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Deutsche Bahn: Dividende für Reparaturen nutzen

Von Brigitte Preissl

Kaum eine Fahrt mit der Deutschen Bahn verläuft wie vorgesehen. Dass dies nur zum Teil am Wetter liegt, hat sich herumgesprochen. So konzentriert sich die Diskussion nun auf jahrelang vernachlässigte Investitionen in Schienen und Fahrzeuge, eine Vernachlässigung, die umso schwerer wiegt, als hier nicht nur die Bequemlichkeit des Personenverkehrs und die Reputation des deutschen Eisenbahnwesens auf dem Spiel stehen, sondern die Sicherheit der Fahrgäste. Nun macht das Unternehmen Deutsche Bahn nach wie vor reichlich Gewinn, könnte also durchaus in Schienennetz und rollendes Material investieren und die Mängel nachhaltig beseitigen. Aber dem steht scheinbar der Eigentümer Bund entgegen. Er verlangt im Rahmen des Sparpakets der Bundesregierung die Ablieferung von Dividenden, die er fest für die Haushaltssanierung eingeplant hat, und erregt damit öffentlich heftige Kritik, zuallererst von den unter Wahlkampfdruck stehenden Landesregierungen.

Diese Kritik ist verständlich, da die Versäumnisse des Unternehmens bei den Investitionen verbunden mit einem deutlichen Streckenabbau in der Fläche für viele Bürger zu bereits zu lange andauernden täglichen Ärgernissen führen. Bei einem geplanten Investitionsvolumen von 44 Mrd. Euro in fünf Jahren scheinen die 500 Mio. Euro, die bis 2015 jährlich an den Bund abgeführt werden sollen, aber eine eher bescheidene Forderung. Problematisch ist aber das Verhalten eines Eigentümers, der die fundamentale Krise seines Unternehmens nicht zur Kenntnis nimmt und es mit Abgaben belastet, um an ganz anderer Stelle entstandene Schulden zu tilgen. Das ist weder unternehmens- noch wirtschaftspolitisch sinnvoll. Dem Unternehmen werden zur Sanierung notwendige Ressourcen entzogen; wirtschaftspolitisch wirkt diese Maßnahme wie eine versteckte Steuer, die in Form höherer Fahrpreise und schlechter werdender Leistungen eingetrieben wird. Doch es reicht nicht aus, zu fordern, das Geld müsse im Unternehmen verbleiben.

Vielmehr sollte sich der Eigentümer um die Verwendung von Gewinnen kümmern. Er sollte sicherstellen, dass die notwendigen Reparaturen tatsächlich durchgeführt werden und für die Zukunft die Prioritäten so gesetzt werden, dass ein einem fortgeschrittenen Industrieland anstehendes Serviceniveau erreicht und das vorhandene nicht weiter abgebaut wird. Denn es ist ja nicht sicher, dass die 500 Mio. Euro, blieben sie im Unternehmen, tatsächlich im Sinne der Kritiker der Abgabe verwendet werden, so dass die nunmehr den dritten Winter anhaltenden (und im Sommer in gemilderter Form andauernd auftretenden) skandalösen Zustände beseitigt werden. Dem wirkt die vor Jahren festgezurrte und vom Eigentümer Bund unterstützte Strategie des Unternehmens Deutsche Bahn entgegen, die Gewinne zu großen Teilen zum Ausbau des internationalen Geschäfts zu verwenden und so zum multinationalen Player zu werden. Die dafür notwendigen Investitionsmittel werden vom Inlandsgeschäft der Deutschen Bahn abgezwackt. Es spricht vieles dafür, die Bahn nicht wieder vollständig unter staatliche Regie zu bringen, aber zumindest müssen die Anreize für die Manager so gesetzt werden, dass die jetzt vorliegende Misere beseitigt wird und zukünftig Fehlentwicklungen vermieden werden. Anfangen könnte man damit, für die Regulierung des Schienennetzes ein ordnungspolitisch sinnvolles Konzept zu entwickeln.

Frauenquote: Ursachenanalyse nötig

Von Oliver Stettes

Bundesarbeitsministerin und Familienministerin haben mit ihren Vorschlägen zur Einführung von Quoten, die den Frauen den Weg in Führungspositionen und oberste Leitungsgremien von Unternehmen ebnen sollen, große mediale Aufmerksamkeit erzeugt. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist der Umstand, dass es bisher nur wenige Frauen in den Vorstand oder Aufsichtsrat börsennotierter Unternehmen und Konzerne geschafft haben. Dieser Befund ist nicht anzuzweifeln. Es ist selbstverständlich wünschenswert, wenn Leitungspositionen nicht nur von Männern, sondern auch von hierfür qualifizierten und motivierten Frauen besetzt werden. Fragwürdig ist allerdings die den Vorschlägen zugrunde liegende Hypothese, dass in der Wirtschaft Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen aufgrund ihres Geschlechts sachgrundlos übergangen werden und daher bei dem Weg in das Spitzenmanagement irgendwann an eine gläserne Decke stoßen. Es wird nämlich versäumt, den Ursachen nachzugehen, warum es bisher nur verhältnismäßig wenige Frauen in die Spitzengremien der Unternehmen geschafft haben.

Das Versäumnis beginnt erstens bei der Qualifikationsdiskussion. Richtig ist, dass immer mehr Frauen höhere Schulabschlüsse erzielen und danach auch ein Hochschulstudium abschließen. Der alleinige Blick auf Abschlussniveaus verkennt aber, dass mit Studienfach- und anschließender Berufswahl häufig bereits die ersten Weichen gestellt werden, ob und wo sich jemand Chancen auf eine erfolgreiche Karriere als angestellte Führungskraft machen kann. Sie ist die Eintrittskarte für den Wettbewerb um Aufstiegspositionen auf den Karriereleitern unternehmensinterner Arbeitsmärkte. Wo zum Beispiel technische oder mathematische Kenntnisse vorausgesetzt werden, hilft eine Qualifikation zum Geisteswissenschaftler nicht weiter. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Frauen wählen jedoch weiterhin seltener als Männer Berufe und Studienfächer, die die besten Aussichten für Führungskarrieren in der privaten Wirtschaft, insbesondere in der Industrie, eröffnen.

Zweitens existiert in der Vereinbarkeitsfrage ein Missverständnis. Unternehmen richten ihre Personalpolitik mehr und mehr danach aus, dass die Beschäftigten Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren können, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist allerdings nicht zu verwechseln mit automatischer Gleichheit der Chancen auf einen beruflichen Aufstieg im Betrieb zwischen Mitarbeitern, die private und berufliche Ziele gleichrangig verfolgen, und jenen, die ihre privaten Wünsche beruflichen Zielen unterordnen. Wer zum Beispiel Teilzeit arbeitet, leistet ceteris paribus für den Betrieb weniger als eine vergleichbare Person, die ihre Arbeitskraft Vollzeit zur Verfügung stellt. Für gut funktionierende Teilzeit- oder Job-Sharing-Modelle selbst in Führungspositionen gibt es zwar Beispiele, ihre generelle Übertragbarkeit ist jedoch mit einem Fragezeichen zu versehen, zu sehr hängt ihr Erfolg im Einzelfall von den handelnden Personen und den konkreten Bedingungen im Unternehmen ab.

In diesem Zusammenhang wird häufig drittens die herrschende Anwesenheitskultur kritisiert. Diese Kritik übersieht allerdings, dass die gesamte Zeit, die einem Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, einen ökonomischen Wert hat. Wer länger im Betrieb verweilt oder dienstbereit ist, kann eher plötzlich auftretende Probleme lösen oder Anfragen bearbeiten – auch außerhalb der regulären Arbeitszeit. Spätestens beim Sprung auf die höchsten Stufen der Unternehmenshierarchie steht die Grundsatzentscheidung an, wie viel Zeit in die Arbeit investiert wird. Wer gleichzeitig Karriere machen und eine Familie gründen möchte, braucht dann einen Partner oder eine Partnerin, die oder der die Konzentration auf den Beruf ermöglicht, oder eine ausreichend ausgebaute Betreuungsinfrastruktur, die die Möglichkeit eröffnet, Vollzeit zu arbeiten.

Es wird schließlich interessant sein zu beobachten, wie eine Frauenquote aus Sicht des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu bewerten ist. So stellt sich die Frage, woran sich eine gesetzliche verordnete Quote oder eine Selbstverpflichtung zu deren Einführung eigentlich orientieren soll. Ist zum Beispiel der Anteil der Frauen in der Belegschaft, der Anteil der für Führungspositionen potenziell in Frage kommenden Frauen oder der Anteil der sich um Führungspositionen bewerbenden Frauen maßgeblich? Die Politik sollte lieber auf den unangemessenen Staatseingriff in die Personalpolitik der Unternehmen verzichten und sich stattdessen auf den Ausbau der Betreuungsinfrastruktur konzentrieren. Der demographische Wandel wird im Zusammenspiel mit einem geänderten Berufswahlverhalten Frauen ohnehin automatisch stärker in den Fokus der Betriebe rücken, wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht.

EU-Vertragsrecht: Rechtspraxis vereinheitlichen

Von Walter Doralt

Seit Jahrzehnten hat der Europäische Gesetzgeber durch punktuelle Eingriffe Veränderungen im nationalen Vertragsrecht erzwungen, meist mit dem Ziel des Verbraucherschutzes. Der Prozess wirkte oft unkoordiniert und hat die Wissenschaft auf den Plan gerufen, die sich immer intensiver eingebracht hat. In einem Grünbuch hat die Europäische Kommission nun eine Bandbreite verschiedener Konzepte zur Diskussion gestellt, von der bloßen Veröffentlichung bisheriger Ergebnisse bis hin zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch. Favorisiert wird die Idee eines optionalen europäischen Vertragsrechts. Vertragsparteien sollen es wählen können. Tun sie dies, soll es dem nationalen Recht (inklusive zwingendem Recht) vorgehen. Für die Europäisierung des Privatrechts wäre das ein Wendepunkt. Grundlage für die weiteren Schritte soll jedenfalls der sogenannte Draft Common Frame of Reference (DCFR, vorbereitet von der Acquis-Group und der Study Group on a European Civil Code) werden.

Gelingt die Einführung eines optionalen Europäischen Vertragsrechts, hätte die Kommission ein Hindernis für den Binnenmarkt beseitigt. Die europäischen Richtlinien geben in der Regel einen Mindeststandard für den Verbraucherschutz vor, der wie ein Torso die Grundlage bildet, auf der die Mitgliedstaaten nach Belieben aufbauen dürfen. Das ist vielfach geschehen, oft an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlichem Ausmaß. Die Rechtszersplitterung ist für die Praxis kaum zu überblicken. Ein grenzüberschreitend tätiges Unternehmen muss für Verträge mit Verbrauchern, je nach deren Wohnsitz, unterschiedliche Regelungen beachten. Das wird als Hürde empfunden und schreckt bisweilen vom grenzüberschreitenden Handel ab. Mögliche positive Wirkungen eines verstärkten Wettbewerbs werden damit nicht ausgeschöpft (durch höhere Preise und geringe Auswahlmöglichkeit trifft das auch Verbraucher). Deswegen wollte die Kommission zunächst mit einer Richtlinie ein einheitliches Niveau etablieren. Politisch war der Widerstand zu groß. Nun wurde ein sehr reduzierter Entwurf vom Rat akzeptiert. Stimmt das Parlament im März dieses Jahres zu, werden statt der ursprünglich geplanten Vollharmonisierung für die Bereiche vier bestehender Verbraucherschutzrichtlinien nur die Haustürwiderrufsrichtlinie und die Fernabsatzrichtlinie ersetzt. Das allgemeine Problem bleibt aber für alle anderen Bereiche bestehen. Ein optionales Vertragsrecht könnte eine Lösung sein. Den Vorteilen stehen Befürchtungen gegenüber, ein optionales Vertragsrecht würde den Verbraucherschutz schwächen. In einzelnen Ländern müsste punktuell ein aktuell hoher Verbraucherschutzstandard abgesenkt werden. Die Kommission hat sich deswegen bereits zu einem hohen Verbraucherschutzniveau bekannt.

Während die Frist für Stellungnahmen zum Grünbuch Ende Januar abgelaufen ist, arbeitet bereits seit Mai 2010 eine von der Kommission eingesetzte Expertengruppe mit Hochdruck an einem Entwurf. Aus dem wissenschaftlich heftig umstrittenen DCFR soll sie Regeln für ein optionales Vertragsrecht herausdestillieren.

Die Diskussion steht unter der (erheblichen) Einschränkung, dass der Entwurf für das optionale Vertragsrecht noch nicht vorliegt. Prinzipiell skeptisch dürften manche nationale Regierungen sein, weil die Sorge um die Bedeutung des nationalen Rechts besteht. Diese Sorgen sollten überwunden werden, falls der Entwurf insgesamt gelungen ausfällt. Ohnehin fraglich bliebe aber, ob die unmittelbar betroffenen – die Vertragsparteien – ein mit zahlreichen Unsicherheiten behaftetes Regelwerk annehmen würden.

Hartz IV: Kitas statt Bildungsgutscheine

Von Marius R. Busemeyer

Eines vorweg: Die Stoßrichtung des Vorschlags von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen – mehr in die Bildung von Kindern aus sozial schwachen Haushalten zu investieren – ist richtig. Die Bildungsforschung zeigt eindrücklich, dass in der heutigen Wissensgesellschaft individuelle Bildungsdefizite hohe soziale Kosten wie Arbeitslosigkeit, Armut oder gering qualifizierte Beschäftigung nach sich ziehen. Das deutsche, im Kern immer noch konservative Bildungsmodell zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass inhärente Bildungsdefizite von Kindern aus sozial schwachen Familien im Verlauf der Bildungskarriere tendenziell verstärkt, nicht abgebaut werden. Insofern ist eine Verbesserung der Bildungschancen dieser Kinder und Jugendlichen dringend geboten.

Ob das Modell der Bildungsgutscheine zum Erreichen dieses Ziels jedoch das effektivste und effizienteste Instrument ist, muss stark bezweifelt werden. Drei gewichtige Gründe sind in der seit einigen Monaten intensiv geführten Debatte immer wieder zu hören, die in unterschiedlichem Ausmaß plausibel erscheinen: Erstens ist die Höhe der Leistungen, die mit den Gutscheinen abgerufen werden können, bei weitem nicht ausreichend, um auf der individuellen Ebene einen nachhaltig positiven Effekt zu erzielen. Zweitens geht mit der Einführung der Gutschein-Lösung ein hoher bürokratischer Aufwand einher, der in keinem Verhältnis zur Höhe der Leistungen steht. Drittens beinhaltet das Instrument des Bildungsgutscheins einen impliziten Vorwurf an die Eltern der betreffenden Kinder, denen offensichtlich nicht zugetraut wird, sich selbst in ausreichender Weise um das Wohl ihrer Kinder zu kümmern.

Statt auf Bildungsgutscheine zu setzen sollte in die Infrastruktur des Bildungssystems investiert werden, vor allem im Bereich Ganztagsschulen und Kindertagesstätten, denn dies stellt eine effektivere und nachhaltigere Lösung dar. Konkrete Beispiele für notwendige und sinnvolle Investitionen gibt es viele. Durch den Ausbau individueller Förderungs- und Betreuungsmöglichkeiten können Bildungsdefizite früh erkannt und beseitigt werden. Statt diese individuell zu bezuschussen, könnten gesunde Mittagessen kostenfrei ausgegeben werden. Auch individueller Musikunterricht, der durch die Gutscheine gefördert werden soll, könnte als regulärer Bestandteil in den schulischen Stundenplan integriert werden. Ein Ausbau der Vernetzung zwischen lokalen Vereinen, die sich in der Jugendbildung engagieren, und regionalen Schulen würde die Etablierung der Schulen als umfassende Bildungszentren fördern. Sicherlich, die Umsetzung dieser Vorschläge erfordert mehr Steuergelder. Langfristig betrachtet erscheint ein konsequenter Ausbau der Bildungsinfrastruktur, nicht nur aus der Perspektive der sozialen Gerechtigkeit, dennoch als die nachhaltigere Lösung. Auf diese Weise kann die Entstehung von Bildungsdefiziten frühzeitig angegangen werden. Die langfristig entstehenden sozialen Kosten der Bildungsungleichheit werden so am effektivsten vermieden.


DOI: 10.1007/s10273-011-1186-x

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