Mütterrente: Aus Steuermitteln finanzieren
In den Koalitionsverhandlungen ist geplant, Kindererziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, künftig bei der Rentenberechnung mit zwei statt bisher mit einem Entgeltpunkt zu bewerten. Derzeit übersetzt sich der zusätzliche Entgeltpunkt in eine monatlich höhere Rente von 28,14 Euro im Westen und 25,74 Euro im Osten. Die Mehrkosten solch einer rentenrechtlichen Höherbewertung von Kindererziehungszeiten werden von der Deutschen Rentenversicherung mit ca. 6,5 Mrd. Euro pro Jahr beziffert; dies entspricht einem Anstieg der Ausgaben der Rentenversicherung um ca. 3%. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass diese zusätzliche Belastung in den kommenden Jahren zunächst nicht sinken wird, da davon auszugehen ist, dass die Kinder fast aller Frauen, die neu in die Rente eintreten, noch vor 1992 geboren sind.
Aktuell wird diskutiert, dass diese Mehrausgaben für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung nicht mehr aus Steuermitteln finanziert werden sollen, sondern durch ein Abschmelzen der Nachhaltigkeitsrücklage. Dieser Vorschlag verwundert doch sehr, da bisher das Prinzip galt, dass die Honorierung von Kindererziehungszeiten durch die Allgemeinheit gewollt und entsprechend auch aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren ist. Schließlich handelt es sich bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten um versicherungsfremde Leistungen, sodass nicht nachzuvollziehen ist, warum diese durch Beiträge der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten finanziert werden sollten. Ferner kommt das Bedienen dieser zusätzlichen Ansprüche aus Beitragsmitteln einer Umverteilung von Jung zu Alt bzw. von Beitragszahlern zu Beitragsempfängern gleich, während bei einer Finanzierung aus Steuermitteln alle Personengruppen entsprechend ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit beteiligt wären.
Aufgrund der aktuell prall gefüllten Nachhaltigkeitsrücklage könnte der Beitragssatz im kommenden Jahr gesenkt werden. Wie sich rechnerisch leicht zeigen lässt, würde die Nachhaltigkeitsrücklage bei sonst unveränderten Einnahmen und Ausgaben über einen Zeitraum von vier Jahren vollständig durch die Mehrbelastung der Mütterrente aufgebraucht. Sollte der Beitragssatz – wie eigentlich vorgesehen – nächstes Jahr gesenkt werden, verkürzt sich diese Spanne zusätzlich. Doch auch bei unverändertem Beitragssatz und ohne die erhöhte Mütterrente ist nicht davon auszugehen, dass die Nachhaltigkeitsrücklage weiter ansteigt. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung befindet sich derzeit auf einem Rekordniveau, und eine weitere Steigerung ist schon allein aufgrund der demografischen Entwicklung eher unwahrscheinlich. Auch die Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten durch den Bund werden ohne Gesetzesänderung nicht überproportional steigen, da diese nur vom Beitragssatz, der Kinderzahl und der Lohnentwicklung abhängen. Somit müssen die Beitragszahler kurzfristig auf eine Senkung des Beitragssatzes verzichten und in der mittleren Frist gar mit schnelleren Anhebungen rechnen.
Unabhängig von der Finanzierung ist die Frage, worauf die Höherbewertung der Kindererziehungszeiten abzielt. Anreize für eine höhere Fertilität können dadurch nicht geschaffen werden. Auch als Maßnahme gegen Altersarmut erscheint die Höherbewertung ungeeignet, da gerade die heutigen und baldigen Rentner besser gestellt werden. Auch wenn das Altersarmutsrisiko zukünftig ansteigen wird, ist die aktuelle Rentnergeneration hiervon fast gar nicht betroffen. Sollen Kindererziehungszeiten von Kindern vor und nach 1992 gleich behandelt werden, bleibt unverständlich, warum nicht auch beides aus Steuermitteln finanziert werden sollte. Letztlich kann eine solche Maßnahme nur als Wahlgeschenk für ältere Mütter gewertet werden, bei dem jegliches Gefühl für steuersystematische Zusammenhänge verloren ging.
Immobilienmarkt: Keine Preisblase
Forscher der Deutschen Bundesbank haben jüngst die Diskussion um eine mögliche Immobilienpreisblase noch einmal belebt. Sie zeigen basierend auf einem ökonometrischen Ansatz, dass die Wohnungspreise in den deutschen Großstädten gemessen an den fundamentalen Faktoren – z.B. der Einkommensentwicklung, der Mietentwicklung und der Demografie – um 10% bis 20% überbewertet sind. Dies wurde vor allem von der Wirtschaftspresse so aufgefasst, als wenn eine erhebliche Korrektur droht, obwohl die Bundesbank selbst es wesentlich vorsichtiger formuliert. Grundsätzlich sollten sich Immobilienpreise durch ihre werttreibenden Faktoren erklären lassen. Ist dies nicht der Fall, kann der Preisanstieg möglicherweise auf exzessiver Spekulation fußen, also auf der Hoffnung auf weiter steigende Preise. Der Modellansatz der Bundesbank ist durchaus geeignet, die Bewertung der Immobilienpreise zu überprüfen, allerdings sind auch die Grenzen dieses Ansatzes zu berücksichtigen.
Erstens hat die Bundesbank bewusst die Zinsentwicklung ausgeklammert und die Bewertung so vorgenommen, als wenn sich die Zinsen nicht geändert hätten. Dies ist eine sehr vorsichtige Herangehensweise, die implizit unterstellt, dass die Marktteilnehmer unabhängig von der Zinsentwicklung agieren und es daher auch im Fall eines plötzlichen Zinsschocks zu keinen Preisanpassungen kommt. Tatsächlich ist es für Investoren aber rational, bei ihrer Zahlungsbereitschaft für Immobilien die niedrigeren Zinsen zu berücksichtigen. Schließlich konkurrieren Immobilien mit anderen Anlagen, wie etwa Staatspapieren und Unternehmensanleihen. Zudem ist derzeit mit keinem überraschend starken Anstieg der Zinsen zu rechnen, sondern eher mit einer langfristigen graduellen Erhöhung. Eine solche Entwicklung würde zu keinen Preisrückgängen führen, sondern eher zu langsameren Preissteigerungen.
Zweitens kann hinterfragt werden, ob der Vergleich der Entwicklungen zwischen Großstädten und kleineren Städten und Landkreisen angemessen ist. Seit einigen Jahren ist festzustellen, dass immer mehr Menschen in den Großstädten leben wollen, zum einen natürlich aufgrund der messbaren verbesserten Beschäftigungs- und Einkommenschancen, zum anderen aber auch aufgrund der zunehmenden Wertschätzung für kurze Wege, bessere Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten und eine bessere Gesundheitsvorsorge. Dies zeigt sich auch daran, dass insbesondere jüngere Senioren in den Großstädten Immobilien kaufen. Solche Präferenzänderungen führen zu einer höheren Zahlungsbereitschaft und schlagen sich damit auch in deutlicheren Preissteigerungen nieder, die durch die bisher genannten Variablen nicht erfasst werden.
Drittens schließlich werden spekulative Blasen vor allem durch überschwänglichen Optimismus ausgelöst, wie der Nobelpreisträger Robert Shiller immer wieder herausstellt. In Erwartung weiter steigender Preise werden Immobilien kreditfinanziert gekauft, um sie nach kurzer Zeit mit Gewinn wieder zu verkaufen. Entsprechend wird von steigenden Wiederverkaufsraten und Kreditvolumina ausgegangen. Insgesamt, aber auch in den Großstädten, geht die Zahl der Kaufangebote jedoch zurück und es wird zu einem wesentlichen Teil mit Eigenkapital finanziert, teilweise sogar zu 100%. Entsprechend ist der Kreditbestand für Wohnungskäufe trotz steigender Preise und niedriger Zinsen kaum gewachsen. Tatsächlich ist davon auszugehen, das die Mehrzahl der Investoren eher langfristig investiert, vor allem um sich gegenüber einer möglichen Inflation zu schützen. Vor diesem Hintergrund ist ein Preisverfall auch in den Großstädten sehr unwahrscheinlich. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Nach Daten von Immobilienscout24 ist die Zahl der Angebote in Berlin steigend, gleichzeitig sind dort immer mehr ausländische Investoren tätig. Dies könnte für steigende Wiederverkäufe und kürzere Investitionspläne sprechen. Angesichts des geringen Ausgangsniveaus der Preissteigerungen scheint aber auch in Berlin ein plötzlicher Preissturz kaum möglich.
Gewerbesteuer: Hohe Einnahmen – Reform obsolet?
Derzeit ist die kommunale Gewerbesteuer wieder auf Wachstumskurs. Im Jahr 2012 hat sie mit 42,3 Mrd. Euro den bisherigen Spitzenwert von 2008 (41,1 Mrd. Euro) übertroffen und damit ein neues Allzeithoch erreicht. Entsprechend ist die Gewerbesteuerreform politisch derzeit nicht auf der Agenda. Eine kräftig fließende Gewerbesteuer lässt ihre seit Jahren beklagten Mängel vergessen (z.B. hohe Volatilität, ungleiche Belastung der Unternehmen, starke Aufkommensdisparitäten zwischen den Kommunen). Dies wird sich aber wieder ändern, wenn die Gewerbesteuereinnahmen stark rückläufig sind. Daher ist jetzt die Zeit, jenseits von Reformkommissionen und politischen Aufgeregtheiten nachzudenken, warum die Gewerbesteuerreform seit Jahrzehnten nicht gelingt.
Ein zentraler Grund liegt in der nicht entschiedenen Frage nach dem lokalen Besteuerungsprinzip: Haben die Unternehmen und Gewerbetreibenden ihre Steuern an die Kommunen nach dem Äquivalenzprinzip oder nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu leisten? Soll die Wirtschaft wie in einem marktwirtschaftlichen System üblich, ihren Finanzierungsbeitrag zur kommunalen Infrastruktur ungeachtet ihrer Ertragslage zahlen? Oder muss sie nur zahlen, wenn ihre Ertragslage gut ist?
Ungeachtet aller Besonderheiten im Detail stehen sich zwei Reformkonzepte gegenüber. Die Verfechter des Leistungsfähigkeitsprinzips (z.B. Stiftung Marktwirtschaft) wollen die Gewerbesteuer durch eine ertragsorientierte Komponente, die bei Kapitalgesellschaften auf der Körperschaftsteuer und bei Personengesellschaften auf der Einkommensteuer aufsetzt, ersetzen. Zuletzt hat sich auch Bundesfinanzminister Schäuble für eine Abschaffung der Gewerbesteuer zugunsten eines Hebesatzrechtes auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer stark gemacht. Dem stehen äquivalenzorientierte Modelle gegenüber, die die Gewerbesteuer durch eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage und den Kreis der Steuerpflichtigen hin zu einer breit angelegten kommunalen Wirtschaftssteuer mit moderaten Steuersätzen (wertschöpfungsorientierte Modelle, z.B. Bertelsmann Stiftung) ausbauen wollen. Damit würde dem Prinzip der Gruppenäquivalenz bei der kommunalen Wirtschaftsbesteuerung eine Priorität vor dem Leistungsfähigkeitsprinzip eingeräumt. Die Betonung des Leistungsfähigkeitsprinzips käme aus dieser Perspektive einer Subventionierung von ökonomisch weniger erfolgreichen Unternehmen gleich: Wer keine Gewinne erzielt, der müsste keine Wirtschaftssteuer zahlen, könnte aber weiter die Infrastruktur als Produktionsvorleistung in Anspruch nehmen. Die Gemeinden und Gemeindeverbände haben jedoch die Aufgabe, lokale Güter und Dienstleistungen kontinuierlich für die lokalen Nutzer bereitzustellen. Eine sozial- bzw. gesellschaftspolitisch motivierte Umverteilung von Einkommen nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip ist dagegen Aufgabe der zentralen Ebene.
Dies führt zu einem Gedanken, der auf der Seite der steuerzahlenden Unternehmen – zumindest ihrer Verbände – in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Wenn man davon ausgeht, dass die Unternehmen einen Beitrag zur Finanzierung kommunaler Infrastrukturen leisten sollen, dann ist es auch in ihrem originären Interesse, dass sie diesen Beitrag möglichst direkt „vor Ort“ an ihre Gemeinde zahlen. Je stärker dies über eine zuweisungsähnliche Steuerbeteiligung erfolgt bzw. je enger die Bemessungsgrundlage eines Zuschlages zur Körperschaftsteuer ist, desto schwächer wird das Band zwischen der örtlichen Wirtschaft und ihrer Kommune. Die Vorschläge der Wirtschaft würden somit dazu führen, dass ihre Stimme in den Kommunen an Gewicht verlieren würde. Das wäre weder für die Unternehmen, noch für die Kommunen von Vorteil. Dies sollte bei der nächsten Gemeindefinanzreformkommission, wann immer sie einberufen wird, bedacht werden.
US-Haushaltsstreit: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Am 1. Oktober 2013 trat das ein, was es seit 1996 nicht mehr in Washington gegeben hatte: Die US-Regierung schaffte es nicht, einen Haushalt für das Fiskaljahr 2014 zu verabschieden oder zumindest eine Übergangsfinanzierung zu sichern, und es kam zum „government shutdown“. Rund 800 000 Staatsbedienstete wurden in den Zwangsurlaub geschickt; Nationalparks, staatliche Zoos und Museen blieben geschlossen. Die Republikaner – allen voran die Mitglieder der konservativen Tea-Party-Bewegung – hatten versucht, mit dem Haushaltsgesetz das Inkrafttreten der Gesundheitsreform („Obamacare“) zum 1. Oktober in letzter Minute zu verhindern – doch die Demokraten ließen sich nicht erpressen und nahmen lieber in Kauf, dass die Regierungstätigkeit eingestellt wird, als eines der wichtigsten Projekte der Obama-Administration zu kippen. Die Situation war besonders brenzlig, da den USA überdies die Zahlungsunfähigkeit drohte. Ab Mitte Oktober hätte das US-Finanzministerium keine Gehälter, Pensionen, weitere Rechnungen und auch keine Zinsen auf den nationalen Schuldenberg mehr zahlen können, hätte der Kongress nicht die gesetzliche Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen US-$ angehoben oder ausgesetzt. Dies hätte die US-Wirtschaft in eine Rezession gestürzt, deren Auswirkungen auch die Weltwirtschaft deutlich gespürt hätte. Eine Einigung über die Schuldenobergrenze und den Haushalt wurde schließlich in letzter Minute am 16. Oktober erzielt, wenige Stunden bevor das Land tatsächlich bankrott gewesen wäre.
Die Regierung kann nun bis zum 7. Februar 2014 neue Kredite aufnehmen – bis dahin ist das Schuldenlimit ausgesetzt – dann muss die Grenze angehoben werden. Bis Mitte Januar werden die Ausgaben durch einen Übergangshaushalt finanziert. Bis dann soll ein langfristiger Haushaltsplan aufgestellt werden – ein überparteilicher Sonderausschuss („Budget Conference Committee“) soll dazu bis zum 13. Dezember eine langfristige Lösung im Kongress vorlegen. Jedoch stehen die Chancen dafür nach wie vor nicht besonders gut: Republikaner lehnen weiterhin jegliche Steuererhöhungen ab, während Demokraten Programme wie Medicare und Medicaid nicht antasten wollen. Die Fronten scheinen sich kaum gelockert zu haben; eine glaubwürdige Strategie zur Konsolidierung des Staatshaushaltes ist nicht in Sicht.
Die Märkte zeigen sich derweil unbeeindruckt. Die Börsen haben schon zu viele Beinahe-Krisen in den USA gesehen, die in letzter Minute abgewendet wurden. Die Kurse schossen bereits am 16. Oktober wieder in die Höhe, als klar war, dass der Kongress eine Einigung erreicht hatte. Der Dow-Jones-Index, der S&P-500-Index sowie der Nasdaq 100 legten deutlich zu. Ein wichtiger Grund für die gute Stimmung an den Börsen ist zudem die Ankündigung der Fed, ihre expansive Geldpolitik weiter fortzuführen. Die meisten Analysten rechnen damit, dass die Fed frühestens im März 2014 damit beginnen wird, weniger Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Am 15. Oktober hatte die Ratingagentur Fitch zwar gewarnt, dass sie die Kreditwürdigkeit der USA auch im Falle einer Erhöhung der Schuldenobergrenze in den folgenden Tagen herabstufen könnte, wollte aber bis zum 1. Quartal 2014 abwarten. Herabgestuft wurden die USA zumindest jetzt noch nicht. Aus Sicht der Handelspartner ist es sicherlich nicht wünschenswert, dass die Märkte stärker auf die politischen Eskapaden in den USA reagieren, denn dies hätte unmittelbar negative Folgen für die gesamte Weltwirtschaft. Washington könnte hingegen gut einen solchen Schuss vor den Bug gebrauchen, wie selbst Kongressabgeordnete öffentlich äußerten. Denn so ist der Kongress wieder einmal vergleichsweise ungeschoren davon gekommen. Bleibt nur zu hoffen, dass die politischen Lehren aus der Krise dennoch groß genug sind, dass sich der Sonderausschuss zügig auf einen Haushaltskompromiss einigt und so der Weg frei wird, endlich auch andere drängende Herausforderungen wie die Einwanderungsreform oder auch die Defizite im Bildungssystem und der Infrastruktur des Landes anzugehen. Wie die Amerikaner allerdings sagen würden: „Don’t hold your breath“.