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Man hat in den Vereinigten Staaten während der letzten Jahre häufig den Ruf nach einer amtlichen Feststellung und Begründung der eingeschlagenen Zentralbankpolitik vernommen; man verlangte eine Betätigung, die sich von allen innerpolitischen, parteipolitischen Einflüssen frei hielt und sich rein von „scientific pi-inciples“ leiten ließ. Ein solches amtliches Bekenntnis liegt jetzt vor in Form des zehnten Jahresberichts des Federal Reserve Board, aus dem die Grundlinien der amerikanischen Zentralbankpolitik mit genügender Klarheit zu erkennen sind, wenn auch gerade das letzte Ziel der Bankpolitik nicht ganz eindeutig zu bestimmen ist. „Der Text des Berichts“, bemerkt der Gouverneur des Board, Mr. Crissinger, bei Gelegenheit der Übergabe im Kongreß, „ist einer Erörterung einiger großer Linien der Politik des Federal Reserve Systems und der Grundlage seiner Betätigung und Verwaltung, wie sie sich im Lichte einer nahezu zehnjährigen Erfahrung darstellen, gewidmet. Wir glauben, daß es sich um eine Angelegenheit von so überragendem öffentlichen Interesse handelt, daß eine breitere Erörterung der Dinge, als sie in einem der früheren Berichte versucht wurde, durchaus gerechtfertigt erscheint.“

Es wird vielleicht angezeigt sein, vor aller Erörterung von Einzelheiten den leitenden Gesichtspunkt herauszustellen, und wir halten uns dabei vorerst an die Darstellung, die der Bericht in seinem sechsten Teil, der sich „Richtlinien der Kreditpolitik“ nennt, gibt. Es handelt sich auch in diesem Lande darum, den Abstand gegenüber der Vorkriegszeit darzutun; es wird anerkannt, daß der Stand der Golddeckung (a reserve ratio) nicht mehr als die brauchbare Richtlinie der Kreditpolitik gelten könne. Als in den Hauptländern die Goldwährung – in dem Sinne der Annahme und Abgabe des Währungsmetalls zu einem festen Kurse – bestand, „übten die Bewegungen des Goldes zwischen den Geldmärkten der Welt einen regulierenden Einfluß auf die intervalutarischen Kurse; sie hatten ferner die Tendenz, die Geldsätze der verschiedenen Länder auszugleichen und das inländische Preisniveau in Übereinstimmung mit dem Weltpreisniveau zu halten. Unter diesen Umständen dienten die Änderungen des Deckungsverhältnisses der verschiedenen Zentralbanken als wertvolle Indizien für die Änderungen in den Zahlungs- und Handelsbeziehungen der Länder und waren folglich bedeutsame Richtlinien für die Gestaltung der Diskontpolitik. Unter den gegenwärtigen Umständen, wo starke Goldströme aus den meisten fremden Ländern nach den Vereinigten Staaten, praktisch dem einzigen freien Goldmarkt der Welt, fließen, spiegelt die Bewegung des Goldes in dieses Land weder die bezügliche Lage der Geldmärkte wider, noch ruft diese Bewegung entgegengesetzte Einflüsse hervor, die, wirksam durch Kurse, Geldsätze und Preisniveaus, dahin zielen, den Strom zurückzutreiben. Die Bedeutung, die Bewegungen des Standes des Deckungsverhältnisses früher besaßen, beruhte auf der Tatsache, daß sie sichtbare Indizien der Betätigung des fein abgestimmten Mechanismus der internationalen Finanzzusammenhänge waren. Da dieser Mechanismus nun unwirksam ist, hat das Deckungsverhältnis seinen Wert als Richtlinie für die Verwaltung verloren. Es hat sich deshalb sogar für die Bankverwaltung derjenigen Länder, die erfolgreich die Goldwährung aufrechterhalten haben, als notwendig erwiesen, andere Grundlagen entweder fortzuentwickeln oder zu ersinnen“. Dieser ersten Abwehr folgt eine zweite, die man nicht vermutet hätte: Der Bericht lehnt es ab, dem Vorschlag derjenigen zu folgen, die eine Kreditpolitik mit unmittelbarem Bezug auf das Preisniveau, besonders mit dem Ziel, Preisschwankungen zu vermeiden, propagieren; er ist der Meinung, daß ein solches Bemühen nur fehlschlagen könne. Letzten Endes sei die Kreditverwaltung nicht eine Sache mechanischer Regelung, sondern eine Sache des freien Ermessens (judgment), oder wie es gelegentlich auch heißt, des feinen Taktes (discretion).

Dem Federal Reserve Act folgend, wird nach diesen Abgrenzungen der Grundsatz aufgestellt: die Kreditgewährung habe sich den Zwecken von Landwirtschaft, Industrie und Handel anzupassen. Er wird eingeengt durch den Zusatz, daß die Kreditgewährung nur für die Zwecke der Kapitalanlage und der Spekulation verboten sei. „Das Bundesreservesystem ist ein System des produktiven Kredits. Es ist kein System des Kredits für Anlage- oder Spekulationszwecke.“ Deutlicher wird, was mit diesen wirtschaftlichen „Zwecken“ gemeint ist, wenn der Bericht nun von der qualitativen Bestimmung des Kredits zur quantitativen übergeht. Das Kriterium für das Funktionieren des Wirtschaftssystems ist in der glatten, ungehinderten Bewegung der Güter vom Produzenten durch die Verteilungskanäle bis zu ihrer endgültigen Bestimmung zu finden. Das Kriterium für das Funktionieren des Kreditsystems ist darin zu finden, wie schnell und in welchem Maße der Kreditfluß sich dem Fluß der Güter in Industrie und Handel anpaßt. Solange dieser Fluß nicht durch spekulative Eingriffe unterbrochen wird, ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß die Kreditquellen der Bundesreservebanken mißbraucht und folglich die Gefahr klein, daß „unwirtschaftlicher“ Kredit geschaffen wird. Der Umfang des Kredits wird selten abweichen von dem Umfang des Kreditbedarfs, wie er sich in der Nachfrage der produktiven Industrie widerspiegelt, wenn erstens der Umfang von Handel, Produktion und Beschäftigung und zweitens der Umfang des Konsums im Gleichgewicht ist.“ Und noch deutlicher: „Für die Verwaltung liegt die Lösung des ökonomischen Problems, die Kreditmenge weder zu groß noch zu klein werden zu lassen, darin, sie im richtigen Verhältnis zum Kreditbedarf zu halten, soweit dieser Bedarf aus den effektiven Erfordernissen von Landwirtschaft, Industrie und Handel entspringt, und zu verhindern, daß der Kredit für Zwecke verwendet wird, die nach dem Wortlaut oder dem Geiste der Bundesreserveakte nicht zugelassen sind.

Es ist also die positive Aufgabe der Kreditpolitik, die Güterbewegung vom Produzenten zum Konsumenten zu finanzieren. Man verzichtet zunächst darauf, ein eigenes politisches Ziel zu verfolgen, das etwa eine Stabilisierung der Preise oder eine Vermeidung der Konjunkturschwankungen zum Gegenstand haben könnte. Man folgt vielmehr den Entscheidungen der Produzenten, mit der einen, vielleicht entscheidenden Einschränkung, daß der Kredit nur den „productive uses“, nicht aber den „speculative uses“ dienen soll. Entscheidend ist die Einschränkung deshalb, weil es für die Bedeutung der Kreditpolitik darauf ankommt, welchen Sinn man in die Schulbegriffe „produktiv“ und „spekulativ“ hineinlegt. „Wenn es die Wirkung des Kredits ist, die Bewegung der Güter vom Produzenten zum Konsumenten zu verhindern oder zu verzögern, so ist der Kredit nicht produktiv benutzt. Das Zurückhalten der Güter vom Verkauf, wenn dieselben einen Markt haben, oder die Ansammlung von Gütern für eine zu erwartende Preissteigerung ist kein ‚productive use‘. Es ist die unproduktive Kreditverwendung, die ungerechtfertigte Vermehrung des Kreditvolumens hervorruft; sie verursacht eine unnötige Diskrepanz zwischen dem Umfang von Produktion und Konsumtion; ihre Folgen sind Preisstörungen und andere ‚Beunruhigungen der Wirtschaft‘. Wenn es das Bestreben der Politik sein soll, ein ‚maladjustment‘ von Produktion und Konsumtion zu vermeiden, vielmehr ein dauerndes Gleichgewicht zu erstreben, so gewinnen damit Ziele und Aufgabenkreis der Bank einen ganz andern Umfang. Denn mit einer Vermeidung derartiger Gleichgewichtsstörungen entfallen wesentliche Voraussetzungen der ‚Wirtschaftskrise‘, der Preisstörungen. Wenn es keine Über- und Unterproduktion, keine Verschwendung und kein Darben (alles Relationsbegriffe) mehr gibt, so müssen auch, abgesehen von Fortschritten der Technik, die Preise stabil bleiben. Aber, nochmals, dies Ziel wird nirgends ausgesprochen.

Es ist bekannt, und es wird noch davon die Rede sein müssen, daß die Bundesreservebanken nicht die primären Kreditquellen sind, sondern nur als Bank der Banken fungieren und auf zwei bestimmte Arten der Betätigung beschränkt sind. Primäre Kreditquellen sind vielmehr die Mitgliederbanken des Bundesreservesystems; nur wenn ihre Quellen nicht ausreichen, wenden sie sich zwecks Rediskonts an die Reservebanken. Es handelt sich also für diese Banken darum, Mittel und Wege zu finden, die sie darüber unterrichten, „wann und in welchem Umfang eine Ausdehnung des Kredits für spekulative Zwecke den wirklichen Anlaß der Rediskontierung der Mitgliedsbank gebildet hat“.

Das Federal Reserve Board, als Aufsichtsbehörde, hat es nun nicht mit den einzelnen Kredittransaktionen zu tun, sondern mit dem Umfang und der gesamten Wirkung der Kreditpolitik. Es muß sich einen Überblick über „den Stand von Industrie und Handel und über den Stand des Kredites“ zu verschaffen suchen; denn eine wirksame Kreditpolitik muß gegründet sein auf der bunten Mannigfaltigkeit der wirtschaftlichen Tatbestände, die, wenn kombiniert, die Einzelveränderungen der Geschäftslage und ihr Verhältnis zur augenblicklichen Bank- und Kreditlage in besonderer Beleuchtung zeigen. Man informiert sich also – außer über die Bank- und Kreditverhältnisse – über die wirtschaftlichen Grundtatsachen, wie den Umfang von Produktion, Handel und Beschäftigung und die Bewegung der Preise im Inland und Ausland. Die Verhältnisse haben es mit sich gebracht, daß die Bankpolitik sich nicht mehr einfach nach einer Zahl richten kann, sondern ihren Aufgaben nur in enger Fühlungnahme mit dem gesamten Wirtschaftsleben gerecht werden kann. Es ist ein Verdienst der amerikanischen Bankpolitik, diese Aufgabe mit Bewußtsein in Angriff genommen zu haben, umso mehr, als sie in einem so dezentralisierten Bankwesen mit einer verhältnismäßig geringen Tradition schwerer zu lösen ist als in den europäischen Staaten.

Es ist bis hierhin nur von der Kreditpolitik die Rede gewesen, während es doch eine Hauptaufgabe jeder Zentralbank ist, über den Umlauf der Zahlungsmittel zu wachen. Der Bericht gibt in einem zweiten Abschnitt sehr belangreiche Aufschlüsse über die Zusammenhänge von Kreditbedarf und Zahlungsmittelbedarf. Der erste Einfluß einer wachsenden Geschäftstätigkeit auf die Lage der Banken ist ein Anwachsen der Darlehen und Depositen bei den Mitgliedsbanken. Ein weiteres Anwachsen des Beschäftigungsgrades verlangt ein Anwachsen der realen Umlaufsmittel, um die gestiegenen Lohnausgaben und den gestiegenen Umfang der Kleinhandelsgeschäfte zu ermöglichen; so fängt man an, die Depositen zurückzuziehen. Aus dem Bedarf an Giralgeld ist der Bedarf an Geldzeichen geworden. („Das Verhältnis von Darlehen zu Depositen steigt mit dem Anwachsen der Nachfrage nach Umlaufsmitteln.“) Wenn man sich diesen Prozeß fortgesetzt denkt, so wird ein Moment eintreten, wo die Mitgliedsbank sich an die Reservebank wendet, um die zusätzlichen Umlaufsmittel zu erhalten und zu diesem Zweck den Schuldschein (Note) des Kunden oder ein anderes Papier diskontiert. „Solange der Kunde der Mitgliedsbank nur Giralgeld benötigt, verhält sich der Betrag des Mitgliedsbankkredits, den ein Dollar Reservebankkredit ermöglicht, zu diesem im Durchschnitt wie 10 : 1. Wenn jedoch der Bedarf an Umlaufsmitteln steigt, so verringert sich dieses Verhältnis und erreicht vielleicht einen Punkt, wo die Mitgliedsbank für jeden Dollar, den der Kunde ihr entnimmt, einen Dollar Reservebankkredit erhalten muß. Es gibt also kein festes Verhältnis, welches eine Schätzung ermöglichte, bis zu welchem Betrag die Mitgliederbanken ihre Darlehen auf Grund eines gegebenen Reservebankkredits ausdehnen können. Das Verhältnis ändert sich gemäß der Stufe der Geschäftstätigkeit und dem daraus entspringenden Bedarf an Umlaufsmitteln.“ Es ist zu erkennen, daß die Abhängigkeit der Mitgliederbanken von den Zentralbanken in dem Maße wächst, als der Bedarf an Zahlungsmitteln zunimmt, und sodann, daß es anderseits im wesentlichen Änderungen des Bedarfs an Zahlungsmitteln sind, die Änderungen des Umfangs der Rediskontierungen und damit Änderungen des Status der Zentralbanken hervorrufen. Die Bundesreservebanken haben somit die hauptsächlichen Funktionen, das Land mit Geldzeichen zu versorgen – ihre Bedeutung als Kreditbank tritt dagegen zurück, oder vielmehr sie gibt im wesentlichen nur Kredit bei Gelegenheit der Geldversorgung – und zwar treten sie, als die Sammelstätten der Währungsreserve des Landes, besonders dann in Tätigkeit, wenn es sich um einen außergewöhnlichen Bedarf handelt. An dieser Stelle zeigt sich die Macht der Bundesreservebanken, und an dieser Stelle wird alles das von Bedeutung, was oben über die „Richtlinien der Kreditpolitik“ gesagt wurde.

Es bleibt noch zu betrachten, welche Mittel und Wege den Reservebanken gestattet sind, ihren Einfluß auf die Kreditmenge und Zahlungsmittelmenge des Landes auszuüben. Es handelt sich nur um zwei Geschäftsarten: 1. Die Rediskontierung von Wechseln, die von den Mitgliederbanken eingereicht werden. (Alle „national banks“ müssen Mitglieder des Bundesreservesystems sein, die Banken und Trustgesellschaften, die unter den Gesetzen eines der Staaten errichtet sind, können Mitglieder werden, wenn sie sich gewissen Bedingungen unterwerfen.) 2. Die sog. open market operations. Das Gesetz umschreibt ihre Befugnisse auf diesem Gebiet folgendermaßen: „Jede Bundesreservebank kann, unter Einhaltung der Regeln und Vorschriften des Bundesreserveamtes, am offenen Markt des Inlands oder des Auslands, sowohl von als auch an heimische oder ausländische Banken, Firmen, Körperschaften oder Einzelpersonen kaufen oder verkaufen telegraphische Überweisungen, Bankakzepte, Wechsel von Art und Fälligkeitstermin, wie sie vom Gesetz zum Rediskont zugelassen sind, mit oder ohne Indossament einer Mitgliederbank.“

Eine andere Bestimmung gibt jeder Reservebank eine ähnliche Berechtigung, Zertifikate oder Noten des amerikanischen Schatzamtes zu kaufen oder zu verkaufen. Man hat häufig die beiden Methoden danach unterschieden, wem die Initiative zufällt. So schien es, als ob beim Diskontieren die Mitgliederbanken der aktive Teil waren, während den Zentralbanken nur die Rolle des „Amboss“ zukäme. Dagegen schien eine Betätigung auf dem offenen Markt das besondere Kennzeichen einer aktiven Zentralbankpolitik zu sein. Wenn diese Unterscheidung auch nur für normale Zeiten zutrifft, d. h., für solche, in denen die Mitgliedsbanken noch nicht ihre gesamten Mittel erschöpft haben, so mag ein Überwiegen des einen oder des anderen Geschäftszweiges doch als ein Symptom für eine „Amboss“- oder „Hammer“-Politik der Banken dienen.

Über die Richtlinien der Diskontpolitik der Bundesreservebanken herrschen in den Vereinigten Staaten die verschiedensten Meinungen. Die einen verlangen einen hohen Diskontsatz; gelegentlich wird sogar ein Satz gefordert, der höher ist als derjenige, den die Mitgliederbanken von ihren Kunden fordern (1923 hielt sich der Satz der Reservebanken im Durchschnitt 1 % unter dem Satz der Mitgliederbanken: 4 ½ % : 5 ½ %), weil man der Meinung ist, dass nur so eine Inflation vermieden werden kann. Andere sind geneigt, den Einfluss, den die Reservebanken durch die Diskontpolitik auf die allgemeine Kreditlage ausüben können, sehr gering anzuschlagen, und halten dafür, dass die Bank ihren Einfluss auf andere Weise geltend machen muss. Der Bericht selbst nimmt eine gewisse Mittelstellung ein: „Die Aussichten für eine Kreditbeeinflussung seitens der Bundesreservebanken würden in der Tat nicht vielversprechend sein, ..., wenn sie keine anderen Mittel als die Diskontsätze hätten, um den Umfang der Kreditbeanspruchung zu regulieren, und wenn diese Diskontsätze nur dann einen wirksamen Einfluss ausüben könnten, wenn sie Strafsätze sind.“ Der Bericht gibt zu, dass durch die Diskontpolitik nicht unter allen Umständen und in jeder Situation ein nachhaltiger Einfluss auszuüben ist. Falls die Mittel der Member-Banks noch nicht voll beschäftigt sind, wird sich eine Änderung des Diskontsatzes nur langsam durchsetzen und zwar wesentlich durch die psychologische Bedeutung als Warnschuss. Ein Diskontsatz jedoch, der „eine wirksame Unterstützung der Kredit- und Diskontpolitik der Bundesreservebanken bedeutet“, wird erst möglich werden in dem Grenzzustand, auf den die amerikanische Zentralbankpolitik in wesentlichen Punkten zugeschnitten zu sein scheint, wenn nämlich die Mittel der Kreditbanken nahezu erschöpft sind und bei einer weiteren Ausdehnung das „Reservoir“ des Landes angegangen werden muss. Der Bericht gibt auch eine Regel, wie man sich in dieser Lage verhalten will: „Wenn Produktion, Handel und Beschäftigungsgrad in gutem Stande sind und die Kreditquellen der Kreditbanken des Landes annähernd beschäftigt sind und weder für eine spekulative Geschäftsausdehnung noch für einen Geschäftsumschlag Anzeichen vorhanden sind, so sollen die Diskontsätze weder so niedrig sein, dass sie zu spekulativer Verwendung des Kredits einladen, noch so hoch, dass sie die Geschäftswelt von einer Verwendung für berechtigte Bedürfnisse zurückschrecken lassen.“ Man sieht schon aus den vielen Einschränkungen des Satzes, dass es schwer, wenn nicht unmöglich ist, für den Ernstfall im Voraus Regeln zu geben. Es braucht nicht noch einmal hervorgehoben zu werden, dass von der Aufgabe, die früher häufig die einzige des Bankdiskonts war, der Sicherung der Golddeckung, nicht mehr die Rede ist.

Als zweites Mittel einer Einflußnahme kommen die sogenannten open-market operations in Betracht. „Die Ergebnisse des Jahres (1923) haben gezeigt, daß open-market operations, wenn sie zur rechten Zeit und in der rechten Weise angewandt werden, in höherem Maße, als gewöhnlich angenommen wird, imstande sind, die Diskontpolitik der Bundesreservebanken in wirksamer Weise zu unterstützen, ohne daß gleichzeitig eine Veränderung des Diskontsatzes erfolgt.“ Es handelt sich also noch um ein verhältnismäßig neues Kapitel der amerikanischen Bankpolitik, und besonders ist es erst eine neue Erkenntnis, daß es gilt, die einzelnen Käufe und Verkäufe in die gesamte Kreditpolitik der Zentralbanken einzuspannen; daß man die Macht, die Umlaufsmittel zu verknappen oder zu vermehren durch Verkauf oder Kauf der open-market holdings (hauptsächlich Regierungssicherheiten und Akzepte), nur dann anwendet, wenn es die allgemeine Politik erfordert. In diesem Sinne lautet auch der Grundsatz, den das Bundesreserveamt - als Aufsichtsbehörde - aufgestellt hat: „daß Zeit, Umfang, Art und Weise der Anlagen am offenen Markt, die die Bundesreservebanken vollziehen, in erster Linie sich zu richten haben nach den Bedürfnissen von Handel und Wandel und danach, welche Wirkung diese Käufe und Verkäufe auf die allgemeine Kreditlage haben.“



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