Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht – auf nationaler, europäischer oder globaler Ebene – irgendeine neue Finanzmarktregulierung vorgeschlagen oder eingeführt wird. Ein Zusammenhang mit den Ursachen der Krise ist oft kaum mehr zu erkennen. Die Frage müsste aber doch sein: Welche Reformen wären notwendig gewesen, um den Ausbruch und das Ausmaß der Krise zu vermeiden? Roland Vaubel plädiert hier gegen eine Überregulierung der Finanzmärkte.
Über die Ursachen der Krise ist viel geschrieben worden, und es besteht weithin Einigkeit, dass es ohne die folgenden Umstände nicht dazu gekommen wäre:
- Am amerikanischen Immobilienmarkt bildete sich eine spekulative Blase, die schließlich platzte.
- Die Banken waren zu große Risiken eingegangen.
a. Ihre Eigenkapitalbasis war zu schwach, um die Verluste, die sich bei den „mortgage-backed securities“ (und im Verlauf der Krise auch bei anderen Forderungen) ergaben, problemlos zu verkraften.
b. Die „conduits“ und „structured investment vehicles“, die sie gegründet hatten, um die Eigenkapitalanforderungen zu umgehen, finanzierten ihre Käufe der „asset-backed securities“ zu kurzfristig. - Die Entscheidung des amerikanischen Finanzministers, die Investment-Bank Lehman Brothers nicht vor dem Konkurs zu bewahren, löste – nicht nur an den Finanzmärkten – eine weltweite Panik aus.
Keine dieser drei Bedingungen war hinreichend, die Krise zu erklären, aber jede war unstreitig eine notwendige Bedingung. Therapien sollten bei den Ursachen ansetzen. Wie hätte die Krise verhindert werden können?
Spekulative Blasen verhindern?
Spekulative Blasen gibt es, seit es dauerhafte Vermögenswerte gibt. Sie sind nicht auf Finanzmärkte beschränkt. Es gab sie auch zu Zeiten, als die Manager noch keine variablen Gehaltsbestandteile (Boni) erhielten. Denn die Zukunft ist ungewiss. Aber nicht alles ist Zufall. Die Spekulation in der Marktwirtschaft hat nichts mit „Kasinokapitalismus“ zu tun.
Ist es möglich, die Finanzprognosen zu verbessern? An staatlichen Institutionen – auch internationalen –, die vor Finanzkrisen warnen sollten, hat es nicht gefehlt: die nationalen Aufsichtsbehörden, das Financial Stability Board der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Global Financial Stability Reports des Internationalen Währungsfonds (IWF). Sie alle haben die Krise nicht vorhergesehen.1 Die ersten, die – wenn auch viel zu spät – im Juli 2008 Alarm schlugen, waren die viel gescholtenen privaten Rating-Agenturen. Insofern ist auch von dem „European Systemic Risk Board“, das dieses Jahr unter Beteiligung der nationalen Zentralbanken, der Europäischen Zentralbank und der europäischen Aufsichtsbehörden gegründet werden soll, nicht viel zu erwarten.
Die Finanzprognosen können nur verbessert werden, wenn mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden. Das heißt zum Beispiel:
- Die Banken müssen ihre außerbilanziellen Positionen berichten – insbesondere über ihre „conduits“ und „structured investment vehicles“ und deren Fristentransformation.
- Die Hypothekenbanken und kreditverbriefenden Banken müssen ihre Selbstbeteiligungsquoten bekannt geben.
- Die Rating-Agenturen müssen ihre Beratungsaufträge offen legen.
Die Forderung nach mehr Transparenz setzt bei den Ursachen der Krise an.
Problematisch ist dagegen die Forderung, die Zentralbanken sollten mit Hilfe der Geldpolitik die Vermögenspreise stabilisieren. Auch den Zentralbanken sind die gleichgewichtigen Vermögenspreise unbekannt. Wenn die Geldpolitik an diesem Ziel ausgerichtet würde, wäre sie nicht mehr unbedingt auf das Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet. Hätte sich die amerikanische Geldpolitik in den Jahren 2003 und 2004 strikt am Ziel der Geldwertstabilität orientiert, wäre es ohnehin nicht zu der Immobilienpreisblase gekommen.
Untaugliche Tobin-Steuer
Ein weiterer untauglicher Vorschlag ist die Finanztransaktionssteuer, für die sich der Europäische Rat am 10./11. Dezember letzten Jahres auf Vorschlag von Gordon Brown, Nicolas Sarkozy und Angela Merkel einstimmig ausgesprochen hatte. Auch das Europäische Parlament hat im März dieses Jahres mit großer Mehrheit (536:80) dafür gestimmt, den Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer zu prüfen. Sie soll aber nur eingeführt werden, wenn sich auch die USA beteiligen (womit nicht zu rechnen ist). Deshalb hat der Europäische Rat zunächst den IWF gebeten, einen Vorschlag auszuarbeiten. In der deutschen Politik geht diese Idee auf den früheren Finanzminister Peer Steinbrück bzw. Staatssekretär Jörg Asmussen zurück. Die Steuer wird oft als „Tobin Tax“ bezeichnet, obwohl sich der Vorschlag von James Tobin nicht auf Finanzmarkttransaktionen, sondern auf Devisenmarkttransaktionen bezog. Aber die Ziele – und Probleme! – sind strikt analog.
Das Hauptziel ist die Dämpfung der Spekulation und der Kursausschläge. Die Steuer soll der Entstehung spekulativer Blasen entgegenwirken. Das kann sie aber nicht, denn der Vorschlag beruht auf einem elementaren ökonomischen Denkfehler.
Betrachten wir die Preisentwicklung auf einem Wertpapiermarkt – zum Beispiel auf dem US-amerikanischen Markt für verbriefte Hypothekarkredite. Ob die Kurse steigen oder fallen, hängt vom Wertpapierangebot und der Nachfrage nach diesen Wertpapieren ab. Wenn die Nachfrage relativ zum Angebot steigt, steigen auch die Kurse. Die Kurse hängen nicht von dem Transaktionsvolumen – dem Umsatz der bewerteten Unternehmen – ab. Die (Geld- und Brief-) Kurse können sogar (dramatisch!) steigen oder fallen, ohne dass irgendeine Transaktion stattfindet. Das ist dann der Fall, wenn sich die Erwartungen aller Marktteilnehmer in gleicher Weise verändern. Ein hohes Transaktionsvolumen zeigt auf einem Finanz- oder Devisenmarkt an, dass die Marktteilnehmer sehr unterschiedliche Erwartungen haben. Das Transaktionsvolumen ist aber in der Regel nicht mit dem Börsenkurs korreliert. Das zeigen auch empirische Untersuchungen.
Eine Steuer auf Finanz- oder Devisenmarkttransaktionen dämpft daher nicht die Kursausschläge, sondern sie behindert Pareto-verbessernde Transaktionen zwischen Marktteilnehmern mit unterschiedlichen Erwartungen. Damit ist niemandem – außer dem Fiskus – gedient.
Die Spekulation soll auch mit Hilfe verschiedener Regulierungen bekämpft werden. Zum Beispiel will die Europäische Kommission Leerverkäufe verbieten und den Handel mit Derivaten – insbesondere mit Kreditausfallabsicherungen (credit default swaps – CDS) – beschränken. Hatte sich Kommissar McCreevy im Juli 2009 noch darauf beschränkt, wie in den USA die Transparenz des CDS-Markts verbessern zu wollen, kündigte der neue Binnenmarktkommissar Barnier im März 2010 auf Vorschlag von Nicolas Sarkozy, Jean-Claude Juncker und Angela Merkel an, dass CDS-Geschäfte, die nicht der Absicherung von Zahlungsausfällen dienen, verboten und Mindesthaltefristen vorgeschrieben werden sollen. „Wir sind uns einig, dass wir Finanzspekulationen unterbinden müssen“, erklärte Merkel am 9.3.2010. Die britische Regierung lehnt diese Regulierungen ab.
Die meisten Politiker scheinen nicht zu verstehen, dass Spekulation eine nützliche Tätigkeit ist. Der Spekulant macht sich nicht nur Gedanken über die Zukunft; er handelt auch danach (unter Einsatz seines Vermögens) und legt dadurch seine Einschätzungen für jedermann offen. Seine Preissignale sind wichtige Informationen für die Anderen, die sich kein eigenes Urteil zutrauen. Spekulanten stellen, ohne es zu wollen, Wissen – ein öffentliches Gut – bereit. Man darf nicht versuchen, die Krankheit (den Irrtum) oder das Fieber (die Krise) nicht dadurch zu bekämpfen versuchen, dass man das Thermometer (die Spekulation) verbietet.
Bedeutung der Boni
Schließlich wird die Bezahlung der Manager reguliert. Das hatte die Europäische Kommission bereits im April 2009 empfohlen. Solche Vorschriften sind unproblematisch, wenn die Bank bereits am Tropf des Staates hängt oder die staatlichen Eigenkapital- oder Liquiditätsanforderungen nicht mehr erfüllt. Die neuen „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ der Bafin und der Gesetzentwurf der Bundesregierung über „die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen“ (Februar 2010) gehen darüber jedoch weit hinaus. Die einzelnen Banken haben kein Interesse an zu hohen variablen Gehaltsanteilen oder einer zu kurzfristigen Ausgestaltung der Leistungsanreize. Die Boni der Banker waren keine notwendige Bedingung für die Entstehung der spekulativen Blase oder den Ausbruch der Finanzkrise.
Die vorliegende Evidenz stützt noch nicht einmal die Vermutung, dass sie signifikant zu dem Ausmaß der Krise beigetragen haben:
- Erstens zeigen Fahlenbrach und Stulz, dass die Aktienrenditen der einzelnen amerikanischen Banken im Verlauf der Krise nicht vom Umfang der Aktienoptionen abhingen, die sich im Besitz ihrer Bankvorstände (Chief Executive Officers) befanden.2 Das widerspricht der These, dass die Bankmanager durch die Aktienoptionen ihrer Unternehmen zu überhöhter Risikobereitschaft verleitet worden seien.
- Zweitens zeigt eine Studie der Management-Beratung Kienbaum, dass die öffentlich-rechtlichen Banken in Deutschland, die ja die größten Verluste erlitten, ihren Führungskräften nur 14% der Gesamtbezüge in Form von Boni auszahlten, während der betreffende Anteil bei den privaten Geschäftsbanken in Deutschland 29% ausmacht.3
- Drittens haben die Bankvorstände weder vor noch während der Krise in größerem Umfang Aktien ihres Unternehmens aus ihrem Portefeuille verkauft oder abgesichert.4 Sie haben daher als Folge der Krise schwere Vermögensverluste erlitten.5 Eine Untersuchung für die insolventen Banken Bear Stearns und Lehman Brothers zeigt zwar, dass die Erlöse aus Aktienverkäufen und die Boni der Vorstandsmitglieder seit dem Jahr 2000 größer waren als ihre Vermögensverluste in der Krise.6 Das ändert aber nichts daran, dass sie die Risiken spätestens ab 2007 falsch eingeschätzt haben. Es war ja nicht so, dass sie sich im Jahr 2000 auf eine Strategie einlassen mussten, die sie dann nicht mehr ändern konnten. Sie wollten ihre Strategie nicht ändern, weil sie die Krise nicht vorhergesehen haben. Irrtum, nicht falsche Anreize erklären ihr Verhalten.
Fahlenbrach und Stulz fassen die Ergebnisse ihrer ökonometrischen Untersuchung so zusammen: „Bank CEO incentives cannot be blamed for the credit crisis or for the performance of banks during that crisis“7.
Die Stabilität der Banken stärken
Die zweite Ursache der Finanzkrise, die zu geringe Stabilität der Banken, soll durch 1. höhere Eigenkapitalanforderungen, 2. die Regulierung der Hedge Fonds und, gemäß dem amerikanischen „Volcker-Plan“, 3. durch ein Trennbankensystem sowie 4. ein Verbot des Eigenhandels beseitigt werden.
- Dass die Eigenkapitalanforderungen – wie vom Baseler Ausschuss empfohlen – mittel- und längerfristig erheblich erhöht und antizyklisch ausgestaltet werden sollten, ist nicht kontrovers. Aber sehr viel darf man sich davon nicht erwarten. Die Eigenkapitalquoten der fünf größten amerikanischen Banken, die zahlungsunfähig sind oder mit staatlicher Hilfe von anderen übernommen wurden (Bear Stearns, Washington Mutual, Lehman Brothers, Wachovia und Merrill Lynch), lagen um 50 bis 100% über dem vorgeschriebenen Minimum von 8%.8 Selbst die Eigenkapitalquote von 30%, mit der die Deutsche Bank 1929 in die Weltwirtschaftskrise ging, bewahrte sie nicht davor, 1931 die Hilfe des Staates in Anspruch nehmen zu müssen.
Die anderen drei Regulierungsvorhaben haben mit den Ursachen der Krise wenig zu tun. - Die Hedge Fonds waren nicht Auslöser, sondern Opfer der Krise. Da ihre Hebel gering sind, waren ihre Verluste für nur 2% der gesamten Verluste der amerikanischen Banken verantwortlich.9 Trotzdem ist die Europäische Union dabei, eine Richtlinie zur Regulierung der Hedge Fonds und privaten Beteiligungsgesellschaften (private equity) zu verabschieden und darüber einen Streit mit den USA vom Zaun zu brechen. Denn außereuropäische Unternehmen sollen nur zugelassen werden, wenn in ihrem Heimatland die gleichen Regulierungen gelten oder ein europäischer Treuhänder zwischengeschaltet wird. Wegen Doppelbesteuerungsproblemen sind die meisten in der EU angebotenen Hedge Fonds außerhalb der EU registriert. Etwa 95% der Hedge Fonds wären europäischen Anlegern nicht mehr direkt zugänglich. Die protektionistische Absicht ist unverkennbar. Die Richtlinie wurde im Ministerrat von Großbritannien, Irland, Tschechien, Österreich, Schweden und Malta bekämpft, aber da diese Länder nicht über die bei qualifizierten Mehrheitsentscheidungen geltende Sperrminorität verfügen,10 sind die meisten von ihnen inzwischen auf die Mehrheitslinie eingeschwenkt. Die Verabschiedung wurde im März auf Wunsch der britischen Regierung noch einmal verschoben, dürfte aber nach der britischen Unterhauswahl nachgeholt werden.
- Die Finanzkrise ist nicht durch die Aufhebung des amerikanischen Trennbankensystems (1999) entstanden. Es waren nicht die (einlagenfinanzierten) Geschäftsbanken, sondern die Investment-Banken – allen voran Lehman Brothers –, die die Krise auslösten. Auch Fannie Mae, Freddie Mac und AIG waren keine Geschäftsbanken. Die europäischen Universalbanken wurden besser mit der Krise fertig als die amerikanischen Geschäftsbanken, weil sie breiter diversifiziert waren, und auch besser als die reinen Investment-Banken, weil sie weniger auf den Interbankenmarkt als Finanzierungsquelle angewiesen waren.
- Das Verbot des Eigenhandels soll sich nur auf die (einlagenfinanzierten) Geschäftsbanken beziehen. Diese waren jedoch weder Auslöser der Krise noch vor allem durch Eigenhandelsgeschäfte in Schwierigkeiten geraten. 34% der Verluste entstanden bei den direkten immobilienbezogenen Krediten, 20% bei den anderen Krediten und 31% bei den immobilienbesicherten Verbriefungen.11 Der Erwerb von Aktien, konventionellen Anleihen und reinen Finanzderivaten war also für weniger als 15% der Verluste verantwortlich.
Paniken verhindern
Die vielleicht wichtigste Lehre aus der Finanzkrise ist die, dass es heutzutage nicht mehr möglich ist, eine auch nur mittelgroße Bank – dazu noch eine Investment-Bank – vom Kaliber Lehman Brothers in Konkurs gehen zu lassen, ohne dass eine weltweite Panik ausbricht. Das ist neu und war auch nicht vorherzusehen. Die Konsequenz ist, dass in Zukunft alle „systemrelevanten“ Banken damit rechnen können, im Notfall vom Staat gerettet zu werden.
Damit bieten die Staaten eine Versicherungsleistung an, für die die Banken zur Kasse gebeten werden müssen. Denn wenn die Banken auf Dauer subventioniert würden, ginge das zu Lasten der anderen Wirtschaftszweige und würde die Allokation verzerren.
In einer Reihe von Ländern – auch in den USA, Deutschland, Österreich und auf EU-Ebene – gibt es daher Pläne, die Banken in Zukunft mit einer „Abgabe“ zu belegen. In Schweden ist sie bereits eingeführt worden, denn die EU wird dafür nicht benötigt. Da sie der Finanzierung einer staatlichen Versicherungsleistung dient, handelt es sich jedoch in Wirklichkeit nicht um eine Abgabe, sondern um eine Versicherungsprämie. Die staatliche Konkursversicherung ist notwendig, weil auch hohe Eigenkapitalquoten einen Konkurs nicht ausschließen können. Aber das Schwergewicht der Reform sollte auf der Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen liegen, denn jede Versicherung erzeugt Fehlanreize – das sogenannte „Moral-Hazard“-Problem.
Der Panikvermeidung dient auch der Vorschlag, den Anteil der systemrelevanten Banken zu verringern. Der amerikanische Volcker-Plan sieht vor, dass der Marktanteil jeder einzelnen Bank auf 10% begrenzt werden soll. (Lehman Brothers wäre danach keine systemrelevante Bank gewesen.) Effizienter als eine mehr oder weniger willkürliche Deckelung wären pekuniäre Anreize, die der Tatsache Rechnung tragen, dass der Konkurs einer systemrelevanten Bank negative externe Effekte für die Stabilität des Weltfinanzsystems erzeugt. Es geht also um eine Pigou-Steuer. Zum Beispiel könnten der Prämiensatz der staatlichen Konkursversicherung und die vom Staat vorgeschriebene Eigenkapitalquote für systemrelevante Banken höher sein als für nicht systemrelevante.
Die Ursachen des Regulierungsversagens
Die bisherige Analyse hat gezeigt, dass manche der vorgesehenen Regulierungen mit den Ursachen der Krise nichts zu tun haben und andere – wie die Maßnahmen gegen die Spekulation – nur an den Symptomen herumkurieren. Es ist kein Zufall, dass fast alle diese Überregulierungen in Europa nicht von den einzelnen Staaten, sondern von den EU-Organen durchgesetzt werden sollen. Eine europäische Regulierung verhindert, dass die Anleger und Finanzinstitute einfach auf andere Mitgliedstaaten ausweichen können. Genau wie Besteuerungskartelle der Staaten zu höheren Steuersätzen führen, haben Regulierungskartelle schärfere Regulierungen zur Folge.
Die Meinung ist jedoch weit verbreitet, dass diese Wirkung der Kartellierung im Fall der Finanzmarktregulierung durchaus wünschenswert sei, weil sich die bestehenden Regulierungen ja in der Krise als unzureichend erwiesen haben. Manche sehen sogar im (De-)Regulierungswettbewerb eine Ursache der Krise. Die internationale „Regulierungsarbitrage“ der Banken habe die Regierungen und Aufsichtsbehörden veranlasst, zu stark zu deregulieren oder zumindest die Entstehung und Ausbreitung kaum regulierter Finanzinstitutionen zu dulden.
Die Aufhebung des amerikanischen Trennbanken-Systems (1999) war jedoch keine Ursache der Krise, und die Special Purpose und Structured Investment Vehicles waren in den USA schon immer erlaubt. Die Krise wurde nicht durch Deregulierungswettbewerb oder gar eine „race to the bottom“ ausgelöst. Aber die Banken waren immer findiger geworden, die bestehenden Regulierungen zu umgehen, und die Aufsichtsbehörden gingen nicht dagegen vor. Darin bestand ihr Versagen. Weshalb versagten sie?
Diejenigen, die sich heute für ein europäisches oder globales Regulierungskartell aussprechen, geben auf diese Frage zwei einander nicht ausschließende Antworten. Zum einen seien die Aufsichtsbehörden (und Politiker) dem Werben der Bankenlobby erlegen, zum anderen hätten sie nicht nur das Ziel der Finanzmarktstabilität im Auge gehabt, sondern auch versucht, den Weltmarktanteil ihrer Banken zu maximieren, weil das für mehr Beschäftigung und höhere Steuereinnahmen sorgt. Diese Interpretation der Krise impliziert, dass die politischen Entscheidungsträger aufgrund falscher Anreize wissentlich die Krise riskiert haben. Diese Annahme ist fragwürdig.
Die Gegenmeinung sieht in der Krise einen fatalen doppelten Irrtum: die Banken glaubten, dass ihre Risikovorsorge ausreichend sei, und die Aufsichtsbehörden und Politiker glaubten, dass ihre Regulierungen ausreichend seien, um Finanzmarktstabilität zu gewährleisten. Diese Erklärung scheint mir überzeugender. Sie bestreitet nicht, dass die Bankenlobby und der internationale Wettbewerb der Staaten das Ausmaß der Regulierung begrenzten. Sie bestreitet auch nicht, dass das resultierende Regulierungsniveau zu niedrig war. Aber sie besteht darauf, dass die Krise im Kern nicht auf falschen Anreizen, sondern auf einem folgenschweren Irrtum beruhte. Hätte es diesen Irrtum nicht gegeben, so wären die nationalen Regulierungen ausreichend gewesen, und der internationale Regulierungswettbewerb hätte vor Überregulierung geschützt.
Die Krise hat den Aufsichtsbehörden und Politikern die Augen geöffnet. Sie sind dabei, aus der Krise zu lernen. Sie sind bestrebt, das Regulierungsniveau so festzulegen, dass es nicht wieder zu einer Finanzmarktkrise kommt.12 Jedes Land hat einen ausreichenden Anreiz, dies zu tun. Der Wettbewerb der Standorte kann die Entscheidungsträger davon abhalten, die Regulierungen stärker zu verschärfen, als für die Finanzmarktstabilität erforderlich ist. Wo Irrtum das Problem ist, braucht man eine Vielfalt der Experimente, aus denen man lernen kann, nicht eine Vereinheitlichung – das Großexperiment.13
Formen der internationalen Kooperation
Das internationale Regulierungskartell ist nicht die einzige Form der internationalen Kooperation.
- Die erste Alternative ist, sich auf einen internationalen Informationsaustausch und Empfehlungen zu beschränken, über deren Annahme jedes Land selbst bestimmen kann. Das ist die Methode des Basler Ausschusses. Sie ist nicht nur unproblematisch, sondern äußerst nützlich, denn Wissen ist ein internationales öffentliches Gut.
- Ganz anders die zweite Alternative: die Regulierungen werden auf internationaler Ebene mit (qualifizierter) Mehrheit festgelegt. Während ein Regulierungskartell einstimmig – mit Zustimmung aller Kartellisten – entscheidet, wird nun eine Minderheit überstimmt. Das ist das Verfahren der Europäischen Union.
Ein aktuelles Beispiel ist die geplante Errichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Der Entwurf einer Verordnung liegt bereits vor.14 Dem Entscheidungsorgan (Board of Supervisors) würden die Leiter der nationalen Bankenaufsichtsbehörden und einige nicht stimmberechtigte Vertreter der Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Europäischen Rates für Systemrisiken usw. angehören (Art. 25 dieser Verordnung). Sie würden mit qualifizierter Mehrheit Leitlinien und Empfehlungen für die nationalen Behörden beschließen und grundsätzlich mit einfacher Mehrheit über Streitigkeiten zwischen den nationalen Behörden entscheiden (Art. 11). Wenn die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und Kommission der Meinung sind, dass eine nationale Behörde europäische Finanzmarktregulierungen verletzt, kann sie „eine an ein Finanzinstitut gerichtete Einzelfallentscheidung erlassen..., worunter auch die Einstellung jeglicher Tätigkeit fällt“ (Art. 9, Abs. 6). Sie könnte also zum Beispiel entscheiden, die Deutsche Bank oder Barclays zu schließen, selbst wenn die Finanzaufsicht, die Regierung und das Parlament der betreffenden Länder dies ablehnten.
Französische Strategie
Wenn ein internationales Gremium mit Mehrheit ein einheitliches Regulierungsniveau festlegen kann, ist die Mehrheit der hochregulierten Länder versucht, der Minderheit der liberaleren Länder das mehrheitliche Regulierungsniveau aufzuzwingen, denn dadurch kann sie ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird dieses Verhalten als „strategy of raising rivals‘ cost“ bezeichnet. Manches deutet darauf hin, dass die französische Politik eine solche Strategie verfolgt und dass das Hauptopfer die City of London sein wird.
Zunächst gelang es, Jacques de Larosière, einen früheren Gouverneur der Banque de France, zum Vorsitzenden einer Brüsseler Untersuchungskommission zu machen, die Vorschläge für eine europäische Bankenregulierung vorlegte. Als nächstes konfrontierte Paris Kommissionspräsident Barroso – vermutlich vor dessen Wiederernennung – mit dem dringenden Wunsch, das Amt des Binnenmarktkommissars mit dem französischen Kandidaten, Michel Barnier, zu besetzen. Barnier wird in dieser Funktion auch für die Finanzmarktregulierung zuständig sein.
Präsident Sarkozy sagte der Zeitung Le Monde nach der Abstimmung im Finanzministerrat, dies sei „eine große Niederlage für die Engländer“ und „ein Triumph französischer Ideen“. „Wissen Sie, was es für mich bedeutet, dass zum ersten Mal seit fünfzig Jahren ein Franzose Binnenmarktkommissar und damit auch für die Finanzdienstleistungen, einschließlich der City (of London), zuständig sein wird? Ich möchte, dass die Welt auf diesen Sieg des europäischen Modells blickt, welches den Exzessen des Finanzkapitalismus ein Ende setzt“ (meine Übersetzung). Die französische Finanzministerin Christine Lagarde fügte hinzu: „Wir brauchen eine City, die nach anderen Regeln spielt“ (meine Übersetzung).15
Es besteht weithin Konsens, dass die französische Finanzmarktregulierung restriktiver als die britische ist, obwohl dies gar nicht so leicht nachzuweisen ist. Immerhin zeigt Tabelle 1, dass der Personalumfang der Bankenaufsichtsbehörde relativ zur Zahl der Kreditinstitute in Großbritannien eher unter dem EU-Durchschnitt liegt und dass diese Relation in den südeuropäischen Mitgliedstaaten am höchsten ist. Leider ist Frankreich nicht dabei, denn es hat der Weltbank die gewünschten Daten nicht zur Verfügung gestellt.
Tabelle 1
Regulierungsintensität der Aufsicht im Jahr 1999
Quotient | |
---|---|
Portugal | 2,40 |
Malta | 2,00 |
Deutschland | 1,00 |
Belgien | 0,67 |
Großbritannien | 0,66 |
Luxemburg | 0,20 |
Dänemark | 0,16 |
Finnland | 0,09 |
Durchschnitt | 0,90 |
Anmerkungen: Quotient: Personal der Bankaufsicht/Zahl der Kreditinstitute. Die Tabelle 1 enthält alle westeuropäischen Länder, für die diese Kennziffer verfügbar ist.
Quelle: World Bank Survey 2001.
In der Vergangenheit hat Frankreich seine Strategie mit großer Konsequenz vor allem im Bereich der EU-Arbeitsmarktregulierungen verfolgt.16 Auch die EU-Regulierung des Kunstmarktes (Folgerechtsrichtlinie von 2001) und die Finanzdienstleistungsrichtlinie von 2003 sind so zu erklären. Zur überstimmten Minderheit gehörten mehr oder weniger regelmäßig Großbritannien, Irland, Dänemark, Schweden und die Niederlande, manchmal – je nach Regierungscouleur – auch Deutschland. Zahlreiche politikwissenschaftliche Untersuchungen des Abstimmungsverhaltens im Ministerrat belegen, dass die Scheidelinie zwischen den nord- und den südeuropäischen Mitgliedstaaten verläuft und dass die südeuropäischen eher für, und die nordeuropäischen eher gegen Eingriffe in den Marktmechanismus stimmen.
Wie die Tabelle zeigt, ist der Personalbestand der Aufsichtsbehörde relativ zur Zahl der Kreditinstitute in Deutschland wesentlich höher als in Großbritannien. Das deutet auf ein hohes Regulierungsniveau hin, zumal es in Deutschland ungewöhnlich viele (kleine) Kreditinstitute gibt. Der Bundesverband deutscher Banken setzt sich intensiv dafür ein, dass das neue Regelwerk per Mehrheitsentscheidung von der Europäischen Union beschlossen wird. Verfolgt auch die deutsche Politik die „strategy of raising rivals’ costs“?
Verabschiedung mit qualifizierter Mehrheit?
Die Kommission vertritt die Meinung, dass die EBA-Verordnung und jede andere Finanzmarktregulierung der EU im Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden kann, weil sie sich „auf Artikel 95 EG-Vertrag gründen“ kann (Ziffer 4 ihrer Begründung vom 23.9.2009). Artikel 95 (nach dem Vertrag von Lissabon Artikel 114) setzt voraus, dass der Rechtsakt der Verwirklichung des Binnenmarktes gemäß Artikel 14 (jetzt: 26) dient. Artikel 14 definiert den Binnenmarkt als einen „Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist“. Die Existenz unterschiedlicher nationalstaatlicher Finanzmarktregulierungen steht aber nicht der Freiheit des Kapitalverkehrs entgegen. Deshalb trifft in Wirklichkeit nicht Artikel 95 (jetzt: 114), sondern, wenn überhaupt, Artikel 94 (jetzt: 115) zu. Dieser ermächtigt jedoch nicht zu Verordnungen, sondern nur zu Richtlinien, und er schreibt Einstimmigkeit vor.
Die Kommission beruft sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), aber das von ihr zitierte Urteil (C-217/04) rechtfertigt die Inanspruchnahme von Art. 95 (jetzt: 114) für die „Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung“ lediglich unter der Voraussetzung, dass der Rechtsakt der Verwirklichung des Binnenmarktes gemäß Artikel 14 (jetzt: 26) dient.
Andere berufen sich auf die EuGH-Entscheidung zum Tabakwerbungsverbot (C-376/98), die die Inanspruchnahme von Art. 95 (jetzt: 114) an die Bedingung knüpft, dass der Rechtsakt „zur Beseitigung spürbarer Verzerrungen des Wettbewerbs beiträgt“ (Rn. 108). Der EuGH sieht darin jedoch nicht eine hinreichende, sondern nur eine zusätzliche notwendige Bedingung – zusätzlich zu der Bedingung, dass der Rechtsakt der Verwirklichung des Binnenmarktes gemäß Artikel 14 (jetzt: 26) dient. Weder Artikel 14 (jetzt: 26) noch die darin erwähnten anderen Artikel enthalten das Kriterium der Wettbewerbsverzerrung. Der Umstand, dass international unterschiedliche Bankenregulierungen den Wettbewerb verzerren könnten, reicht daher nicht aus, die EBA-Verordnung oder eine der anderen Finanzmarktregulierungen auf den Binnenmarktartikel 95 (jetzt: 114) zu stützen. Entscheidend ist, ob der freie Kapitalverkehr gewährleistet ist. Unterschiede in der Bankenregulierung stehen dem jedoch nicht entgegen.
Ein einfaches Modell der „strategy of raising rivals’ costs“
Zum Schluss soll in einem einfachen Zwei-Länder-Modell gezeigt werden, wie sich a. kartellarische und b. Mehrheitsentscheidungen über die Finanzmarktregulierung auf das Regulierungsniveau auswirken. Dabei wird deutlich werden, dass beide zu einem erheblichen Anstieg des Regulierungsniveaus führen. Ich beschränke mich auf die grafische Analyse. Die formale Ableitung der Reaktionsfunktionen habe ich an anderer Stelle entwickelt.17
In der Abbildung messen die beiden Achsen das Regulierungsniveau in Frankreich (rF) und Großbritannien (rUK). RF und RUK sind die dazu gehörigen Reaktionsfunktionen. Der Schnittpunkt der französischen Reaktionsfunktion mit der horizontalen Achse zeigt das Regulierungsniveau an, das der französische Staat wählen würde, wenn es in Großbritannien keine Regulierungen gäbe. Wie oben begründet ist anzunehmen, dass die französischen Entscheidungsträger erwarten, dass dieses Regulierungsniveau (mit der gewünschten Wahrscheinlichkeit) ausreicht, um eine Finanzkrise zu vermeiden. Die französischen Entscheidungsträger würden an sich, d.h., ohne Kapitalmobilität, gerne noch stärker regulieren, um politisch zu gestalten, aber die Gefahr, dass dann Kapital nach Großbritannien abfließen würde, hält sie davon ab. Wenn jedoch Großbritannien ebenfalls seinen Finanzmarkt reguliert, kann es sich der französische Staat leisten, etwas stärker zu regulieren, ohne dass Kapital abfließt. Deshalb steigt die französische Reaktionsfunktion nach rechts oben an.
Regulierungskartell und „strategy of raising rivals’ costs“
Der Verlauf der britischen Reaktionsfunktion (RUK) ist strikt analog zu erklären. In Abbildung 1 ist der britische Achsenabschnitt kürzer als der französische, d.h., der britische Staat neigt weniger zur Regulierung als der französische, wenn im jeweils anderen Land nicht reguliert wird.
Wenn die französischen und die britischen Entscheidungsträger nicht miteinander über ihre Finanzmarktregulierungen verhandeln, ergibt sich das Nash-Gleichgewicht im Schnittpunkt der beiden Reaktionsfunktionen (N). Die Regulierungsstrategien der beiden Staaten sind nun miteinander kompatibel, aber das Regulierungsniveau ist in Frankreich höher als in Großbritannien. Der Nash-Punkt ist das Wettbewerbsgleichgewicht. Damit wird deutlich, dass der (De-)Regulierungswettbewerb zwischen den Staaten nicht einen Wettlauf zum regulatorischen Nullpunkt („race to the bottom“), sondern zum Nash-Punkt auslöst.
Die Entscheidungsträger beider Länder würden ihren Nutzen erhöhen, wenn sie miteinander vereinbaren würden, das Regulierungsniveau in beiden Ländern anzuheben. Sie könnten dann mehr Macht ausüben, ohne Kapital zu verlieren. Alle Punkte in der grau hinterlegten Linse stellen beide Seiten besser. Pareto-optimal sind die Tangentialpunkte der Indifferenzkurven, d.h. alle Punkte auf der Kontraktkurve CFCUK. Wie leicht zu erkennen ist, führt das Regulierungskartell in beiden Ländern zu einer Verschärfung der Regulierung, was im Interesse der Aufsichtsbeamten oder Politiker, aber nicht im Interesse der Wirtschaft ist.
Was geschieht, wenn eine Mehrheit ein für beide Länder gleiches Regulierungsniveau festlegen kann? Die Lösung muss auf der 45°-Linie liegen. Wenn wir realistischerweise unterstellen, dass die französischen Politiker oder Aufsichtsbeamten im Rat eine Mehrheit hinter sich haben, so wählen sie den Tangentialpunkt der 45°-Linie mit ihrer höchsten Indifferenzkurve, also den Punkt E.
Die Abbildung macht deutlich, dass die französische Mehrheit nicht einfach ihr bisheriges Regulierungsniveau zur gemeinsamen Norm erklärt (das wäre Punkt D). Sie wählt ein höheres Regulierungsniveau, weil sie durch die von ihr erzwungene Verschärfung der britischen Regulierungen von einem lästigen Wettbewerbsdruck befreit worden ist.
Vergleicht man die „strategy of raising rivals’ costs“ (E) mit der Kartellierungsstrategie (CFCUK), so ist eindeutig, dass das britische Regulierungsniveau bei Mehrheitsentscheidungen wesentlich höher ist, denn diejenigen, die bisher gebremst haben, können nun überstimmt werden. In der Abbildung steigt auch das französische Regulierungsniveau, aber rein logisch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Indifferenzkurven so extrem anders verlaufen, dass E links von der Kartellvereinbarung auf CFCUK liegt.
Der Weg in die Überregulierung
Es besteht weithin Einigkeit, dass der Ausbruch und das Ausmaß der Finanzkrise weder auf einen Mangel an einheitlichen europäischen Regulierungen noch auf ein spezielles Versagen der City of London zurückzuführen war. Die Krise ging von der Wall Street aus und wäre durch eine gemeinsame europäische Finanzaufsicht weder verhindert noch wesentlich abgeschwächt worden. Sie wurde weder von den Banken noch von den nationalen Aufsichtsorganen noch von den internationalen Organisationen (BIZ, IWF, EU) vorhergesehen.
Die europäischen Institutionen sehen in der Krise eine Chance, ihre Macht zu vergrößern, und die hoch regulierten Mitgliedstaaten nutzen sie als Vorwand, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Konkurrenten zu untergraben. Die Europäische Union befindet sich auf dem Weg in die Überregulierung. New York, Zürich und Singapur werden davon profitieren.
- 1 Der IWF vertritt in seinem Global Financial Stability Report vom April 2007 die Meinung, der bisher eingetretene Rückgang der Immobilienpreise „is not likely to pose a serious systemic threat. Stress tests conducted by investment banks show that, even under scenarios of nation-wide house price declines that are historically unprecedented, most investors with exposure to subprime mortgages through securitized structures will not face losses... The amount of potential credit loss in subprime mortgages may be fairly limited.“ Noch in seinem World Economic Outlook vom April 2008 gibt der IWF die folgende Prognose ab: „The US economy will tip into a mild recession in 2008 as a result of mutually reinforcing housing and financial market cycles, with only a gradual recovery in 2009.“ Zur BIZ vgl. M. Hellwig: Systemic Risk in the Financial Sector: An Analysis of the Subprime-Mortgage Financial Crisis, in: De Economist, 157 (2009), Nr. 2, S. 168.
- 2 R. Fahlenbrach, R. M. Stulz: Bank CEO Incentives and the Credit Crisis, National Bureau of Economic Research (NBER), Cambridge, Mass., 2009, Working Paper 15212.
- 3 Kienbaum Management Beratung: Vergütungsstudie Leitende Angestellte in Banken, 16.12.2009.
- 4 R. Fahlenbrach, R. M. Stulz, a.a.O.
- 5 R. Fahlenbrach, R. M. Stulz, a.a.O.
- 6 L. A. Bebchuk, A. Cohen, H. Spamann: The Wages of Failure: Executive Compensation at Bear Stearns and Lehman 2000-2008, Harvard Law School, 24.12.2009, erscheint in: Yale Journal on Regulation, Sommer 2010.
- 7 R. Fahlenbrach, R. M. Stulz, a.a.O., S. 18.
- 8 A. Kuritzkes, H. Scott: Markets are the best judge of bank capital, in: Financial Times, London, 24.9.2009.
- 9 Goldman Sachs Group: Goldman Investment Research, Bank 6, 30.11.2009.
- 10 Allerdings dürfen die Finanzmarktregulierungen der EU – wie ich im Folgenden entgegen der Rechtsauffassung der Kommission darlegen werde – gar nicht mit qualifizierter Mehrheit (Art. 114 AEUV), sondern nur einstimmig (Art. 115 AEUV) vom Rat beschlossen werden.
- 11 Goldman Sachs Group, a.a.O.
- 12 Zwar gibt es keinen vollkommenen Schutz, aber die nationalen Regulierungsinstanzen werden wie bisher versuchen, die Wahrscheinlichkeit einer Krise auf ein Minimum zu beschränken.
- 13 Vgl. z.B. K. Popper: Das Elend des Historizismus, Tübingen 1979, S. 66-74; und F. A. Hayek: The Constitution of Liberty, Routledge, London, Henley 1960, S. 28 f.
- 14 Vgl. dazu den Vorschlag der Kommission vom 23.9.2009 (KOM (2009) 501) und den Standpunkt des Ministerrats vom 2.12.2009 (2009/0142 (COD)), der zur Zeit vom Europäischen Parlament beraten wird.
- 15 Financial Times, 4.12.2009.
- 16 Vgl. dazu R. Vaubel: The Political Economy of Labor Market Regulation by the European Union, in: Review of International Organizations, Jg. 3 (2008), S. 435-465.
- 17 R. Vaubel: The Political Economy of Labor Market Regulation by the European Union, a.a.O., S. 444 f. Die Abbildung haben Bernhard Boockmann und ich in einem anderen Zusammenhang gemeinsam entworfen.