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Lebenslanges Lernen bzw. Weiterbildung ist heute wichtiger denn je, „um dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Wandel gewachsen zu sein“1. Aufgrund von demographischen Veränderungen, der Erhöhung des Renteneintrittsalters auf derzeit 67 Jahre und des prognostizierten Fachkräftemangels werden die Menschen länger als bisher im Erwerbsleben verweilen (müssen).2 Aber nicht nur diese strukturellen Gründe, sondern auch die immer weiter steigenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt und die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien machen es notwendig, mit Hilfe von Weiterbildung die individuelle Beschäftigungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.3

Die eine Ausbildung, die für das gesamte Erwerbsleben vorbereitet, gibt es in der traditionellen Form heute nicht mehr. Notwendig ist stattdessen die stetige Erweiterung des Wissens und der Fähigkeiten, um weiterhin im Beruf mithalten zu können. Die Ausbildung, die am Beginn des beruflichen Lebens steht, stellt sozusagen eine Basis dar, auf der im Lebensverlauf aufgebaut werden muss und die eine immerwährende Erweiterung erfordert. Aber nicht nur der individuelle Nutzen, sondern auch der Nutzen für die Wirtschaft muss berücksichtigt werden. So profitieren auch Unternehmen und damit auch die Gesellschaft von gut aus- und weitergebildeten Fachkräften. Aus diesen und weiteren Gründen wird Weiterbildung eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung zugeschrieben.4 Der Bedeutungszuwachs von Weiterbildung zeigt sich zudem an den Teilnahmequoten. So nahmen nach dem Adult Education Survey (AES; bis 2007 BSW: Berichtssystem Weiterbildung) im Jahr 1991 im gesamten Bundesgebiet noch 37% der Befragten an Weiterbildungen teil, wohingegen im Jahr 2012 die Quote auf 49% anstieg.5

Das Nationale Bildungspanel

Um Fragen rund um das Weiterbildungsverhalten beantworten zu können, werden Daten benötigt, die speziell die Bildungs- und Erwerbsverläufe von Personen nachzeichnen können und wichtige Kontextinformationen enthalten. Eine geeignete Grundlage dafür stellen die Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) dar. Diese werden seit kurzem der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Im Multikohorten-Sequenzdesign werden die Bildungsprozesse von Personen aller Altersgruppen untersucht.6

Speziell für die Analyse des Weiterbildungsverhaltens sind die Daten der Erwachsenenbefragung (Etappe 8) geeignet. In diesem Erwachsenenpanel wurden in der ersten Welle 11 649 Personen zwischen 23 und 64 Jahren zu verschiedenen Bereichen ihres Lebens befragt. Neben der retrospektiven Erhebung des gesamten Bildungs- und Erwerbsverlaufes werden die Teilnehmer sehr ausführlich zu ihrem Weiterbildungsverhalten befragt. Fragen zum persönlichen und beruflichen Umfeld sowie zahlreiche soziodemographische Angaben runden den Fragepool ab.7

Gegenüber anderen Studien, die sich dem Thema Weiterbildung widmen, hat das NEPS den Vorteil, dass durch die jährliche Wiederbefragung ein Paneldatensatz entsteht, der Informationen zu denselben Befragungspersonen zu unterschiedlichen Zeitpunkten enthält. Somit können auch solche Forschungsfragen bearbeitet werden, die in Querschnittstudien nicht beantwortet werden können.

Einzigartig für Erwachsenenbefragungen im Paneldesign ist außerdem die Durchführung von Kompetenztests. Somit kann die Entwicklung von Kompetenzen im Erwachsenenalter untersucht und eine Unterscheidung zwischen formaler Qualifikation und kognitiven Kompetenzen vorgenommen werden.8

Weiterbildung kann auf unterschiedliche Arten stattfinden, weswegen eine Unterscheidung von Weiterbildungsformen notwendig ist. Im NEPS wird zwischen formaler, non-formaler und informeller Weiterbildung differenziert.9 Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf die non-formale Weiterbildung, also auf die Weiterbildung in organisierten Kursen oder Lehrgängen, die zwar einen gewissen Grad an Organisation besitzt, im Gegensatz zu formaler Weiterbildung aber nicht zu einem allgemein anerkannten Abschluss führt.

Empirische Ergebnisse

Mit den Daten des NEPS lassen sich zahlreiche Forschungsfragen beantworten. An dieser Stelle wird ein erster Eindruck vermittelt. Darüber hinaus beschäftigen sich die Autoren derzeit im Projekt „Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland“ damit, in welchen Kontexten Weiterbildung bereits jetzt stattfindet und bei welchen Personengruppen noch Potenzial für Weiterbildung vorhanden ist. Insbesondere wird dies unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung von Chancengleichheit in der Weiterbildung erforscht. Außerdem wird die Gruppe der Geringqualifizierten und Kompetenzarmen genauer betrachtet. Zentrale Fragen sind hierbei: Wie genau setzt sich die heterogene Gruppe der Geringqualifizierten zusammen und wie kann diese besondere Gruppe mit Hilfe von Weiterbildung formale Qualifikationen erwerben? Die Ergebnisse tragen dazu bei, diese Gruppe für lebenslanges Lernen zu sensibilisieren und eine passgenaue Unterstützung zu liefern.

In einem weiteren Projekt mit dem Titel „Berufsbezogene Weiterbildung in Deutschland – Gründe, Formen und Erträge“ wird in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) untersucht, welche Personengruppen an Weiterbildung partizipieren, welche Formen dafür genutzt werden und welche Erträge durch Weiterbildung generiert werden können. Die zentralen Fragen in diesem Projekt sind: Warum durchlaufen welche Menschen in welchem Umfeld eine Weiterbildung? Welche Formen der Weiterbildung nutzen sie? Und wie hoch sind die Erträge der Weiterbildung in Abhängigkeit der Form und des Beweggrunds für Weiterbildung? Beide Projekte möchten Lücken in der Weiterbildungsforschung schließen und sind sowohl für die angewandte Forschung als auch für die Politikberatung von großer Relevanz.

Als Grundlage für die folgenden Ergebnisse wurden die Daten der ersten Welle von 2009/2010 der Erwachsenenkohorte des NEPS herangezogen. Die folgenden gewichteten Ergebnisse beziehen sich auf alle Personen, die zum Zeitpunkt des Interviews erwerbstätig waren. Von den Erwerbstätigen nahmen in den zwölf Monaten vor Erhebungszeitpunkt 45,9% an mindestens einem Weiterbildungskurs oder -lehrgang teil, wobei Frauen eine Weiterbildungsquote von 48,6% und Männer eine Quote von 43,5% vorweisen. Wird das Alter berücksichtigt, zeigt sich deutlich, dass sich die Weiterbildungsquote bis zum 50. Lebensjahr konstant bei knapp unter 50% hält und anschließend rapide abfällt. Dabei weisen Frauen stets höhere Quoten vor als Männer. Interessant dabei ist, dass sich bei den Männern die Weiterbildungsquote bereits ab ab dem 40. Lebensjahr stetig verringert, wogegen die Quote bei den Frauen erst zehn Jahre später konstant abfällt. Deutlich ist bei den Frauen die Familienphase zu erkennen. So steigt die Weiterbildungsteilnahme in den jüngeren Jahren zunächst an, sinkt anschließend in einem Alter, in der Familien gegründet und Kinder erzogen werden, und bleibt einige Jahre konstant niedrig, wogegen sie danach wieder in einer Phase ansteigt, in der das berufliche Wissen aktualisiert wird, um nach der familiär bedingten Erwerbsunterbrechung im Beruf wieder Fuß zu fassen (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1
Kursteilnahme nach Alter und Geschlecht
in % der befragten Beschäftigten
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Inwieweit Weiterbildungsstrukturen im Betrieb das Weiterbildungsverhalten der Mitarbeiter beeinflussen, wird nun untersucht. Die Studienteilnehmer des NEPS wurden unter anderem gefragt, ob es in ihrem Betrieb eine Betriebsvereinbarung zu Weiterbildung gibt, ob eine regelmäßige Weiterbildungsplanung für die Mitarbeiter vorgesehen ist, ob der Betrieb eigene Kurse oder Lehrgänge anbietet bzw. finanziert und ob es eine für Bildung oder Weiterbildung zuständige Person, Einheit oder Abteilung gibt.

Insgesamt gaben 45,6% der Befragten an, dass es in ihrem Betrieb eine Betriebsvereinbarung gibt, bei 55,3% der Befragten hat der Betrieb eine regelmäßige Weiterbildungsplanung implementiert, 72,2% der Studienteilnehmer können auf ein Angebot und eine Finanzierung von Kursen und Lehrgängen seitens des Betriebes zurückgreifen und 54,4% haben entsprechende Ansprechpartner für Weiterbildung an ihrem Arbeitsplatz. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass vor allem mittlere Unternehmen (50 bis 249 Beschäftigte) sowie Großunternehmen (ab 250 Beschäftigte) diese Strukturen geschaffen haben. Bei den Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern sind diese Strukturen weniger häufig zu finden, wobei aber auch festgehalten werden muss, dass immerhin 50,4% der Beschäftigten in Kleinstunternehmen (bis neun Beschäftigte) angaben, eine Weiterbildungsfinanzierung in Anspruch nehmen zu können.

Abbildung 2
Kursteilnahme nach Weiterbildungsstruktur im Betrieb
in % der befragten Beschäftigten
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In Abbildung 2 ist deutlich zu sehen, dass Beschäftigte in Betrieben mit den genannten Weiterbildungsmerkmalen stets häufiger an Weiterbildung teilnehmen als Beschäftigte, deren Arbeitgeber diese (noch) nicht geschaffen haben. Fast 60% der Beschäftigten, welche auf solche Strukturen im Betrieb zurückgreifen können, partizipieren an Weiterbildung. Besonders stark ist der Unterschied beim Aspekt der Finanzierung zu sehen. Personen, die in Betrieben mit einem Finanzierungsangebot arbeiten, nehmen zu 58,0% an Weiterbildung teil. Dagegen besuchte nur ein knappes Viertel (23,0%) der Personen, deren Arbeitgeber dies nicht anbieten, eine Weiterbildung. Eine differenzierte Betrachtung nach Geschlecht führt zu ähnlichen Ergebnissen.

Fazit

Es kann kann festgehalten werden, dass sich die Implementierung der betrieblichen Strukturen positiv auf das Weiterbildungsverhalten auswirkt. Ebenso wichtig wie diese ist aber auch die Weiterbildungsbereitschaft der Individuen. Wer sich warum und auf welche Weise weiterbildet, welche Hindernisse bestehen und wie die Bildungserträge – also der konkrete Nutzen der Weiterbildung – aussehen, sind weitere spannende Fragen der Weiterbildungsforschung. Das NEPS liefert dafür eine einmalige Datengrundlage, mit dessen Ergebnissen für Politik und Wirtschaft eine wichtige Entscheidungsgrundlage geschaffen werden kann.

Dieser Beitrag basiert auf Daten der National Educational Panel Study (NEPS): Starting Cohort 6 – Adults (Adult Education and Lifelong Learning). Die NEPS-Datensammlung ist Teil eines Rahmenprogramms zur Förderung der empirischen Bildungsforschung, das vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert und von den Bundesländern unterstützt wird.

  • 1 H. Schröder, S. Schiel, F. Aust: Nichtteilnahme an beruflicher Weiterbildung. Motive, Beweggründe, Hindernisse, Schriftenreihe der Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens, Bd. 5, Bielefeld 2004, S. 13.
  • 2 Vgl. K. Schömann, S. Baron: Zustandsbeschreibung der Weiterbildung in Deutschland im internationalen Vergleich, in: U. M. Staudinger, H. Heidemeier, J. Kocka (Hrsg.): Altern, Bildung und lebenslanges Lernen, Altern in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 2009: Nova Acta Leopoldina NF, Bd. 100, S. 31-41, hier S. 37.
  • 3 Vgl. D. Colardyn, J. Bjornavold: Validation of Formal, Non-Formal and Informal Learning: policy and practices in EU Member States, in: European Journal of Education, 39. Jg. (2004), H. 1, S. 69.
  • 4 Vgl. R. Becker, A. Hecken: Berufliche Weiterbildung – arbeitsmarktsoziologische Perspektiven und empirische Befunde, in: M. Abraham, T. Hinz (Hrsg.): Arbeitsmarktsoziologie. Probleme, Theorien, empirische Befunde, Wiesbaden 2008, S. 133-168, hier S. 134.
  • 5 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Weiterbildungsverhalten in Deutschland, AES 2012 Trendbericht, Bonn 2013, http://www.bmbf.de/pub/trendbericht_weiterbildungsverhalten_2012.pdf (24.6.2013).
  • 6 Vgl. H.-P. Blossfeld, J. v. Maurice, T. Schneider: The National Educational Panel Study: need, main features, and research potential, in: H.-P. Blossfeld, H.-G. Roßbach, J. v. Maurice (Hrsg.): Education as a lifelong process. The German National Educational Panel Study (NEPS), in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (2011), Sonderheft 14, S. 13 f.
  • 7 Vgl. J. Allmendinger, C. Kleinert, M. Antoni, B. Christoph, K. Drasch, F. Janik, K. Leuze, B. Matthes, R. Pollak, M. Ruland: Adult Education and Lifelong Learning, in: H.-P. Blossfeld, H.-G. Roßbach, J. v. Maurice (Hrsg.), a.a.O., S. 283-299.
  • 8 Ebenda, S. 284
  • 9 Vgl. T. Bäumer, N. Preis, H.-G. Roßbach, L. Stecher, E. Klieme: Education processes in life-course-specific learning environments, in: H.-P. Blossfeld, H.-G. Roßbach , J. v. Maurice (Hrsg.), a.a.O., S. 87-101.


DOI: 10.1007/s10273-013-1555-8