Der so laut verkündete Gereke-Plan, von dem man kaum mehr etwas gehört hat, sah vor, daß einem Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung, der Sitz im Kabinett haben soll, die Aufgabe zukomme, in großen Zügen für eine Reihe von Jahren ein Arbeitsbeschaffungsprogramm aufzustellen. Amt und Pflichten dieses Kommissars sind nun Herrn Dr. Gereke selbst zugefallen. Man geht wohl nicht fehl, aus der Personalunion zwischen dem Urheber des Vorschlags und dem nunmehrigen Leiter dieser Stelle auf eine Wiedergeburt des vielleicht noch einmal und weiter modifizierten Gereke-Planes zu schließen. Kann dieser Plan, dessen währungs- und kreditpolitische Fundierung höchst mangelhaft ist, Herrn Dr. Gereke zur Lösung der großen Aufgabe qualifizieren? Seine starke Aktivität aber, die es vermochte, die heterogensten Elemente hinter seinen Plan zu bringen und sich selbst trotz schärfster sachlicher Kritik an seinen Ideen durchzusetzen, gibt wenigstens eine Gewähr dafür, daß das Problem der Arbeitsbeschaffung nun mit aller Energie in Angriff genommen wird. Der Mann kann willkommen geheißen werden, wenn er einsichtig genug ist, von der Verwirklichung seines Planes abzustehen. Was will Gereke? Bekämpfung der Krise durch weitestgehende Arbeitsbeschaffung. Die Geister scheiden sich nur in der Wahl der Mittel. Träger der Arbeitsbeschaffung soll nach Gereke die öffentliche Wirtschaft sein, derart, daß die Durchführung eines Gesamtplanes nicht von den zentralen Behörden, sondern von den regionalen und lokalen Körperschaften vorgenommen wird. Auswahl und Kontrolle der auszuführenden Arbeiten sowie die Genehmigung der zu ihrer Durchführung erforderlichen Kreditaufnahme sollen dezentralisierten Kreditausschüssen übertragen werden. Die ursprüngliche Fassung des Planes, die dann fallen gelassen wurde, sah zudem noch Zinslosigkeit der Kredite vor. Da eine Beanspruchung der zentralen Notenbank nicht erfolgen kann und darf, haben öffentlich-rechtliche Kreditanstalten die erforderlichen Buch- und Giralgeldkredite zur Verfügung zu stellen. Mit diesen sollen dann nach Gereke Aufbauarbeiten, wie die Schaffung von Kraft-, Gas- und Wasserwerken, die Durchführung von Meliorationen, Straßenbauten, Schnellverkehrsverbindungen, Flugplätzen und ähnliches mehr getätigt werden können. Wer die Geschichte der Ausgleichskassenbewegung kennt, wird den Gerekeschen Vorschlag nicht einmal originell finden können. Auch die Ausgleichskassen wollen autonom neue zusätzliche Kredite begründen. Die Begebung ihrer Ausgleichsschecks und die giromäßige Übertragung der Gerekeschen Buchkredite liegen durchaus auf einer Ebene. Die Konstrukteure der Ausgleichskassen erkannten aber, daß die Beanspruchung dieser zusätzlichen Kredite nicht durchweg in Form von Gutschrift und Belastung erfolgen kann und daß in Ermangelung von Währungsgeld, dessen Schöpfung anderen Normen unterworfen sein muß, hier doch eine modifizierte Art von „Geld", von „Zahlungsmitteln", wie eben die Ausgleichsschecks, vonnöten sind. Im Gereke-Plan ist ein Ähnliches nicht vorgesehen, und um so mehr ist die Frage am Platze, wie sich denn dessen Autor etwa die Form der Lohnzahlungen und der Aufwendungen für Betriebsunkosten, und dergleichen, in die letzten Endes der ganze Buchkredit einmal einmünden muß, eigentlich vorstellt? Die öffentlichen Körperschaften können aus dem Nichts heraus kein wirkliches, sondern nur ein fiktives Kapital schaffen, dessen wirtschaftliche und buchmäßige Abdeckung nicht wieder durch künftige Steuererträge, sondern nur durch kaufmännische Amortisation in 25- bis 30jähriger Frist erfolgen kann. So lange bleibt aber auch die zusätzlich erzeugte Kaufkraft im Markte und kursiert in irgendeiner Form, jedenfalls nicht nur schemenhaft, sondern eminent wirklich und wirksam. Nur wenn dieses „gefälschte" Kapital sich sofort wieder in Sparkapital niederschlagen würde, wäre es kredit- und währungspolitisch unbedenklich. Da dies nicht der Fall sein kann, wenn in erster Linie neue Arbeitskräfte mit aufgespeicherten Konsumbedürfnissen wieder zur Beschäftigung gelangen, darum ist der Gereke-Plan abzulehnen. Diese Kritik gilt zugleich für alle Konstruktionen, die mittels zusätzlicher wirtschaftlich ungedeckter Kredite langfristige Investitionen durchführen wollen.
Kaufkraftschöpfung zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung** bedeutet zugleich die Erzeugung zusätzlicher Nachfrage auf dem Markt der genussreifen Konsumgüter, der durch dieses Programm keinerlei mengenmäßige Ausweitung erfahren hat. Damit aber erfüllt sich, dem Wesen nach, der Tatbestand der Inflation. Die Anregung, die die Verbrauchsgütererzeugung auf diese Weise erfahren würde, wäre weder konjunkturell begründet noch wirtschaftlich gerechtfertigt, denn sie basiert auf inflationistisch steigenden Preisen und endet automatisch, wenn der Zustrom neuer zusätzlicher Kaufkraft abebbt. Die Arbeiten des Gereke-Plans sind keine solchen, die aus sich heraus eine Reproduktion bedingen, und wenn der Schaffung seiner Buchkredite auch begrifflich keine Grenzen gesetzt sind, so werden sich diese in der rauen Wirklichkeit doch sehr bald erweisen. Es zeugt von keiner besonderen Erkenntniskraft, wenn man nach der jüngsten Rationalisierungsepoche mit all ihren Kapitalfehlleitungen noch nicht so weit ernüchtert ist, um die Grenzen der Investitionsmöglichkeit einer Wirtschaft zu begreifen. Die Objekte des Gerekeschen Aufbauprogramms können nach diesem Erleben hinsichtlich ihrer volkswirtschaftlichen Produktivität und noch mehr hinsichtlich ihrer privatwirtschaftlichen Rentabilität doch nur mit der größten Skepsis hingenommen werden. Selbst aber wenn diese rentable und produktive Verwertung gewährleistet und damit Zinsendienst und Amortisation gesichert wären, so bliebe immer noch der obige Einwand bestehen, dass ein sich über lange Jahre erstreckender Rückstrom der zusätzlichen Kaufkraft die sofort auftretende Gefährdung des Preisniveaus und der Währung nicht vereiteln kann. Wäre der Gereke-Plan mit Erfolg zu verwirklichen, so würde das die Geburtsstunde der krisenfreien Volkswirtschaft bedeuten, an die wir aus vielen Gründen nicht zu glauben vermögen.
Die Ideen Gerekes haben, bewußt oder unbewußt, die Schumpetersche Theorie von der wirtschaftlichen Entwicklung und außerdem Albert Hahns Lehren von der Priorität der Kreiditschöpfung vor der wirtschaftlichen Leistung zur Voraussetzung. In der dort für den Kapitalismus angenommenen rasch fortschreitenden Dynamik der wirtschaftlichen Entfaltung mag die Vorauseskomptierung künftiger Erträge noch logisch zu begründen sein, niemals aber in einer Wirtschaftskrise, die das Produktivkapital nur zu einem Bruchteil seiner Leistungskraft ausnützt und daneben durch vollständige Deroutierung der Weltmärkte und in Deutschland noch durch stagnierende Bevölkerung charakterisiert ist. Die Annahme, zu der sich auch Gereke bekennt, daß die im Gefolge jeder Kreditausweitung mögliche Vermehrung der Geldzeichen so lange keine Gefahr bildet, als diese Vermehrung nur durch das infolge der Vornahme von Aufbauarbeiten wachsende Wirtschaftsvolumen bedingt wird, beinhaltet zwei logische Fehler. Zunächst kommt es nicht so sehr und sicher nicht allein auf die Vermehrung der Geldzeichen an, als auf die Vermehrung der Kaufkraft als der umfassenderen Kategorie. Und wer da glaubt, daß diese Kaufkraftvermehrung preis- und währungspolitisch unbedenklich sein müsse, weil sich das Wirtschaftsvolumen gleichdimensional verändere, der hat immer noch nicht begriffen, daß das Anlagekapital einer Wirtschaft notwendig in einem organisch gewachsenen Verhältnis zu den übrigen ökonomischen Faktoren stehen muß. Die neubegründete zusätzliche Kaufkraft, die sich hauptsächlich in Einkommen für jetzt noch Arbeitslose übersetzen soll, wird bestimmt nicht zum Erwerb von Hypotheken, Obligationen und Aktien verwendet werden, die die neuen Objekte markt- und börsenfähig machen könnten. So bleiben die zusätzlichen Kredite zwangsläufig eingefroren. Die neugeschaffene Kaufkraft aber, die wirtschaftlich keinen Anspruch auf das Sozialprodukt erheben kann, weil sie nichts dazu geleistet hat, will dennoch daran partizipieren. Das kann sie aber nur, wenn durch allgemeine Preissteigerung wieder ein Gleichgewicht mit dem solcherart erhöhten Nominaleinkommen hergestellt ist. Die Gerekeschen Aufbauprojekte stellen keine Vermehrung des Sozialprodukts, keine Erweiterung des Wirtschaftsvolumens dar und deshalb kann auch auf dieser Basis - ohne Sparkapital, das heißt ohne aufgespeicherte Einkommen im Hintergrund - neues und zusätzliches Einkommen, das seinem Wesen nach immer Anspruch auf Sozialprodukt ist, nicht ohne ernste Gefahr zur Entstehung gelangen.
Dennoch stehen einer zusätzlichen Kreditschöpfung Wege offen. Sie ergeben sich folgerichtig aus unserer kritischen Darlegung. Zusätzliche Kreditschöpfung, die zusätzliche Kaufkraft und neue Einkommen zur Entstehung gelangen läßt, ist dann wirklich ungefährlich, wenn sich die zusätzliche wirtschaftliche Leistung in genußreifem Sozialprodukt vergegenständlicht. Nicht eine höchst problematische Investition nicht vorhandenen Kapitals, sondern bessere Ausnutzung der bereits vorhandenen stehenden Anlagen zum Zwecke besserer Güterversorgung der Allgemeinheit, das nur allein kann das Ziel sozialer und nationaler Politik sein. Alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Überlegungen drängen in diese Richtung. Die Not unseres Volkes kann nur gelindert werden, wenn mit steigendem Volkseinkommen zugleich auch der Konsumfonds anwächst und auch die Rentabilität der privaten Wirtschaft kann nur wiedergewonnen werden, wenn eine höhere Kapazitätsausnützung des Produktivkapitals und damit eine Kostensenkung zu erreichen ist. Zusätzliche Buchgeldschöpfung und selbst zusätzliche Stückgeldschöpfung wäre bei solcher Verwendung der Kredite durchaus gutzuheißen. Diese Art von Kredit würde kein neues Kapital zaubern wollen, sondern würde einen Vorschuß von fehlenden Betriebsmitteln bedeuten. Mit der Produktion von Konsumgütern würden Konsumenten kaufkräftig gemacht werden und damit wäre in der Gesamtheit gesehen sowohl der Absatz dieser Erzeugung als auch automatisch der rasche Rückstrom der vorgeschossenen Kredite hinlänglich gewährleistet und der status quo ante wieder hergestellt. Gegen diese Form der Arbeitsbeschaffung kann vom währungspolitischen Standpunkt aus kein Einwand erhoben werden.
Die Schwierigkeiten liegen hier durchaus auf sachlichem und organisatorischem Gebiet, insofern der Staat oder eine öffentlich-rechtliche Institution hier nicht als Auftraggeber und als Käufer der privaten Wirtschaft figuriert, sondern lediglich Kreditgeber sein kann. Weil hier kein Kapital begeben wird, darf auch keine Kapitalinvestition vorgenommen werden, und so mag trotz Befristung der Kredite auch noch eine Kreditkontrolle vorgesehen werden. Man könnte diese zusätzlichen Kredite ihrem Wesen nach als eine modifizierte Art des Warenwechsels betrachten, die sich von diesem dadurch unterscheiden, daß sie nicht Bestätigung der bereits vollzogenen, sondern Grundlage der noch zu vollziehenden Leistung sind. Dieses Verfahren ist gerechtfertigt, wenn die Betriebsmittel der privaten Wirtschaft weitgehend aufgezehrt oder festgefrorene Guthaben nicht als Kreditunterlage zu mobilisieren sind. Dieser Tatbestand ist denn auch in sehr vielen Fällen gegeben.
Wie durch die zunehmende Arbeitslosigkeit Kaufkraft und Umsatzvolumen immer mehr zusammenschmelzen, so kann in der vorgeschlagenen Weise durch gleichzeitige Schaffung von Kaufkraft und Verbrauchsgütern die rückläufige Wirtschaftsentwicklung abgebremst und wieder nach oben umgebogen werden. Das Problem gipfelt darin, diese Erkenntnis zum Allgemeingut der Wirtschaft zu machen. Je breiter die Front der zusätzlichen Produktion sein wird, desto mehr ist das Moment des Zufalls ausgeschaltet und damit auch der Absatz garantiert.
Die private Wirtschaft muß sich dessen bewußt sein, daß ihr durch Pläne der Gerekeschen Art nie und nimmer geholfen werden kann. Der wirtschaftliche Aufschwung kann nur aus dem Kreis der Wirtschaft selbst kommen. Der Staat kann nur, der besonderen Situation und Struktur Rechnung tragend, die kreditpolitischen Voraussetzungen erleichtern.
Die oben skizzierte Linie neuer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mag dem Laien weniger verheißungsvoll klingen als das frohe Evangelium derer, die eine Patentlösung zu besitzen glauben. Das aber ist das Schicksal aller Dinge, die in der Realität wurzeln. Herr Dr. Gereke als Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung wird diese Realitäten aber früher oder später doch in Rechnung stellen müssen.