England ist, getreu seiner Stellung in der Wirtschaftsentwicklung der Kulturnationen, als erstes Land in ein Stadium getreten, wo die zur Regel werdende Massenarbeitslosigkeit und die Unausgenutztheit seines industriellen Apparates es zwingen, ganz neue Wege der Wirtschaft zu suchen. Die Erscheinungen der Wirtschaftsstockung scheinen verursacht zu sein durch die in Fühlbarkeit getretenen Schranken der Wirtschaftsexpansion nach außen. Die Industrialisierung der Agrargebiete und Überseeländer, weniger das Ausscheiden Osteuropas aus dem Weltmarkt und die Konkurrenz der valutaschwachen Länder, hat den gesamten englischen Export im Verhältnis zum Großhandelsindex zurückgehen lassen und im besonderen den Export nach Indien, Kanada und Südafrika. Um das Problem der Wirtschaftsstockung zu bewältigen, versuchte man vergebens alle altgewohnten Mittel der Wirtschaftspolitik. Zuletzt ließ man die Arbeiterpartei an die Regierung. Man wollte einmal ganz neue Methoden sehen und erhoffte durch Lösung der deutschen und russischen Frage eine Wiederherstellung des europäischen Marktes. MacDonald richtete aber sein ganzes Augenmerk auf die Lösung der Frage von der außenpolitischen Seite her, und die zeitweilige Ausübung der politischen Macht durch die Arbeiterpartei brachte keine Wendung in der Wirtschaftspolitik und keine neuen Wege.
Da aber die Lage der Wirtschaft gebieterisch einen radikalen Bruch mit den gewohnten Methoden und ein konstruktives organisatorisches Eingreifen verlangt, hat noch im letzten Sommer ein Ausschuß der liberalen Partei unter dem Vorsit Lloyd Georges ein solches Programm entworfen, in welchem er die organisatorischen Gedanken dem Sozialismus entlehnt. Die unausgesprochene, aber doch deutliche Perspektive des Vorschlages ist folgende: Der Stillstand der industriellen Erschließung der Außengebiete zeigt an, daß im Zentrum und Ausgangspunkt der industriellen Expansion eine vollständige Umwälzung stattfinden muß, damit eine allein Beschäftigung bringende erneute Expansionswelle möglich wird. Wenn die Agrarländer industrialisiert sind, muß das Industrieland, von dem diese Erschließung ausgegangen ist, zu qualifizierteren Produktionen und zu einer neuen Form und höheren Stufe der Industrie übergehen, wenn es weiter bestehen will. Die automatische Selbstregulierung der Wirtschaft ruft diese Entwicklung nicht hervor. Darum kann nur eine planmäßige Zusammenfassung der industriellen Kraftquellen diese „zweite industrielle Revolution“ einleiten. Ansatzpunkt der organisatorischen Umgruppierung sind Kohle und Elektrizität, die Schlüsselindustrien der Sozialisierungsvertreter.
Keine 14 Tage, nachdem das englische Parlament den vom Bergarbeiterverband ausgearbeiteten Gesetzentwurf über die Sozialisierung der Bergwerke in aller Stille abgelehnt hatte, ohne daß die Arbeiterpartei besondere Teilnahme zeigte, veröffentlichte der Ausschuß der liberalen Partei einen Vorschlag zur Neuregelung der Kohlen- und Elektrizitätswirtschaft, der an die Sozialisierungspläne anknüpft. Der Entwurf der Liberalen macht den Versuch, die produktionstechnische Verbesserung, die eine Sozialisierung, bzw. die mit ihr verbundene Planmäßigkeit und Zentralisation bringen würde, von der sozialen Umwälzung zu trennen und sie allein durchzuführen. Unter Aufrechterhaltung der vorhandenen politischen Machtverhältnisse, der freien Initiative des Unternehmertums und des bisherigen Systems der Gewinnerzielung soll eine allgemeine technische und organisatorische Verbesserung sowie eine den Bergarbeitern zum Bewußtsein kommende Hebung ihrer Lebenslage und eine Mitbestimmung der Arbeiter in gewissen Fragen der Industrie erzielt werden. Den industrieumwälzenden Charakter erhält der Entwurf nicht durch die Ökonomisierung des englischen Kohlenbergbaus und die erhoffte teilweise Zufriedenstellung der Arbeiter, sondern durch die Elektrifizierung des Landes, welche die Krone des Planes bildet. Die elektrische Kraftversorgung an Stelle der Kohle soll die industrielle Struktur des ganzen Landes verändern.
Der Kohlenbergbau ist die Grundlage des englischen Wirtschaftslebens, auf der sich Industrie, Schiffahrt und Export aufbauen. Er beschäftigt 1.200.000 Bergarbeiter und hatte 1923 eine Förderung von 276 Mill. t, wovon 38 % exportiert wurden. Es ist ohne besondere politische Absicht so gekommen, daß in England Sozialisierungsbestrebungen immer wieder den Bergbau zur Zielscheibe nehmen. Die Mißstände sind greifbar und augenscheinlich durch die Besitzverteilung verursacht. Schon das Sankeykomitee stellte im Jahre 1919 fest: Der englische Kohlenbergbau ist in etwa 1.500 einzelne Unternehmungen zersplittert, die zum Teil schlecht geleitet und ungenügend mit Kapital versorgt sind. Die maschinelle Einrichtung ist durchaus unmodern. Der Ausschuß der Liberalen im Jahre 1924 bestätigte dies. Nach Ansicht der Sachverständigen sei die technische Organisation des englischen Bergbaus um 20 bis 50 Jahre zurückgeblieben. Pferdekarren unter Tage und die viel zu kleinen Fünftonnenwaggons zum Abtransport seien noch weit verbreitet. Trotz Verdoppelung der Vorkriegspreise sei der Unternehmergewinn niedriger und betrage die Steigerung der Löhne nur 70 %. Die Lohnhöhe sei nicht überall einheitlich, sondern es herrsche eine große Ungleichheit je nach der finanziellen Lage der Zeche. In Schottland und Yorkshire beträgt der Lohn durchschnittlich 10 s 10 d, in Lancashire 8 s 10 d und in South Staffordshire 7 s 8 d je Schicht. Dementsprechend beträgt die Förderung je Kopf in Schottland 19,3 cwts und 11,9 in Bristol. Vor allem lenkt der Ausschuß der Liberalen die Aufmerksamkeit auf den Zustand, daß 4.000 Grundeigentümer vom Kohlenland Pachtsummen und Gewinnanteile von den Zechen beziehen und infolge der Besitzverteilung und ihrer Verpachtungspolitik die rationellste Ausbeutung der Vorkommen verhindern. Während der durchschnittliche Unternehmergewinn 1 s 11 ½ d je t beträgt, ist ein durchschnittlicher Betrag von 6 s 9 d je t an die Inhaber der sogenannten Royalties zu zahlen. Die Hauptteile dieser ungeheuren Beträge gehen an wenige Grundeigentümer. Einer von diesen erhält 423.000 £ jährlich.
Die englische Bergwerksindustrie macht im Augenblick eine besonders schwere Krise durch, infolge der billigen deutschen Reparationskohlenlieferungen an Frankreich und des Wiederauflebens der Konkurrenz der Ruhrkohle in Holland, Skandinavien und an der deutschen Küste. In den ersten sieben Monaten 1924 hat sich die englische Kohlenausfuhr um 10 Mill. t gegenüber dem Vorjahre verringert. Der Monatsdurchschnitt der englischen Kohlenausfuhr betrug 1913 6,1 Mill. t, im Jahre 1922 5,3, im Jahre 1923 6,6, und im ersten Halbjahr 1924 6,2 Mill. t. Viele Zechen mußten stillgelegt werden. Trotz günstigen Abbaus und Abtransportes steht der Preis der englischen Kohle hoch über dem Weltmarktpreis.
Die englische Regierung, gleich welcher Partei, hat es immer nur eilig gehabt mit einer Reform im Kohlenbergbau, wenn sie von der drohenden Haltung der Arbeiter eine Katastrophe befürchtete. Im Sommer 1919 ließ sie ihre Verstaatlichungsabsicht verkünden und setzte eine Kommission unter dem Richter Sankey ein. Im Winter 1919/20 kam sie von ihrer Verstaatlichungsabsicht wieder ab. Im Sommer 1920 war sie wieder dafür, um in den folgenden Jahren endgültig davon abzukommen. Die Majorität der Sankeykommission hatte den Beschluß gefaßt, nur durch Verstaatlichung sei ein besserer Betrieb zu erreichen, bei welchem den Arbeitern mehr Initiative und größere Verantwortung zufallen müsse. Der Bergarbeiterverband reichte daraufhin den in diesem Sommer abgelehnten Gesetzentwurf ein, welcher die Schaffung von Grubenräten, Bezirksräten und eines Nationalen Bergwerksrates vorsah, der paritätisch von der Regierung und dem Bergarbeiterverband besetzt werden sollte. Dieser Bergwerksrat sollte alle Bergwerke und die dazu gehörigen Rechte ankaufen, nötigenfalls auf dem Wege der Enteignung. Die Royalties sollten ohne Entschädigung abgeschafft werden. Der Übernahmepreis für die Zechen wurde in dem Entwurf nach der Förderung festgesetzt: auf 12 s je t bei einer Förderung unter 100.000 t und 10 s bei einer solchen über 100.000 t. Die Zahlung des Kaufpreises sollte in staatlich garantierten Schuldverschreibungen vorgenommen werden. Die Regierung arbeitete im Sommer 1920 einen Entwurf aus, der ein Bergwerksministerium, Grubenausschüsse, Bezirksausschüsse und Provinzialämter für die Festsetzung der Löhne nach einer gleitenden Lohnskala entsprechend den Gewinnen der Bergwerksindustrie vorsah. Der Entwurf befriedigte aber weder die Arbeiter noch die Arbeitgeber. Weil im Augenblick keine andere Partei ein Programm zur Lösung der Schwierigkeiten des Kohlenbergbaus hat, hoffen die Liberalen, mit ihrem Programm die politische Initiative zu gewinnen, was ihnen gelingen könnte, falls es ihnen nicht so geht wie dem Regierungsvorschlag von 1920, der von Arbeitern und Unternehmern gleichzeitig aus entgegengesetzten Gründen abgelehnt wurde.
Der Entwurf der Liberalen ist in ein auffallendes spezialpolitisches Gewand gekleidet. Er ist mit photographischen Wiedergaben des Wohnungselendes der Bergarbeiter versehen und hebt besonders seine Vorschläge über kurze Arbeitszeit, Ferien, Hausbrandkohle, Fortbildungsmöglichkeiten und Eisenbahnvergünstigungen hervor. Leider verrät der Entwurf aber selber die Oberflächlichkeit dieser anscheinend so sozialen Gesinnung durch die Bestimmung, daß Badeeinrichtungen und Sicherheitsmaßregeln teilweise vom Wohlfahrtsfonds bestritten werden sollen, während in Deutschland z. B. diese Einrichtungen den Betriebskosten vorschriftsmäßig zur Last fallen.
Die praktischen Reformvorschläge des Entwurfes bestehen in 1. Abschaffung der Royalties, 2. Übernahme des Eigentums an den gesamten Bodenschätzen und Berggerechtigkeiten durch den Staat, 3. planmäßige und unauffällige Beeinflussung der organisatorischen und technischen Entwicklung des Bergbaus durch die Verpachtungspolitik der staatlichen Royaltykommission, 4. gewisse Mitbestimmungsrechte der Arbeiter in sozialpolitischen Angelegenheiten, 5. staatliche Förderung der Elektrifizierung durch staatliche Anlage elektrischer Überlandleitungen, Ankauf bzw. Enteignung der Rechte an Wasserkräften usw., durch Kredit- und Kapitalzuschüsse für elektrische Unternehmungen und Zinsgarantien, um Kapital heranzuziehen.
Die Übernahme der gesamten im englischen Boden ruhenden Kohlen- und Mineralschätze aus der Hand der Grundeigentümer in die Hand des Staates findet gegen Entschädigung statt. Von einem bestimmten Tage an werden die Royalties an den Staat gezahlt. Dieser zahlt in bar Entschädigungen an die bisherigen Inhaber, jedoch nicht in voller Höhe des Wertes der Royalties. Außerdem zieht er noch 10 % der Entschädigungen für den Wohlfahrtsfonds ab. Grundeigentümer, die in ihrem Grund und Boden noch nicht ausgebeutete Bodenschätze sicher vermuten, können eine Entschädigung innerhalb der nächsten 5 Jahre reklamieren, für den Fall, daß die Vorkommen erschlossen werden. Im Besitze der Bergrechte nimmt der Staat eine neue Verpachtung vor. Diese geschieht durch 5 bis 7 Beauftragte, die vom Parlament ernannt und von der Krone angestellt werden (Royalties-Committee). Sie haben einen Jahresbericht über ihre Tätigkeit an das Parlament zu liefern und werden von ihm revidiert. Im übrigen sind sie vollkommen unabhängig und unterstehen auch nicht dem Bergwerksminister.
Die Richtlinien der Verpachtungspolitik sind in dem Entwurf festgelegt. Die wissenschaftliche Einteilung der Grubenfelder und Gruppierung der Zechen, die Zusammenfassung der Gruben in größeren Arbeitsverbänden und ihre Kontrolle, die Konzentrierung der Produktion auf die besten Zechen und die fortschreitende Entwicklung neuer Zechen an Stelle der alten sowie die verbesserte Anlage der Arbeitersiedlungen soll das Ziel bei jeder Verpachtung sein. Die Pläne und Grundrisse zur Vereinigung der Bergwerke sollen nicht von den Mitgliedern der Royaltieskommission entworfen werden, sondern sollen von der Bergwerksindustrie ausgehen. Das Komitee soll nur das Recht haben, sie an Ort und Stelle nachzuprüfen. Die Verpachtungssätze können mehr vereinheitlicht und selbstverständlich ganz abweichend von den überkommenen Royalties-Sätzen festgesetzt werden. Das Komitee hat genügend Ansatzpunkte, um auch auf eine Vereinheitlichung der Löhne hinzuarbeiten. Ausdrücklich wird ferner in dem Entwurf erwähnt, daß auch eine Verpachtung der Bodenschätze an Arbeitergilden möglich sein soll, ebenso wie an alle anderen Organisationsformen, die als fähig erscheinen, ein Bergwerksunternehmen zu betreiben.
Die Royaltieskommission ist das eigentliche Organ der planmäßigen Verwaltung der nationalen Bodenschätze. Daneben existiert in dem Vorschlag noch die Einrichtung des nationalen Bergwerksrates, der Distriktsräte und der Grubenräte, die zu dem Zweck der ständigen Fühlungnahme und Beratung zwischen Bergarbeitern und Bergunternehmern geschaffen worden sind. Sie sollen über die Umorganisierung der Bergwerksindustrie mitberaten helfen, insbesondere Vorschläge machen über die Verlegung von Arbeiteransiedlungen, über die Art der technischen und maschinellen Einrichtungen, über die Behebung von Arbeitslosigkeit und dergleichen. In die Tätigkeit des Royaltieskomitees dürfen sie sich nicht einmischen. Der nationale Bergwerksrat kann aber mit Zweidrittelmehrheit Maßnahmen des Royaltieskomitees beanstanden und die Angelegenheit vor den Bergwerksminister bringen, der nur in diesem Fall eine Entscheidung des Royaltieskomitees abändern kann. Im Übrigen hält der Vorschlag es für einen Fehler, gesetzlich die Befugnisse der Räte festzulegen. Der Einfluss der Räte wird sich nach den jeweiligen Machtverhältnissen richten und der Inhalt ihrer Tätigkeit wird sich ganz von selbst ergeben. Den Räten können durch einen Beschluss des Board of Trade besondere exekutive Funktionen verliehen werden.
Der nationale Bergwerksrat umfasst im Höchstfall 100 Mitglieder aus allen wichtigen Distrikten. Zur Hälfte werden die Mitglieder von den Bergarbeitern und zur anderen Hälfte von den Unternehmern, Direktoren, Technikern und Ingenieuren besetzt. Der Präsident des Rates wird vom König ernannt. Der Vorschlag lässt die Frage offen, ob man auch den Konsumenten der Kohle, d. h. den 28.000 Kohlenhändlern, den Arbeitgeberverbänden der kohlenverbrauchenden Industrie und den Vertretern der Hausbrandinteressenten, Sitz in diesem Rate geben soll. Der nationale Bergwerksrat verwaltet den Wohlfahrtsfonds, in den jährlich etwa 1 Million Pfund fließen sollen, aus einer Steuer von 1 d je Tonne Kohle und aus der 10 %igen Abgabe von den Royaltiesentschädigungen, die auf eine Kapitalsumme von 7 Millionen Pfund geschätzt wird.
Die 25 Distriktsräte werden paritätisch von Arbeitern auf der einen, Besitzern und Direktoren auf der anderen Seite gebildet. Distriktsräte bestehen bereits seit 1920 als Wohlfahrtskomitees. Sie sollen jetzt außer der Verwaltung von 4/5 des Wohlfahrtsfonds auch die Lohnausgleichsfunktionen haben, die seit dem Mindestlohngesetz von 1903 die Distriktslohnausschüsse hatten, aber nicht ausüben konnten. Für die Grubenräte, die ebenfalls paritätisch von Leitung und Arbeitern gebildet werden, schreibt der Bericht folgende Funktionen vor: 1. zu wachen über Sicherheit, Gesundheit und Wohlfahrt der Arbeiter; 2. zu sorgen für die Aufrechterhaltung und Vermehrung der Förderung; 3. Berichte zu erstellen an Untersuchungsausschüsse; 4. Streitigkeiten zu regeln über Arbeitsbedingungen und Arbeitslohn; 5. alle Funktionen zu übernehmen, die ihnen die Arbeitsordnung überträgt.
Wie bei dem Bergbau stellt der Bericht des allgemeinen Ausschusses auch auf dem Gebiet der elektrischen Kraft- und Lichtversorgung ein Aufsehen erregendes Zurückbleiben Großbritanniens hinter den übrigen Ländern fest. Die größte britische Kraftanlage hat etwa nur die Leistungsfähigkeit von 20 % der Kraftanlagen von Chicago, und dabei marschierte England auf dem Gebiet der Produktion von Elektrizität vor dem Kriege an der Spitze von allen Ländern, abgesehen von den Vereinigten Staaten. Heute ist es Frankreich, das überholt wurde. Die Produktion von Elektrizität in England gegenüber der Vorkriegszeit ist nur um 130 % gestiegen, während sie sich in Frankreich verdreifacht, in den Vereinigten Staaten fast verfünffacht hat und dort jetzt neunmal so groß ist wie im Vereinigten Königreich. Nur in Deutschland beträgt nach Angabe des Berichtes die Steigerung auch nur etwa 110 %. Die Anlagen in Deutschland und den anderen Ländern sind aber viel moderner als in Großbritannien. Die Umwandlung von Kohle in Elektrizität wird von dem Ausschuss für England dringend angeraten, um die verminderte Nebenproduktengewinnung aus der Kohle voll zu fordern und die ländlichen Industrien wiederaufleben zu lassen.
Die Vorschläge des liberalen Ausschusses bedeuten auf dem Gebiet der Elektrizität eine teilweise Rückbildung der staatlichen Befugnisse. Durch die im Jahre 1922 eingeführte Electricity Bill vom Jahre 1919 sind bereits Distrikts-Elektrizitätskomitees geschaffen worden, welche die Befugnisse haben, selbst Elektrizitätswerke einzurichten, zu betreiben oder zu verpachten, die Gewinne der privaten Elektrizitätsgesellschaften zu kontrollieren und die dem öffentlichen Interesse entgegenstehenden Rechte an Wasserfällen usw. zu erwerben bzw. zu enteignen. Die Befugnisse dieser Distrikts-Elektrizitätskommissionen sollen reduziert werden auf den vergleichsweisen Stand der Funktionen, den das Royaltieskomitee hat, also Anlageerlaubnisse zu erteilen. Die Elektrifizierung selbst soll durch private Unternehmen durchgeführt werden. Die Elektrizitätskommissionen sollen aber eine Reihe von Befugnissen haben, welche sie in den Stand versetzen, die Hindernisse wegzuräumen, die der Durchführung der Akte von 1919 und 1922 im Wege standen. Die beiden Haupthindernisse waren erstens das Bestehen von vielen kleinen, teils öffentlichen, teils privaten Elektrizitäts-Lieferungsverbänden, die sich als vollkommen unzulänglich erwiesen, und zweitens die Interesselosigkeit des Kapitals an einer Anlage in der Elektrizitätsindustrie. Das erste Hindernis soll durch die Zusammenlegung und Vergrößerung dieser Lieferungsverbände beseitigt werden, das zweite durch ein System der Erteilung von Staatskrediten und Gewinngarantien.
Es ist fraglich, ob der hier entwickelte Plan der Liberalen geeignet ist, dem englischen Liberalismus neue Lebenskraft zu geben. Er ist dazu erdacht, um der Arbeiterpartei das Wasser abzugraben. Wahrscheinlich ist, daß zunächst das Gegenteil dabei herauskommt: neues Wasser auf den Mühlen der Arbeiterpartei und eine Flucht der bürgerlichen Wähler des Liberalismus in die Arme der Tories. Diese werden wohl kaum imstande sein, die eingangs skizzierten Probleme zu lösen, und auf lange Sicht wird die Politik der Liberalen sich doch als richtig herausstellen. Sollte das konstruktive Programm jedoch nur ein Versuch gewesen sein, der Arbeiterregierung Kopfzerbrechen zu machen, dann verliert es seine sensationelle Bedeutung einer Wandlung des englischen Liberalismus in einen wirtschaftlichen Konstruktionalismus. Das muß sich aber binnen kurzem herausstellen.