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Der im März 2012 von 25 EU-Mitgliedstaaten unterzeichnete Fiskalvertrag gerät vor dem Hintergrund der europäischen Staatsschuldenkrise immer wieder in die Kritik. Im Kern handelt es sich bei dem Vertragswerk um eine Konkretisierung und Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, indem eine Untergrenze für das strukturelle Defizit festgelegt wird und Defizitverfahren bei Verstößen automatisiert eingeleitet werden. Ob die geschaffene Konstruktion jedoch auch vor dem Europäischen Gerichtshof Stand halten wird, ist offen.

Im Angesicht der Staatsschuldenkrise und der Notwendigkeit, eine Reihe von Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vor einer Staatsinsolvenz zu retten, ist seit 2010 der Ruf nach einer Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Europäischen Union deutlicher vernehmbar. Das proklamierte Ziel aller Bemühungen der Mitgliedstaaten ist seitdem, die öffentlichen Finanzen durch eine effektivere Steuerung der Wirtschaftspolitik dauerhaft, gesund und stabil zu verwalten. Mit der Absicht, die durch Verfahren bloßer Koordinierung zusammengehaltene Wirtschaftsunion enger mit der supranational strukturierten Währungsunion zu verflechten, haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mit der Umsetzung des Reformpakets „Economic Governance“ eine grundlegende Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) eingeleitet.1 Vertieft wurde die haushaltspolitische Integration zudem durch den im März 2012 unterzeichneten „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“, den sogenannten Fiskalvertrag. Im Folgenden sollen die Elemente des Fiskalvertrags im Hinblick auf ihre Funktionalität zur Stabilisierung der finanziellen Lage innerhalb der Eurozone analysiert werden.

Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion

Um das Reformpaket „Economic Governance“ zu unterstützen und die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) langfristig zu einer „fiskalpolitischen Stabilitätsunion“ auszubauen, haben die Staats- und Regierungschefs am 9.12.2011 die Architektur der WWU mit der Einigung auf einen „fiskalpolitischen Pakt“ um ein weiteres Element erweitert.2 Auf der Grundlage dieser Vereinbarung haben 25 EU-Mitgliedstaaten am 2.3.2012 den „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ (VSKS) unterzeichnet. Durch diesen zwischenstaatlichen Vertrag sollen die wirtschaftliche Konvergenz innerhalb der Eurozone und die finanzpolitische Disziplin der Mitgliedstaaten verbessert werden. Zudem ist vorgesehen, dass die bestehenden primär- und sekundärrechtlichen Regelungen des SWP verschärft und um weitere Maßnahmen ergänzt werden. Der Vertrag soll spätestens zum 1.1.2013 in Kraft treten oder bereits dann, wenn ihn zwölf Vertragsparteien ratifiziert haben (Art. 14 Abs. 2, 3 VSKS). Die Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wird an die vorherige Ratifizierung geknüpft.3 Die Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrags als Rechtsgrundlage wurde notwendig, nachdem Großbritannien und die Tschechische Republik bereits im Vorfeld der Aufnahme fiskalischer Regeln in das Unionsrecht im Rahmen einer Vertragsänderung eine Absage erteilt hatten. Da eine Änderung der Verträge nur einstimmig beschlossen werden kann, blieb den Mitgliedstaaten nur das Instrument des völkerrechtlichen Vertrags. Unabhängig davon soll der Fiskalvertrag jedoch innerhalb von „höchstens fünf Jahren“ (Art. 16 VSKS) in die Unionsverträge überführt werden.

Eckpunkte des Fiskalvertrags

Das Herzstück des Fiskalvertrags bilden die Art. 3 und 4, in denen Vorgaben für die Haushaltsführung der Mitgliedstaaten und zur Implementierung nationaler Schuldenbremsen formuliert werden, sowie Art. 8, der für die Vertragspartner ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) hinsichtlich der Einrichtung der Schuldenbremsen vorsieht.

Anforderungen an die innerstaatlichen Haushalte der Vertragsstaaten

Ausgangspunkt des „fiskalpolitischen Pakts“ ist der an die Entschließung des Europäischen Rates über den SWP vom 17.6.19964 angelegte Grundsatz, dass „der gesamtstaatliche Haushalt ausgeglichen [ist] oder einen Überschuss [aufweisen muss]“5. Die politische Entschließung wurde in Art. 2a der VO 1175/2011 erstmals rechtsverbindlich niedergelegt. Der VSKS greift die politische Verpflichtung der Entschließung ebenfalls auf, geht jedoch mit der Forderung nach einem ausgeglichenen Haushalt deutlich über die Formulierung der VO 1175/2011 hinaus, die noch auf einen „nahezu ausgeglichenen […] Haushalt“6 zielte.7 Das „Close to Balance or in Surplus“-Ziel gilt nach Art. 3 Abs. 1 lit. b VSKS als erreicht, „wenn der jährliche strukturelle Saldo des Gesamtstaats dem länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziel […] entspricht“. Das ist dann der Fall, wenn das jährliche strukturelle, um konjunkturelle Effekte und um einmalige und befristete Maßnahmen bereinigte Haushaltsdefizit den Grenzwert von 0,5% des nominalen BIP nicht überschreitet.

Diese Klausel des Vertrags stellt damit eine entscheidende Verschärfung und Konkretisierung des Defizitkriteriums von 3% dar. Dieser Referenzwert ist auf den Finanzierungssaldo des Staatssektors,8 unabhängig von dessen Volumen und Zusammensetzung, bezogen.9 Durch die Vorgabe einer messbaren „Untergrenze“ von 0,5% des BIP im Hinblick auf das strukturelle Defizit werden ausschließlich die Fehlbeträge erfasst, die einen dauerhaften Charakter haben und sich nicht im Laufe eines Konjunkturzyklus selbsttätig abbauen. Es handelt sich folgerichtig um den Teil des gesamtstaatlichen Defizits, der bei einer Normalauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten die dauerhaft akzeptable Neuverschuldung überschreitet.10 Indem das strukturelle Defizit nun auf 0,5% des BIP begrenzt wird, dürfte auch das gesamtstaatliche Defizit reduziert werden, da konjunkturelle Maßnahmen den Haushalt eines Mitgliedstaates wahrscheinlich nicht in Höhe von 2,5% des BIP belasten. Insofern wird durch den VSKS eine längst überfällige Konkretisierung des Begriffs des „übermäßigen öffentlichen Defizits“ vorgenommen.11

Eine Erhöhung des Grenzwerts ist in der Ausnahmevorschrift des Art. 3 Abs. 1 lit. d VSKS vorgesehen, der die Defizitgrenze auf 1% des BIP in den Fällen heraufsetzt, in denen das Verhältnis zwischen öffentlichem Schuldenstand und Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen erheblich unter 60% liegt und die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering sind. Damit wird die Spanne des in Art. 2a UA 2 VO 1175/2011 von den Mitgliedstaaten eingeforderten mittelfristigen Haushaltsziels („zwischen -1% des BIP und einem ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalt“) erheblich eingegrenzt.

Ergänzt wird die Schuldenregel durch Art. 4 VSKS, der Vertragsstaaten mit einer Staatsverschuldung von mehr als 60% des BIP ab 2014 zu einer jährlichen Reduzierung des Schuldenstands in Höhe von einem Zwanzigstel verpflichtet. Dadurch wird die bereits in Art. 2 Abs. 1a VO (EU) Nr. 1177/2011 enthaltene Vorgabe des beschleunigten Schuldenquotenabbaus12 zwar nicht weiter verschärft, jedoch die Bedeutung der Regelung durch die Überführung in den völkerrechtlichen VSKS noch einmal betont und sichtbar gemacht. Beide Werte, der im nationalen Recht umzusetzende Grenzwert von 0,5% für das strukturelle Defizit und die im SWP kodifizierte 1:20-Regel, werden als Schuldenbremsen interpretiert.13

Die Vertragsparteien stellen eine rasche Annäherung an ihr jeweiliges mittelfristiges Ziel sicher. Der zeitliche Rahmen für diese Annäherung wird von der Europäischen Kommission unter Berücksichtigung der länderspezifischen Risiken für die langfristige Tragfähigkeit vorgeschlagen.14 Die erzielten Fortschritte auf dem Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Ziel werden gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b S. 4 VSKS entsprechend dem Verfahren in Art. 5 VO 1175/2011 auf der Grundlage einer Gesamtbewertung durch die Kommission evaluiert.

Einrichtung eines nationalen Korrekturmechanismus

Sobald ein Mitgliedstaat vom mittelfristigen Ziel oder dem Anpassungspfad „erheblich“ abweicht, wird nach Art. 3 Abs. 1 lit. e VSKS „automatisch“ ein Korrekturmechanismus ausgelöst. Die Einführung und Anwendung dieses Instruments ist in Art. 3 Abs. 2 S. 1, 2 VSKS geregelt. Danach haben die Vertragsstaaten im innerstaatlichen Recht innerhalb eines Jahres nach In-Kraft-Treten des Vertrags durch Bestimmungen, die „verbindlicher und dauerhafter Art sind“, einen Korrekturmechanismus einzurichten. Die Verankerung erfolgt in Bestimmungen „vorzugsweise mit Verfassungsrang“ oder durch einfachgesetzliche Regelungen. Zwar kann die Befolgung der Haushaltsgrundsätze in Art. 3 Abs. 1 VSKS am ehesten durch Regelungen auf Verfassungsrang garantiert werden, doch konnte eine obligatorische Verankerung in den Verfassungen der Vertragsstaaten nicht durchgesetzt werden, da für eine Verfassungsänderung in einigen Vertragsstaaten (insbesondere in Irland) ein Referendum notwendig wäre, was wiederum eine rasche Ratifizierung des Vertrages unmöglich gemacht hätte. Insofern gehen die Vorgaben des VSKS nicht über die Vorgaben in Art. 5 ff. RL 2011/85/EU über die Einführung numerischer Haushaltsregeln hinaus. Eine Umsetzung der Haushaltsgrundsätze des Art. 3 Abs. 1 VSKS in Form eines einfachen Gesetzes wirft jedoch die Frage der „Haltbarkeit“ der Regelung auf, da eine in einem einfachen Gesetz geregelte Schuldenbremse jederzeit durch ein neues Budgetgesetz abgelöst werden könnte. Der Mechanismus stünde damit in den jeweiligen Vertragsstaaten auch weiterhin unter dem Primat der politischen Opportunität.

Bei der Einführung des Korrekturmechanismus auf nationaler Ebene haben sich die Vertragsparteien im Hinblick auf Art, Umfang und Zeitrahmen der Korrekturmaßnahmen sowie Rolle und Unabhängigkeit der für die Überwachung der Einhaltung der Haushaltsregeln zuständigen nationalen Institutionen an den von der Europäischen Kommission vorzuschlagenden gemeinsamen Grundsätzen zu orientieren.15 Hinsichtlich der Einrichtung einer nationalen Überwachungsinstitution hat die Kommission bereits am 23.11.2011 durch einen Verordnungsentwurf erste Konturen vorgegeben, die die gesamtstaatliche Haushaltsplanung und die Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gewährleisten sollen.16 Danach soll ein „unabhängiger Rat für Finanzpolitik“ eingesetzt werden, der gegenüber den nationalen Haushaltsbehörden eine „funktionelle Eigenständigkeit“ besitzt und „dessen Aufgabe es ist, die Umsetzung der nationalen Haushaltsregeln zu überwachen“.17 Der sich aufdrängenden Frage, inwieweit durch den Mechanismus das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente berührt wird, entgegnet Art. 3 Abs. 2 S. 3 VSKS, dass der Korrekturmechanismus „uneingeschränkt die Vorrechte der nationalen Parlamente“ wahrt.

Wird der Korrekturmechanismus automatisch ausgelöst18 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, innerhalb eines festgelegten Zeitraums geeignete Maßnahmen zur Korrektur der Abweichungen zu ergreifen. Der im Hinblick auf das automatische Auslösen des Korrekturmechanismus verwendete Terminus „erhebliche Abweichungen“ ist hinsichtlich seines Inhalts zunächst vage und unbestimmt, so dass der objektive Zeitpunkt der Ingangsetzung sich nicht sofort erschließt. Unter Berücksichtigung der bestehenden sekundärrechtlichen Vorschriften des SWP ist eine Abweichung vom mittelfristigen Haushaltsziel oder dem Anpassungspfad dann erheblich, wenn sie in einem Jahr 0,5% der Wirtschaftsleistung oder in zwei aufeinanderfolgenden Jahren im Durchschnitt 0,25% des BIP jährlich übersteigt.19 Werden diese Quoten überstiegen, wird der Korrekturmechanismus von einer für die Überwachung der Einhaltung der Haushaltsvorgaben zuständigen unabhängigen Institution automatisch ausgelöst.

Auswirkungen auf das Defizitverfahren

Neben einer Präzisierung des Defizitkriteriums soll auch dessen Einhaltung im Rahmen des Defizitverfahrens (Art. 126 AEUV) durch den VSKS wirksamer gewährleistet werden. Sobald die Kommission feststellt, dass ein Mitgliedstaat die 3%-Schwelle überschritten hat, erfolgen nach Maßgabe von Art. 7 VSKS automatisch Konsequenzen. Es sei denn, die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, unter Ausschluss des betreffenden Mitgliedstaats, sprechen sich mit qualifizierter Mehrheit dagegen aus. Bislang wurde an die Feststellung eines übermäßigen Defizits, und damit an die grundsätzliche Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens zur Vermeidung übermäßiger Defizite, stets eine qualifizierte Mehrheit im Rat geknüpft. Ein politstrategisches Abstimmungsverhalten in Form einer Blockade im Rat durch eine Sperrminorität konnte somit in der Vergangenheit nicht ausgeschlossen werden.20 Nunmehr verpflichten sich die Vertragsstaaten zur Unterstützung der Kommission bei der Einleitung eines Defizitverfahrens, ohne dabei die Abstimmungsregeln des Art. 126 AEUV anzutasten.21 Stattdessen vereinbaren die Vertragspartner in Art. 7 VSKS eine nicht justitiable freiwillige Beschränkung ihres Ermessensspielraums bei der Abstimmung über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits. Im Ergebnis wird damit das bereits durch das Reformpaket „Economic Governance“ für die Verhängung von Sanktionen eingeführte Verfahren der umgekehrten Abstimmung22 über die völkervertragliche Regelung auf die Eröffnung des Verfahrens ausgedehnt. Damit werden die Sanktionierung künftiger Verstöße gegen das Defizitkriterium erleichtert und das Verfahren verschärft, da trotz des eingeführten „Quasi-Automatismus“ bislang zunächst eine qualifizierte Mehrheit im Rat erreicht werden musste.

Kontrollmechanismen zur Sicherstellung der Einführung von Schuldenbremsen

Die Beurteilung hinsichtlich der Umsetzung der Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 VSKS im nationalen Recht ist in Art. 8 VSKS geregelt und obliegt der Europäischen Kommission. Nach Abs. 1 S. 1 wird die Kommission aufgefordert, einen Bericht vorzulegen, der die Umsetzung der Schuldenbremsen in den Mitgliedstaaten dokumentiert. Kommt die Kommission in ihrem Bericht zu dem Ergebnis, dass eine Vertragspartei den Vorgaben in Art. 3 Abs. 2 VSKS nicht nachgekommen ist, wird der Gerichtshof der Europäischen Union von einer oder mehreren Vertragsparteien mit der Angelegenheit befasst. Unabhängig von einem vorliegenden Befund der Kommission können die Vertragsstaaten nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 dem Europäischen Gerichtshof die Angelegenheit vorlegen, wenn eine andere Vertragspartei nicht die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 VSKS ergriffen hat. Das Klagerecht der Vertragsstaaten bezieht sich jedoch nur auf die Einrichtung der Schuldenbremse; der tatsächliche innerstaatliche Vollzug der Regel und die Befugnis vertragswidriges Verhalten zu sanktionieren, werden vom Klagerecht nicht erfasst.

Die Inanspruchnahme der Kommission in diesem Verfahren erfolgt im Wege einer sogenannten Organleihe. Die Zulässigkeit der Organleihe durch eine völkerrechtliche Übereinkunft der Mitgliedstaaten wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt.23 Durch dieses Instrument können funktionelle Teilbereiche des institutionellen Gefüges der Union auf eine nach dem Völkerrecht ausgestaltete zwischenstaatliche Kooperation übertragen werden, soweit das Primärrecht dies gestattet oder ein besonderer Vertrag aller Mitgliedstaaten dies vorsieht.24 Die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten steht derzeit aufgrund der ablehnenden Haltung Großbritanniens und der Tschechischen Republik noch aus. Es bleibt abzuwarten, ob die beiden Staaten der Organleihe nachträglich ihre Zustimmung erteilen. Gegenwärtig ist der VSKS daher aus unionsrechtlicher Perspektive unzulässig.

Auch die Einbindung des Gerichtshofs kann nicht ohne rechtliche Grundlage erfolgen. Da Art. 8 VSKS eine zwischenstaatliche Schiedsabrede nach Art. 273 AEUV darstellt,25 kann der Gerichtshof in Streitfragen über die Umsetzung der Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 VSKS angerufen werden. Das Instrument des Schiedsvertrages ermöglicht eine Zuständigkeitsübertragung auf den Gerichtshof durch einen zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Vertrag.26 Die Wirksamkeit des Schiedsvertrages ist abhängig von einem bestehenden Zusammenhang zwischen der vorgetragenen Streitigkeit und dem Unionsrecht.27 Dabei genügt ein objektiv bestimmbarer Bezug zwischen der Streitigkeit und den Zielen oder einem Tätigwerden der Union.28 Die Ziele müssen nicht in den Verträgen formuliert sein, sondern können auch aus seinen Protokollen oder aus sekundärem Unionsrecht hervorgehen.29 Vorliegend sollen durch den VSKS die „Erhaltung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets“ (dritte Erwägung der Präambel) sichergestellt, „die wirtschaftliche Säule der Wirtschafts- und Währungsunion“ (Art. 1) und die Haushaltsdisziplin durch die Vorgabe der Einhaltung eines ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalt (Art. 3) gestärkt werden. Versäumt ein Vertragsstaat die Vorgaben des VSKS umzusetzen, kann ein Zusammenhang aus Art. 3 Abs. 4 EUV („Die Union errichtet eine Wirtschafts- und Währungsunion“) hergeleitet werden.30

Der Kommission wird bei der Überwachung der Umsetzung der Schuldenregel kein Klagerecht zugestanden, da ein Schiedsvertrag lediglich Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten zum Gegenstand hat. Ohne die Einbindung der Kommission wäre das Klagerecht aufgrund der gegenseitigen politischen Rücksichtnahme der Vertragsstaaten jedoch lediglich ein zahnloser Tiger und die Erwägung „für gesunde und auf Dauer tragfähige öffentliche Finanzen [zu] sorgen und das Entstehen eines übermäßigen öffentlichen Defizits [zu] verhindern“31 tatsächlich nur ein politisches Bekenntnis.32

Um die Glaubwürdigkeit des Klagerechts zu stärken, wurde die Rolle der Kommission in einem in Art. 8 Abs. 1 VSKS in Verbindung mit dem Protokoll über die Unterzeichnung des VSKS (ProtVSKS) niedergelegten Verfahren, aus dem sich de facto ein „mittelbares“ Klagerecht der Kommission ergibt, gestärkt. Zunächst wird durch Art. 8 Abs. 1 S. 2 VSKS festgelegt, dass im Falle einer Verletzung der Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 VSKS der EuGH von einem oder mehreren Mitgliedstaaten angerufen „wird“. Die Norm begründet somit eine Rechtspflicht der Vertragsstaaten zur Einschaltung des Gerichtshofs. Der Ablauf des Verfahrens wird sodann im ProtVSKS konkretisiert. Nach Art. 1 ProtVSKS ist die Klageschrift innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung des Kommissionsberichts beim EuGH einzureichen. Als Kläger werden in Art. 2 ProtVSKS die Paktstaaten genannt, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Kommissionsberichts den Dreiervorsitz im Rat der Europäischen Union führen. Am Ende des an das Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258, 259 AEUV) angelegten Verfahrens ergeht ein Feststellungsurteil, das „für die Verfahrensbeteiligten verbindlich [ist]“ und diese zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen verpflichtet.33

Die zweite Stufe des Verfahrens ist in Art. 8 Abs. 2 VSKS geregelt und soll zur Anwendung kommen, wenn eine Vertragspartei nicht die „erforderlichen Maßnahmen“ ergriffen hat, um dem Feststellungsurteil des Gerichtshofs nachzukommen. Ergreift der säumige Vertragspartner die erforderlichen Maßnahmen nicht, kann die Sache dem Gerichtshof durch eine Vertragspartei erneut vorgelegt werden. In diesem Fall kann der Gerichtshof gemäß Art. 8 Abs. 2 VSKS nach erneuter Prüfung der Sachlage finanzielle Sanktionen analog der Regelung in Art. 260 AEUV verhängen. Werden Strafzahlungen gegen ein Mitglied des Euro-Währungsgebiets verhängt, sind diese an den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu entrichten.34 Da die zweite Stufe keinen verpflichtenden Charakter hat [„kann … befassen“], bekunden die Vertragsstaaten in Art. 6 ProtVSKS ihre Absicht, „von dem Verfahren in Art. 8 Abs. 2 VSKS in vollem Umfang Gebrauch zu machen, um den Gerichtshof unter Zugrundelegung [des Verfahrens nach Art. 8 Abs. 1 VSKS in Verbindung mit Art. 1 ProtVSKS] mit dem Fall zu befassen“. Die Formulierung in Art. 6 ProtVSKS stellt jedoch eher eine unverbindliche politische Absichtserklärung dar, als dass daraus eine rechtliche Verpflichtung hervorgehen könnte. Die sanktionsbewehrte Sicherstellung der Umsetzung der Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 VSKS durch den EuGH bleibt somit offen.35

Das Verhältnis des Fiskalvertrags zum Unionsrecht

Die Regelungen des VSKS lösen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus dem Unionsrecht nicht ab, sondern ergänzen die unionalen Mindestvorgaben für die Haushaltsführung durch eine Reihe von „Zusatzklauseln, haushaltsrechtlichen Grenzwerten und Verfahren“36. Das Unionsrecht bleibt somit unberührt. Vielmehr müssen die Bestimmungen des Fiskalpakts im Sinne von Art. 2 Abs. 1 VSKS unionsrechtskonform ausgelegt und angewendet werden. Dieser Grundsatz spiegelt sich in der vierten Erwägung der Präambel des VSKS wider, die auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Maastricht-Kriterien verweist, die in Form sogenannter Referenzwerte vertraglich festgeschrieben (Art. 126 Abs. 2 S. 2 AEUV) und in Art. 1 des Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit37 spezifiziert sind.

Der Fiskalpakt berücksichtigt die Kohärenzklausel, indem die vertraglichen Vorgaben an die nationale Haushaltspolitik und die sekundärrechtlichen Konkretisierungen des SWP als verpflichtende Grenzwerte bestehen bleiben. Deren Einhaltung wird in den Mitgliedstaaten durch den Pakt dauerhaft verschärft. Insofern tragen die fiskalpolitischen Vorgaben neben der Absicherung der haushaltspolitischen Regeln dem in Art. 3 Abs. 4 EUV formulierten Ziel der Errichtung einer WWU Rechnung. Die Zielvorgabe einer Wirtschaftsunion ist ähnlich wie das Binnenmarktziel nicht darauf ausgerichtet, abschließend erreicht zu werden; vielmehr muss es als ein fortlaufender Integrationsprozess verstanden werden. Hinter diesem Gedanken steht das Verfassungsmodell der Wirtschafts- und Währungsunion, das sich signifikant von der Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungspolitik auf nationaler Ebene unterscheidet. Lässt die Bezeichnung Wirtschafts- und Währungsunion zunächst eine Vergemeinschaftung der zwei Politikbereiche in gleichem Umfang vermuten, muss bei näherer Betrachtung der vertraglichen Ausgestaltung eine Kompetenzasymmetrie, die in den Mitgliedstaaten ihresgleichen sucht, konstatiert werden.38 Hier werden beide Elemente als eine Einheit behandelt und nehmen den gleichen Verfassungsrang ein.39 Die Ausgestaltung der Kompetenzen im Bereich der Wirtschafts- und Währungspolitik auf der Ebene der Europäischen Union divergieren dagegen zwischen einer dezentralen Grundstruktur im Rahmen der Wirtschaftspolitik und einer Zentralisierung auf dem Gebiet der Währungspolitik.40 Von der Verwirklichung einer WWU und damit der Errichtung einer Stabilitätsunion kann erst gesprochen werden, wenn neben die bereits bestehende, auf Preisstabilität ausgerichtete währungspolitische Flanke eine diese abstützende vergemeinschaftete Wirtschaftspolitik tritt.

Da die Mitgliedstaaten eine Stabilitätsunion daher nicht im Rahmen des Unionsrechts erreichen können, wird mit dem Fiskalvertrag eine völkervertragliche Koordinierung außerhalb der europäischen Verträge angestrebt.41 Das Unionsrecht steht dem Vorgehen der „europäischen Wirtschaftsregierung“ nicht entgegen; vielmehr steht es den Mitgliedstaaten frei, im Rahmen der ihnen verbliebenen Zuständigkeit völkerrechtliche Verträge zu schließen. Auch wenn auf Unionsebene eine konvergente Wirtschaftsentwicklung in den Mitgliedstaaten durch eine Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken sichergestellt werden soll, handelt die Union lediglich im Rahmen einer Koordinierungskompetenz. Die Zuständigkeit und Verantwortung für die Wirtschaftspolitik verbleibt jedoch bei den Mitgliedstaaten.42

Wirtschaftliche Bedeutung des Fiskalvertrags

Die nationale Wirtschaftspolitik kann nach In-Kraft-Treten des Fiskalpakts nur noch in dem durch den VSKS begrenzten fiskalpolitischen Handlungsspielraum verfolgt werden. Unter den gegenwärtigen konjunkturellen Rahmenbedingungen verfehlt der Fiskalpakt jedoch das anvisierte Ziel, „die Voraussetzungen für ein stärkeres Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union zu verbessern“43. Die Intention des Fiskalpakts, durch strengere Regeln die Haushaltsdisziplin in den Mitgliedstaaten zu stärken und künftige Krisen zu verhindern, kann während einer konjunkturellen Talfahrt nicht realisiert werden. Im Abschwung verschärfen die Regelungen des Fiskalpakts die rezessiven Tendenzen in den Krisenstaaten.

Ein Anschauungsbeispiel bietet die Entwicklung in Griechenland in den vergangenen 24 Monaten. Die dem Land mit der Bewilligung des Rettungspakets auferlegten Anpassungsmaßnahmen fokussieren auf eine kurzfristige Bereinigung des Zahlungsbilanzdefizits und verlieren hierüber das Ziel der langfristigen Sanierung des Staatshaushalts und der Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit aus dem Blick.44 Die einschneidenden auferlegten Maßnahmen im Bereich der nationalen Haushalts- und Fiskalpolitik45 (Erhöhung der Ertrags- und Verbrauchssteuer, Wegfall von Steuervergünstigungen, Kürzungen von Pensionen, Sonderzahlungen und öffentlichen Investitionen, Einsparungen im Gesundheitswesen und im Verteidigungshaushalt, Privatisierung von Vermögenswerten) streben einseitig eine unverzichtbare Gesundung der Staatsfinanzen an, ohne dabei den gleichermaßen unaufschiebbaren, allerdings langfristigen Maßnahmen des Aufbaus wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstrukturen, insbesondere durch die Entbürokratisierung der Staatsverwaltung und die Förderung eines freien Unternehmertums, ein gleiches Augenmerk zu widmen. Exzessive Anpassungsmaßnahmen im Rahmen einer Politik der Austerität können jedoch zu einer nachhaltigen Belastung des Wirtschaftswachstums bis hin zum völligen Stillstand der Volkswirtschaft führen. Die haushalterischen Konsolidierungsbemühungen würden damit konterkariert.46 Diese Spirale kann nur durch Maßnahmen durchbrochen werden, die das wirtschaftliche Wachstum anfachen.47

Angesichts dieser Zukunftsvision, die auch für andere südeuropäische Staaten sehr schnell zur Realität werden kann, muss der Fiskalpakt so konzipiert werden, dass er neben den notwendigen Einsparungen zugleich gezielt das Wirtschaftswachstum fördert. Zur Generierung von Wachstum schlägt die Europäische Kommission vor,48 Finanzmittel aus den Struktur- und Kohäsionsfonds der EU in Infrastrukturmaßnahmen in den Bereichen Verkehr, Energie und Umwelt, Innovation, digitale Netze, Tourismus, Kultur sowie in die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben zu lenken.49 Auch der neue französische Staatspräsident François Hollande forderte die Ergänzung des Fiskalpakts um eine Wachstumsinitiative. Solche Strukturreformen verlangen indes eine schlanke und effektive nationale Administration, hinter der ein „System rational diskutabler Gründe“ und „allgemein angebbare Prinzipien“ stehen.50 Auch dann greifen solche Investitionen aber allenfalls langfristig.

Zusammenfassung und Ausblick

Der VSKS stellt keine grundsätzliche Reform der gemeinsamen Regeln für die Gewährleistung von Haushaltsdisziplin und für die wirtschaftspolitische Koordinierung in der Eurozone dar. Die Regelungen begrenzen jedoch die Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten bei der Erfüllung der Vorgaben des SWP, indem verpflichtende Referenzwerte auf höchster nationaler Ebene festgeschrieben und Ermessensspielräume durch völkervertragliche Regelungen ausgeschlossen werden. Zudem wird das Defizitkriterium durch die Festlegung einer Untergrenze für das strukturelle Defizit konkretisiert und verschärft. Darüber hinaus wird die freiwillige Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten zur Unterstützung der Kommissionsvorschläge im Rahmen der Einleitung eines Defizitverfahrens eine Stärkung der Überwachung der mitgliedstaatlichen Haushaltspolitik nach sich ziehen. Ob die geschaffene Konstruktion juristisch tragfähig ist und einer eventuellen Klage vor dem EuGH standhalten könnte, bleibt abzuwarten.

Mit dem VSKS wird weder die asymmetrische Architektur der WWU aufgebrochen und der Weg in die Fiskalunion beschritten, noch eine Änderung der Verträge in einem absehbaren Zeitraum initiiert. Stattdessen bekräftigen die Paktstaaten die bereits bestehenden oder beabsichtigten sekundärrechtlichen Vorgaben und verpflichten sich zu einer verbindlichen und dauerhaften Umsetzung dieser Vorgaben innerhalb eines Jahres in den nationalen Rechtsordnungen. Durch die damit entstehende „Spiegelbildlichkeit der nationalen Rechtsordnungen“51 wird die in Art. 126 AEUV vorgesehene Haushaltsdisziplin gestärkt. Sowohl die materiellen Verschärfungen als auch die Modalitäten der Umsetzungen im nationalen Recht dienen damit der Absicherung einer auf Stabilität ausgerichteten Währungsunion. Zugleich enthält der Fiskalpakt aber auch eine politische Botschaft, die weit über den juristischen Wortlaut des Vertrages hinausgeht: Mit dem Fiskalpakt bekunden die Vertragsstaaten den politischen Willen zu einer Stabilitätspolitik in Europa. Doch trotz aller Sparbekundungen bedarf es zusätzlicher Wachstumsimpulse, mit denen die in vielen Ländern Europas existierende Rezession bekämpft werden kann.

Entscheidend für die Bewertung der Regelungen des VSKS wird letztendlich ihre Anwendung und Umsetzung in den nationalen Rechtsordnungen sein. Auch eine Verankerung der Schuldenbremsen auf Verfassungsebene stellt deren tatsächliche Anwendung noch nicht sicher. Für diesen Fall haben die anderen Paktstaaten außer der politischen Absichtserklärung im Fiskalvertrag keine Handhabe, um die Vorgaben der Schuldenbremse auch tatsächlich umzusetzen. Dennoch dürfte die Vereinbarung zu einem gesteigerten Rechtfertigungsdruck bei potenziellen Defizitsündern führen.

Auffällig ist, dass bei der Erarbeitung und Verabschiedung des Fiskalvertrags – wie schon bei Errichtung der EFSF und des ESM – nach der „Unionsmethode“52 verfahren wurde: Dabei handelt es sich um eine aus der Staatsschuldenkrise hervorgegangene, den fehlenden Institutionen und eigenständigen autonomen Verfahren zur Errichtung und Gestaltung einer Wirtschaftsunion geschuldete Erscheinung, die dem Europäischen Rat eine tragende Rolle zuweist und Elemente einer völkervertraglichen Koordinierung offenbart.53 Die Entscheidungsprozesse über die Errichtung und Durchführung der einzelnen Maßnahmen sind dabei nicht ausschließlich auf der supranationalen Ebene durch die im Europäischen Rat vereinten Staats- und Regierungschefs im Rahmen der Koordinierung der Wirtschaftspolitik zu verorten, sondern erfolgen parallel in völkerrechtlichen Verfahren außerhalb der europäischen Verträge.54 Durch das Zusammenspiel von europäischer und völkerrechtlicher Governance wird versucht, zunehmend Einfluss auf die Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten zu nehmen, ohne dabei formalrechtlich ihre grundsätzliche Zuständigkeit für die nationale Haushaltspolitik anzutasten oder für die Union mehr als eine nur koordinierende Zuständigkeit im Bereich der WWU zu reklamieren.55

Gleichwohl wird ein Paradigmenwechsel deutlich: Durch konkretisierende Richtwerte und Benchmarks, einen automatischen Korrekturmechanismus, die spiegelbildliche Verankerung auch der übrigen Elemente der zentralen Haushaltsvorschrift des Fiskalpakts (Art. 3 VSKS) in den nationalen Rechtsordnungen auch unterhalb der Verfassungsebene der 25 Paktstaaten sowie die Unterwerfung unter ein rigides makroökonomisches Anpassungsprogramm (EFSF und ESM) wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine „Stabilitätsgemeinschaft“ nicht durch die Verfahren und Instrumente der bisherigen Wirtschaftsunion verwirklicht werden kann. Denn die Zuständigkeiten in der Haushalts-, Sozial-, Arbeits- und Fiskalpolitik verbleiben bei den Mitgliedstaaten und könnten nur um den Preis des Verlustes ihrer staatlichen Souveränität in die Verantwortung der Union überführt werden. Governance ist damit das einzige Vehikel, um eine gemeinsame Währung im Euroraum stabilitätspolitisch verstetigen zu können, ohne andere Bereiche zentralisieren zu müssen. Die intergouvernementale Überbrückung der dadurch bestehenden wirtschaftspolitischen Kompetenzlücke darf jedoch nicht als ein dauerhafter Ausbruch der Mitgliedstaaten aus dem institutionellen Gefüge der Union verstanden werden. Vielmehr könnte sich die Unionsmethode als ein Vehikel erweisen, welches in einem schrittweisen Prozess, ähnlich dem Schengener Recht, eine Supranationalisierung zusätzlicher Kompetenzen und damit den Übergang zur Gemeinschaftsmethode bewirken könnte.

  • 1 Amtsblatt L 306/1 vom 23.11.2011.
  • 2 Erklärung der Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets vom 9.12.2011, Ziffer 1, 4 ff.
  • 3 25. Erwägung der Präambel des VSKS: „the granting of assistance in the framework of new programmes under the European Stability Mechanism will be conditional […] on the ratification of this Treaty“.
  • 4 Ziffer 1 der Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt, Amtsblatt C 1997/ 236, 1.
  • 5 Art. 3 Abs. 1 lit. a VSKS.
  • 6 Art. 2a VO 1175/2011.
  • 7 S. Pilz, H. Dittmann: Perspektiven des Stabilitäts- und Wachstumspakts, in: Zeitschrift für Europäische Studien, 15. Jg. (2012), H. 1, S. 60 ff.
  • 8 Art. 1 Abs. 3 VO 3605/93.
  • 9 W.-H. Roth: Der rechtliche Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion, in: Europarecht, Beiheft 1, 1994, S. 74.
  • 10 Vgl. Sachverständigenrat (SVR) zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 1994/1995, Rz. 179.
  • 11 Die Bedeutung des Konzepts des strukturellen Defizits wurde bereits 1994 im Jahresgutachten des SVR zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung betont, vgl. ebenda, Rz. 178 ff. Im Hinblick auf den weitgreifenden Begriff des übermäßigen Defizits vgl. U. Häde: in: C. Calliess, M. Ruffert: EUV/AEUV, 4. Aufl. (2011), Art. 126 AEUV, Rn. 11; H.-J. Blanke: Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion zwischen Krisenanfälligkeit und Reform, in: A. Scherzberg (Hrsg.): Zehn Jahre Staatswissenschaften in Erfurt, 2012, S. 70 ff., hier S. 96.
  • 12 S. Pilz, H. Dittmann, a.a.O., S. 63 ff.
  • 13 So auch H.-J. Blanke, a.a.O.
  • 14 Art. 3 Abs. 1 lit. b S. 2, 3 VSKS.
  • 15 Art. 3 Abs. 1 lit. b S. 2 VSKS.
  • 16 KOM (2011) 821 endg.
  • 17 Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, Art. 4 Abs. 2 VO-E KOM (2011) 821 endg.
  • 18 Art. 3 Abs. 1 lit. e VSKS.
  • 19 Vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. a, Art. 10 Abs. 3 lit. a VO (EU) Nr. 1175/2011; sowie S. Pilz, H. Dittmann, a.a.O., S. 61.
  • 20 Vgl. dazu S. Pilz, H. Dittmann: Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt – Quo vadis?, in: Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, 2011, S. 149 ff.
  • 21 So auch C. Calliess, C. Schoenfleisch: Auf dem Weg in die europäische „Fiskalunion“? – Europa- und verfassungsrechtliche Fragen einer Reform der Wirtschafts- und Währungsunion im Kontext des Fiskalvertrages, in: JuristenZeitung, 67. Jg. (2012), S. 482 f., die sich für eine Interpretation des Art. 7 VSKS im Einklang mit den Verfahrensschritten des Defizitverfahrens aussprechen.
  • 22 Vgl. Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2 VO 1173/2011; außerdem S. Pilz, H. Dittmann, a.a.O., S. 61.
  • 23 EuGH, Rs. C-316/91, Slg. 1994 I-625 Rz. 41 – Parlament/Rat im Anschluss an EuGH, Rs. C-181 & 248/91, Slg. 1993 I-3685 Rz. 20 – Parlament/Rat und Kommission.
  • 24 D. Thym: Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, Baden-Baden 2004, S. 317.
  • 25 Art. 8 Abs. 3 VSKS; dritte Erwägung der Präambel des VSKS.
  • 26 W. Cremer, in: C. Calliess, M. Ruffert: EUV/AEUV, 4. Aufl. (2011), Art. 273AEUV, Rn. 2.
  • 27 U. Karpenstein, in: E. Grabitz, M. Hilf, M. Nettesheim: EUV/AEUV, 2011, Art 273, Rn1.
  • 28 D. Borchardt, in: C.-O. Lenz, D. Borchardt: EU-Verträge, 5. Aufl. (2010), Art. 273 Rn 4.
  • 29 U. Karpenstein, a.a.O., Art. 273 Rn. 11.
  • 30 A. A. H. Kube: Rechtsfragen der völkervertraglichen Euro-Rettung, Wertpapier-Mitteilungen, 66. Jg. (2012), H. 6, S. 251, der das Vorliegen eines Zusammenhangs verneint, da die Verpflichtungen der Paktstaaten „aus einem anderweitigen völkerrechtlichen Vertrag“ entstehen und keine unionsvertraglichen Pflichten sind (Errichtung Korrekturmechanismus).
  • 31 Dritte Erwägung der Präambel des VSKS.
  • 32 A. Guckelberger: Grundgesetz und Europa, in: Zeitschrift für europarechtliche Studien, 2012, S. 50.
  • 33 Art. 8 Abs. 1 S. 4 VSKS.
  • 34 Art. 8 Abs. 2 S. 3 VSKS.
  • 35 C. Calliess, C. Schoenfleisch, a.a.O., S. 483 f.
  • 36 H.-J. Blanke, a.a.O., S. 95.
  • 37 Schlussakte des Vertrages über die Europäische Union, II Nr. 5, BGBl II 1992, 1309.
  • 38 D. Blumenwitz, B. Schöbener: Stabilitätspakt für Europa: Die Sicherstellung mitgliedstaatlicher Haushaltsdisziplin im Europa- und Völkerrecht, Frankfurt a.M. 1997, S. 68 ff.
  • 39 M. Seidel: Konstitutionelle Schwächen der Währungsunion, in: Europarecht (EuR), 2000, S. 861 (S. 867).
  • 40 Derselbe: Rechtliche Aspekte der Entscheidungsverfahren in der WWU, in: R. Caesar, H.-E. Scharrer (Hrsg.): Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Regionale und globale Herausforderungen, Bonn 1998, S. 373 (S. 374).
  • 41 K. Herzmann: Europäische Währungsstabilität über Bande gespielt, ZJS 2012, 168 ff. bezeichnet diesen Versuch passend als ein Spiel „über Bande“.
  • 42 C. Calliess, C. Schoenfleisch, a.a.O., S. 481.
  • 43 Zweite Erwägung der Präambel des VSKS.
  • 44 So auch P. Decker: Entwicklungspfade auslandsfinanzierter Schuldenstaaten – die Beispiele Griechenland und Irland, in: T. Beichelt, N. v. Ondarza, G. Verheugen (Hrsg.): Die EU auf dem Weg zur Wirtschaftsregierung, in: MES-Perspektiven, Nr. 1, 2011, S. 30.
  • 45 Beschluss des Rates vom 8.6.2010 (2010/320/EU), Amtsblatt 2010 Nr. L145/6 geändert durch den Beschluss des Rates vom 12.7.2011 (2011/734/EU) gerichtet an Griechenland zwecks Ausweitung und Intensivierung der haushaltspolitischen Überwachung und zur Inverzugsetzung Griechenlands mit der Maßgabe, die zur Beendigung des übermäßigen Defizits als notwendig erachteten Maßnahmen zu treffen, Amtsblatt 2011 Nr. L 296/38.
  • 46 Das Beispiel der gegenwärtigen Rezession in Griechenland verdeutlicht die Folgen einer strengen Austeritätspolitik. Zu den Gefahren der Sparpolitik vgl. S. Pilz, H. Dittmann: Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion am Scheideweg, in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), 2011, S. 444 f.
  • 47 So auch A. Belke, C. Dreger: Das zweite Rettungspaket für Griechenland, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 9, S. 605 ff.
  • 48 European Commissioner for Regional Policy, J. Hahn proposes action plan for improved EU structural fund investments in Greece, MEMO/11/625 vom 21.9.2011.
  • 49 Zur Bewertung möglicher Sanierungsstrategien vgl. N. Heinen: Namensgeber nicht Blaupause: Ein Marshall Plan für Griechenland, DB-Research, Aktueller Kommentar vom 19.7.2011, http://www.dbresearch.de/servlet/reweb2.ReWEB?addmenu=false&document=PROD0000000000275930&rdShowArchivedDocus=true&rwnode=DBR_INTERNET_DE-PROD$STAEDTE&rwobj=ReDisplay.Start.Class&rwsite=DBR_INTERNET_DE-PROD; A. Belke, C. Dreger, a.a.O.
  • 50 Vgl. M. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1972, S. 125.
  • 51 H.-J. Blanke, a.a.O., S. 100.
  • 52 Erstmalig eingeführt wurde der Begriff am 2.11.2010 von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Eröffnung des 61. Akademischen Jahres des Europakollegs Brügge, http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2010/11/2010-11-02-merkel-bruegge.html.
  • 53 Zum Übergang von der „Gemeinschaftsmethode“ zur „Unionsmethode“ bei den Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro vgl. C. Calliess: Finanzkrisen als Herausforderung der internationalen, europäischen und nationalen Rechtsetzung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 2012, S. 158 ff. Kritisch F. Schorkopf: Finanzkrisen als Herausforderung der internationalen, europäischen und nationalen Rechtsetzung, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 2012, S. 210 f.
  • 54 Zur parallelen Anwendung von supranationalem Recht und Völkerrecht durch die EU vgl. C. Calliess: Der Kampf um den Euro: Eine „Angelegenheit der Europäischen Union“ zwischen Regierung, Parlament und Volk, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 2012, S. 1 ff.
  • 55 Vgl. den Titel des Fiskalpakts, der schon wegen der angestrebten Vereinbarkeit mit dem Primärrecht der Union (Art. 121 AEUV) an der Chiffre der „Koordination“ festhält.

Title:A Fiscal Pact as a Bridge to a Stability Union?

Abstract:For more than two years, the global financial and economic crisis has put the European Union to one of its hardest tests. Until now, no end is foreseeable. In 2011, the Union initiated the implementation of the reform package „Economic Governance”. A deepening of budgetary integration was carried out in March 2012 with the signing of the „Treaty on Stability, Coordination and Governance in the Economic and Monetary Union”, the so-called fiscal compact. This contribution deals with the scope of the budgetary regulatory
capacity of the new instruments and analyses their interaction.


DOI: 10.1007/s10273-012-1404-1

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