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Die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg befindet sich nun schon in ihrem dritten Jahr und wird in weiten Teilen der Öffentlichkeit als Paradebeispiel für ein gravierendes Marktversagen eingestuft. Dies hat über die unmittelbaren staatlichen Rettungsmaßnahmen hinaus den Ruf nach „Mehr Staat in der Kreditwirtschaft!“ verstärkt und vielfältige Vorschläge zur Ausweitung und Verschärfung der Beaufsichtigung der Banken hervorgerufen (zuletzt im September 2009 beim Finanzgipfel in Pittsburgh). Noch lässt sich nicht präzise genug abschätzen, welche staatlichen Hilfen für die Kreditwirtschaft erforderlich sein werden und welche Veränderungen in der Bankenregulierung noch vorgenommen werden müssen. Dennoch wird in diesem Beitrag der Versuch einer Skizze möglicher Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation des europäischen und deutschen Bankenmarktes speziell im Retail-Segment unternommen. Um die durch die Finanzkrise hervorgerufenen Veränderungen einschätzen zu können, ist jedoch zunächst ein kurzer Blick auf die wichtigsten Etappen und Ergebnisse der europäischen Finanzmarktintegration erforderlich.

Europäische Finanzmarktintegration

Der Begriff „Finanzmarktintegration“ wird in der Literatur bis heute nicht einheitlich und damit verbindlich definiert; folglich muss auch der Begriff „europäische Finanzmarktintegration“ in wesentlichen Punkten unklar bleiben. Unabhängig davon lassen sich jedoch zumindest zwei zentrale Bedingungen für die Realisierung einer vollständigen Finanzmarktintegration konstatieren. Als eine notwendige Bedingung gilt, dass auf integrierten Finanzmärkten keine Beschränkungen im Sinne von Kapitalverkehrskontrollen und anderen rechtlichen oder institutionellen Barrieren existieren.1 In der Konsequenz weisen die auf integrierten Finanzmärkten gehandelten Vermögenstitel denselben erwarteten Zinssatz auf und lassen sich idealiter transaktionskostenfrei und perfekt substituieren.2 Die hinreichende Bedingung für eine vollständige Finanzmarktintegration erfordert darüber hinaus, dass auch die Bereitschaft der Marktteilnehmer gegeben ist, derartige Transaktionen durchzuführen.3

Deregulierung und Harmonisierung des Rechtsrahmens

Der Prozess der Integration der nationalen europäischen Finanzmärkte zu einem einheitlichen Finanzbinnenmarkt lässt sich nach dem heutigen Stand in sechs Phasen unterteilen.4

  1. Deregulierung des Markteintritts (1957-1973),
  2. Harmonisierungsinitiativen zur Regulierung von Banken (1973-1983),
  3. Vervollständigung des Binnenmarktes (1983-1992),
  4. Schaffung der europäischen Einheitswährung (bis 1999),
  5. Aktionsplan für Finanzdienstleistungen („Financial Services Action Plan“, FSAP) (1999-2005),
  6. Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik der Europäischen Kommission (2005-2010).

Die EU-Mitgliedstaaten und die Institutionen der EU haben seit Mitte der 1970er Jahre zahlreiche Richtlinien verabschiedet, um die Hindernisse einer Finanzmarktintegration innerhalb Europas zu beseitigen. Bevor die Mitgliedstaaten einen wesentlichen Teil ihrer Zuständigkeiten an die Europäische Kommission delegierten, begannen sie zunächst eigenständig damit, bestehende Kapitalverkehrskontrollen aufzuheben und Zinsliberalisierungsschritte durchzuführen, um den Markteintritt potenzieller Newcomer zu vereinfachen. Einen wesentlichen Fortschritt in den Harmonisierungsbestrebungen stellte jedoch erst die Verabschiedung der Ersten Bankenrichtlinie (77/780/EWG) im Jahr 1977 dar. Mit dieser Richtlinie wurde hinsichtlich der Zuständigkeit für die Bankenaufsicht das so genannte „Heimatlandprinzip“ eingeführt. Nach diesem bis heute geltenden Prinzip fällt die Aufsicht und Kontrolle von Banken, die innerhalb der EU grenzüberschreitend operativ tätig werden, insgesamt dem Heimatland zu. Dennoch blieb der europäische Bankenmarkt weiterhin fragmentiert, da sowohl Art als auch Umfang einer grenzüberschreitenden Finanztransaktion durch spezifische Gesetze des Gastlandes eingeschränkt werden konnten.

Aus diesem Grunde veröffentlichte die Europäische Kommission im Jahre 1985 ein Weißpapier mit dem Ziel der weiteren Harmonisierung eines einheitlichen Finanzbinnenmarktes, dessen wesentliche Forderungen in der Zweiten Bankenrichtlinie (89/646/EWG) 1989 konkretisiert wurden. Gemäß dieser Richtlinie dürfen in Europa ansässige Kreditinstitute in jedem beliebigen Mitgliedstaat der EU Niederlassungen und Filialen errichten („Einheitlicher Europäischer Bankenpass“) und, ohne besonderen Restriktionen zu unterliegen, grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen erbringen.

Im Mai des Jahres 1999 wurde nach einem Konsultationsverfahren der Kommission und unter Beteiligung der Regierungen der Mitgliedstaaten der „Financial Sector Action Plan“ (FSAP) vorgestellt, der insgesamt 42 Maßnahmen enthielt, um die vollständige Integration der Banken- und Kapitalmärkte bis 2005 zu gewährleisten.5 Der FSAP ist als eine der treibenden Kräfte für die weit reichenden Veränderungen in der europäischen Finanzlandschaft zu sehen. Seit 2007 wird im Auftrag der Europäischen Kommission eine Abschätzung der allgemeinen wirtschaftlichen Auswirkungen des Aktionsplans sowie der mit den Maßnahmen verbundenen Kosten vorgenommen. Zudem wurden mit der „Market in Financial Instruments Directive“ (MiFID) und der „Consumer Credit Directive“ (CCD) weitere Richtlinien zur Verbesserung der Transparenz und des grenzüberschreitenden Angebots von Wertpapieren und Konsumentenkrediten erlassen sowie die „Single Euro Payments Area“ (SEPA, 2007/64/EC) aus der Taufe gehoben.

Kurz nach der Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung wurde 2003 mit Blick auf die bevorstehende EU-Osterweiterung im Zuge der Formulierung der formellen Beitrittsvoraussetzungen für zukünftige Mitgliedstaaten der so genannte „Acquis communautaire“ verabschiedet. Dieser Gesamtbestand an verbindlichen Rechten und Pflichten bedingt insbesondere für die neuen Mitgliedstaaten den Nachweis einer effizienten Finanzmarktintegration, einer ausreichenden Kapitalisierung der Banken und einer wirksamen Finanzaufsicht. Zudem soll der vollständige Abbau von Kapitalverkehrsrestriktionen sowie die Schaffung eines europaweiten Angebots an Finanzdienstleistungen in den Beitrittsländern gewährleistet werden.

Den bisher letzten Schritt der Harmonisierung des Rechtsrahmens für einen einheitlichen europäischen Finanzmarkt bildet das Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005-2010 der Europäischen Kommission.6 Mit diesem Weißbuch wurden Prioritäten festgelegt, die bis zum Jahre 2010 umgesetzt werden sollen. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen die solide Um- und Durchsetzung der geltenden Vorschriften des FSAP, die Verstärkung der Aufsichtskonvergenz sowie der Ausbau des Wettbewerbs zwischen Finanzdienstleistern, welche insbesondere auf den Retail-Märkten tätig sind.

Durch die dargelegten Initiativen der Europäischen Kommission zur Schaffung eines einheitlichen Finanzbinnenmarktes ist dieser von den rechtlichen Rahmenbedingungen her – also in formalem Sinne – weit vorangeschritten. Um aber den Grad der faktischen Integration zu bestimmen, muss zunächst die Frage beantwortet werden, wie sich der Fortschritt der Finanzmarktintegration messen und bewerten lässt. Diese Frage soll in diesem Beitrag am Beispiel des Retail-Banking – also des so genannten „Mengengeschäfts“ mit Privat- und kleineren Geschäftskunden in Form weitgehend standardisierter Produkte – erörtert werden.7

Messung und Bewertung der Finanzmarktintegration für den relevanten Markt des Retail-Banking

Zur empirischen Messung des Fortschritts von Finanzmarktintegration im Retail-Segment lassen sich grundsätzlich zwei Verfahren anwenden: eine preisbasierte und eine mengenbasierte Methode.8 Die preisbasierte Messung fokussiert im Sinne der Theorie bestreitbarer Märkte („Contestable markets theory“)9 auf den durch Integrationsprozesse ausgelösten Wettbewerb in Finanzmärkten und die daraus resultierende Effizienzsteigerung. Demnach führt ausgehend vom Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise („Law of indifference“)10 eine vollständige und damit friktionslose Integration der Märkte im Ergebnis zu einheitlichen Preisen, d.h. Aktiva mit vergleichbarem Risiko weisen unabhängig von dem Land, in dem sie gehandelt werden, dieselbe erwartete Rendite auf und werden zu gleichen Preisen gehandelt. Jede Preisdiskrepanz ist somit Ausdruck einer Segmentierung, die einen unvollkommenen Wettbewerb und damit eine weiterhin unvollständige Finanzmarktintegration bedeutet.

Als eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung von preisorientierten Indikatoren zur Messung der europäischen Finanzmarktintegration gilt allerdings die Existenz homogener Produkte für Finanzdienstleistungen in den verschiedenen Mitgliedsländern. Selbst im Bereich des Retail-Banking ist eine solche Homogenität jedoch nicht festzustellen. Zwar besteht bei zahlreichen Produkten (z.B. Überweisung im Rahmen des Zahlungsverkehrs) ein relativ hoher Grad an Standardisierung (und damit Vergleichbarkeit). Ein Großteil der Bankleistungen auch des Retail-Banking ist jedoch durch das Beratungselement und damit den persönlichen Faktor geprägt (Kreditvergabe, einfache Depotstrukturierung, Altersvorsorge), dessen Qualität sich nur schwer gleichnamig machen und in Vergleichen einfangen lässt. Somit besteht zunächst die grundsätzliche Schwierigkeit, tatsächlich gleichartige Produkte zu finden, da jedes einzelne Produkt eine Vielzahl von Merkmalen aufweist, die eine Klassifizierung erschweren. Zudem spielen bei Finanzprodukten des Retail-Banking „Gebühren“ bzw. „Provisionen“ eine wichtige Rolle. Der Vergleich z.B. von Zinssätzen im Kreditgeschäft per se ist deshalb unzureichend. Trotz dieser methodischen Schwierigkeiten führt die EU-Kommission Preis- und Gebührenvergleiche im europäischen Retail-Banking regelmäßig durch.11 Im Ergebnis lässt sich konstatieren, dass die Preise sowohl innerhalb der Länder als auch zwischen ihnen erheblich variieren.

Aus dieser Tatsache kann indes nicht pauschal geschlossen werden, dass der Integrationsgrad im Retail-Segment eher gering ist. Denn selbst wenn die oben genannten methodischen Probleme der empirischen Messung gelöst würden, wären noch immer die unterschiedlichen Präferenzen der Kunden in den einzelnen Mitgliedsländern zu berücksichtigen. So kann ein Produkt im Extremfall in einem Land als ein Standardprodukt von der Mehrzahl der Kunden nachgefragt werden, während es in einem anderen Mitgliedstaat zwar grundsätzlich angeboten, aufgrund anders gelagerter Finanzierungsusancen der Realwirtschaft jedoch nur selten in Anspruch genommen wird. Diese Präferenzunterschiede werden sich auf das Preissetzungsverhalten der Banken auswirken, wodurch die Aussagekraft des Preisvergleichs entsprechend eingeschränkt wird. Es gilt somit neben den künstlichen/institutionellen Integrationsbarrieren, die sich über regulatorische Maßnahmen grundsätzlich abbauen lassen, auch „natürliche“ Hürden der Nachfrager im Rahmen der Integrationsmessung im Retail-Segment zu berücksichtigen.

Die mengenbasierte Messung der Integration stellt auf die absolute Zahl grenzüberschreitender Zahlungen bzw. das Transaktionsvolumen (Einlagen und Kredite) ab. Demgemäß wird die Inanspruchnahme einer hohen Zahl von grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen als ein Indikator für eine fortgeschrittene Integration des europäischen Retail-Marktes interpretiert. Wie die preisbasierte Messung unterliegt auch dieses Verfahren Schwierigkeiten im Hinblick auf die Datenerhebung und die Interpretation der empirischen Ergebnisse. So kann beispielsweise die Einstellung der privaten Haushalte zur Kreditaufnahme kulturell unterschiedlich sein. Des Weiteren spielen für Zahlungsverkehrsprodukte (z.B. Kartenzahlungen) Pfadabhängigkeiten eine bedeutende Rolle, da für die Errichtung von Zahlungsverkehrssystemen hohe spezifische Investitionen erforderlich sind. Schließlich ist eine positive Korrelation zwischen dem Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung eines Mitgliedstaates und der Versorgung mit Finanzdienstleistungen des Retail-Banking zu erwarten.

Das Volumen grenzüberschreitender Transaktionen lässt sich bei den Banken selbst oder bei den Kunden erfassen. Während bei den Kreditinstituten eine direkte statistische Erhebung möglich ist, ist die Präferenz der Kunden hinsichtlich der Inanspruchnahme grenzüberschreitender Finanzdienstleistungen nur mit Hilfe von Umfragen zu ermitteln. Setzt man zunächst auf der Nachfrageseite an, so lässt sich der Fortschritt der Finanzmarktintegration im Retail-Banking durch den Vergleich des Volumens des tatsächlichen grenzüberschreitenden Geschäftes mit dem durch Umfragen ermittelten Potenzial für grenzüberschreitende Bankdienstleistungen approximieren. Empirische Erhebungen zeigen, dass das potenzielle Interesse die tatsächliche Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Retail-Banking deutlich übersteigt. Dies legt den Schluss nahe, dass noch vorhandene Integrationsbarrieren die Kunden daran hindern, tatsächlich in größerem Umfang grenzüberschreitende Retail-Produkte nachzufragen. Als wesentliche Barrieren werden für das Retail-Banking in der Literatur vor allem die aus der Intransparenz von Produktpreisen und -bündelung resultierenden Informationasymmetrien und Wechselkosten sowie administrative und rechtliche Hürden bei grenzüberschreitenden Transaktionen genannt.12

Die direkte statistische Erfassung bei den Kreditinstituten erfolgt zumeist anhand der Anzahl und des Ausmaßes grenzüberschreitender Fusionen und Übernahmen im Bankensektor, des Marktanteils von Banken mit ausländischem Eigentümer oder der geographischen Zusammensetzung des Kreditbuches oder Einlagenbestandes eines europäischen Bankkonzerns. Mit Bezug auf die Marktstruktur lässt sich in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsländern als ein Resultat der Finanzmarktliberalisierung und vormals bestehender Monobanksysteme ein durchweg hoher Marktanteil ausländischer EU-Banken feststellen, während der Anteil ausländischer Banken in den EU-Gründungsländern eher gering ist. Zwar ist zu erwarten, dass sich das Retail-Banking im Zuge der Marktintegration weiter europäisiert, jedoch kann gerade dieser Gesamttrend zugleich Chancen für rein national orientierte Anbieter darstellen, sich gegenüber den grenzüberschreitend agierenden Wettbewerbern durch besondere Marktkenntnis und kulturelle Nähe zu den Kunden in ihrem Heimatmarkt abzugrenzen. Umgekehrt müssen selbst für stark international ausgerichtete Kreditinstitute nicht alle Märkte innerhalb der EU gleichermaßen attraktiv sein.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die empirische Messung und Bewertung des Integrationsgrades europäischer Retail-Märkte mit erheblichen methodischen Problemen behaftet ist und somit nur ungenaue Ergebnisse liefern kann. Unabhängig von den vorhandenen Schwierigkeiten im Rahmen der Integrationsmessung lässt sich jedoch im Kern feststellen, dass trotz der umfangreichen Gesetzesinitiativen das Segment des Retail-Banking noch stark auf das Herkunftsland bezogen und entsprechend deutlich fragmentiert ist.13 Diese Tatsache wiegt umso schwerer, als dass die EU-Kommission insbesondere die Integration des Retail-Segments in den Vordergrund ihrer Bemühungen um den Ausbau des Wettbewerbs zwischen den Finanzdienstleistern in Europa gerückt hat.14

Einschätzung der Wettbewerbssituation im deutschen Bankenmarkt vor der Subprime-Krise

Das deutsche Finanzsystem unterscheidet sich im internationalen Vergleich vor allem durch zwei Merkmale: Zum einen ist es in erster Linie bankbasiert. Im Gegensatz zu markt-basierten Systemen (wie sie z.B. in Großbritannien und den USA zu finden sind), finanzieren sich kleinere und mittelgroße Unternehmen sowie private Haushalte im Wesentlichen über Bankkredite und weniger über den Kapitalmarkt. Zum anderen existieren drei unterschiedliche Gruppen von Universalbanken, die sämtliche Bankgeschäfte betreiben (Drei-Säulen-Struktur). Dazu gehören (in der Terminologie der Bundesbank) „Kreditbanken“ (= Private Großbanken), öffentlich-rechtliche Banken (Sparkassen und Landesbanken) und Genossenschaftsbanken (Kreditgenossenschaften und genossenschaftliche Zentralbanken).

Deutschland weist 2009 mit 2015 Kreditinstituten unter allen EU-Ländern die größte Zahl an Banken auf. Ausgehend von einem im europäischen Vergleich besonders zersplitterten Bankensystem hat in Deutschland im Zuge der zunehmenden Finanzmarktintegration in Europa eine beachtliche Konsolidierung bei der Zahl der Banken, der Zweigstellen und der Mitarbeiter stattgefunden. Dieser Prozess war in den Jahren von 1997 bis 2003 deutlich stärker als im Durchschnitt der EU-15, ist jedoch seit dem Jahr 2004 zum Stillstand gekommen. Bei der Bankendichte, welche die Zahl der Banken pro 100 000 Einwohner misst, weist Deutschland im Jahr 2009 mit einem Wert von 3,1 Banken pro 100 000 Einwohner den höchsten Wert auf.15

Trotz des Konsolidierungsprozesses ist die Fragmentierung des deutschen Bankensystems im europäischen Vergleich somit noch immer hoch. Der Grad der Fragmentierung lässt sich mit Hilfe von Konzentrationsmaßen berechnen. Die in der einschlägigen Literatur gängigsten Indikatoren stellen die „Concentration Ratio“ (CR) und der „Herfindahl-Hirschman-Index“ (HHI) dar. Die hier berechnete CR5 misst den Anteil der Bilanzsumme der fünf größten Banken eines Marktes an der Bilanzsumme des gesamten Bankenmarkts. Demhingegen setzt der HHI die Summe der quadrierten Marktanteilswerte der Banken eines Markts in Relation zu der Anzahl aller Banken im Markt; er gewichtet durch die Quadrierung größere Marktanteile besonders hoch. Der Quotient wurde hier auf Werte von 0 (min. Konzentration) bis 1000 (max. Konzentration) skaliert.

Vorausgeschickt werden muss, dass weder Bilanz- noch GuV-Daten verfügbar sind, die sich allein auf das Retail-Banking-Segment deutscher Universalbanken beziehen. Den Abbildungen 1 und 2 ist zu entnehmen, dass die Marktkonzentration in Deutschland wie innerhalb der EU-15 seit dem Jahr 1997 stetig ansteigt. Der deutsche Bankenmarkt weist im europäischen Vergleich jedoch die geringste Konzentration auf; sie ist zudem mit rund 20% nur halb so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Zurückzuführen sind die geringen Konzentrationswerte auf die im europäischen Vergleich große Zahl von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die aufgrund ihrer Rechtsform nicht oder nur schwer durch „sektorfremde“ Banken übernommen werden können, sowie nur sehr wenige große Kreditbanken. Dieser Befund für den deutschen Bankenmarkt muss allerdings relativiert werden, da sowohl die Sparkassen als auch die Genossenschaftsbanken in eigenen Verbundsystemen unter Einbindung von Landes- bzw. Zentralbanken zusammenarbeiten. Würden diese Verbünde hypothetisch als jeweils ein Konzern betrachtet, so erhöhte sich die Konzentrationsrate des deutschen Bankenmarktes erheblich. Eine solche Zusammenfassung der jeweiligen Verbünde zu einem Konzern wäre allerdings angesichts des hohen Grads an dezentraler Entscheidungsmacht der Mitgliedsbanken nicht zweckmäßig.

Abbildung 1
Marktkonzentration (CR5)
(in %)
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Quelle: Bankscope, Eigene Berechnung.

Abbildung 2
Marktkonzentration (HHI)
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Quelle: Bankscope, Eigene Berechnung.

Grundsätzlich ließe sich über die Konzentrationsmaße auch die Wettbewerbsintensität eines Bankensystems messen. Eine solche Überlegung ist jedoch problematisch. So kann auch in hochkonzentrierten Märkten eine hohe Wettbewerbsintensität vorliegen, die sich dadurch widerspiegelt, dass potenzielle Newcomer diese Märkte bestreiten („contestable markets hypothesis“).16 Zudem können etablierte Unternehmen aufgrund einer besonders hohen Effizienz Marktmacht besitzen und Marktanteile hinzugewinnen („efficient structure hypothesis”).17 Schließlich können auch in nur schwach konzentrierten Märkten Ineffizienzen auftreten, z.B. wenn die Anbieter Kartellabsprachen treffen.

Darüber hinaus spricht die Abgrenzung des relevanten Marktes gegen die Verwendung nationaler Konzentrationsmaße zur Messung der Wettbewerbsintensität. So abgegrenzte Strukturmaße unterstellen grundsätzlich einen nationalen wettbewerblichen Handlungsraum. Gerade für das mittelständische Kredit- und das Vermögensanlagegeschäft mit Privatkunden sind jedoch vielfach immer noch in erster Linie regionale und lokale Märkte entscheidend. Nationale Konzentrationsmaße können daher nur wenig über die tatsächlich relevanten Marktstrukturen und Wettbewerbsintensitäten aussagen.

Insbesondere für Deutschland kann eine geringe Marktkonzentration nicht per se als ein Hinweis auf eine besonders hohe Wettbewerbsintensität interpretiert werden. Derart ist die hohe Zahl von Banken allein noch kein Indiz für eine hohe Wettbewerbsintensität, insbesondere dann nicht, wenn durch das Regionalprinzip die regionalen und lokalen Märkte für die genossenschaftlichen Banken und Sparkassen untereinander abgegrenzt sind.18 Unter diesen Umständen haben Indikatoren, die auf Marktanteile rekurrieren, wenig Aussagekraft für eine Beurteilung der Wettbewerbsintensität. Die CR5 und der HHI sind somit vielmehr dazu geeignet, den in Deutschland vorherrschenden hohen Grad der Fragmentierung des Bankensystems anzuzeigen.

In Anbetracht dieser Mängel wird in der einschlägigen empirischen Literatur auf Marktstrukturmaße verzichtet und vielmehr versucht, die Wettbewerbsintensität eines Bankenmarktes direkt aus dem Verhalten der Marktteilnehmer abzuleiten.19 Im Kern zielen diese Wettbewerbsmaße darauf ab, die Preissetzungsmöglichkeiten der Unternehmen im Markt zu approximieren. So fokussiert beispielsweise der hier verwendete Lerner-Index darauf, ob und in welchem Ausmaß eine Bank in der Lage ist, ihren Preis (Zinsen, Gebühren) oberhalb ihrer Grenzkosten zu setzen. Die auf diese Weise gemessene Marktmacht hängt von der Preiselastizität der Nachfrage ab. Ist diese vollkommen elastisch, nimmt der Lerner-Index den Wert Null an und impliziert damit die Marktform der vollkommenen Konkurrenz. Ist die Nachfrage hingegen vollkommen unelastisch, liegt der Lerner-Index bei 1 und deutet auf ein Monopol hin, in dem Preisaufschläge auf die Grenzkosten grundsätzlich bis zur Höhe des Prohibitivpreises möglich sind.

Abbildung 3 zeigt eine für Deutschland leicht über dem Durchschnitt des Euro-15-Raums liegende Wettbewerbsintensität zwischen den Jahren 1997-2007. Das Niveau der Wettbewerbsintensität innerhalb des deutschen Bankenmarktes lässt sich jedoch weniger durch eine zunehmende Konsolidierung im Zuge der fortschreitenden Finanzmarktintegration erklären. Es ist vielmehr das Ergebnis der durch das Regionalprinzip abgegrenzten, jedoch offenbar wettbewerbsintensiven regionalen und lokalen Bankenmärkte, in denen die genossenschaftlichen Banken und Sparkassen dominieren. Demgegenüber resultieren die Schwankungen der Wettbewerbsintensität im Zeitablauf nicht zuletzt aus mehrfach veränderten strategischen Schwerpunktsetzungen der Kreditbanken hinsichtlich zinsabhängigem und zinsunabhängigem Geschäft.

Abbildung 3
Wettbewerbsintensität (Lerner-Index)
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Quelle: Bankscope, Eigene Berechnung.

Die Abbildungen 4 a, b und 5 a, b zeigen die Gesamtkapitalrentabilität (Return on Average Assets, ROAA)20 sowie die Kosteneffizienz (Cost-Income-Ratio)21 der drei deutschen Bankengruppen auf. Es lässt sich zunächst feststellen, dass der deutsche Bankensektor im Vergleich zur EU-15 eine deutlich geringere Profitabilität aufweist. Dies könnte durch eine besonders hohe Wettbewerbsintensität bedingt, aber auch dadurch hervorgerufen sein, dass die Kreditinstitute hierzulande kostenineffizienter operieren oder die öffentlich-rechtliche Säule einen besonders hohen Anteil am Bankensektor hat.22 Im Übrigen wird erneut deutlich, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken relativ unabhängig von Kapitalmarktentwicklungen agieren, während die extremen Schwankungen in der Rentabilität und Kosteneffizienz der Kreditbanken durch die (zeitweiligen) Schwerpunktsetzungen im Investment Banking zu erklären sind. Die Ausweichstrategie deutscher Kreditbanken zwischen traditionellem Kreditgeschäft und Investment Banking lässt diese somit insgesamt anfälliger für Instabilitäten werden.

Abbildung 4a
Gesamtkapitalrentabilität deutscher Bankengruppen
(ROAA in % der Bilanzsumme)
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Quelle: Bankscope, Eigene Berechnung.

 
Abbildung 4b
Gesamtkapitalrentabilität im Vergleich mit den EU-15
(ROAA in % der Bilanzsumme)
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Quelle: Bankscope, Eigene Berechnung.

Abbildung 5a
Cost-Income-Ratio deutscher Bankengruppen

(Cost-Income-Ratio in %)

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Quelle: Bankscope, Eigene Berechnung.

Abbildung 5b
Cost-Income-Ratio im Vergleich mit den EU-15

(Cost-Income-Ratio in %)

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Quelle: Bankscope, Eigene Berechnung.

Es bleibt allerdings zu vermuten, dass sich die Wettbewerbsintensität insbesondere innerhalb des deutschen Retail-Segments in den nächsten Jahren weiter erhöhen wird. Strukturelle Haupttreiber einer zunehmenden Wettbewerbsintensität dürften der weitere Ausbau des Vertriebs über das Internet mit steigender Preistransparenz, eine gestiegene Preissensibilität der Kunden und gesunkene Wechselkosten in Form von Transaktions- und Informationskosten sein. Krisenbedingt ist darüber hinaus eine Re-Fokussierung und Re-Nationalisierung der Kreditwirtschaften mit entsprechenden Konsequenzen für den Wettbewerb zu erwarten.23 Um durch klassische Einlagen unabhängiger von der Kapitalmarktentwicklung zu werden, wird das Retail-Banking bei den Kreditinstituten nicht nur in Deutschland (wieder) eine stärkere Bedeutung erhalten. Dies wird zum Teil auch für diejenigen Institute, die Staatshilfen erhalten haben, vorgeschrieben. Gerade der potenzielle Zugang zu nationalen Rettungsprogrammen spricht für einen starken „Anker“ der Institute in ihrem Heimatmarkt. Tragen also die Staatseingriffe dazu bei, die Integrationsfortschritte wieder zu beseitigen und den Wettbewerb zu verzerren?

Potenzieller Zielkonflikt von Wettbewerb und Stabilität

Für die Bestimmung einer gesamtwirtschaftlich „optimalen“ Wettbewerbsintensität des Bankensektors muss sowohl die Kapitalallokationseffizienz als auch die Stabilität des Finanzsystems berücksichtigt werden. Damit weichen die wettbewerbstheoretischen Wohlfahrtsimplikationen teilweise von der traditionellen Sichtweise ab, in der ausschließlich auf die pareto-optimale Allokationseffizienz vollkommener Konkurrenzmärkte als Leitbild der Wettbewerbspolitik abgestellt wird. Anders als für die übrigen Wirtschaftssektoren wird im Bankensektor zwar die Kapitalallokationseffizienz durch zunehmenden Wettbewerb gestärkt, allerdings kann ein „zu intensiver“ Wettbewerb die Fragilität des gesamten Bankensystems erhöhen.24 Es besteht somit ein potenzieller Trade-off zwischen Wettbewerb und Stabilität,25 der in der einschlägigen theoretischen Literatur durch folgende Argumente unterlegt wird:26 Es wird zunächst betont, dass grundsätzlich mit zunehmendem Wettbewerb die Marktmacht von Banken sinkt und damit deren Marktwert sowie deren Profitabilität reduziert werden. Geringere Renditen bedeuten sinkende Rücklagen und damit geringere Risikopuffer, wodurch die Anfälligkeit des Kreditsektors gegenüber exogenen (makroökonomischen) Schocks und Liquiditätskrisen steigt. Gleichzeitig können ein geringerer Marktwert und niedrigere Renditen den Anreiz für Banken erhöhen, angesichts geringerer Opportunitätskosten des Konkurses höhere Risiken einzugehen, um entgangene Profite zu kompensieren und den Marktwert zu stärken. Demgegenüber kann ein intensiverer Wettbewerb zwischen Banken aber auch zu einer Verkürzung der Dauer von Finanzierungsbeziehungen zwischen Unternehmen und Kreditinstitut führen. Die kreditgebende Bank vermag somit nur über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum exklusive Informationen aus dem Finanzierungsverhältnis zu sammeln, die für eine besonders effiziente Kreditvergabeentscheidung notwendig sind. Unter Umständen wird dadurch die Kreditvergabe selbst an Unternehmen guter Bonität eingeschränkt.

Staatliche Maßnahmen aus wettbewerbspolitischer Sicht

Die Grundvorstellung einer liberalen marktwirtschaftlichen Ordnung besteht darin, dass der Markt und die in ihm stattfindenden Wettbewerbsprozesse grundsätzlich besser dazu in der Lage sind, wirtschaftliche Probleme zu lösen, als politisch induzierte regulative Steuerungsmechanismen.27 Auf einem vollkommenen Markt werden die dezentral festgelegten Wirtschaftspläne der Marktteilnehmer über den Preismechanismus koordiniert und durch den Wettbewerb diszipliniert, sodass ein externer Regulierungseingriff einen Fremdkörper darstellt und eine pareto-effiziente Ressourcenallokation gefährden kann. Staatliche Interventionen sollten sich daher lediglich auf die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit von Märkten und deren Wettbewerbsprozessen beschränken, indem sie die notwendigen institutionellen Voraussetzungen durch eine adäquate Wirtschaftsverfassung etablieren.28 Eine Abkehr von dieser Grundvorstellung durch regulatorische Staatseingriffe ist folglich ökonomisch und ordnungs- bzw. gesellschaftspolitisch zu begründen.

Staatliche Interventionen innerhalb des Bankenmarktes werden im Krisenfall regelmäßig mit der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Finanzstabilität legitimiert. Denn anders als in den Sektoren der Realwirtschaft kann die Insolvenz einer einzelnen Bank aufgrund von Ansteckungseffekten (durch Verflechtungen am Interbankenmarkt oder auch psychologischer Art: Schalterstürme) die Stabilität des gesamten Bankensektors erschüttern (systemisches Risiko). Zudem können aufgrund der engmaschigen Verflechtung mit den übrigen Wirtschaftsbranchen und der herausgehobenen Aufgaben, die Banken als Intermediäre innerhalb des Güter- und Geldkreislaufs einer Volkswirtschaft einnehmen, Störungen des Kreditsektors auch ernsthafte Auswirkungen auf die Realwirtschaft nach sich ziehen.

Als Reaktion auf die noch anhaltende Finanzkrise29 hat der Staat in Deutschland seit Inkrafttreten des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG) im Oktober 2008 eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. Er hat namentlich die Ausgabe von Anleihen der Finanzinstitute durch Garantieerklärungen unterstützt, einzelnen Instituten Kreditgarantien erteilt und sich als stiller Teilhaber an Banken beteiligt. Per Ende 2009 summierte sich das um Prolongationen bereinigte Antragsvolumen auf Stabilisierungshilfen des Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung auf 238,2 Mrd. Euro. Das Volumen unterzeichneter Verträge für Stabilisierungshilfen betrug 148,6 Mrd. Euro, wovon 117,7 Mrd. Euro auf die Gewährung von Garantien entfielen, 25,0 Mrd. Euro auf die Vergabe von Eigenkapital und 5,9 Mrd. Euro auf Risikoübernahmen. Dem Sonderfonds lagen darüber hinaus zwei Voranfragen vor; 25 Unternehmen hatten bis Ende 2009 Anträge gestellt.30

Grundsätzlich und damit zunächst unabhängig von ihrer Ausgestaltung waren diese Maßnahmen zugunsten der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Bankenmarktstabilität unbestreitbar notwendig. Aus wettbewerbspolitischer Sicht scheinen sie jedoch bedenklich, da die Gefahr besteht, dass die Grundlagen der marktwirtschaftlich-wettbewerblichen Ordnung in Deutschland nicht nur temporär in Frage gestellt werden könnten.

Zunächst lässt sich argumentieren, dass der Staat mit der Vorteilsgewährung (z.B. durch Garantiererklärungen) empfindlich in das Marktgeschehen eingreift und zwar zum unmittelbaren Nachteil von Wettbewerbern und zum mittelbaren Nachteil der Volkswirtschaft im Ganzen, soweit nicht im Einzelfall der Nutzen der Maßnahme ihre Kosten mindestens kompensiert. Besonders schwer wiegt jedoch, dass staatliche Garantien selektiv, nicht durchgängig zweckgebunden und damit wettbewerbsverzerrend eingesetzt wurden. Beispielsweise diente die der Commerzbank AG zugewiesene Staatshilfe nicht allein dazu, die aus dem Erwerb von Subprime-Wertpapieren resultierenden Belastungen zu kompensieren und auf diese Weise den Fortbestand der Bank zu sichern. Vielmehr ermöglichte die Beteiligung des Staates, die von der Bundesregierung unterstützte Übernahme der Dresdner Bank AG erfolgreich abzuschließen.31

Des Weiteren besteht die Gefahr, dass in der Folge staatlicher Interventionen die Selektionsfunktion des Wettbewerbs außer Kraft gesetzt wird. So wirken staatliche Garantien genau dann wettbewerbsverzerrend, wenn sie die Grenzkosten der „subventionierten“ Banken unter die „wahren“ sozialen Kosten senken und damit den Anreiz für ein exzessives Risikoverhalten dieser Institute fördern. Denn schnell macht sich die Erwartung breit, der Staat werde auch in der nächsten Krisensituation in ähnlicher Art und Weise helfen. Aus diesem Grund ist es besonders bedeutsam, neue „Spielregeln“ für Bankinsolvenzen zu erarbeiten.32

Das ausgegebene Ziel staatlicher Interventionsmaßnahmen als Reaktion auf die Subprime-Krise liegt in der Rückgewinnung und Stärkung des Vertrauens in die Bankenmärkte. Dies gilt für das Verhältnis Kunde-Bank und im Besonderen für die Banken untereinander. Vor diesem Hintergrund erscheint es jedoch fraglich, ob staatliche Hilfen (auch Garantien, die indirekt wie Subventionen wirken) nicht die ohnehin in der Kreditwirtschaft besonders ausgeprägten Informationsasymmetrien zwischen den Parteien sogar noch weiter erhöht haben. In der Folge wächst die Gefahr, dass möglicherweise noch weniger zwischen Banken „guter“ und „schlechter“ Qualität im Markt unterschieden werden kann. Darüber hinaus rechtfertigt die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Finanzmarktstabilität keinesfalls die Vergabe von zu großzügigen Hilfen seitens des Staates. Deren Kosten hat letztlich der Steuerzahler zu tragen, womit die Frage des „burden sharing“ als ein wesentlicher Aspekt in den Mittelpunkt der Eingriffentscheidung rücken sollte. Daher gilt eine Veränderung der Eigenkapitalunterlegung als indirekte „Besteuerung“ solcher Aktivitäten von Banken, die systemische Risiken erzeugen, mehr denn je als ein adäquates Instrumentarium der Bankenregulierung. An dieser Stelle sollten regulatorische Reformen ansetzen, um zukünftig eine Privatisierung von Gewinnen und Verstaatlichung von Risiken zu vermeiden.

Auch die Teilhaberschaft des Staates an Banken ist aus wettbewerbspolitischer Sicht kritisch zu beurteilen, da mit der Beteiligung auch Auflagen für die Geschäftspolitik verbunden sind. Gerade dem Staat – das hat die Finanzmarktkrise überdeutlich gezeigt – ist es bei „seinen“ Kreditinstituten (vor allem Landesbanken) bislang nicht gelungen, „nachhaltige“ Geschäftsmodelle zu installieren, die sich als tragfähig erwiesen hätten. Auf welcher Basis soll dann von welchen Personen (den bisherigen Bankaufsehern?) die Geschäftspolitik gesteuert werden? Und haftet der Staat dann nicht auch für die von ihm eingeleiteten Veränderungen?

Besonders gefährlich wäre es, wenn Institute in diesem Zusammenhang tatsächlich gezwungen würden, in großem Stil „Mittelstandskredite“ zu vergeben. In Deutschland besteht wahrlich kein Mangel an Banken, die sich gerade diese Klientel auf die Fahne geschrieben haben; Sparkassen und Volksbanken bezeichnen sich zurecht gerne als (Liquiditäts-)Tankstellen des Mittelstands. Eine Forcierung des Geschäftsfeldes Retail-Banking auch bei Privat- und Landesbanken würde die durch strukturelle Trends ohnehin weiter ansteigende Wettbewerbsintensität noch mehr beschleunigen und zudem das Inkaufnehmen neuer Bonitätsrisiken provozieren. Dieses droht gerade dann, wenn sich in der Mittelstandsfinanzierung (weitere) öffentlich subventionierte Spieler tummelten.

Im Übrigen sollte man nicht nur das Herein-, sondern auch das spätere Herausgehen des Staates im Auge behalten: Wie sieht die Zukunft der jetzt möglicherweise neu aufgesetzten Geschäftsmodelle nach Rückzahlung der Staatshilfe aus? Werden sie mit hohem organisatorischen Aufwand und damit Restrukturierungskosten wieder „entsorgt“? Und schließlich sei erwähnt, dass die Hilfsmaßnahmen in den EU-Ländern sich zwar ähnelten, in Art und Umfang aber doch so weit unterschieden (siehe z.B. die Verstaatlichungspolitik Großbritanniens im Gegensatz zu einem im Ganzen wesentlich zurückhaltenderen Vorgehen der deutschen Politik), dass die Integration hin zu einem einheitlichen europäischen Bankenmarkt wieder ein Stück abgebremst wurde.

Fazit

Wenn sich die Wettbewerbsintensität des deutschen Bankenmarktes aufgrund der Spezifika des hiesigen Finanzsektors auch nur schwer eindeutig messen lässt, hat diese doch offenbar speziell im Bereich des Retail-Banking in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dazu haben unverändert andauernde strukturelle Trends beigetragen, unter denen die europäische Integrationstendenz jedoch vergleichsweise zu vernachlässigen ist. Die Finanzmarktkrise und die staatlichen Hilfen zu ihrer Bekämpfung werden die Wettbewerbsintensität gerade in diesem Geschäftssegment weiter erhöhen und damit die im internationalen Vergleich ohnehin unzureichende Performance deutscher Banken kaum anwachsen lassen. Dringend erforderlich sind daher im europäischen Kontext abgestimmte Reformen der Regulierung einerseits, Re-Privatisierungsstrategien andererseits, um die Kreditwirtschaft hierzulande nachhaltig wettbewerbsfähig zu machen.

  • 1 Vgl. S. Eijffinger, J. Lemmen: Introduction, in: S. Eijffinger, J. Lemmen (Hrsg.): International Financial Integration I, Cheltenham, Northampton 2003, S. ix-xxv.
  • 2 Vgl. R. Flood, A. K. Rose: Financial Integration: A New Methodology and Illustration, NBER Working Paper, Nr. 9880, Cambridge, Mass. 2003.
  • 3 Vgl. T. Scitovsky: Money and the Balance of Payments, London 1969.
  • 4 Vgl. auch H. Hirte, T. Heinrich: Bankrechtskoordinierung und -integration. Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, Heidelberg 2009; J. Dermine: European Banking, Past, Present, Future, in: V. Gaspar, P. Hartmann, O. Sleijpen (Hrsg.): The Transformation of the European Financial System, European Central Bank, Frankfurt 2003, S. 87 ff.
  • 5 Vgl. EU-Kommission: Financial Sector Action Plan, Brüssel 1999.
  • 6 Vgl. EU-Kommission: Weißbuch über Finanzdienstleistungen 2005-2010, Brüssel 2005.
  • 7 Innerhalb der folgenden Abschnitte werden ausschließlich Möglichkeiten zur Messung der Integration des Retail-Segments diskutiert. Eine vollständige Messung und Bewertung der europäischen Finanzmarktintegration ist nicht Ziel dieses Beitrags.
  • 8 Vgl. M. Obstfeld: Capital Mobility in the World Economy: Theory and Measurement in the National Bureau Method, in: K. Brunner, A. H. Meltzer (Hrsg.): The National Bureau Method, International Capital Mobility and other Essays, Amsterdam 1986, S. 55-103; Vgl. für weitere Integrationsmaße Europäische Zentralbank: EU Banking Market Structures, Frankfurt/Main 2004; Deutsche Bank Research: Wie kann man Integration messen?, Frankfurt/Main 2009.
  • 9 Vgl. W. J. Baumol, J. C. Panzar, R. D. Willig: Contestable Markets and the Theory of Industry Structure, San Diego 1982.
  • 10 Vgl. S. Jevons: The Theory of Political Economy, New York 1965.
  • 11 Vgl. EU-Kommission: Preparing the Monitoring of the Impact of the Single Euro Payment Area (SEPA) on Consumers, a.a.O.
  • 12 Vgl. EU-Kommission: Preparing the Monitoring of the Impact of the Single Euro Payment Area (SEPA) on Consumers, Brüssel 2008.
  • 13 Ebenda.
  • 14 Vgl. EU-Kommission: Weißbuch über Finanzdienstleistungen 2005-2010, a.a.O.; Deutsche Bank Research: EU-Retailbanking: Wie kann man Integration messen?, Frankfurt 2009.
  • 15 Vgl. Europäische Zentralbank: EU Banking Market Structures, Frankfurt/Main 2008; L. Kästner: Performance von Banken und Bankensystemen, Frankfurt/Main 2008; S. Paul, L. Kästner: Struktur und Performance der Bankensysteme in Europa, in: A. Belke, H.-H. Kotz, S. Paul, C. Schmidt (Hrsg.): Wirtschaftspolitik im Zeichen europäischer Integration, Festschrift für W. Kösters, Berlin 2009, S. 133–179.
  • 16 Vgl. W. J. Baumol: Contestable Markets: An Uprising in the Theory of Industry Structure, in: American Economic Review, 72 (1982), S. 1 ff.
  • 17 Vgl. H. Demsetz: Two Systems of Belief About Monopoly, in: H. J. Goldschmidt, H. M. Mann, J. F. Weston (Hrsg.): Industrial Concentration: The New Learning, Mass. 1974, S. 1-9.
  • 18 Vgl. hierzu auch Sachverständigenrat: Das deutsche Bankensystem: Effizienz steigern – Stabilität erhöhen, Wiesbaden 2008.
  • 19 Vgl. J. C. Panzar, J. N. Rosse: Testing for Monopoly Equilibrium, in: Journal of Industrial Economics, 35 (1987), S. 443 ff.
  • 20 Der ROAA bemisst sich als Gewinn (nach Steuern) im Verhältnis zum arithmetischen Mittel der Aktiva zu Beginn und am Ende des Geschäftsjahres.
  • 21 Die Cost-Income-Ratio beschreibt das Verhältnis von Verwaltungsaufwand zu den Bruttoerträgen (Zinsüberschuss, Provisionsüberschuss sowie das Handelsergebnis) abzüglich der Zuführung zur Risikovorsorge.
  • 22 Vgl. dazu L. Kästner, a.a.O.; S. Paul, L. Kästner, a.a.O.
  • 23 Vgl. Deutsche Bank Research: Globale Bankentrends nach der Krise, Frankfurt/Main 2009.
  • 24 Vor diesem Hintergrund galten für die Kreditwirtschaft lange Zeit Sonderregelungen innerhalb des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Als ein Resultat der De-Regulierungsmaßnahmen der EU-Kommission wurden diese Vorschriften jedoch im Zuge der 7. GWB-Novelle aufgelöst, so dass heute ein eindeutiger und absoluter Anwendungsvorrang der Art. 81 und 82 EG vor den Regelungen des GWB besteht.
  • 25 Vgl. N. Cetorelli: Competition Among Banks: Good or Bad?, Federal Reserve Bank of Chicago, Economic Perspectives, 2001, S. 38 ff.
  • 26 Für eine weitergehende Übersicht vgl. F. Allen, D. Gale: Competition and Financial Stability, in: Journal of Money, Credit and Banking, 36 (2004), S. 453 ff. Die empirischen Befunde zu einem möglichen Trade-off zwischen Wettbewerb und Stabilität sind nicht eindeutig. Vgl. z.B. A. Uhde, U. Heimeshoff: Consolidation in Banking and Financial Stability in Europe: Empirical Evidence, in: Journal of Banking and Finance, 33 (2009), S. 1299 ff.
  • 27 Vgl. N. Eickhoff: Zur Legitimation ordnungspolitischer Ausnahmeregelungen, in: ORDO, 44 (1993), S. 203 ff.
  • 28 Vgl. E. Hoppmann: Soziale Marktwirtschaft oder Konstruktivistischer Interventionismus? Zur Frage der Verfassungskonformität der wirtschaftspolitischen Konzeption einer „neuen Wirtschaftspolitik“, in: E. Tuchtfeld (Hrsg.): Soziale Marktwirtschaft im Wandel, Freiburg 1973, S. 27 ff.
  • 29 Vgl. für eine weitergehende Analyse der Ursachen und des Ablaufs der Subprime-Krise S. Paul, W. Kösters: Die Bankenkrise als Kern der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, in: politische bildung: Weltwirtschaftskrise – eine Systemkrise?, 42. Jg. (2009), S. 41 ff.
  • 30 Vgl. SoFFin 2010.
  • 31 Vgl. zu dieser Einschätzung auch Monopolkommission: Pressemitteilung vom 22. Januar 2009, Bonn 2009.
  • 32 Vgl. Deutsche Bundesbank: Finanzstabilitätsbericht 2009, S. 82 ff.

 


DOI: 10.1007/s10273-010-1031-7

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