da es an zuverlässigen steuerstatistischen Zusammenfassungen offenbar fehlte. Die erste Umlegung wird deshalb auf Basis der Vermögenssteuer für 1924 erfolgen, deren Stichtag der 31. Dezember 1923 ist (nicht 1924, wie irrtümlich in „Begründung“, Entwurf S. 15). Diese allgemeine Regel (§ 5, Abs. 2) wird jedoch insofern durchbrochen, als laut § 8 bei der Umlegung die nachstehenden Industriegruppen mindestens den angegebenen Bruchteilen der Gesamtbelastung tragen sollen:
- Schwerindustrie (Bergbau, Eisen- und Stahlerzeugung) 20 %
- Maschinen- und elektrische Industrie einschließlich der Elektrizitätserzeugung 17 %
- Chemische Industrie 8 %
- Textilindustrie 7 %
Hier spricht sich ein französisches Ressentiment unbefangen aus, wie man annehmen möchte, ohne dass es nötig gewesen wäre. Denn es handelt sich um die kapitalintensivsten Industrien, denen auch ohne diesen etwas ängstlichen Mechanismus wohl die schwersten Lasten zufallen werden. Da die Quoten selbst mangels zuverlässiger Unterlagen nur gegriffen werden konnten, so ist vernünftigerweise ein Ausgleich durch den Treuhänder, notfalls durch das Schiedsgericht vorgesehen (§ 8, Abs. 3, § 69). Im Übrigen ist für alle Belastungen eine Neuverteilung nach Maßgabe der späteren Veranlagungen zur Vermögenssteuer beabsichtigt, wobei auch auf die Ertragsfähigkeit der Betriebsvermögen Rücksicht genommen werden kann (§ 6, Abs. 1). Das bedeutet eine Annäherung an die Grundsätze richtiger Besteuerung.
Die Sicherung der öffentlichen Last besteht in der dinglichen Haftung sowie in bestimmten Vorrechten im Falle des Konkurses. Die Last selbst geht allen anderen Rechten im Range vor; eine Ausnahme ist nur für die durch Staatsvertrag vom 25. März 1923 sichergestellten Schweizer Goldhypotheken gemacht (§ 41, Abs. 3). Aber auch die Sicherungsbestimmungen (§§ 41–49) lassen der Vertragsfreiheit erheblichen Spielraum. Falls das Grundvermögen nur einen sehr kleinen Teil des Betriebsvermögens darstellt, kann die Last, um eine unbillige Beschränkung des Realkredits zu verhüten, auf andere Teile des Betriebsvermögens erstreckt werden (§ 41, Abs. 2); auch kann an Stelle der Last vom Treuhänder und der Industriebank ein in ihren Besitz übergehendes Pfand angenommen werden (§ 42).
Im Falle eines Konkurses genießen die Ansprüche der Bank und des Treuhänders, „soweit sie bis zum Ende des Jahres fällig werden, in dem die Neuumlegung erfolgt“, den Vorrang vor allen anderen Forderungen, mit Ausnahme der Ansprüche von Angestellten auf ihre Dienstbezüge. Eine Fälligkeit des Kapitals oder der künftigen Jahresleistungen kommt also in der Regel nicht in Betracht, sie kann jedoch mangels ausreichender Sicherheit für die Unternehmungen größten Umfanges eintreten, von denen Einzelobligationen ausgegeben worden sind (§§ 47, 48). Besondere Bestimmungen regeln den Verkehr mit belasteten Grundstücken (§ 43) und die Veräußerung des Betriebsvermögens (§ 49).
Hinter diesen Sicherungen steht (gemäß § 68 und Anlage A zum Belastungsgesetz) die Garantie des Reiches, die sich im Gegensatz zur allgemeinen Industriehaftung nicht nur auf Verzinsung und Tilgung, sondern auch auf das Kapital der Obligation erstreckt.
Alle Unternehmer haben in Höhe der auf sie entfallenden Belastung Einzelobligationen auszustellen, die nicht auf Reichsmark, sondern auf Goldmark lauten, deren Definition in Mengen Feingold jedoch mit der der Reichsmark in § 3 des Münzgesetzes vom 30. Aug. 1924 (R.-G. Bl. Teil II, S. 254) übereinstimmt. Die Einzelobligationen sind im ersten Jahr unverzinslich, im zweiten Jahr mit 2½ %, im dritten Jahr mit 5 % zu verzinsen und im vierten Jahr und den folgenden mit 5 % zu verzinsen und mit 1 % zuzüglich der ersparten Zinsen zu tilgen (§ 10, Abs. 4). Die Schifffahrts- und Bahnunternemungen werden bei der ersten Umlegung nur je eine einheitliche Obligation ausstellen, deren Aufteilung intern erfolgt. Diese Sonderregelung war auch deshalb möglich, da der Treuhänder von Unternehmen des Verkehrsgewerbes keine Einzelobligationen veräußern darf (§§ 12, 13, Abs. 2).
Nach erfolgter Umlegung werden in der schon im früheren Aufsatz geschilderten Weise die Unternehmen ausgesondert, deren Obligationen ohne Neutralisierung durch das Medium der Industriebank mit dem Klang ihres eigenen Namens begeben werden sollen (§ 13, Abs. 1). Der Rest von 4500 Millionen Goldmark dient der Bank für deutsche Industrie-Obligationen (§§ 23–31) als Unterlage für die Ausgabe der „Industriebonds“ (§§ 32–36).
An dieser Stelle wird erkennbar, wie wichtig gerade auch im Interesse der Gläubiger die Einschaltung der Bank war: Ohne diese Konstruktion hätten, da die Belastung Deutschlands nur allmählich steigen sollte, nur Obligationen zur Verfügung gestanden, deren Verzinsung erst vom dritten Jahr an 5 % erreichen würde. Der Umweg über die Industriebonds einer Bank gestattet die Emission in zwei Serien von je 2,5 Milliarden, von denen die erste Serie sofort mit 5 % verzinst wird, während die zweite ein Jahr zinslos bleibt. Diese Regelung ist auch insofern praktischer, als ohnehin in einem Jahr nicht die ganze Emission untergebracht werden könnte, ohne den Kurs des Papiers sehr erheblich unter pari zu senken.
Auch die Bestimmungen über den Rückkauf (§§ 57–66) entsprechen mindestens dem Interesse der Gläubiger so sehr wie dem der Schuldner. Denn indem sie das Papier auch für den Schuldner mit den bei Effekten so wichtigen „Reizen“ ausstatten, tragen sie den Charakter kursstützender Maßnahmen. Einzelobligationen dürfen nicht vor sechs Monaten nach erfolgter Übergabe vom Treuhänder veräußert werden und nicht ehe er sie den betreffenden Unternehmen ausdrücklich zum Rückkauf angeboten hat; dabei ist der Treuhänder berechtigt, auch solche Vorschläge anzunehmen, die einen nur allmählichen Rückkauf von Seiten des Belasteten vorsehen (§ 60). Bei allen Rückkäufen müssen Industriebonds zum Nominalwert in Zahlung genommen werden; der an sich mögliche Rückkauf durch Hingabe von Gold oder Golddevisen kann dagegen nur insoweit erfolgen, als die Bank selbst noch genügende Mengen nicht begebener Industriebonds im Portefeuille hat, um diese für die zurückgekauften Obligationen der Unternehmer vernichten zu können (§ 59, Abs. 2).
Der besondere Anreiz für den Rückkauf liegt nun darin, dass er den Unternehmer nicht nur von der Last selbst befreit, sondern auch von einer Neubelastung bei der nächsten Umlegung, sofern zu diesem Zeitpunkt der etwa eingetretene Zuwachs des Vermögens 15 % des ursprünglichen nicht übersteigt (§ 65, Abs. 3). Ist der Kurs der Industriebonds nicht auf pari zu halten gewesen, so kann möglicherweise mit einem Aufwand von vielleicht 90 % des Betrages der zuerst veranlagten Belastung ein Freikauf von 115 % erreicht werden. Die Vergünstigung einer dauernden Freistellung hat das Organisationskomitee mit dem Rückkauf nicht verbinden wollen, um nicht, wie es mit Recht ausführt, einzelne Unternehmungen zu Zufluchtsstätten für Kapitalien zu machen, die sich durch Konzentration bei den freigekauften Betrieben der Industriebelastung zum Schaden der in der Haftung Verbliebenen dauernd entziehen könnten (vergl. Entwurf S. 25).
Soweit ein Rückkauf nicht möglich war, ist sowohl für die Einzelobligationen als auch für diejenigen, die den Industriebonds als Unterlage dienen, die Möglichkeit der Ablösung durch Kündigung ab 1. Januar 1937 gegeben (§§ 13, Abs. 4; 35, Abs. 3).
Die „Bank für deutsche Industrie-Obligationen“ ist eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht, deren Kapital, 10 Millionen Goldmark, unter Beteiligung deutscher Banken aufgebracht werden soll. Der Vorstand darf nur aus Deutschen bestehen (§ 26). Der Aufsichtsrat besteht aus 15 Mitgliedern, von denen vier von den nichtdeutschen Mitgliedern des Generalrats der Reichsbank, drei von der Reparationskommission und sieben von der Reichsregierung ernannt werden, davon vier aus den Kreisen der belasteten Unternehmer und der Aktionäre (§ 27, Abs. 1). Der Präsident des Aufsichtsrates muss ein Deutscher sein.
Die Bank hat dem Treuhänder Geschäftsräume zur Verfügung zu stellen; sie muss ihm auf seinen Wunsch jederzeit Einsicht in die Bücher und alle Schriftstücke der Bank gewähren, die die Industriebonds und deren Deckung betreffen (§§ 51, Abs. 2; 55, Abs. 1). Hält der Treuhänder die Sicherheit der Bonds oder den Zinsendienst für gefährdet, so hat er im Einvernehmen mit den Organen der Bank das Erforderliche zu tun; bei Meinungsverschiedenheiten ist das Schiedsgericht anzurufen (§ 55, Abs. 2, 3).
Das Aufbringungsgesetz erstreckt den Kreis der im Wege einfacher Steuerpflicht, allerdings mit Vorrecht der Industriebank im Konkursfalle, Belasteten auf fast alle gewerblichen Unternehmungen mit Ausschluss der Landwirtschaft, des Gartenbaues und der Fischerei, soweit das Betriebsvermögen 20 000 Goldmark übersteigt (§§ 2, 3, 11). Der vom Reichsrat abgelehnte Vorschlag der Regierung, auch die werbenden Betriebe des Reiches und der Länder heranzuziehen, ist vom Reichstag wieder eingefügt worden. Das Reich hat sich zu dieser Belastung entschlossen, „um dadurch einer ungesunden Konkurrenz dieser Betriebe gegenüber der Privatwirtschaft vorzubeugen“ (Entwurf S. 14). Werbende Betriebe sind nach dem Wortlaut der zuständigen Verordnung solche, „die nach gesetzlicher Vorschrift oder allgemeinen finanzwirtschaftlichen Grundsätzen in der Weise zu führen sind, dass durch die Einnahmen mindestens die Ausgaben gedeckt werden, gleichviel, ob dieser Erfolg im einzelnen Falle tatsächlich erreicht wird“. Da die beispielhafte Aufzählung, die dieser Begriffsbestimmung folgt, die Sparkassen ausnimmt, sind sie durch das Aufbringungsgesetz ausdrücklich mit einbezogen, „wenn sie sich nicht auf die Pflege des eigentlichen Sparkassenverkehrs beschränken“.
Die Jahresleistung wird als Quote eines Kapitalbetrages bestimmt werden, der analog der hypothekarischen Belastung nach der Höhe des Betriebsvermögens bemessen wird. Über den zahlenmäßigen Betrag der Jahresleistung enthält das Gesetz noch nichts. Jedoch soll der Beitrag zunächst noch einen besonderen Zuschlag von 10 % erfahren zur Bildung einer Ausgleichs- und Sicherungsrücklage bei der Industriebank; der Entwurf sah vor, dass der Zuschlag außer Hebung gesetzt werden sollte, sobald die Rücklage 300 Mill. erreicht hätte. Der Reichstag hat die Bestimmung dahin abgeändert, dass sich der Zuschlag auf 5 % ermäßigt, wenn die Rücklage 150 Mill. M beträgt (§ 10).
Dass der Ertrag der inneren Umlegung der Bank für deutsche Industrie-Obligationen zuzuführen ist, ist nur indirekt durch § 1 des Aufbringungsgesetzes bestimmt, außerdem in einer dispositiven Vorschrift des Belastungsgesetzes (§ 24, Abs. 2).
Im Übrigen bleibt das finanztechnische Verhältnis zwischen äußerer und innerer Umlegung noch völlig in der Schwebe; was die Begründung (S. 19) darüber sagt, ist eine leere Selbstverständlichkeit. Denn die eigentlichen Probleme beginnen erst bei der Frage, ob etwa die Hypothek zunächst mit den für die Industriebonds vorgesehenen Sätzen verzinst werden und der Ertrag der inneren Umlegung zum freien Ankauf der Bonds verwandt werden soll, oder ob der Zinsfuß für die nach beiden Gesetzen Belasteten gleichmäßig herabgesetzt werden soll. Hier ist für die wirtschaftliche Vernunft und die politische Klugheit der Bankorgane noch ein weiter Spielraum. Jedoch wird die Veranlagung und die Art der Tilgung immer anstreben müssen, dass aus dieser nach äußeren Merkmalen verhängten Haftung allmählich eine Verpflichtung wird, die aus den wirklichen Quellen der steuerlichen Leistungsfähigkeit aller an der Aufbringung Beteiligten zu erfüllen ist.
Den Zusammenhang mit dem Grundgedanken des Dawes-Berichtes, dem Währungsschutz als Vorbedingung deutscher Reparationsfähigkeit, sichert die Bestimmung des Belastungsgesetzes (§ 22, Abs. 2), dass der Unternehmer durch Zahlung an die Bank, die Bank durch Zahlung an das Reichsbankkonto des Reparationsagenten befreit wird, auch dann also, wenn die Einzelobligationen und Industriebonds auf die Kapitalmärkte des Auslandes gelangt sind.
Eduard Rosenbaum