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Die großen Leistungsbilanzdefizite der USA und die spiegelbildlich angehäuften Währungsreserven in US-Dollar haben Kritik an der Schlüsselwährung und Vorschläge für eine Änderung der derzeitigen Weltwährungsordnung hervorgerufen. Sowohl global als auch regional sind mehr oder weniger Erfolg versprechende Bemühungen um Währungsunionen zu verzeichnen. Der Aufsatz ist Werner Ehrlicher gewidmet, der sich in den 80er Jahren mit den „treibenden Kräften und Synthesen der Währungspolitik“ auseinandergesetzt hat.

Im Vorfeld des G-20 Gipfels in Pittsburgh und der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Istanbul war eines der wichtigsten Diskussionsthemen die internationale Währungspolitik bzw. die Neugestaltung des Weltwährungssystems. Auf den jeweiligen Tagungen selbst fiel hingegen fast kein Wort mehr über eine Reform der vom US-Dollar dominierten Weltwährungsordnung. Trotzdem ist dieses Thema noch lange nicht ad acta gelegt. Der Machtanspruch der Schwellenländer zeigte sich diesmal vielmehr in der Forderung nach einer veränderten Gewichtung der Stimmanteile im IWF und der Einigung auf einen „Ersatz“ der G-7 durch die G-20 Länder. Bei solchen gravierenden Machtverschiebungen auf politischer Ebene scheint es nur logisch, diesen Einfluss auch auf die Währungspolitik zu übertragen. Untermauert wird diese Entwicklung von der aktuellen Initiative Südamerikas, eine eigene Währungsunion gründen zu wollen, die den US-Dollar als Schlüsselwährung ablösen soll. Zeitgleich laufen seit einigen Jahren die Vorbereitungen des Golf-Kooperationsrates und seiner für das Jahr 2010 geplanten Währungsunion. Und nicht zu vergessen sind die immer wieder aufkeimenden Überlegungen zu einem möglichen asiatischen und afrikanischen Währungsraum.

Die Rolle des SZR

Eine der größten Volkswirtschaften der Welt, die Volksrepublik China, gleichzeitig das Schwellenland par excellence, ist seit Jahren weltweit das Land mit dem höchsten Bestand an Währungsreserven. Im September 2009 betrugen diese nach Angaben der State Administration of Foreign Exchange China knapp 2,3 Billionen US-$. Etwa zwei Drittel hiervon werden nach allgemeinen Informationen der chinesischen Zentralbank, der People’s Bank of China, in verschiedenen Anlageformen des US-Dollar langfristig gehalten. Nach der Finanzkrise war die langfristige kontinuierliche Abwertung des Dollar nur kurz (Oktober 2008 und Januar/Februar 2009) unterbrochen worden. Mittlerweile hat der Dollarkurs das Niveau von vor der Krise schon fast wieder erreicht. Gerade diese US-Dollarschwäche ist weiterhin Nährboden für Spekulationen über die Ablösung des Dollar als Schlüsselwährung und über eine Neuordnung des internationalen Währungssystems.

Diese Instabilität des US-Dollar stellt ein Hauptargument für die Befürworter eines neuen Weltwährungssystems dar. Der chinesische Zentralbankchef Zhou Xiaochuan nahm in seinem Vorschlag vom März 2009 diese Tatsache zum Anlass und wies auf die Nichterfüllung der Anforderungen an eine internationale Reservewährung, auf die sich von den USA aus – durch die starke US-Dollar-Abhängigkeit der internationalen Finanzmärkte – ausbreitenden Krise und auf die Gesamtzahl der Krisen nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems hin.1 Nach Zhou scheinen die Kosten der heutigen Währungsordnung mittlerweile ihren Nutzen zu übersteigen, weshalb China eine „kreative Reform“ der internationalen Währungsordnung fordert. Die zukünftig dominierende internationale Reservewährung soll seiner Auffassung nach nicht mehr von einzelnen Ländern bestimmt sein und vor allem eine langfristige Stabilität aufweisen. Konkret wird hierbei mittlerweile auch von Ländern außerhalb des asiatischen Raumes das Sonderziehungsrecht (SZR: Währungskorb mit 44% US-Dollar, 34% Euro und jeweils 11% Yen und Pfund Sterling) des IWF als „Licht am Ende des Tunnels für eine Reform der Währungsordnung“ gesehen, das als künstliche Währungs-/Recheneinheit dem Vorbild John Maynard Keynes‘ folgen könnte. Als Vorteil der SZR wird auf die Kontrolle durch eine supranationale Institution verwiesen. Die Schwellenländer forderten auf der IWF-Tagung bereits mehr Mitspracherechte. Mit dieser neuen Währungsordnung stünden den einzelnen Reservewährungsländern neue Möglichkeiten der Wechselkurspolitik zur Anpassung an wirtschaftliche Ungleichgewichte zur Verfügung. Gleichzeitig soll nach dem chinesischen Vorschlag jedes IWF-Mitgliedsland einen Teil seiner Reserven zur Verwaltung an den IWF übertragen, der zukünftig für die weltweite Stabilität der Finanzmärkte zuständig wäre und zentral auf Krisen reagieren könnte.

IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat diesen Vorschlag aufgenommen und auf der aktuellen Herbsttagung eine Neuausrichtung der Aufgaben des IWF und eine Kapitalakquisition durch Übertragung nationaler Währungsreserven an den IWF angeregt.2 Hierdurch würde die Bedeutung des SZR gestärkt und die einzelnen Länder könnten mit den ihnen verbleibenden Reserven inländische Ziele verfolgen und das Wirtschaftswachstum vorantreiben. Hierfür müsste das SZR allerdings attraktiver gemacht (eventuell durch Ausgabe von auf SZR denominierten Finanzaktiva) und aktiv beworben werden. Bisher ist das SZR nur bedingt als Reservewährung akzeptiert und macht nur einen geringen Anteil in den Reserveportfolios der Zentralbanken aus.

Die Volksrepublik China ist der Meinung, dass das SZR diese neue Rolle nur erfüllen könnte, wenn das SZR-Volumen wesentlich erhöht würde. Dies wäre für die seit 1981 dem IWF beigetretenen Länder zugleich eine Möglichkeit, SZR zugeteilt zu bekommen, denn eine Zuteilung kann nur bei einer Neuausgabe von SZR erfolgen. Hierzu bedürfte es außerdem einer Ausweitung der Gebrauchsmöglichkeiten des SZR, um die Anforderungen an eine Reservewährung erfüllen zu können. Derzeit dürfen nur Zentralbanken und staatliche Institutionen SZR handeln, private Akteure sind ausgeschlossen. Im August/September 2009 wurde mittlerweile eine Erhöhung des SZR-Volumens vorgenommen. Damit sind jetzt insgesamt 204 Mrd. SZR (knapp 340 Mrd. Euro) in Umlauf.3 Durch die Schaffung eines Abrechnungssystems zwischen dem SZR und den einzelnen Währungen wäre ein SZR-Einsatz auch im internationalen Handel und bei Finanztransaktionen möglich. Zeitgleich sollte nach chinesischer Ansicht eine Anpassung des derzeitigen SZR-Währungskorbes erfolgen, der sich künftig an den Währungen aller großen Volkswirtschaften orientieren und mit dem jeweiligen BIP gewichtet sein soll. Indirekt beinhaltet die Forderung Zhous somit, den Renminbi in den SZR-Währungskorb aufzunehmen.

Mit diesem Vorstoß zeigt China stellvertretend für viele andere Länder eindeutig die Unzufriedenheit mit der dominierenden Rolle des US-Dollar bzw. der USA. Der Vorschlag kommt einer Aufforderung zu aktivem Zurückdrängen der amerikanischen Vormachtstellung im weltweiten Handels- und Finanzgefüge gleich. Zusätzlich fordert China künftig eine wesentliche Beteiligung an einer und einen wesentlichen Einfluss auf eine neue Weltwährungsordnung. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt beansprucht selbstbewusst ihren Platz in der internationalen Finanzordnung.

Beurteilung des chinesischen Vorschlags

Diese Vorschlag wird im Folgenden in einer weitgehenden und einer eher engen Version beurteilt:

Weitgehende Version

Ähnlich wie bis zum 31. Dezember 1998 der ECU (European Currency Unit), ist das SZR (bisher jedenfalls) überhaupt keine Währung,4 sondern erfüllt bestenfalls die Eigenschaften einer Recheneinheit und (allenfalls prinzipiell) die des Wertaufbewahrungsmittels, sofern Wertpapiere in dieser Einheit denominiert werden. Damit ist die Forderung, SZR sollten in Zukunft die Rolle der Schlüsselwährung in der Weltwährungsordnung vom US-Dollar übernehmen, schon formal schwierig: Warum sollte ausgerechnet ein Medium zur Reservewährung werden, das in keinem Land der Welt als Geld zirkuliert? Darüber hinaus: Wie schon der ECU, unterliegt auch das SZR als Währungskorb ständigen Schwankungen, was den Kurs zu den Währungen der einzelnen Korbteilnehmer betrifft und zwar immer dann, wenn die Kurse der Korbwährungen untereinander schwanken. Damit ist bei Euro, Yen, US-Dollar und Pfund Sterling aber auch in Zukunft zu rechnen!

Der IWF gibt SZR entsprechend den Landesquoten (oder nach anderen Kriterien) aus, wobei diese (SZR) in der Semantik des IWF nicht mehr und nicht weniger als Ansprüche auf Devisen sind.5 Verwendung finden diese nur zwischen den IWF-Mitgliedsländern und nur für bestimmte Transaktionen. Ein ähnliches Ergebnis (mit differenzierteren Möglichkeiten) ließe sich allerdings ebenso bi- oder multilateral durch Devisenkredite erreichen, bei denen die Konditionen bzw. Vergabekriterien im Zweifel transparenter wären als bei einer „Zwischenschaltung“ der SZR.

Ist es denn wirklich wichtig, dass oder ob der US-Dollar eine ungerechtfertigt wichtige Stellung in der Weltwährungsordnung inne hat? Angenommen, die Inflation in den USA ist auf Dauer höher als im Rest der Welt, dann sammeln die übrigen Zentralbanken nur wenig werthaltige Greenbacks, wenn sie faktisch am Devisenmarkt intervenieren. Sie tun das, wie das Beispiel der Volksrepublik China belegt, aus eigennützigen, strategischen Überlegungen. Warum sollte es ihnen besser ergehen, wenn sie stattdessen SZR anhäuften? Würden sie das nicht tun (also bei interventionsfreien, flexiblen Wechselkursen) müssen die USA, als bislang chronisches Defizitland, am Devisenmarkt immer einen freiwilligen kommerziellen Käufer ihrer Währung finden, notfalls zu verfallenden Preisen. Für die aufgewertete eigene Währung können die Überschussländer mehr Dollar eintauschen und mehr US-amerikanische Anleihen kaufen, deren Verzinsung auf die annahmegemäß höhere Inflation in den USA Rücksicht nehmen muss.

Zudem ergibt sich die Frage, wer für die Vermehrung der SZR auf Weltmaßstab zuständig sein soll. Der Verdacht liegt nahe, dass dafür politisch dominierte Gremien und keine Sachverständigen verantwortlich sein würden. Statt einer „Entpolitisierung“ des Geldes, wie sie Friedrich A. v. Hayek vor rund drei Jahrzehnten schon einmal vorgeschlagen hat,6 käme es lediglich zu einer (nach wie vor politischen) „Multilateralisierung“ der Geldschöpfung, von der nicht weniger Inflation als von den USA zu erwarten ist.

In einer Währungsordnung mit relativ freien Wechselkursen lässt sich eine internationale Reservewährung nicht so einfach vorschreiben. Dies wurde beim Vorpreschen der People’s Bank of China nicht bedacht. Man denke nur an die rasante Entwicklung des Euro, der schon wenige Jahre nach seiner Einführung zur zweitwichtigsten Reservewährung der Welt geworden ist, ohne dass die EZB dies aktiv unterstützt hat. Auch die D-Mark hatte in den 1980er Jahren vor allem im Europäischen Währungssystem, aber auch weltweit, die wichtige Rolle einer Reservewährung übernommen, obwohl die Deutsche Bundesbank dies jahrelang durch Kapitalimportrestriktionen zu vermeiden suchte. Schließlich musste sie die Situation akzeptieren und änderte ihre Position in dieser Sache.

Engere Version

Die große Mehrheit der chinesischen Währungsreserven wird in verschiedenen Anlageformen des US-Dollar gehalten und weist daher ein hohes Klumpenrisiko auf. Eine Risikostreuung im Reserveportfolio kann dennoch ganz gut ohne SZR bewerkstelligt werden, etwa indem die Volksrepublik die Anteile an den Währungsreserven an der Bedeutung der verschiedenen Valuta für Chinas Handels- und Kapitalverkehr ausrichtet. Zudem behauptet die chinesische Regierung schon seit Jahren, ihren Wechselkurs gegenüber einem ganzen Korb von Währungen zu stabilisieren. Im Ergebnis setzen sich die Währungsreserven dann etwa so zusammen, wie auch die Gewichte im SZR verteilt sind. Dazu braucht es keine SZR als Schlüsselwährung.

Die Interpretation der chinesischen Forderung, dass in Zukunft neben dem US-Dollar auch der Euro, der Yen, das Pfund Sterling und nicht zuletzt der Renminbi zu den Weltreservewährungen gehören sollen, erstaunt, denn durch ihre bisherige Wechselkurspolitik haben die Chinesen ja gerade aktiv die Anhäufung von Reserven in US-Dollar organisiert, um den Renminbi künstlich zu verbilligen. Damit andere Länder einen Anreiz haben, Renminbi als Reservemedium zu erwerben, müssten die Chinesen im Prinzip genau die zur heutigen entgegengesetzte Wechselkurspolitik betreiben: Durch eine künstliche Verteuerung des Renminbi entstünde am Devisenmarkt ein Angebotsüberhang an Renminbi, den die übrigen Länder bzw. Zentralbanken aus Eigeninteresse (als eine Art Protektionsersatz) durch Ankauf von Renminbi beseitigen könnten.

Eine asiatische Währungsgemeinschaft?

Zusätzlich zu den aktuellen Forderungen der Volksrepublik China wird immer wieder die Möglichkeit einer asiatischen Währungsgemeinschaft diskutiert. Allerdings bleibt die Frage offen, ob eine Gruppe von asiatischen Ländern derzeit überhaupt die Voraussetzungen eines optimalen Währungsraums, wie ihn Robert Mundell bereits 1961 definierte,7 erfüllt. Bevor Japan in die langanhaltende Depression gerutscht ist, hatte es den Anschein, als könnte dieses Land eine wichtige Rolle bei der Gründung einer möglichen asiatischen Währungsunion spielen. Mittlerweile sind die führenden Wirtschaftsmächte der Region eher die Volksrepublik China und Indien. Doch gerade China fehlen noch wichtige Entwicklungen hinsichtlich der Offenheit und Tiefe der Finanzmärkte, um als Kandidat für eine Währungsgemeinschaft gehandelt zu werden.

Zwar zeigen viele Studien, dass eine Währungsunion grundsätzlich mit den zugrundeliegenden makroökonomischen Fundamentaldaten der Region kein abwegiges Unterfangen ist, aber nicht alle asiatischen Länder kommen als potenzielle Mitglieder in Betracht bzw. verschiedene Regionen sind als optimaler Währungsraum zu identifizieren.8 Manches spricht gegen das Gelingen eines regionalen Währungsraums in Asien:

  • In der (süd-/südost-)asiatischen Region liegen sehr viele unterschiedliche Ausgestaltungen der Wechselkursregime vor (Currency Board, Fixed Pegs, Managed Floating und Freies Floating), weshalb eine Konvergenz der Wechselkurse zueinander vorerst nicht problemlos erreicht werden kann.
  • Zudem weisen die asiatischen Länder eine große Bandbreite bei der Ausrichtung der Ziele der Währungspolitik auf, die bei einer Währungsunion „unter einen Hut“ gebracht werden müssten.
  • Gleichzeitig kontrollieren die Länder Asiens mehr oder weniger stark ihre internationalen Kapitalströme, weshalb eine unabhängige Währungspolitik nur bedingt möglich ist (diese Situation ist bereits seit langem unter dem Begriff des währungspolitischen Trilemmas bekannt), was wiederum die notwendige länderübergreifende Kooperation in der Vorbereitungsphase zu einer Währungsunion verhindert.
  • Eine weitere Hürde zeigt sich in der Reservepolitik der einzelnen Länder, die teilweise extrem hohe Währungsreserven halten und diese mit anderer Zielsetzung verwalten als Länder mit geringerem Reservebestand und anderer Konstellation der Zahlungsbilanzpositionen.

Der Weg zu einer asiatischen Währungsunion – unabhängig von deren Länderzusammensetzung – ist lang und erfordert ein enge Koordination und Kooperation in der Währungspolitik, aber auch eine wirtschaftliche Konvergenz. Die Überlegungen zu einer asiatischen Währungsgemeinschaft sind damit bisher rein akademisch, wenn davon abgesehen wird, dass die Volksrepublik China selbst bereits eine Währungsunion für über 1,3 Mrd. Menschen ist.

Eine südamerikanische Währungsunion?

Der Vorstoß Südamerikas verfolgt im Kern dasselbe Ziel wie das Vorhaben der Chinesen oder einer asiatischen Währungsgemeinschaft, nämlich das Zurückdrängen des US-Dollar aus seiner Vormachtstellung als internationale Transaktions- und Reservewährung. Da eine neue Schlüsselwährung dies nur erreichen kann, wenn sie einen hinreichend großen Wirtschaftsraum repräsentiert, wäre Südamerika in dieser Hinsicht „gezwungen“, eine Wirtschafts- und Währungsunion zu gründen, wenn es der Verwendung des US-Dollar aktiv entgegenwirken möchte. Allerdings ist strittig, ob die Länder Südamerikas politisch und wirtschaftlich ausreichend integriert sind, sodass eine Währungsunion aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist. Die sprachlichen und kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern sind jedenfalls weniger stark ausgeprägt als dies beispielsweise bei den europäischen Ländern der Fall ist. Eine Zusammenarbeit mit dem IWF ist anders als beim Vorschlag der Chinesen nicht vorgesehen.

Venezuela plant bereits für 2010 die Einführung einer neuen (Gemeinschafts-)Währung, des sogenannten Sucre, für die Handelsabwicklung zwischen den Alba-Staaten.9 Diese Bolivarianische Allianz für Amerika auf wirtschaftlicher und politischer Ebene existiert seit etwa fünf Jahren und umfasst die Länder Antigua und Barbuda, Bolivien, Dominica, Ecuador, Honduras, Kuba, Nicaragua, St. Vincent und die Grenadinen sowie Venezuela.10 Aus ihr heraus entstand das ambitionierte Vorhaben der Unasur (Union Südamerikanischer Nationen; Beteiligung aller zwölf südamerikanischen Länder), bis zum Jahr 2025 eine wirtschaftliche Integration der Teilnehmerländer zu erreichen, die so weit fortgeschritten sein sollte, dass sie mit der heutigen EU vergleichbar wäre. In diesem Zusammenhang ist beabsichtigt, eine Währungsunion mit einer eigenen Währung zu gründen, die durch eine noch ins Leben zu rufende Zentralbank verwaltet werden und somit die Wirtschaftsunion vom US-Dollar-Einfluss befreien soll.11 Als „Zugpferde“ für die Gründung dieser Währungsgemeinschaft könnten die beiden größten Länder Argentinien und Brasilien fungieren, ähnlich wie dies bei der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Deutschland und Frankreich waren.

Der Vorschlag einer neuen Schlüsselwährung, des Sucre, um den US-Dollar als Fakturierungswährung von Handelsströmen abzulösen, könnte alleine an der wirtschaftlichen Vernetzung der Teilnehmerländer scheitern. So soll der Sucre hauptsächlich für den Handel zwischen den bereits erwähnten Alba-Staaten herangezogen werden.12 Dieser ist allerdings wesentlich weniger ausgeprägt als die Handelsströme der potenziell teilnehmenden Länder mit den USA. Vor allem Venezuela und Ecuador gelten als wichtige Erdöllieferanten für die USA, und Rohöl wird nun einmal weltweit (zumindest noch) in US-Dollar fakturiert. Hinzu kommt, dass Venezuela sowohl seinen Wechselkurs starr gegenüber dem US-Dollar fixiert hat und Devisenhandel sowie Kapitalverkehr nur unter starken Kontrollen zulässt. Diese Tatsache spricht nicht unbedingt für die Bereitschaft, an einer Währungsunion teilzunehmen und die nationale autonome Geld- und Währungspolitik aufzugeben. Zudem ist eine gemeinsame Währungspolitik in Südamerika derzeit nicht denkbar, weil sich zwischen Kolumbien und Venezuela starke politische Spannungen aufgebaut haben, die ihren bisherigen Höhepunkt in militärischen Machtdemonstrationen erreicht haben.

Parallel zu den Planungen einer südamerikanischen Währungsunion wurde vor zwei Jahren die Banco del Sur ins Leben gerufen, die als südamerikanische Entwicklungsbank die Kreditvergabe des IWF an südamerikanische Länder unnötig machen soll. Im September 2009 wurde ein Startkapital von 20 Mrd. US-$ beschlossen.13 Gleichzeitig arbeitet Brasilien weiterhin auf eine Etablierung des Real als alternative Schlüsselwährung zum US-Dollar in Südamerika hin: Es hat bilaterale Abkommen mit Argentinien und Uruguay mit dem Ziel abgeschlossen, im bilateralen Handel die nationalen Währungen zu verwenden.14 Dieses Bestreben steht der von Venezuela angedachten neuen Schlüsselwährung entgegen. So scheint zwar der Wille, den US-amerikanischen Einfluss auf Südamerika zu beenden oder zumindest abzuschwächen, bei allen Ländern vorhanden, nicht aber die politischen Voraussetzungen und gemeinsame Vorstellungen zur Realisierung dieses Vorhabens.

Gemeinschaftswährung in der Golf-Region

Eine weitere Entwicklung hin zu einer Gemeinschaftswährung findet seit einigen Jahren in der Golf-Region statt. Allerdings sind der Öffentlichkeit hierüber nur wenige Einzelheiten bekannt. Sicher ist jedoch, dass der Golf-Kooperationsrat sein Vorhaben, eine Währungsunion aufzubauen, minutiös geplant hat. So wurden bereits kurz nach der Gründung 1981 Ziele für eine wirtschaftliche Konvergenz formuliert, der eigentliche Zeitplan für die Währungsunion wurde allerdings erst im Jahr 2000 aufgestellt. Alle Währungen der Teilnehmerländer sind seit 2002 an den US-Dollar gekoppelt, und seit vier Jahren läuft die Konvergenzphase, in der die vorgeschriebenen Kriterien (ähnlich den Konvergenzkriterien der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion) erfüllt werden müssen.

Allerdings wurde das Vorhaben mittlerweile von zwei der Teilnehmerländer torpediert, indem eine Teilnahme an der Währungsunion vorerst ausgeschlossen (Oman) bzw. die US-Dollar-Koppelung aufgehoben wurde (Kuwait).15 Zudem sind im Mai dieses Jahres die Vereinigten Arabischen Emirate aus dem Projekt ausgestiegen, nachdem festgelegt wurde, dass die gemeinsame Zentralbank ihren Sitz in Riad, Saudi-Arabien, haben wird. Ob tatsächlich bereits in wenigen Monaten die Gründung einer neuen Währungsunion in der Golf-Region stattfindet, ist unsicher, und das, obwohl die bisher gesteckten Ziele soweit alle realisiert wurden und von einer hohen wirtschaftlichen Integration der potenziellen Teilnehmerländer gesprochen werden kann. Im Falle des Golf-Kooperationsrates sind also die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben, auf politischer Ebene scheint es hingegen noch Gesprächsbedarf zu geben, bevor die Währungsunion an den Start gehen kann.

Entwicklung in Afrika

Und auch Afrika steht der weltweiten Tendenz zu mehr supranationalen Währungsgebieten und weniger Einzelwährungen in nichts nach. Dort existieren bereits seit Jahrzehnten zwei Währungsunionen: die westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) sowie die zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (CEMAC). Diese Währungen sind (da die Länder ehemalige französische Kolonien sind) von Frankreichs Währungsreserven gestützt und machen die Länder damit immer noch in gewisser Weise von der ehemaligen Kolonialmacht abhängig. Diese beiden CFA-Franc-Währungsunionen sind keine optimalen Währungsräume, sondern resultieren aus den von Frankreich diktierten Zusammenschlüssen der ehemaligen Kolonien. Die Währungen beider Währungsunionen sind nur sehr eingeschränkt konvertibel und können nicht gegeneinander getauscht werden. Beide sind durch eine feste Parität an den Euro gebunden. Änderungen dieser Parität können nur durch die französische Zentralbank, die Banque de France, vorgenommen werden. Durch die erzwungene Union ist keine national ausgerichtete Wirtschafts- und Entwicklungspolitik möglich, was von Kritikern immer wieder als eines der schwerwiegendsten Argumente gegen die vorliegenden Währungsunionen vorgebracht wird.

Zusätzlich zu den beiden bestehenden Währungsunionen existiert im südlichen Afrika eine Währungsgemeinschaft (CMA), der die Länder Lesotho, Namibia, Südafrika und Swasiland angehören. In diesen Ländern zirkulieren sowohl die nationalen Währungen, die 1:1 an den südafrikanischen Rand gebunden sind, als auch der südafrikanische Rand als Parallelwährung. Die Funktion der gemeinsamen Zentralbank hat die südafrikanische Notenbank übernommen.16 Weiterhin wird über eine umfassendere Währungsunion im Süden des Kontinents nachgedacht, wobei diese Überlegungen wesentlich weniger weit fortgeschritten sind als die zu einer asiatischen Währungsgemeinschaft. Eine neue afrikanische Währungsunion wäre jedenfalls nach wirtschaftlichen und Integrationsgesichtspunkten sinnvoll. Diese sollte vor allem die Intensität der Handelsströme zwischen den verschiedenen Ländern berücksichtigen und eine freiwillige Kooperation in der Währungspolitik zum Ziel haben. Gerade der Handel wird sich durch eine Währungsunion intensivieren, was wiederum zu besseren Voraussetzungen für ebendiese führt (Endogenitätsphänomen).17 Von höheren Handelsvolumina würden alle teilnehmenden Länder profitieren (nicht direkt hiervon betroffen: der Rohstoffhandel mit Industriestaaten und vermehrt insbesondere mit der Volksrepublik China).

Für die Einführung einer Einheitswährung in Afrika spricht allerdings wenig: Untersuchungen18 über Vor- und Nachteile einer Währungsunion über den gesamten afrikanischen Kontinent hinweg kommen zu dem Ergebnis, dass dies aus heutiger Sicht äußerst unrealistisch ist. Der Kontinent ist groß und umfasst (je nach politischer Anerkennung) 53 Staaten, die sich in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und politischen Ausrichtung deutlich unterscheiden. Und wenn schon die CFA-Franc-Währungsunionen keine optimalen Währungsräume darstellen, kann eine gesamtafrikanische Währungsgemeinschaft mit der breiten Palette an politischen Regimen und unterschiedlichsten Entwicklungsstadien der Länder kaum als ökonomisch wünschenswert und/oder durchsetzbar angesehen werden.

Fazit

Insgesamt ist festzustellen, dass – gerade auch aufgrund des turbulenten Marktgeschehens – weltweit Bestrebungen zu Währungskooperationen und Zusammenschlüssen auf wirtschaftlicher und (währungs-)politischer Ebene zu beobachten sind. Widerstände sind zu erwarten, weil binnenwirtschaftliche Ziele wohl niemals hinter außenwirtschaftlichen zurückstehen werden. Dennoch ist zu fragen: Bewegen wir uns auf eine Welt hin, in der nur noch wenige Währungen mit untereinander flexiblen Wechselkursarrangements existieren? Hat Kenneth Rogoff19 mit seiner Frage (die auch schon Robert Mundell früher einmal gestellt hatte), warum es nicht nur eine Weltwährung gibt, vielleicht doch eine nicht ganz utopische Überlegung angestellt? Auch wenn es nicht eine einzige, sondern (nur) einige wenige Währungen wären?

Die Vorhaben werden hauptsächlich mit dem Streben nach einer stärkeren Unabhängigkeit vom US-Dollar und dessen Zurückdrängen als weltweite Schlüsselwährung begründet. Die Planungen zur Währungsunion des Golf-Kooperationsrates sind am weitesten fortgeschritten, diese Länder zeigen sich auf allen Ebenen stark integriert. Da für eine Währungsunion sinnvollerweise wenigstens ein Teil der Kriterien optimaler Währungsräume erfüllt sein sollte, steht allen anderen Plänen noch die fehlende politische und teilweise auch die wirtschaftliche Konvergenz im Weg bzw. müssen Kompromisse zwischen nationalen Initiativen und Vorschlägen gefunden werden.

Als positives Beispiel bzw. als Ansporn für das weitere Engagement für die in den verschiedenen Regionen geplanten Währungsgebiete kann die Erfolgsgeschichte der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und des Euro dienen. Auch die Länder der Eurozone bilden keinen vollkommen optimalen Währungsraum. Die einzelnen Länder wiesen von Beginn an unterschiedliche binnenwirtschaftliche Probleme auf, deren Lösungen nicht Gegenstand der gemeinsamen Währungspolitik sind/sein können. Durch die bereits erfolgten Erweiterungsrunden wurde die Heterogenität der Teilnehmerländer insgesamt verstärkt. Dennoch hat sich der Euro durch eine „solide“ Geld- und Währungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nach wenigen Startschwierigkeiten zu einer stabilen und vertrauenswürdigen Währung entwickelt, die als zweitwichtigste Reservewährung nach dem US-Dollar Bestand hat.

Die Entwicklung neuer Währungssysteme bzw. die Ausgestaltung einer neu orientierten Weltwährungsordnung ist in vollem Gange. Schon in den 1980er Jahren wurde von Werner Ehrlicher die These der „treibenden Kräfte und Synthesen in der Währungspolitik“ aufgestellt, um die immer wieder auftretenden Änderungen in der Ausgestaltung der bestehenden Wechselkursarrangements zu erklären.20 So können als Auslöser für eine Umgestaltung sowohl die Währungsgeschichte, konkrete historische Erfahrungen als auch (neue) theoretische Ideen identifiziert werden. Erfolgt eine zu starke Verschiebung der Strukturen bzw. der Rahmenbedingungen in der Weltwirtschaft, dann werden über kurz oder lang neue institutionelle Konstellationen und Wechselkursarrangements entstehen (müssen), welche die Anforderungen an ein weltweites Währungssystem (Zahlungsbilanzgleichgewichte und stabile Wechselkurse) wieder besser erfüllen. Das Ende der Ordnung von Bretton Woods im Jahr 1973 wurde bekanntlich nicht allein durch den Vietnam-Krieg und die ausufernde US-amerikanische Geld- und Finanzpolitik seit Mitte der 1960er Jahre herbeigeführt, sondern auch von prominenten Monetaristen wie Milton Friedman und Egon Sohmen geradezu herbei geschrieben. Flexible Wechselkurse sollten (endlich) der Geldpolitik das Primat in der makroökonomischen Prozesspolitik verschaffen. 36 Jahre später – dafür sprechen zahlreiche Beobachtungen – sind wieder wirtschaftspolitische und wirtschaftswissenschaftliche Kräfte am Werk, welche die (noch) bestehende Weltwährungsordnung umzugestalten wünschen. Damit wird der dialektische Entwicklungsansatz für Währungsordnungen, wie ihn Werner Ehrlicher bereits vor drei Jahrzehnten formuliert hat, eindrucksvoll bestätigt.21

Über das tatsächliche Ziel der derzeitigen Umstrukturierung der weltweiten Währungsordnung kann jedoch nur spekuliert werden, ebenso wie darüber, ob nun währungspolitische Regelbindungen vorteilhafter sind als eine diskretionäre Politik. Jeder Entwicklungsschritt wird jedenfalls weiterhin aufmerksam verfolgt werden und das Thema eines neuen Währungssystems wird auch langfristig von Bedeutung sein, frei nach dem Motto Robert Mundells: „An international monetary system in the strict sense of the world does not presently exist.“22

  • 1 Vgl. Zhou Xiaochuan: Reform the International Monetary System, in: Pressemitteilung der People’s Bank of China vom 23. März 2009, http://www.pbc.gov.cn/english/detail.asp?col=6500&id=178, Zugriff am 16.11.2009.
  • 2 Vgl. Dominique Strauss-Kahn: Opening Address to the 2009 Annual Meetings of the Boards of Governors of the World Bank Group and the International Monetary Fund, 2009, http://www.imf.org/external/np/speeches/2009/100609.htm, Zugriff am 16.11.2009.
  • 3 Vgl. IWF: Special Drawing Rights (SDR) Allocations, 2009, http://www.imf.org/external/np/exr/faq/sdrallocfaqs.htm#q3, Zugriff am 16.11.2009.
  • 4 Ebenda.
  • 5 Ebenda.
  • 6 Vgl. Friedrich August Hayek: Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufsmittel, Tübingen 1977.
  • 7 Vgl. Robert Alexander Mundell: A Theory of Optimum Currency Areas, in: American Economic Review, 51. Jg. (1961), Nr. 4, September, S. 657-665.
  • 8 Vgl. Hsiao Chink Tang: An Asian Monetary Union?, in: CAMA Working Paper Series, Nr. 13, 2006.
  • 9 Vgl. Alexander Busch: Südamerika strebt weg vom Dollar, in: Handelsblatt vom 4.11.2009, Nr. 213, S. 20.
  • 10 Vgl. Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América: Países del ALBA, 2009, http://www.alternativabolivariana.org/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=146, Zugriff am 16.11.2009.
  • 11 Vgl. o.V.: South American Nations to seek Common Currency, in: China View vom 27.5.2008, http://news.xinhuanet.com/english/2008-05/27/content_8260847.htm, Zugriff am 16.11.2009.
  • 12 Vgl. Alexander Busch, a.a.O.
  • 13 Ebenda.
  • 14 Ebenda.
  • 15 Vgl. Mohsin S. Khan: The GCC Monetary Union: Choice of Exchange Rate Regime, in: Working Paper Series, Nr. 09-1, Peterson Institute for International Economics, April 2009.
  • 16 Vgl. Jian-Ye Wang, Iyabo Masha, Kazuko Shirono, Leighton Harris: The Common Monetary Area in Southern Africa: Shocks, Adjustment, and Policy Challenges, in: IMF Working Paper Series, Nr. 07/158, April 2007.
  • 17 Vgl. Lukas Menkhoff, Friedrich L. Sell: Treibende Kräfte und Synthesen in der Währungspolitik, in: Kredit und Kapital, 23. Jg. (1990), H. 4, S. 564-583.
  • 18 Vgl. Kléber K. Djadjaglo: Die Schaffung einer afrikanischen Einheitswährung, Göttingen 2009.
  • 19 Kenneth Rogoff: Why not a Global Currency?, in: American Economic Review, 91. Jg. (2001), Nr. 2, Mai, S. 243-247.
  • 20 Vgl. Werner Ehrlicher: Von der Goldwährung zum Multi-Currency-Reserve-System, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft, Bd. 35 (1984), H. 2/3, S. 117-131; und Werner Ehrlicher: Die Geld-, Finanz- und Einkommenspolitik im volkswirtschaftlichen Systemzusammenhang, in: Kredit und Kapital, 21. Jg. (1988), H. 2, S. 163-181.
  • 21 Vgl. Werner Ehrlicher: Von Bretton Woods zu einer neuen internationalen Währungsordnung, in: T. Dams, K. Jojima (Hrsg.): Ausgewählte Probleme internationaler Wirtschaftsbeziehungen aus der Sicht Japans und der Bundesrepublik, Berlin 1980, S. 102-119.
  • 22 Robert Alexander Mundell: http://www.robertmundell.net/Menu/Main.asp?Type=5&Cat=03&ThemeName=International%20Monetary%20Reform, Zugriff am 16.11.2009.

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DOI: 10.1007/s10273-010-1041-5