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Mit der Umsetzung der vor 15 Jahren beschlossenen Bologna-Reformen verschoben sich sowohl die Zielkoordinaten als auch die Mittel der Hochschulpolitik. Die berufliche Qualifikation Studierender rückte stärker in den Vordergrund, und es wurden neue Governance-Strukturen in Anlehnung an das neue Steuerungsmodell implementiert. Es ist zu befürchten, dass mit den gewählten Wettbewerbselementen der Hochschulpolitik die definierten Ziele nicht erreicht werden können.

Universitäten beschränkten sich nach ihrer Gründung zunächst auf ein enges Fächerspektrum, betonten den allgemeinbildenden Charakter der Inhalte, boten weitgehende Wahlmöglichkeiten und fokussierten den Erkenntnisprozess. Humboldt hob später in seinem Hochschulverständnis die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden in einem nicht-hierarchischen Verhältnis hervor. Universitäten sollten Orte der Erkenntnissuche und der Wahrheit sein, frei von Zwängen und Einengungen, bei der allein das Erkenntnisinteresse die Bestrebungen aller gleichberechtigter Beteiligter leiten müsse. Ein solches Unterfangen benötige Freiheit von curricularen Zwängen, müsse zudem möglichst weitgehend auf Prüfungen verzichten, um die gleichberechtigte und gemeinsame Erkenntnissuche zu ermöglichen. Schelsky weist darauf hin, dass es Humboldt weniger um die Anhäufung von Wissensbeständen als universitäre Aufgabe angekommen sei, sondern eher um die Einstellung an diese „Hingabe“.1 Das sei nur unter den Bedingungen der „Einsamkeit und Freiheit“ möglich.

Humboldt nahm bereits damals einen Widerspruch zur zweiten universitären Aufgabe wahr, der Berufsqualifikation. Bereits zu Beginn des Hochschulwesens sahen staatliche Autoritäten Universitäten ebenso als geeigneten Ort dafür an, eine besonders qualifizierte Ausbildung etwa in den Bereichen Jura, Theologie oder Medizin zu ermöglichen. Berufsqualifikation beinhaltet, dass bestimmte Kompetenzen vermittelt werden sollen. Um zu gewährleisten, dass die Absolventen ihre Aufgaben für den Staat und die Gesellschaft auch tatsächlich erfüllen können, sind Prüfungen unumgänglich. Sowohl curriculare Vorgaben als auch Prüfungen widersprechen allerdings der Humboldtschen Idee zur freien Erkenntnissuche und Selbstentfaltung. In diesem Sinne kann eine Hochschule nicht beides gleichzeitig bieten, einerseits völlig freie Wahl von Inhalten und ausschließliche Orientierung am allgemeinen Erkenntnisinteresse und andererseits eine Vermittlung bestimmter, vorab definierter Kompetenzen und Wissensbestände. Letzteres erfordert inhaltliche Festlegungen und Überprüfung der Kompetenzen der Studierenden. Damit wird auch notwendigerweise ein gewisses hierarchisches Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden geschaffen, das Humboldt als überaus abträglich für die Erkenntnissuche ansah.

Den Universitäten verblieb stets diese Doppelaufgabe. Inzwischen dominiert jedoch eindeutig die Berufsorientierung. Von einem Paradigmenwechsel kann man nicht unbedingt sprechen, da die berufliche Qualifizierung immer eine gewisse Rolle im Hochschulwesen spielte. Die neue Orientierung geht mit einer stärkeren Verschulung der Inhalte und intensiver Leistungsüberprüfung einher. Dazu kommt die Forderung an Hochschulen, ihre Inhalte in gewisser Weise als „effiziente Regelberufsausbildung“ auf hohem wissenschaftlichen Niveau für möglichst viele Menschen anzubieten.

Die Curricula der Bachelor- und Masterstudiengänge orientieren sich entsprechend strikt am Arbeitsmarkt. So ist unter anderem im Hochschulrahmengesetz (HRG § 19) festgeschrieben und von der Kultusministerkonferenz konkretisiert, dass mit dem Bachelorstudium zwingend der erste berufsqualifikatorische Abschluss erreicht werden soll. Eines der Schlagworte dazu ist „Employability“. Universitäten, Fachhochschulen und bestimmte andere institutionelle Varianten wie Berufsakademien wurden im Zuge dieser Ausrichtung in dem Sinne homogenisiert, dass von verschiedenen Institutionen jeweils der Bachelortitel verliehen werden darf und z.B. sowohl Fachhochschulen als auch Universitäten Masterstudiengänge anbieten und der Masterabschluss im Prinzip die Promotionsberechtigung beinhaltet. Die Ausrichtung, die die Hochschulen im Verlauf der letzten Jahre als Auftrag bekamen, ist sicherlich allein schon im Hinblick auf die Humboldtschen Vorstellungen diskussionswürdig.

Neue Mittel: veränderte Governance-Strukturen und ihre Wirkmächtigkeit

Neben neuen Studienstrukturen haben Deutschland und andere Länder im Zuge des Bologna-Prozesses weitere begleitende Reformen im Hinblick auf die staatliche Steuerung des Hochschulbereichs eingeleitet. Dabei wurden die Governance-Strukturen, die die Handlungsspielräume und -anreize der Hochschulen festlegen, substanziell verändert.2 Eine erweiterte Budgetverantwortung wurde um aufwendige Evaluationsverfahren und Rankings für Hochschulen, Fachbereiche, Studiengänge und einzelne Lehrende ergänzt. Elemente der Leistungsentlohnung für das Lehrpersonal staatlicher Hochschulen wurden eingeführt sowie der Einfluss externer Interessengruppen auf die Hochschulpolitik gestärkt.

Eine gewisse Simulation von Wettbewerbsbedingungen jenseits des Preiswettbewerbs war und ist damit intendiert. Diese Veränderungen folgen den neuen politischen Leitbildern „autonome Hochschule“ und „institutioneller Wettbewerb unter Hochschulen“.3 Output- statt Inputsteuerung, Globalsteuerung statt Detailvorgaben und Programmfinanzierung sind Teile dieser neuen strukturellen Vorgaben. Staatlich gesteuerter institutioneller Wettbewerb benötigt nun allerdings Wettbewerbskriterien und -maßstäbe sowie die Festsetzung von Standards. Nachfolgend soll mittels mikro-, institutionen- und verhaltensökonomischer Analysen überprüft werden, ob die neuen Ziele der Hochschulpolitik mit diesen Mitteln neuer Governance erreichbar sind.

Qualität der Lehre und Standards für Studiengänge

Bachelor- und Masterprogramme sind in Modulen organisiert, in denen in verschiedenen Lehrveranstaltungen unter anderem interdisziplinäre Zugänge zum Kompetenzerwerb der Studierenden beitragen sollen. Um nicht „Wildwuchs“ der Konzepte zu begünstigen und um dem Wettbewerb um Studierende geeignete Kriterien und Vergleichbarkeiten zuzuordnen sowie die Mobilität der Studierenden zu fördern, gibt es eine Reihe von Vorgaben etwa zum Credit-Point-System, der möglichen Länge des Studiums bzw. Vorschläge unter anderem zu Qualitätssicherungssystemen, daneben zu Evaluierungsrhythmen für ganze Hochschulen bis hin zu den Lehrenden sowie einige neu eingeführte Elemente einer „Leistungsentlohnung“ zumindest für den Bereich staatlicher Hochschulen. Alle Studiengänge müssen akkreditiert und in regelmäßigen Abständen reakkreditiert werden. Zudem werden neue Varianten zur Finanzierung der Studienplätze angewendet. Diese Standards für Studiengänge sollen die Qualität der Ausbildung sichern. Sie wurden dem angelsächsischen Modell entlehnt, speziell dem britischen Hochschulsystem.

Keith Tribe sieht diese Orientierung grundsätzlich kritisch, da er schon für die Zeit vor dem eigentlichen Bologna-Prozess ein pessimistisches Bild über das Hochschulsystem seiner Universitätsheimat zeichnete, das das Klima der Offenheit und Innovationsfreude verloren habe.4 Tribe­ sieht systematische Gründe für diese aus seiner Sicht höchst problematische Entwicklung und nimmt ähnliche Entwicklungen in all den Ländern, die sich dem Bologna-Prozess unterworfen haben, ebenso wahr.5 Er geht in bildungsökonomischen Vorüberlegungen zu seinen weiteren Ausführungen der Frage nach, welche Ergebnisse aus dem speziellen Wettbewerb der Bachelor- und Masterprogramme verschiedener Hochschulen erwartet werden können. Ist damit zu rechnen, dass wie bei der Idee der „unsichtbaren Hand“ der Wettbewerb allein bzw. die Ordnungsvorgaben zur Genehmigung von Studiengängen und Überprüfung der Qualität schon für das beste aller denkbaren Ergebnisse sorgen?

Erste Gegenargumente liefert unter anderem das Hotelling-Paradoxon. Hotelling6 beschäftigte sich mit der Frage von Marktgleichgewichten bei nicht völlig homogenen Gütern. Als Sammelbegriff für die Heterogenität betrachtete er in seinem Beitrag den unterschiedlichen Standort von Unternehmungen und zeigte, dass der Wettbewerb um Marktanteile die Wettbewerber an den selben Standort zwingt. Das ist ineffizient, weil es die Wegekosten nicht minimiert. In diesem Prozess der Standortwahl homogenisiert sich das Produkt komplett. Die Unternehmungen bieten ein gleichwertiges Produkt am selben Standort an. Tribe überträgt dies auf den Hochschulwettbewerb und schlussfolgert: „Zwar mag anfänglich eine Vielfalt von Wahlmöglichkeiten für die Studierenden herrschen, doch über kurz oder lang tendieren die einzelnen Fachbereiche und Institutionen zu einem im Großen und Ganzen einheitlichen Produktangebot.“ 7

Die Versuche von Hochschulen, exzellente Curricula auf der Grundlage von Fachlichkeit und Qualifizierungsbemühungen zu konzipieren, sind nach Tribe wenig erfolgversprechend, weil der Wettbewerb Neues aussortiert und Durchschnittliches belohnt. Nach der Hotelling-Analyse wird sich eben keineswegs das Beste, auch nicht Vielfalt, sondern das homogen Durchschnittliche durchsetzen. Gut konzipierte Curricula werden nach einiger Zeit dem Durchschnitt angepasst, um „wettbewerbsfähig“ zu bleiben. Hotellings Ansatz wurde nicht unwidersprochen akzeptiert. Alle Gegenargumente oder Erweiterungen des Hotelling-Ansatzes, z.B. bei der Ergänzung um Preiswettbewerb oder bei Betrachtung multipler Produktunterschiede, stärken aber durch die speziellen Wettbewerbsbedingungen und die Rationierungsformen bei der Vergabe von Studienplätzen tendenziell die Einschätzung Tribes.8

Wenn nun diese Art der Homogenisierung stattfindet, dann werden nach Tribe auch die akademischen Ausbildungen zunehmend verschult.9 Routinen des Lernens nach einem Standardmodell würden etabliert. In der Volkswirtschaftslehre lernen Studierende z.B. den standardisierten Lehrstoff durch etablierte Modelle. Wenn der Kern des Problems verborgen bleibt, werden Modelle jedoch blind angewendet. Sie werden auch dann genutzt, wenn die Natur des ökonomischen Problems dazu gar nicht passt. Das ist möglich und sogar gerade für deduktive Vorgehensweisen ein typischer Fallstrick, weil unterschiedliche Zeitdimensionen, Kausalitäten und verschiedene Grade an Komplexität die verschiedenen Fragen bestimmen und erst in einem Vorschritt je zur Natur des Problems die Auswahl geeigneter Annahmen und Analysemethoden erfolgen muss. Standardisierte Curricula auf nicht befriedigendem Niveau sowie verschultes, formelhaftes Lernen in diesem eingeschränkten Spektrum begünstigen „blindes“ Lernen und erschweren substanzielle Einsicht.

Durchschnitt oder Minderqualität in der Lehre: das Problem der Qualitätserosion

Nicht nur die Vielfalt schwindet, sondern die durchschnittliche Qualität (das „Hotelling-Mittelmaß“) der Ausbildung droht zu erodieren, denn Wettbewerb – auch staatlich simulierter Wettbewerb – kann systematisch Probleme verursachen, wenn relevante Informationen ungleich zwischen Marktteilnehmern verteilt sind. Akerlof zeigte dies in seinem Pionierartikel am Beispiel eines speziellen Gütermarktes.10 Es entstehen grundsätzlich erhebliche Effizienzprobleme marktlicher Koordinierung in Fällen asymmetrisch verteilter Informationen. Im Bereich der Bildung haben z.B. die Bildungsinstitutionen (hier die jeweiligen Hochschulen) bessere Informationen über die Qualität ihres Angebots (Aktualität des Stoffes, Tiefe der Durchdringung, Didaktik und anderes mehr) als die staatlichen Geldgeber und auch als die Studierenden. Verschiedene Konstellationen können unterschieden werden, die ähnliche Probleme aufwerfen, aber verschiedene Lösungsoptionen offenbaren.

Reiner Marktwettbewerb

In einem einfachen, stark abstrahierenden Beispiel ist das Problem leicht erkennbar. Wenn es nur zwei Qualitätsstufen der Ausbildung gäbe und Studierende und/oder der Staat bereit wären, je nach Qualität unterschiedliche Preise zu zahlen, ist folgendes denkbar: Qualität A kostet pro Studienplatz und Semester 3000 Euro. Es sei unterstellt, dass Einkommensungleichheiten sowie Externalitätenprobleme für die Frage der Zahlungsbereitschaft (z.B. durch Transfers und Subventionen gesichert) ausgeblendet werden können und dass Interessierte bereit sind, für diese Ausbildung bis zu 3300 Euro pro Semester zu entrichten. Diesen Markt gäbe es, der Preis läge zwischen 3000 Euro und 3300 Euro pro Student und Semester; das Ergebnis wäre effizient. Qualität B kostet 5000 Euro pro Semester. An Wissen Interessierte sind bereit, für Qualität B bis zu 5500 Euro pro Semester zu entrichten. Auch diesen Markt gäbe es, Effizienz wäre gesichert. Was aber passiert, wenn Interessierte und staatliche Instanzen keine guten Informationen darüber haben, ob Organisationen A oder B anbieten und wenn zunächst die Hälfte aller Angebote vom A-Typ, die zweite Hälfte vom B-Typ ist? Allein auf Versprechungen der Bildungsinstitutionen können sich die Nachfrager nicht verlassen, da auch A-Angebote als „B“ versprochen werden können und A-Organisationen einen Extragewinn bescherten, wenn Ihnen die Bildungsinteressierten den B-Preis entrichteten. Damit wird es zu einer Art Lotteriespiel für die Nachfrager, was sie bekommen. Sobald die Zahlungsbereitschaft für „Bildung“ auf unter 5000 Euro sinkt, können B-Organisationen ihre Kosten nicht mehr decken, müssen sich entweder dem A-Niveau anpassen oder aus dem Wettbewerb per Konkurs ausscheiden. Das aber wiederum wird antizipiert, und dadurch sinkt die Zahlungsbereitschaft auf das A-Niveau von maximal 3300 Euro. Die gute Qualität ist verschwunden, nur die schlechte hat sich durchgesetzt. Das ist ineffizient, da der (eigentlich gesamtwirtschaftlich sinnvolle) Teilmarkt für gute Bildungsqualität komplett zusammengebrochen ist.

In reinen Marktumgebungen können sich zum Teil Governance-Strukturen durch institutionellen Wettbewerb endogen bilden. Sie müssen es erlauben, dass Qualitätsversprechen glaubhaft werden. Darunter fallen beispielsweise Qualitätsprämien, die einen Extragewinn z.B. durch einen Monopolspielraum für gute Qualität garantieren. Ebenso können sich bestimmte Rechtsformen wie gemeinnützige Organisationen oder Franchisekonstruktionen, bestimmte hierarchische interne Strukturen, Zertifizierungen und Gütesiegel als sinnvoll erweisen, führen aber teilweise wieder zu Folgeproblemen asymmetrischer Informationen. Besonders problematisch wird es dann, wenn der Staat Wettbewerb zu simulieren versucht, dabei aber genau die institutionellen Varianten wie Qualitätsprämien oder bestimmte interne Organisationsstrukturen nicht zulässt, die man eigentlich zur Lösung bräuchte. Konsequenz ist dann eine ineffiziente Qualitätserosion, die alle Beteiligten in einen Nachteil versetzt und die auf einfachen Systemzusammenhängen beruht, nicht auf mangelndem Willen oder schlechten Anreizen auf individueller Ebene.11

Qualität in Lehre und Forschung sowie Anreize für Lehrende: Multitasking-Probleme

Dieser zweite Problemkreis verweist auf Schwierigkeiten bei der Definition und Durchsetzung einer bestimmten Gesamtqualität. Erkennbar ist dies sowohl auf der Organisationsebene als auch in Bezug auf einzelne Lehrende und ihren Arbeitsauftrag. Für keine Tätigkeit (einer Hochschule oder eines einzelnen Lehrenden) lassen sich nach Frey tatsächlich sämtliche Aspekte definieren und messen.12 Werden die messbaren und gemessenen Anteile einer Tätigkeit besonders entlohnt, dann bestünde die Tendenz, sich hauptsächlich auf diese Teiltätigkeiten zu konzentrieren und anderes zu vernachlässigen.13 In der Wissenschaft hat dies besonders gravierende Konsequenzen.

Belohnt werden im derzeitigen Besoldungssystem besonders die Rufe an andere Hochschulen, Drittmittelanwerbung und die Forschungsleistung, letztere festgemacht an der Zahl von Publikationen in renommierten Fachzeitschriften oder mittels des Citation Index. Dies wird dazu führen, dass die nicht gesondert belohnte Leistung in der Lehre weniger Beachtung findet, d.h. dass die Aktualisierung des Lehrstoffes und die Wahl der didaktischen Methoden unbefriedigend bleibt, sich Universitätsprofessoren so oft wie zulässig durch Assistenten vertreten lassen etc. Wenn die Gesamtleistung aus Lehre, Forschung und Selbstverwaltung besteht, dann muss die Konzentration auf einzelne – besonders belohnte – Aspekte keineswegs die Gesamtleistung verbessern. Selbst im engeren Teil des Forschungsauftrags wird es unbefriedigende Ergebnisse nach sich ziehen, da Drittmittelanwerbung weniger die gute Forschung fördert als das Wissenschaftsmanagement.14 Gute Wissenschaftsmanager müssen aber keineswegs auch die besten Wissenschaftler sein.

Wird Forschung an der Zahl der Publikationen gemessen, wird „Salami-Taktik“ gefördert, d.h. die Zerlegung eines Problems und einer Analyse in viele kleine Teile, um daraus möglichst viele Beiträge zu machen und diese in Fachjournalen unterzubringen. Das wiederum ist der Gesamtdurchdringung eines Problems in vielen Fällen eher abträglich. „Große“ Ideen, die z.B. in umfassenden Monographien dargelegt werden, sind im Rahmen heutiger Honorierungssysteme eher schädlich als nützlich für Wissenschaftler.

Auch die Verwendung des Citation Index ist unbefriedigend, weil es Zitationskartelle begünstigt, für Plagiate und Fälschungen von Forschungsergebnissen gewisse Anreize gesetzt werden und weil es Beratung, Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Vortragstätigkeit, Übertragung der Erkenntnisse in die Politik und Praxis oder Publikationen in vielleicht eher populärwissenschaftlichen oder politischen Journalen nicht berücksichtigt. All diese letztgenannten Tätigkeiten sind Teile der wissenschaftlichen Arbeit, die dadurch insgesamt systematisch in Nachteil gerät. Haucap und Thomas argumentieren z.B., dass die Art des Forschungswettbewerbs Rückwirkungen auf Möglichkeiten und Qualität der ökonomischen Politikberatung hat.15

Ein Hauptproblem besteht darin, dass der Transfer von Forschung in die Lehre sich unbefriedigend gestaltet und zusätzlich eine Standardisierung der Lehre gefördert wird. Zum Schluss ist jede Teilaufgabe – Forschung, Lehre, Selbstverwaltung – durch selektive Leistungsanreize geschwächt, die Gesamtleistung ist deutlich suboptimal, und es kommt zu einer höchst problematischen Trennung und Spaltung von Forschung und Lehre an den Hochschulen. Holmström und Milgrom haben darauf hingewiesen, dass viele Unternehmungen aus guten Gründen auf ausgeprägte Leistungslohnelemente verzichten.16 Ein Zeitlohnsystem kann sich im Multitasking-Zusammenhang als überlegen erweisen, da es nicht die einseitige Konzentration auf einige Qualitätselemente fördert und damit insgesamt günstiger für die Gesamtleistung sein kann. In der Politik wurden falsche Analogieschlüsse zu Wirtschaftsbereichen ohne ausgeprägte Multitasking-Aufgaben gezogen.

Evaluierung und Qualitätssicherung

Hochschulen, Fachbereiche, Studiengänge, Module, einzelne Lehrende wurden im Zuge des Bologna-Prozesses und ergänzender Hochschulreformen mit Evaluationsanforderungen und Evaluationen geradezu überzogen. Bei einer Output- statt Inputsteuerung benötigt man selbstverständlich Informationen darüber, ob vereinbarte Standards erreicht wurden, ob die versprochene Menge und Qualität tatsächlich geleistet wurde. Evaluationen sollen der Qualitätssicherung und -verbesserung dienen. Wie bei jeder einzelnen Tätigkeit stellt sich jedoch auf allen Ebenen das Problem, dass nicht alle Qualitätselemente gemessen und evaluiert werden können. Evaluiert wird nicht ein Gesamtprodukt „Hochschulleistung“, sondern höchstens summativ einzelne, ausgewählte Leistungselemente – ohne sich genau darüber im Klaren zu sein, was die Gesamtqualität einer Hochschule überhaupt ausmacht.17

Kennzeichen von Hochschulevaluationen ist nach Frey, dass in der Regel eine nachträgliche Einschätzung der Leistung einer Person oder Organisation vorgenommen wird – oft von externen Experten durchgeführt.18 Er weist unter anderem auf Multitasking-Probleme hin, die nur die gemessenen Elemente ins Zentrum rücken. Wird dann festgestellt, dass die Konsequenzen aus Evaluationen und Belohnungssystemen unbefriedigend sind, wird die Lösung nicht etwa in einer grundsätzlichen Änderung der Evaluationspraxis gesehen, sondern in einem Ausweiten der bisherigen Verfahren. Das wird stets unbefriedigend sein und kostet die Hochschulen immer mehr Zeit und Geld. Um es zuzuspitzen, ist nicht einmal klar, welche Konsequenzen aus der nachträglichen Evaluation zu ziehen sind. Wird etwa eine ganze Hochschule als weniger leistungsstark als andere evaluiert, muss erst noch entschieden werden, ob sie deshalb nun weniger Geld oder mehr Geld erhalten sollte – soll sie bestraft oder gefördert werden? Gibt es Verdrängungswettbewerb, indem Hochschulen mit vermeintlicher Minderleistung geschlossen werden? Oder hat es gar keine Konsequenzen?

Die mikroökonomisch fundierte Personalökonomik lässt den Nutzen des umfassenden, in hoher Frequenz wiederholten Evaluierens und Überprüfens auf allen Ebenen der Hochschulen als eine Art Mythos erscheinen.19 Die wundersame Wirkung auf die Leistungsfähigkeit und Qualität bleibt aus, selbst wenn das System immer ausgefeilter wird. Besonders ungünstig wird die Wirkung in Kombination mit unpassenden Regeln im Umfeld. Man sieht das an den Evaluierungen der Lehrenden deutlich. Karrieren im Wissenschaftsbetrieb folgen z.B. teilweise dem Up-or-out-Prinzip. Wer zu Beginn der Karriere bestimmte Standards nicht erfüllt oder relativ zu anderen etwas schlechter abschneidet, verharrt nicht auf einer mittleren Ebene, sondern muss den Hochschulbereich verlassen. Befristete Mittelbaustellen und Professuren (z.B. Juniorprofessuren) sind Musterbeispiele. Etablierte Hochschullehrer hingegen haben Daueranstellungen, meistens gepaart mit Unkündbarkeitsklauseln. In beiden Fällen sind intensive und häufige Evaluationen problematisch. Lazear führt mit üblichen mikroökonomischen Anreizargumenten aus, dass Evaluationen ganz allgemein nicht allein Zeit und Geld in einem unmittelbaren Sinne kosten.20

Die Evaluation von Neulingen in Kombination mit Up-or-out-Regeln etwa bei Juniorprofessuren oder zeitlich zunächst befristeten Professuren lässt wertvolle Kompetenz der Hochschulen etwa in der Lehre verlieren. Die häufige Evaluation langjähriger Mitarbeiter ist teuer und nutzlos, da man sich entweder selbst bei Nicht-Spitzenleistung gar nicht trennen will oder aufgrund spezieller Arbeitsverträge bzw. Verbeamtung auch gar nicht kann. Man darf dabei zudem das hochschulspezifische Wissen von Professoren nicht unterschätzen. Die speziellen Verwaltungs- und Modullogiken unterscheiden sich zwischen Hochschulen substanziell und generieren ebenso spezifisches Wissen wie die Zusammenarbeit mit Kollegen. Allein dieses wird im Rahmen der institutionenökonomischen Theorie unvollständiger Verträge als Grund dafür angesehen, dass vertragliche Bindungen zwischen Arbeitnehmern und Organisationen aus Effizienzgründen als „lange Ehen“ enden.

Ein erstes Fazit auf der Grundlage mikroökonomischer Überlegungen kann im Bezug auf Evaluation von Lehrenden gezogen werden: Eine sorgfältige Vorauswahl und Evaluation der Kompetenzen und Fähigkeiten von Bewerbern ist notwendig. Es geht auch nicht darum, jede Form der Evaluierung infrage zu stellen. Probleme und Ineffizienzen sind durch Evaluierungen jedoch in vielen Fällen möglich, zumal bei unbefriedigenden Konsequenzen aus Evaluationen die Tendenz entsteht, das Problem durch Perfektionierung und Intensivierung der Evaluationen lösen zu wollen – was oft zu noch mehr und/oder häufigeren Überprüfungsprozeduren führt. Evaluationen bereits geleisteter Arbeit innerhalb der Organisation sind bei zu großer Frequenz sehr oft ineffizient, vor allem bei erfahrenen Mitarbeitern.

Externe Evaluationen haben die (zusätzlichen) Nachteile unklarer Anreize für die Evaluierungsinstanz und für die mit der konkreten Evaluierung Beauftragten. Schlechtere Insiderkenntnisse der Evaluierer paaren sich unter Umständen mit kontraproduktiven strategischen Interessen, sofern externe Evaluierer gleichzeitig in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zur evaluierten Organisation stehen. Häufig gibt es asymmetrische Informationen bezüglich der Güte der Evaluationen. Eigentlich benötigte man Evaluierer für die Evaluierer ... für die Evaluation. Es kann dabei das bekannte Problem des infiniten Regresses entstehen. Weder externe noch interne Evaluationen sind ein Allheilmittel für eine gute Qualität, zumal wenn viele andere Nebenbedingungen die Qualität erodieren lassen.

Motivation und Kreativität in Lehre und Forschung

Verhaltensökonomische Erkenntnisse schärfen die Argumente weiter. Wenn die Ökonomik Anreizeffekte thematisiert, werden Motive, Einstellungen zu Lehre und Forschung und auch die Kreativität der Lehrenden und Hochschulverantwortlichen als exogene Größen gesetzt. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass diese Annahme für viele ökonomische Fragen irreführend oder zumindest unzureichend ist. Frey und Schlicht weisen auf psychologische Zusammenhänge hin, die motivations- und kreativitätszerstörende Wirkungen von Leistungsanreizen wie Leistungslöhnen erklärbar machen können.21 Lepper und Greene sprechen in diesem Zusammenhang von versteckten Kosten der Entlohnung.22 Evaluationen empfinden die meisten Betroffenen als kontrollierend, Leistungselemente in der Entlohnung richten den Fokus auf die monetäre Seite. Beides kann einen Verdrängungseffekt auslösen. Ursprünglich intrinsisch motivierte Wissenschaftler mit Interesse an der Tätigkeit attribuieren ihr Verhalten nicht mehr als dem wissenschaftlichen Interesse geschuldet, sondern eher der Belohnung. Damit wird intrinsische Motivation durch extrinsische Motivation (Leistungslöhne) verdrängt.23 Diese Wirkungen wurden in vielen Experimenten in den verschiedensten Zusammenhängen immer wieder bestätigt. Der Grund liegt in einer in der Sozialpsychologie diskutierten Tendenz zur Verwendung einfacher und klarer Regeln, die auch dem eigenen Verhalten unterlegt werden und die emotionale und motivationale Begleiterscheinungen haben.

In Hochschulen geht es neben „Pflichterfüllung“ in erster Linie um Kreativität und Engagement in Lehre und Forschung. Das Selbstbild vieler Hochschullehrer entspricht tendenziell noch einer Attribution intrinsischer Motivierung und „Hingabe“ an die Wissenschaft. Das gerät durch die neuen Hochschulbedingungen über Overjustification-Phänomene und kognitive Dissonanz24 in Gefahr, da neben dieser Hingabe eine alternative prägnante Zuordnung eigenen Verhaltens als extrinsisch motiviert geschaffen wird. Wenn diese Alternative immer deutlicher den Alltag bestimmt, wird sie irgendwann die alte Kategorie ablösen und vor allem bei jüngeren Wissenschaftlern intrinsische Motivation von vornherein verhindern. Das hat weitreichende Konsequenzen für Kreativität und schöpferische wissenschaftliche Prozesse. Amabile zeigt durch theoretische Überlegungen und experimentelle Evidenz, dass Kreativität am ehesten in einem Zeitlohnsystem, bei höchstens nachträglichen, vor allem unerwarteten Belohnungen entfaltet wird.25 Zudem muss der Arbeitsplatz als relativ sicher interpretiert werden. Zeitverträge, Leistungsentlohnung, ständige Evaluierungen mit dem Fokus auf bestimmte Leistungselemente sind geradezu Gift für die Kreativität.

Ein neuer, verhaltensökonomisch fundierter Forschungszweig zu diesen Phänomenen entwickelt sich seit einigen Jahren durch die „Identity Economics“.26 Darin geht es noch umfassender um die Frage identitätsstiftender organisationaler Strukturen, die Arbeitsmotivation, Lern- und Erkenntnisfreude, gegenseitige kollegiale Unterstützung, Kreativität und vieles mehr begünstigen. Die ersten Ergebnisse sind bei der Übertragung auf den deutschen und gesamten europäischen Hochschulraum ernüchternd. Die Reformen der letzten Zeit können danach – wenn überhaupt – nur kurzfristig einen positiven Effekt entfalten, nämlich solange Evaluationen und Leistungselemente noch als unterstützend interpretiert werden. Werden sie als kontrollierend und extrinsisch motivierend wahrgenommen, sind genau die Bedingungen nicht gegeben, die durch Ansätze der Identity Economics als notwendig für Kreativität und Freude am Erkenntnisprozess identifiziert wurden. Dadurch leidet zudem die Authentizität der Lehrenden, und Studierende können nur eingeschränkt an den eigentlichen wissenschaftlichen Prozess herangeführt werden.

Die Schlussfolgerung für Reformen ist trivial und kommt zu folgender einfacher Regel für Hochschulen bzw. Fachbereiche und Studiengänge: Sucht mit sehr viel Sorgfalt und auch viel Aufwand gute Wissenschaftler aus und lasst diese dann im Rahmen eines Zeitlohnsystems, eventuell in einem angepassten System der Senioritätsentlohnung, ihrer Arbeit in Forschung, Lehre und Selbstverwaltung nachkommen. Einige Hochschulangehörige mit „Dienst nach Vorschrift“ sind weniger problematisch als viele, die die Schwerpunkte ausschließlich auf besonders entlohnte Teilaspekte wie Drittmittelforschung und -einwerbung legen, die sich nur strategisch um andere Professuren wegen der Zulagenwirkung von Rufen an andere Hochschulen bewerben, die die intrinsische Motivation an ihren Tätigkeiten verlieren, an Kreativität einbüßen, das Erkenntnisinteresse verlieren und dieses auch den Studierenden nicht vermitteln und somit nicht umfassend deren Qualifizierung dienen können.

 

Fazit und Ausblick

Befürworter des Bologna-Prozesses interpretieren die kritischen Stimmen aus den Hochschulen teilweise als „Jammern auf hohem Niveau“, als Lamentieren der privilegierten Profession der Hochschullehrer, die sich aus Bequemlichkeit oder aus Befürchtung individueller Nachteile für Einkommen und Renommee den notwendigen Anpassungen und Optimierungen widersetzen. Der pauschale Vorwurf des Lamentierens ist allerdings unangebracht. Es liegt nicht (nur) an fehlendem Willen der Lehrenden und der Hochschulen, dass die Ziele des Bologna-Prozesses bislang nicht befriedigend erreicht wurden, sondern in erster Linie an systematischen Konstruktions- und Steuerungsproblemen. Die Governance-Struktur bietet keine zielführenden Handlungsspielräume und -anreize für Hochschulen.

Es gibt noch weitergehende Argumente, die in diesem Beitrag nicht explizit angesprochen sind, aber zumindest Erwähnung verdienen. Folgende Thesen knüpfen zum Teil unmittelbar an die genannten Argumente an und bedürfen näherer Begründung und Überprüfung:27

  • Neben Über- und Fehlregulierungen gibt es Unterregulierungen vor allem für den Übergang vom Bachelor- in ein Masterstudium und im Hinblick auf die Praxisanteile im Studium. Das generiert zusätzliche Qualitätsprobleme.
  • „Employability“ (Beschäftigungsfähigkeit) als Hochschulaufgabe impliziert die Frage nach der „Nützlichkeit“ von Studiengängen und Fächern. Natur- und ingenieurwissenschaftliche Fächer (MINT-Disziplinen) werden tendenziell gefördert, die gesellschaftlich wichtige und privat kaum finanzierbare Ausbildung und Forschung in Fächern mit hohen positiven externen Effekten (z.B. Sozialwissenschaften) wird abgebaut.
  • Bei der Bewertung von Hochschulen nach „Deliverables“, z.B. nach der Zahl erfolgreicher Absolventen, besteht die Gefahr, dass Hochschulen versuchen, Risiken zu vermeiden. Die konkreten Finanzierungsregeln können sowohl selektive Auswahlmechanismen zu Ungunsten Benachteiligter als auch die Rücknahme inhaltlicher, qualitativer Ansprüche zur Folge haben.

Gibt es Auswege außer einer Benennung der Missstände? Die schlechteste Variante wäre es, wenn erst eine Art Hochschulkollaps geeignete Änderungen der Regeln erzwänge. Der Wissenschaftsrat erstellte 2013 eine Vorlage, die „Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems“ aufzeigen möchte.28 Durch wettbewerbliche Anreize soll es danach – neben einer besseren Grundfinanzierung – mehr Differenzierung und Profilierung, damit auch bessere Qualität, an den Hochschulen geben. Die in diesem Beitrag dargelegten Argumente zeigten jedoch, dass Wettbewerb per se kein Allheilmittel ist, sondern die genaue Spezifizierung der Ordnungs- und Regulierungsbedingungen des Wettbewerbs, also die gesamte Governance-Struktur, entscheidend dafür ist, ob Standardisierung auf schlechtem Niveau stattfindet oder ob hohe Ausbildungsqualität, substanzieller Erkenntnisgewinn und insgesamt eine gute Gesamtqualität hochschulischer Arbeit generiert wird. Im ungünstigen Fall werden allgemeine Empfehlungen solcher Art dazu führen, dass die Forderung nach mehr Wettbewerb zu einem „Mehr des Bisherigen“ führen. Mehr vom Falschen macht das Ganze aber noch lange nicht richtig.

Hoffnungsschimmer sind für die Hochschulen durchaus erkennbar:

  1. Auswege wären geebnet, wenn zielführende Wettbewerbsvorgaben spezifiziert und implementiert würden.
  2. Es gibt inzwischen eine Reihe nicht-staatlicher Hochschulen, die bestimmten Regeln staatlicher Einflussnahme nicht unterliegen und die notfalls sogar via Standortwechsel bessere Bedingungen suchen und wahrnehmen. Die Chancen sind allein durch „Versuch und Irrtum“ größer, sinnvollere Rahmenbedingungen und Interventionen zu schaffen. Erfolgreiche Versuche können auch staatliche Instanzen unter Reformdruck setzen.
  3. Eine interessante Entwicklung entstand in diesem Zusammenhang in den USA, wo im Bildungsbereich Möglichkeiten kollaborativer Steuerung geschaffen wurden. Dabei erhalten in neuer Form der Governance sowohl der Staat als auch private Betreiber bestimmte Entscheidungskompetenzen. Es werden Akkreditierungsverfahren für Programme und Institutionen verwendet, aber mit anderen Finanzierungsregeln als bei deutschen Hochschulen und bei anderen Partnerprojekten kombiniert. Die neue Form ist unter anderem durch eine weitgehendere Verteilung von Gewinnanrechten für private Betreiber verbunden. Neben gescheiterten Projekten gab es ausgesprochen erfolgreiche Konstruktionen der Zusammenarbeit und der Kompetenz- und Rechteverteilung zwischen den Ebenen Markt und Staat. Donahue und Zeckhauser skizzieren die Konstruktionsprinzipien erfolgreicher „Partnerschaften“ im Sinne komplementärer staatlicher und privater Institutionalisierungen.29 Sie leiten in einer mikroökonomischen Analyse ab, wie und unter welchen Bedingungen solche kollaborativen Steuerungen und Finanzierungen sinnvoll konstruiert werden können. Ihre Beispiele für gelungene Kollaborationen entsprechen interessanterweise vielen Fällen, die Akerlof und Kranton in ihrem identitätsökonomischen Ansatz erwähnen.30 Solche Ansätze wie bei Donahue/Zeckhauser und Akerlof/Kranton können sowohl empirische als auch theoretische Anhaltspunkte für erfolgversprechende Reformwege andeuten.31

Das ist in gewisser Weise ein Plädoyer für Experimente, allerdings auf der Basis bestehender Erkenntnisse der Mikro- und der Verhaltensökonomik. Es gibt relevante Ansätze für die Konstruktion erfolgversprechender Governance im Hochschulbereich. Diese sollten sorgfältiger als bislang für Hochschulreformen Beachtung finden.


Dieser Beitrag basiert wesentlich auf G. Kubon-Gilke: Hochschule bolognese: Scientia, das Menü schmeckt nicht. Problematische Voraussetzungen für schöpferische Prozesse in Lehre und Forschung, in: Gestalt Theory, 36. Jg. (2014), Nr. 1, S. 15-42. Es handelt sich um eine gekürzte und in Teilen ergänzte Version dieses Aufsatzes.

  • 1 H. Schelsky: Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen, Reinbek 1963, S. 82 und 91 f.
  • 2 Vgl. R.-D. Postlep: Veränderte Governance-Strukturen im Hessischen Hochschulsektor – Persönliche Erfahrungen und Einschätzungen –, in: G. Kubon-Gilke, W. Lanwer (Hrsg.): Übergänge. Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Alexa Köhler-Offierski, Freiburg 2014, S. 129-134.
  • 3 Vgl. ebenda.
  • 4 K. Tribe: Das volkswirtschaftliche Curriculum und das angelsächsische Modell, in: V. Caspari, B. Schefold (Hrsg.): Wohin steuert die ökonomische Wissenschaft? Ein Methodenstreit in der Volkswirtschaftslehre, Frankfurt u.a.O. 2011, S. 113.
  • 5 Ebenda, S. 116 ff.
  • 6 H. Hotelling: Stability in Competition, in: The Economic Journal, 39. Jg. (1929), H. 153, S. 41-57, http://links.jstor.org/sici?sici=0013-0133%28192903%2939%3A153%3C41%3ASIC%3E2.0.CO%3B2-.
  • 7 K. Tribe, a.a.O., S. 117.
  • 8 Vgl. G. Kubon-Gilke: Hochschule bolognese, a.a.O., S. 20 ff.
  • 9 K. Tribe, a.a.O., S. 117.
  • 10 G. Akerlof: The Market for „Lemons“: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quarterly Journal of Economics, 84. Jg. (1970), H. 3, S. 488-500.
  • 11 Vgl. G. Kubon-Gilke: Außer Konkurrenz. Sozialpolitik im Spannungsfeld von Markt, Zentralsteuerung und Traditionssystemen. Ein Lehrbuch und mehr über Ökonomie und Sozialpolitik, 2. Aufl., Marburg 2013, Kap. 4.3 und 4.7 zur Zusammenfassung der Argumente und zu weitergehender Literatur.
  • 12 B. Frey: Evaluierungen, Evaluierungen … Evaluitis, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 8. Jg. (2007), H. 3, S. 207-220.
  • 13 Vgl. auch grundlegend dazu B. Holmstrom, P. Milgrom: Multi-Task Principal-Agent Analyses: Linear Contracts, Asset Ownership and Job Design, in: Journal of Law, Economics and Organization, 7. Jg. (1991), H. 2, S. 24-52.
  • 14 Vgl. B. Frey, a.a.O., S. 210.
  • 15 J. Haucap, T. Thomas: Wissenschaftliche Politikberatung: Erreicht der Rat von Ökonomen Politik und Öffentlichkeit?, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jg. (2014), H. 3, S. 180-186.
  • 16 B. Holmström, P. Milgrom, a.a.O.
  • 17 Vgl. M.-S. Honig: Zur Konzeptualisierung pädagogischer Qualität, in: Arbeitspapiere des Zentrums für sozialpädagogische Forschung der Universität Trier, Arbeitspapier II-07, 2002, zu diesem Grundsatzproblem, vor der Klärung des Qualitätsbegriffes bereits Qualitätskriterien zu definieren, die dann in einer Verdrehung der Reihenfolge vermeintlich die eigentliche Qualität widerspiegeln.
  • 18 B. Frey, a.a.O., S. 207.
  • 19 Vgl. z.B. E. P. Lazear: Personnel Economics for Managers, New York u.a.O. 1998.
  • 20 Ebenda, S. 499-500.
  • 21 B. Frey: Markt und Motivation. Wie ökonomische Anreize die (Arbeits-)Moral verdrängen, München 1997; ders.: Evaluierungen ..., a.a.O.; E. Schlicht: Institutionen prägen Menschen, in: M. Held, H. G. Nutzinger (Hrsg.): Institutionen prägen Menschen. Bausteine zu einer allgemeinen Institutionenökonomik, Frankfurt a.M., New York 1999, S. 30-43.
  • 22 M. R. Lepper, D. Greene: The Hidden Costs of Reward: New Perspectives on Psychology of Human Motivation, Hillsdale 1978.
  • 23 Vgl. auch E. L. Deci: Intrinsic Motivation, New York 1975; E. L. Deci, R. Koestner, R. M. Ryan: A Meta-analytic Review of Experiments Examining the Effects of Extrinsic Rewards on Intrinsic Motivation, in: Psychological Bulletin, 125. Jg. (1999), H. 6, S. 627-668.
  • 24 Vgl. H. H. Kelley: The Processes of Causal Attribution, in: American Psychologist, 28. Jg. (1973), H. 2, S. 107-128; L. Festinger: A Theory of Cognitive Dissonance, Stanford 1957.
  • 25 T. M. Amabile: The Social Psychology of Creativity, Heidelberg u.a.O. 1983; dies.: Creativity in Context: Update to the Social Psychology of Creativity, Boulder 1996; dies.: How To Kill Creativity, in: Harvard Business Review, 76. Jg. (1998), H. 5, S. 76-87.
  • 26 Vgl. z.B. G. Akerlof, R. Kranton: Identity Economics: How Our Identities Shape Our Work, Wages, and Well-Being, Princeton-Oxford 2011.
  • 27 Vgl. G. Kubon-Gilke: Hochschule bolognese, a.a.O. zu ausführlicheren Ausführungen und zu weiteren Problemkreisen.
  • 28 Vgl. http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/wissenschaftsrat-fordert-internationale-spitzenuniversitaeten-a-896186.html (23.5.2013).
  • 29 J. D. Donahue, R. J. Zeckhauser: Collaborative Governance. Private Roles for Public Goals in Turbulent Times, Princeton-Oxford 2011.
  • 30 G. Akerlof, R. Kranton, a.a.O.
  • 31 J. D. Donahue, R. J. Zeckhauser, a.a.O.; G. Akerlof, R. Kranton, a.a.O.

Title:Bad Passes in University Policy: When Goals and Tools Don’t Fit Together

Abstract:The implementation of the Bologna process and the accompanying structural reforms have created systematic problems for university teaching and research. Under these new conditions, quite irrespective of individuals involved, the quality of university performance is dissatisfying and inefficient. The new pay conditions, evaluation processes and reductions in core funding for research are identified as being particularly debilitating. The intimately connected problems relating to the development of academic disciplines are added to this. To demonstrate these points, institutional economics, personnel economics and psychological arguments are drawn on to suggest complementary conclusions. Suggestions for the direction of necessary reforms and conceivable paths to get there are outlined.

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DOI: 10.1007/s10273-014-1753-z