Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Die Fiskalpolitik hat mit den beiden Konjunkturprogrammen „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ und dem „Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland“ wesentlich dazu beigetragen, die Krise zu überwinden. Die ergriffenen Maßnahmen setzen sich vor allem aus Steuer- und Abgabenentlastungen sowie einer Erhöhung der staatlichen Investitionsausgaben zusammen. Der konjunkturelle Impuls beträgt für das Jahr 2009 etwa 1,6% des Bruttoinlandsprodukts und für 2010 etwa 0,4%. Die Staatsquote hat im Zuge der Krise, in der das Bruttoinlandsprodukt gefallen und die Staatsausgaben gestiegen sind, um 3,5 Prozentpunkte auf 47,4% zugenommen. Das gesamtstaatliche Budgetdefizit wird in 2010 noch einmal höher ausfallen als im Jahr 2009. Neben den diskretionären fiskalpolitischen Maßnahmen von etwa 10 Mrd. Euro im Vergleich zum Jahr 2009 führt die endogene Entwicklung staatlicher Einnahmen und Ausgaben zu einem steigenden Defizit. Es ist zu erwarten, dass das Budgetdefizit von 3 auf 5% des nominalen Bruttoinlandsprodukts steigen wird. Die deutliche Überschreitung der zulässigen Defizit- und Schuldenquote des Maastricht-Vertrags ist aus konjunkturellen Gründen gerechtfertigt. Allerdings muss der Konsolidierungsprozess mittelfristig erkennbar sein. Dies ist gegeben, da bei einer weiteren Normalisierung der Konjunktur die 3%-Grenze des Maastricht-Vertrags 2013 erreicht werden könnte. Allerdings bestehen für weitere Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen wenig Spielraum. Dies wird durch die in die Verfassung aufgenommene Schuldenbremse, welche die Länder ab 2016 und den Bund ab 2020 zwingt, in einer konjunkturellen Normallage (nahezu) ausgeglichene Haushalte aufzuweisen, noch deutlicher.

Zu Beginn des Jahres 2010 trat zudem das Wachstumsbeschleunigungsgesetz in Kraft. Dies führt zu einer Steuerentlastung von 8,4 Mrd. Euro. Die Summe verteilt sich auf verschiedene Komponenten: Den größten Teil nimmt mit 4,6 Mrd. Euro die Entlastung von Familien durch die Erhöhung von Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag ein. Außerdem führt eine Reform der Unternehmensbesteuerung zu einer Entlastung von 2,4 Mrd. Euro. Des Weiteren wird der Mehrwertsteuersatz für Hotels vom Regelsatz von 19% auf den reduzierten Satz von 7% abgesenkt (Entlastung 945 Mio. Euro), die Erbschaftsteuer reformiert (Entlastung 420 Mio. Euro) und die Förderung von Biokraftstoffen geändert (Entlastung 127 Mio. Euro) Die einzelnen Komponenten des Gesetzes sind in ihrer konjunkturellen und wachstumspolitischen Wirkung sehr unterschiedlich zu bewerten. Während die Entlastung von Familien durchaus zu einem – wenn auch kleinen – konjunkturellen Impuls führt, ist dies bei den anderen Komponenten eher nicht zu erwarten. Bei der Unternehmensteuerreform werden in der Vergangenheit begangene Fehler korrigiert. Insofern gibt es hier durchaus langfristig positive Wirkungen. Sehr kritisch ist hingegen die Absenkung der Umsatzsteuer im Hotelgewerbe zu bewerten. Nicht nur dass dieser Schritt weder wachstums- noch konjunkturpolitisch Impulse setzt, darüber hinaus verkompliziert er auch das Steuersystem und schafft neue Ausnahmetatbestände.

Finanzwirtschaftliche Indikatoren
  2007 2008 2009 2010
  in Mrd. Euro
Einnahmen 1065,32 1091,79 1071,98 1059,81
Steuern 576,31 592,60 569,20 559,24
Sozialbeiträge 399,83 408,07 415,43 417,04
Ausgaben 1060,65 1090,78 1143,17 1184,12
Monetäre Sozial­leistungen 418,58 421,62 440,98 454,36
Arbeitnehmerentgelt 168,38 172,13 177,49 181,96
Vermögens­einkommen (Zinsausgaben) 67,29 67,07 65,54 72,10
Subventionen 27,63 28,02 33,56 34,02
Bruttoinvestitionen 34,33 37,44 40,67 45,37
Finanzierungssaldo 4,67 1,01 -71,19 -124,32
  in %
Defizitquote 0,2 0,0 -3,0 -5,0
Staatsquote (Staatsausgaben) 43,7 43,7 47,4 47,9
Abgabenquote (Steuern + tatsächliche Sozial­­beiträge) 39,2 39,1 39,8 38,4
Steuerquote 23,7 23,7 23,6 22,6
Sozial­abgabenquote 16,5 16,4 17,2 16,9

Quellen: Statistisches Bundesamt. 2009 aufgeschätzt und 2010 Prognose des HWWI.

Insgesamt stellt sich bei dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Frage, ob zurzeit überhaupt weitere Impulse gesetzt werden sollten, oder ob nicht angesichts einer sich stabilisierenden konjunkturellen Lage der Haushaltskonsolidierung Priorität eingeräumt werden sollte. Dies gilt umso mehr, als relativ große Einmütigkeit darüber besteht, dass die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöht und weitere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergriffen werden sollten. Insofern ist hier mit zusätzlichen Haushaltsbelastungen zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund sind die Pläne für weitere Steuersenkungen problematisch. Verschiedentlich wird argumentiert, dass Steuersenkungen trotz der Ausweitung staatlicher Maßnahmen finanzierbar sind, wenn nur an anderer Stelle „richtig“ gespart würde. Grundsätzlich ist dieses Argument zentral. Es gibt steuerliche Sonderbehandlungen oder Subventionen, die eine verzerrende Wirkung haben und deshalb gestrichen werden sollten. Dazu gehören z.B. die steuerliche Freistellung von Zuschlägen für Schicht-, Feiertags- oder Nachtarbeit. Ein anderes Beispiel läge in der Abschaffung der Pendlerpauschale, die ökologisch problematisch ist und eine verzerrende Wirkung hat. Subventionen sind in den letzten Jahren insbesondere im Bereich der Förderung der Energieeffizienz und des Wechsels zu erneuerbaren Energien geschaffen worden. Die Beispiele zeigen einerseits, dass bestimmte lenkende (verzerrende) Wirkungen von Subventionen politisch gewünscht sind, und zum anderen, dass die Abschaffung der Subventionen oder Steuererleichterungen von vielen Bürgern als Steuererhöhung empfunden wird. Dies bedeutet nicht, dass nicht alle Ausgaben und Steuererleichterungen auf ihre Wirkung und Sinnhaftigkeit überprüft werden. Mit Sicherheit liegen hier Einsparpotenziale. Allerdings handelt es sich bei den Einsparungen nicht um ein „free lunch“.

HWWI-Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe

missing image file

2000 = 100, auf US-Dollar-Basis.

HWWI-Index mit Untergruppena 2009 Jun. 09 Jul. 09 Aug. 09 Sep. 09 Okt. 09 Nov. 09 Dez. 09
Gesamtindex 209,7 226,2 216,2 235,9 226,9 242,3 253,1 250,0
  (-33,6) (-44,4) (-47,7) (-35,0) (-29,5) (1,2) (32,6) (56,6)
Gesamtindex, ohne Energie 184,0 184,4 183,6 197,0 195,4 201,7 207,6 215,3
  (-22,1) (-31,2) (-31,5) (-20,7) (-15,3) (5,9) (19,7) (30,8)
Nahrungs- und Genussmittel 202,2 217,5 200,5 205,9 196,5 206,3 212,1 219,3
  (-13,2) (-19,5) (-25,0) (-15,3) (-14,5) (10,2) (19,0) (25,2)
Industrierohstoffe 176,0 169,9 176,2 193,1 194,9 199,7 205,6 213,6
  (-25,9) (-36,3) (-34,3) (-23,0) (-15,7) (4,0) (19,9) (33,4)
Agrarische Rohstoffe 125,4 116,7 122,6 131,5 138,4 145,8 152,8 156,9
  (-16,8) (-29,0) (-25,9) (-16,0) (-8,7) (11,0) (30,2) (42,2)
NE-Metalle 171,9 167,1 173,8 203,7 199,8 205,1 212,3 225,6
  (-29,0) (-39,4) (-37,9) (-20,0) (-14,8) (16,0) (43,4) (83,9)
Eisenerz, Stahlschrott 337,6 335,3 342,5 348,3 349,8 345,8 344,5 350,0
  (-30,0) (-38,8) (-37,1) (-33,2) (-23,8) (-16,3) (-12,6) (-14,2)
Energierohstoffe 222,2 246,4 231,9 254,7 242,1 262,0 275,1 266,7
  (-37,3) (-48,1) (-52,1) (-39,1) (-33,8) (-0,4) (38,0) (69,6)

a 2000 = 100, auf US-Dollar-Basis, Periodendurchschnitte; in Klammern: prozentuale Änderung gegenüber Vorjahr.

Weitere Informationen: http://hwwi-rohindex.org/


DOI: 10.1007/s10273-010-1025-5

Mehr zu diesem Thema bei EconBiz

Alle Suchergebnisse anzeigen