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Eurozone: Exit aus der Niedrigzinspolitik?

Von Gunther Schnabl

Die griechische Tragödie, die irische Schuldenkrise und der Zweifel an der Zahlungsfähigkeit weiterer Eurostaaten nähren die Sorgen um das ambitionierte Währungsprojekt. Der deutschen Angst vor Inflation setzt die EZB scheinbare Entschlossenheit zum Exit aus der Niedrigzinspolitik entgegen. Hingegen signalisiert die Federal Reserve die bedingungslose monetäre Lockerung, um die kränkelnde US-Wirtschaft zu stabilisieren. Die verzweifelten Rettungsaktionen der US-Zentralbank erscheinen als Vorboten für den Verfall des US-Dollar und den Aufstieg des Euro zur internationalen Leitwährung.

Das Eintreten dieses Szenarios hängt davon ab, ob sich die EZB auf Grundlage ihrer institutionalisierten Unabhängigkeit von der US-Geldpolitik isolieren kann. Dies ist auf den ersten Blick nicht unrealistisch. Im Gegensatz zu den Ländern des informellen Dollarstandards (z.B. in Ostasien), wo Festkurse zum US-Dollar eine zentrale Rolle für die makroökonomische Stabilität spielen, kann sich die Eurozone zunächst von der US-Geldpolitik durch Aufwertung isolieren. Doch tangiert der steigende Außenwert des Euro den Export und damit die makroökonomische Stabilität einzelner Eurostaaten und der an den Euro gebundenen Länder. Die deutsche Exportindustrie hat sich durch Produktion von hoch spezialisierten Industriegütern einen monopolistischen Spielraum zur Überwälzung von Aufwertungen geschaffen. Hingegen haben viele Eurostaaten, die vor Euroeintritt den Export über Abwertungen förderten, einem starken Euro-Außenwert wenig entgegenzusetzen. Der resultierende Anstieg der Leistungsbilanzdefizite wurde bisher durch Kapitalexporte aus Deutschland finanziert.

Doch sind diese privaten Kapitalzuflüsse mit der Schuldenkrise versiegt. Führt der Exit der EZB zu einer deutlichen Aufwertung des Euro, dann stehen neue Turbulenzen an der Europeripherie an. Die nationalen Zentralbankpräsidenten der instabilen Länder werden Krisen entweder durch ihr Stimmverhalten im EZB-Rat antizipieren, oder neue Krisen zwingen die EZB auf Grundlage des „Gesetzes der außergewöhnlichen Ereignisse“ zur Umkehr. Die außenwirtschaftliche Stabilität des Euro im Sinne einer Nichtaufwertung würde dann über einen Anstieg des Inflationspotenzials erkauft. Der zukünftige Inflationsdruck könnte auch nicht durch das Aufspalten der Eurozone umgangen werden. Denn eine Abwertung des „Südeuro“ würde über einen Anstieg der Verbindlichkeiten in „Südeuro“ eine „Finanzkrise Süd“ auslösen. Da die Südverbindlichkeiten von Nordfinanzinstituten gehalten werden, stünde auch ohne gemeinsames Eurogebiet der Bailout an. Alternativ müssten die Verluste der Euronordbanken von den Euronordregierungen getragen werden. Bei steigender Staatsverschuldung würde der Druck auf die neue Euronordzentralbank zur geldpolitischen Expansion steigen.

Das macht die Vertagung des europäischen Exits zur wahrscheinlichsten Lösung. Der Euro würde allenfalls moderat gegenüber dem US-Dollar aufwerten und die internationale Rolle des Dollar nicht untergraben. Die außenwirtschaftliche Stabilität des Euro bliebe in dem Sinne erhalten, dass die Geldpolitiken in den USA und Europa weitgehend gleich verlaufen. Der Preis wäre weniger binnenwirtschaftliche Stabilität (in Form von steigender Inflation oder neuen Vermögenspreisblasen). Dies käme einer Annährung der EZB an das Zentralbankmodell der südlichen Staaten vor Eintritt in die Eurozone gleich.

Weltklimakonferenz: Cancún erfüllt niedrige Erwartungen

Von Astrid Dannenberg

Die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz, die im Dezember 2010 im mexikanischen Cancún stattfand, haben sich – mit Ausnahme von Bolivien – auf ein Maßnahmenpaket verständigt. Das Paket umfasst u.a. die Errichtung eines globalen Klimafonds sowie Verabredungen zur Anpassung an den Klimawandel, zum Waldschutz und zum Technologietransfer. Es wurden grundsätzliche Vereinbarungen zur Transparenz der Klimaschutzmaßnahmen in Industrie- und Entwicklungsländern getroffen. Außerdem wurden das 2°C-Ziel und die im Rahmen des Kopenhagen-Akkords angekündigten nationalen Emissionsreduktionsziele offiziell in den UN-Verhandlungsprozess eingeführt.

Substanzielle Punkte, wie das Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls und verbindliche Klimaschutzziele, wurden jedoch auf zukünftige Verhandlungen verschoben. Dennoch äußern sich die zuständigen Vertreter aus Politik, Umwelt und Wirtschaft tendenziell positiv. Die Politikvertreter sehen die Ergebnisse als Erfolg und Neuanfang nach den gescheiterten Verhandlungen im Vorjahr in Kopenhagen. Auch die Umweltverbände zeigen sich verhalten optimistisch und sind erleichtert, dass der UN-Klimaprozess fortgesetzt wird. Wirtschaftsvertreter sehen zumindest kleine Fortschritte in Richtung eines weltweiten Abkommens. Diese Bewertungen zeigen, wie niedrig die Erwartungen an die Verhandlungen in Cancún waren und wie niedrig die Erwartungen generell sind. Die bisherigen Fortschritte in den internationalen Klimaverhandlungen bieten tatsächlich wenig Raum für hohe Erwartungen. Bereits 1992 etablierte die UN-Klimarahmenkonvention das Ziel, die atmosphärische Treibhausgaskonzentration auf einem Niveau zu stabilisieren, das eine gefährliche Störung des Klimas verhindern soll. Rund 20 Jahre später wird das Ziel als die bekannte 2°C-Linie neu formuliert, der Umsetzung ist man aber nicht wesentlich näher gekommen. Das Kyoto-Protokoll legte als erstes Klimaabkommen verbindliche Emissionsreduktionsziele für Industrieländer fest. Die Ziele sind jedoch nicht langfristig angelegt und betreffen nur eine kleine Gruppe von Staaten und damit nur einen Bruchteil der weltweiten Emissionen. Auch die Hoffnung, dass damit der Grundstein für ein effektives, globales Abkommen gelegt wurde, hat sich nicht erfüllt. Der danach ausgehandelte Kopenhagen-Akkord umfasst mehr Länder, aber die Ankündigungen sind unverbindlich und nicht ausreichend für das globale Konsensziel.

Ein effektives Klimaabkommen muss vorrangig zwei Dinge leisten: Erstens, es muss souveränen Staaten Anreize bieten, dem Abkommen beizutreten und seine Beschlüsse umzusetzen. Zweitens, es muss das Verhalten der Staaten ändern, d.h., sie emittieren mit Abkommen weniger Treibhausgase als ohne Abkommen. Keine der bisherigen Klimavereinbarungen hat diese beiden Punkte gleichzeitig erfüllt. Oftmals wird der komplexe UN-Verhandlungsprozess, der Einigkeit unter fast 200 heterogenen Staaten vorschreibt, für das langsame Vorankommen verantwortlich gemacht. Als Konsequenz werden Änderungen des Prozesses vorgeschlagen wie z.B. Verhandlungen in kleinen Gruppen oder Aufgabe der Einstimmigkeitsregel. Die ökonomische Literatur zu internationalen Umweltabkommen lässt jedoch vermuten, dass solch institutionelle Änderungen keinen großen Effekt haben würden. Neuere experimentelle Arbeiten in diesem Bereich bestätigen, dass auch kleine Gruppen bestehend aus wenigen homogenen Spielern sich nicht auf ein globales Abkommen einigen können, auch wenn dieses alle Akteure besserstellen könnte. Die Literatur legt nahe, dass weniger der Prozess als vielmehr der bisher verfolgte Ansatz der „Reduktionsziele und Zeitpläne“ das Hauptproblem darstellt. Es sollte sich daher lohnen, den zugrundeliegenden Ansatz in Frage zu stellen. Viele alternative Vorschläge wie beispielsweise sektorale Abkommen, Abkommen für einzelne Treibhausgase oder Forschungs- und Entwicklungsabkommen liegen schon auf dem Tisch und sollten mehr Aufmerksamkeit in den Verhandlungen erhalten.

Rekommunalisierung der Energiewirtschaft: Ausdruck von Protektionismus

Von Justus Haucap

Die Verstaatlichung von Unternehmen der Energiewirtschaft hat Hochkonjunktur. Flächendeckend ist eine Rekommunalisierung von Stadtwerken zu beobachten, und das Land Baden-Württemberg plant nun, der Electricité de France (EdF) den 45%igen Anteilsbesitz an EnBW abzukaufen. Dafür gibt es breiten Beifall in der Bevölkerung und unisono bei allen Parteien. Diese Politik mag dem Zeitgeist entsprechen, vernünftig ist sie deswegen jedoch noch lange nicht. Dass öffentliche Unternehmen oftmals ineffizient geführt und inkompetent beaufsichtigt werden, ist bekannt und auf zugrunde liegende Prinzipal-Agent-Probleme zurückzuführen. Aus der Geschäftspolitik von EnBW will sich die Landesregierung daher auch heraushalten. Was aber kann dann mit der Verstaatlichung erreicht werden? Der Betrieb der Energienetze ist hochgradig reguliert und unabhängig vom Eigentum, d.h. hier wird sich zunächst wenig tun, wenn sich die baden-württembergische Landesregierung nicht für eine Änderung der Regulierungspraxis stark macht. Die Erzeugung und der Vertrieb von Strom ist keine Staatsaufgabe und kann prinzipiell kompetitiv organisiert werden, wenn dies politisch gewünscht ist. Die Politik selbst hat jedoch für den Bau von Kraftwerken zahlreiche Markteintrittsbarrieren geschaffen, die Investitionen in neue Kraftwerke unattraktiv machen. Von dieser Politik und dem mangelhaften Wettbewerb profitiert in Zukunft die baden-württembergische Landesregierung als Miteigentümer von EnBW.

Ordnungspolitisch ist daher vor allem der inhärente Interessenkonflikt problematisch, der sich bei der baden-württembergischen Landesregierung ergibt. Sämtliche energiepolitischen Entscheidungen (wie z.B. die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke) spiegeln sich nun über die Profite von EnBW in der Landeskasse wider. Mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten führt tendenziell zu einem Abschmelzen der Gewinne und damit zu einem Wertverlust bei EnBW. Daher ist nicht damit zu rechnen, dass wettbewerbsfördernde Maßnahmen demnächst noch politische Unterstützung aus Baden-Württemberg erhalten. Die Vorstellung, dass öffentliche Energieversorger automatisch wettbewerbsfreundlicher und günstiger als private Konkurrenten sind, ist dagegen eine romantische Illusion, die sich im deutschen und europäischen Strommarkt nicht empirisch untermauern lässt. Im Gegenzug besteht die Gefahr, durch politische Preissetzung und politisch motivierte Investitionen volkswirtschaftliche Ineffizienzen zu induzieren. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die staatliche Investitionslenkung bei einem anderen Staatskonzern, nämlich der Deutschen Bahn AG, gerade in Stuttgart wenig beliebt ist.

Der Kauf von EnBW ist allerdings weniger energiepolitisch motiviert als industriepolitischer Natur und Ausdruck eines allgemeinen Protektionismus. Die Verkaufspläne von EdF hätten wahrscheinlich auch ausländische Investoren auf den Plan gerufen. Dies wollte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, nach seiner eigenen Aussage unbedingt verhindern. Was so furchtbar an ausländischen Investoren ist, bleibt unklar. Stattdessen sollen die Anteile in Zukunft an Kommunen und Stadtwerke verkauft werden, die in der Vergangenheit zu den größten Opponenten der Marktliberalisierung gehört haben. Von RWE sind die Governance-Probleme eines stark kommunal dominierten Energiekonzerns aus der Vergangenheit gut bekannt. Zugleich möchte der Ministerpräsident die internationale Expansion von EnBW unterstützen. Das damit verbundene unternehmerische Risiko übernimmt nun weitgehend der Steuerzahler.

Digitale Strategie der Bundesregierung: Schritte in die richtige Richtung

Von Dieter Elixmann

Der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) nimmt weltweit eine zunehmend bedeutende Funktion für Wirtschaft und Gesellschaft ein. IKT-Innovationen verändern Wertschöpfungsketten und Formen der Arbeitsteilung in nahezu allen Bereichen der Volkswirtschaft. Auch bei privaten Nutzern und Unternehmen finden IKT-Produkte und -Dienste immer mehr Einsatzfelder. Die Dynamik des IKT-Bereichs wirft gleichzeitig neue Fragen mit Blick auf Sicherheit und Teilhabe auf.

Empirische Studien belegen für eine Vielzahl von Ländern, dass der IKT-Bereich unter bestimmten Bedingungen ein entscheidender Faktor für die gesamtwirtschaftliche Produktivität und das Wachstum der Volkswirtschaft sein kann. Zur Förderung der IKT und ihrer Anwendung gibt es in allen entwickelten Ländern nationale Politikprogramme. Für Europa insgesamt hat die „Digitale Agenda für Europa“ der Europäischen Kommission – eine der sieben Flaggschiff-Initiativen der „Europe 2020 Strategy“ – erst jüngst die Schlüsselrolle der IKT für das Erreichen der ökonomischen und sozialen Ziele bis 2020 konkretisiert.

Es ist daher zu begrüßen, dass die Bundesregierung im November 2010 für das Themenfeld IKT mit ihrer neuen Strategie „Deutschland Digital 2015“ die Schwerpunkte, Aufgaben und Projekte ihrer IKT-Politik bis 2015 konkretisiert hat. Die neue IKT-Strategie adressiert sechs wesentliche Bereiche und spezifiziert eine Vielzahl von Maßnahmen. Erstens neues Wachstum und Arbeitsplätze durch Digitalisierung (Fokus u.a. auf dem IKT-Mittelstand, jungen Unternehmen und Neugründungen; den digitalen Medien und der Kreativwirtschaft, dem Einsatz von IKT in den Bereichen Energie, Elektromobilität und Verkehr sowie auf Cloud Computing), zweitens Digitale Netze der Zukunft (Schwerpunkte u.a. breitbandige Hochleistungsnetze, der neue Rechtsrahmen TK und das Thema Netzneutralität, die Frequenzpolitik sowie das Thema Internet Governance), drittens Vertrauen und Sicherheit in der digitalen Welt (wesentliche Themenfelder u.a. Sicherheit im Internet; Datenschutz und Datensicherheit; Verbraucherschutz im Internet; das sichere Identitätsmanagement sowie der Schutz geistigen Eigentums), viertens Forschung und Entwicklung für eine digitale Zukunft (Konzentration u.a. auf die Forschung für das Internet der Zukunft, auf das Internet der Dinge sowie die Forschung für digitale Spitzentechnologien), fünftens Bildung, Medienkompetenz und Integration (im Vordergrund die Themenfelder Aus-, Fort- und Weiterbildung, Arbeiten in der digitalen Welt sowie die Digitale Integration), sechstens digitale Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen und eine bürgernahe Verwaltung (Bereich fokussiert auf e-government, IKT in der Bundesverwaltung, Green IT sowie auf e-Health und Demografie).

Deutschland hat im Bereich IKT unbestritten Stärken im internationalen und globalen Vergleich und die Bundesregierung nimmt mit ihrer IKT-Strategie zentrale Themen für die Zukunft auf. Entscheidend wird jedoch sein, die Maßnahmen effizient und wirksam umzusetzen, damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit des IKT-Forschungs- und Entwicklungs- bzw. Produktionsstandortes Deutschland weiter erhöht, nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum gefördert, die Schaffung neuer Arbeitsplätze unterstützt und sozialer Nutzen geschaffen wird. Hier wird es auf das vorgesehene Monitoring ankommen, die Zielerreichung kritisch zu würdigen und entsprechenden Nach- und Neujustierungsbedarf zu definieren.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1153-y

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