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Die deutsche Wirtschaft hat im ersten Quartal dieses Jahres trotz des strengen Winters und des Rückgangs beim Konsum nach dem Auslaufen der Abwrackprämie weiter leicht zugelegt. Im Vergleich zum Vorjahr, als die Krise ihren Tiefpunkt erreicht hatte, war das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,7% höher; allerdings war es noch um fast 5% niedriger als Anfang 2008 vor dem Einbruch. Unter diesen Bedingungen entwickelte sich der Arbeitsmarkt relativ günstig. Die Beschäftigung, die auch während der Krise vor allem dank der Kurzarbeitsregelung nur wenig gesunken war und wo deshalb noch Anpassungsbedarf befürchtet worden war, nahm geringfügig zu und die Zahl der Arbeitslosen ging zurück. Für das zweite Quartal zeichnet sich eine deutliche Zunahme des realen BIP ab. Die Bautätigkeit hat sich nach dem harten Winter wieder normalisiert, zudem werden die im Winter nicht durchgeführten Aufträge nachgeholt. Der private Konsum dürfte wieder zunehmen, auch weil der zuvor dämpfende Effekt durch die Abwrackprämie wegfällt. Überdies lassen der Anstieg der Auslandsaufträge und die Euroabwertung Wachstumsimpulse vom Außenhandel erwarten.

Trotz der Erholungstendenzen ist die Konjunktur aber noch sehr fragil. Nachdem die Probleme an den Finanzmärkten allmählich unter Kontrolle schienen, hat die Schuldenkrise gezeigt, dass die Finanzkrise noch nicht überwunden ist. Die Perspektiven für die weitere Entwicklung haben sich wieder eingetrübt. Das belastet im Moment insbesondere die Eurozone. Um den Euro zu stabilisieren, scheint ein früherer Exit aus der expansiven Finanzpolitik erforderlich als es der Konjunktur gut tut, selbst in Deutschland. Auf kürzere Sicht werden die deutschen Exporteure zwar von der Abwertung des Euro profitieren. Auf mittlere Sicht werden aber die Sparprogramme in vielen europäischen Ländern deren Erholung und über die engen Außenhandelsbeziehungen auch die in den anderen Ländern dämpfen. Angesichts der gedrückten Erwartungen für Europa wird noch wichtiger, dass die weiter vorangeschrittene Erholung in anderen Teilen der Welt, wie in den Schwellenländern, allen voran China, und auch in den USA anhält und die europäische Wirtschaft mitzieht.

Für die weitere binnenwirtschaftliche Entwicklung bleibt vor allem die Entwicklung am Arbeitsmarkt von Bedeutung, denn davon hängt maßgeblich der private Konsum ab. Die bislang über Erwarten günstige Beschäftigungsentwicklung lässt hoffen, dass die Unternehmen ihre Belegschaften zu halten bestrebt sind. Allerdings besteht nach wie vor Anpassungsbedarf, der sich bei konjunkturellen Rückschlägen, wie sie für Europa nicht auszuschließen sind, verstärken könnte. Nach der teils „technischen“ kräftigen Erholung im zweiten Quartal dürfte die weitere Aufwärtsbewegung, insbesondere seitens der inländischen Nachfrageaggregate, weniger dynamisch vorangehen. Die Exporte hingegen werden zunächst weiter merklich zunehmen. Alles in allem dürfte das reale BIP im Jahr 2010 um rund 1½% gegenüber 2009 wachsen.

Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt in Deutschland

(Saison- und arbeitstäglich bereinigt mit Census-Verfahren X-12-Arima)

Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt in Deutschland

1 Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal, auf Jahresrate hochgerechnet, rechte Skala.
2 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: Statistisches Bundesamt; 2010 und 2011: Prognose des HWWI.

Für 2011 zeichnet sich eine Fortsetzung des Erholungsprozesses ab, allerdings wird das Tempo wegen des Auslaufens von Konjunkturprogrammen und der Sparmaßnahmen in vielen Ländern gering sein. Das reale BIP wird im Jahresdurchschnitt 2011 kaum stärker zunehmen als in diesem Jahr. Die Beschäftigung dürfte wegen der bestehenden Reserven allenfalls geringfügig ausgeweitet werden. Der Preisauftrieb wird angesichts gestiegener Rohstoffpreise und der Einfuhrverteuerung wegen der Euroabwertung leicht anziehen, bei nur langsam wachsender Nachfrage und unterausgelasteten Kapazitäten aber unterhalb der Stabilitätsmarke von 2% bleiben.

Eckdaten für Deutschland

(Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr)

  2007 2008 2009 2010 2011
Bruttoinlandsprodukt1 2,5 1,3 -4,9 1,5 1,6
Private Konsumausgaben -0,3 0,4 -0,1 -1,1 0,9
Konsumausgaben des Staates 1,7 2,0 3,4 1,6 -0,9
Anlageinvestitionen 5,0 3,1 -9,0 0,9 2,4
   Ausrüstungen 11,0 3,3 -20,5 2,0 4,4
   Bauten -0,0 2,6 -1,1 -0,5 0,3
   Sonstige Anlagen 6,5 5,3 4,9 4,8 4,9
Inlandsnachfrage 1,0 1,7 -2,1 0,1 0,6
   Ausfuhr 7,5 2,9 -14,5 8,7 7,2
   Einfuhr 4,8 4,3 -9,5 5,8 5,6
Arbeitsmarkt          
   Erwerbstätige 1,7 1,4 -0,0 0,0 0,1
   Arbeitslose (Mio. Personen) 3,78 3,27 3,42 3,27 3,16
   Arbeitslosenquote2 (in %) 8,7 7,5 7,9 7,5 7,3
Verbraucherpreise (in %) 2,3 2,6 0,4 1,0 1,5
Finanzierungssaldo des Staates (in % des BIP) 0,2 0,0 -3,1 -4,9 -4,3
Leistungsbilanzsaldo3 (in % des BIP) 7,6 6,7 4,9 6,6 7,4

1 Preisbereinigt.
2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept).
3 In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit; 2010 und 2011: Prognose des HWWI.

Bei dieser Wirtschaftsentwicklung wird die gesamtwirtschaftliche Produktion auch Ende 2011 noch um 2½% unter dem letzten Höhepunkt Anfang 2008 liegen. Die Risiken für eine ungünstigere Entwicklung sind mindestens so hoch einzuschätzen wie die Chancen für eine bessere. Zum einen könnte durch die Schuldenkrise und ihre Auswirkungen die konjunkturelle Erholung in Europa stärker gedämpft werden bis hin zum Rückfall in eine Rezession. Aber selbst eine Lösung der aktuellen Schulden- und Währungskrise in Europa beinhaltet kaum überschaubare Risiken. Es stellt sich dann die Frage, wie andere Länder, insbesondere die USA, anschließend dastehen. Würde dann deren Schuldensituation stärker in den Blickpunkt rücken, könnten auch dort zusätzliche, die Konjunktur gefährdende Sparmaßnahmen erforderlich werden und/oder neue Währungsturbulenzen zwischen Euro und Dollar – dann in die andere Richtung – auftreten. Die Chancen liegen in einer stärker als erwarteten globalen Erholung, die auch die Schuldenproblematik lindern helfen würde.

HWWI-Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe

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2000 = 100, auf US-Dollar-Basis.


HWWI-Index mit Untergruppena 2009 Nov. 09 Dez. 09 Jan. 09 Feb. 10 Mrz. 10 Apr. 10 Mai 10
Gesamtindex 209,7 253,1 250,0 259,4 250,1 262,6 284,2 261,7
  (-33,6) (32,6) (56,6) (58,8) (58,7) (58,0) (60,8) (32,0)
Gesamtindex, ohne Energie 184,0 207,6 215,3 218,6 210,6 216,5 243,7 233,2
  (-22,1) (19,7) (30,8) (35,3) (33,6) (36,7) (45,9) (31,9)
Nahrungs- und Genussmittel 202,2 212,1 219,3 217,9 207,9 200,9 199,5 197,9
  (-13,2) (19,0) (25,2) (13,3) (11,2) (9,2) (2,8) (-6,9)
Industrierohstoffe 176,0 205,6 213,6 218,9 211,8 223,4 263,0 248,6
  (-25,9) (19,9) (33,4) (47,8) (46,2) (51,8) (69,5) (54,4)
Agrarische Rohstoffe 125,4 152,8 156,9 158,7 157,7 164,3 169,9 163,9
  (-16,8) (30,2) (42,2) (44,5) (50,7) (57,3) (58,5) (46,3)
NE-Metalle 171,9 212,3 225,6 237,0 219,7 239,8 253,2 222,4
  (-29,0) (43,4) (83,9) (89,7) (80,6) (86,7) (75,2) (46,6)
Eisenerz, Stahlschrott 337,6 344,5 350,0 350,1 351,5 355,5 566,2 570,9
  (-30,0) (-12,6) (-14,2) (8,1) (7,7) (9,5) (73,5) (72,0)
Energierohstoffe 222,2 275,1 266,7 279,1 269,2 284,9 303,7 275,4
  (-37,3) (38,0) (69,6) (69,9) (70,8) (67,7) (67,4) (32,0)

a2000 = 100, auf US-Dollar-Basis, Periodendurchschnitte; in Klammern: prozentuale Änderung gegenüber Vorjahr.

Weitere Informationen: http://hwwi-rohindex.org/

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DOI: 10.1007/s10273-010-1092-7