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Konjunkturprognosen werden sinnvollerweise auf der Grundlage saisonbereinigter Daten erstellt, damit jahreszeitlich übliche Schwankungen ausgeschaltet werden. Kommt es aber zu extremen Witterungslagen, wenn etwa ein Winter besonders heftig oder aber auch besonders mild ausfällt, dann spiegeln die saisonbereinigten Daten nicht mehr den üblichen Verlauf wider. Der Konjunkturanalytiker kann dann nicht erkennen, ob eine Veränderung konjunktur- oder witterungsbedingt war.

Im Winter 2013/2014 schlug das Wetter in verschiedenen Regionen der Welt Kapriolen. So herrschte beispielsweise in weiten Teilen der USA ungewöhnlich strenger Frost, und in vielen Regionen Deutschlands war das Wetter außergewöhnlich mild. Dass solche Wetterkonstellationen einen Einfluss auf die wirtschaftliche Aktivität ausüben, liegt auf der Hand. So musste in den USA die Bautätigkeit wohl häufiger als üblich ruhen, und Schnee und Eis behinderten den Transport von Waren. In Deutschland hingegen konnte auch in den Wintermonaten auf fast allen Baustellen normal gearbeitet werden. Dies zeigt sich auch in den einschlägigen Konjunkturindikatoren.

An sich werden solche jahreszeitlich üblichen Schwankungen der Wirtschaftsaktivität in Konjunkturanalysen dadurch berücksichtigt, dass diese auf saisonbereinigten Daten aufbauen. Da diese Bereinigungsverfahren aber ausschließlich auf Zeitreihenansätze zurückgreifen, dürften sie untypischen Wetterverhältnissen nicht hinreichend Rechnung tragen. Daher stellt sich die Frage, ob die Folgen ungewöhnlich warmer oder kalter Winter in Konjunkturanalysen und -prognosen angemessen berücksichtigt werden, oder ob eine witterungsbedingt verzerrte Darstellung der Konjunkturlage auch zu verzerrten Prognosen führt. Dieser Frage geht der vorliegende Beitrag nach. Er wendet dazu das Konzept der Informationseffizienz von Prognosen an. Danach gilt eine Prognose dann als effizient, wenn alle zum Zeitpunkt ihrer Erstellung vorhandenen prognoserelevanten Informationen in angemessener Weise verarbeitet wurden.1 Ob dies der Fall ist, lässt sich testen, indem man überprüft, ob es einen systematischen Zusammenhang zwischen den Prognosefehlern und der jeweils betrachteten Information gibt. Sollte ein solcher Zusammenhang gefunden werden, ließe sich die Genauigkeit der Prognosen verbessern, indem Konjunkturanalytiker der betreffenden Information bei der Erstellung der Prognose stärker Rechnung tragen. Dieses Konzept soll im Folgenden auf Angaben zum Wetter angewendet werden. Diese liegen kontinuierlich und zeitnah vor und könnten daher in gleicher Weise wie andere Wirtschaftsindikatoren bei der Erstellung von Prognosen berücksichtigt werden.

Grundsätzliche Überlegungen

Konjunkturprognosen werden üblicherweise auf der Grundlage saisonbereinigter Daten erstellt. Die Saisonbereinigungsverfahren schalten jahreszeitlich übliche Schwankungen der Wirtschaftsaktivität aus. Sie knüpfen allerdings nicht an Faktoren an, die diese jahreszeitlichen Schwankungen erklären könnten, wozu auch das Wetter gehört, sondern sind reine Zeitreihenverfahren. Gewissermaßen bereinigen die Verfahren ökonomische Zeitreihen um die Effekte eines „durchschnittlichen Winters“, wobei – je nach verwendeter Bereinigungsmethode in unterschiedlichem Maße – Veränderungen des Saisonmusters im Zeitverlauf berücksichtigt werden. Bei ungewöhnlichen Wetterkonstellationen gelingt dies aber nur unzureichend. Für den Konjunkturanalytiker stellt sich dann das Problem, dass er anhand der saisonbereinigten Daten ohne zusätzliche Information nicht unterscheiden kann, inwieweit die Daten die Konjunktur widerspiegeln oder eine Abnormität des Wetters.

Es ist zu vermuten, dass solche Unsicherheiten insbesondere bei den im Frühjahr erstellten Prognosen auftreten, denn im Jahresverlauf korrigieren sich wetterbedingte Verwerfungen gewissermaßen automatisch. Verdeutlicht werden soll dies am Beispiel der Bautätigkeit. War z.B. der Winter, also in der Regel das erste Quartal, ausgesprochen mild, findet das Saisonbereinigungsverfahren in den Daten nicht den während eines Winters üblicherweise beobachteten Rückgang der Bautätigkeit. Dies führt dazu, dass ein starker Anstieg der saisonbereinigten Bauinvestitionen im ersten Quartal ermittelt wird. Nach einem solchen milden Winter kommt es aber auch nicht zu dem sonst üblichen Frühjahrsaufschwung. Die Folge ist, dass die saisonbereinigten Bauinvestitionen im zweiten Quartal schwach sind, möglicherweise sogar fallen (vgl. Abbildung 1). Während besonders strengen Wintern treten die Effekte mit umgekehrten Vorzeichen auf, wie Abbildung 1 verdeutlicht. In den Folgequartalen ist der Wintereffekt aus den Daten verschwunden, so dass er die Prognosen, die nach Veröffentlichung der Daten für das zweite Quartal erstellt werden, also etwa ab Ende August, nicht mehr beeinflussen dürfte. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich daher auf die im Frühjahr und Frühsommer erstellten Prognosen.2 Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die Entwicklung ähnlich, aber weniger stark ausgeprägt.

Abbildung 1
BIP und Bauinvestitionen in strengen und milden Wintern
Veränderungen gegenüber dem Vorquartal in %
31272.png

1 Gemessen am Temperaturdefizit (vgl. Abbildung 2), Durchschnitt der Jahre 1996, 2006 und 2010.

2 1998, 2007 und 2008.

Quelle: eigene Berechnungen.

Methode und Daten

Konjunkturanalytiker sind selbstverständlich bemüht, Wettereinflüsse in ihren Prognosen zu berücksichtigen. Ob ihnen dies aber gelingt, ist schwer zu sagen, da ex­treme Wetterlagen selten sind und man sich deshalb bei ihrer Einschätzung auf wenige, eher anekdotische Evidenzen stützen muss. Um zu überprüfen, wie erfolgreich Wettereffekte in Konjunkturprognosen integriert werden, bietet sich ein erweiterter Mincer-Zarnowitz-Test an.3 Bei diesem wird die beobachtete Veränderungsrate der zu prognostizierenden Größe (R) auf die prognostizierte Veränderungsrate (P) regressiert.

Rt = ß0 + ß1 · Pt + εt (1)

εt ist dabei ein Fehlerterm mit den üblichen Annahmen. Danach kann eine Prognose als effizient bezeichnet werden, wenn ß0 = 0 und gleichzeitig ß1 = 1 ist. Nur dann ist die Prognose zum einen unverzerrt, zum anderen liefert sie eine lineare Abbildung der Wirklichkeit. Erweitert man diesen Test um eine exogene Variable, kann man überprüfen, ob in der Prognose die in dieser Variable enthaltenen Informationen zutreffend umgesetzt wurden. Hier ist diese zusätzliche Variable ein Indikator für die Wetterverhältnisse im ersten Quartal (W).

Rt = ß0 + ß1 · Pt + ß2 · Wt + εt  (2)

Soll die Prognose insgesamt auf Effizienz getestet werden, lautet die Nullhypothese ß0 = 0; ß1 = 1; ß2 = 0.4 Da hier aber der Wettereinfluss im Mittelpunkt steht, wird als einfachere Variante nur getestet, ob ß2 = 0 gilt. Wenn dies der Fall ist, bedeutet es, dass die in den Wettervariablen enthaltenen Informationen in der Prognose berücksichtigt sind.

Die Konstruktion einer geeigneten Messziffer für die Wetterverhältnisse ist nicht einfach. Angaben z.B. zu den Durchschnittstemperaturen sind nicht geeignet, weil es für die wirtschaftliche Aktivität wahrscheinlich unerheblich ist, ob die Außentemperatur 10°C oder 20°C beträgt, während die – gleich große – Differenz zwischen +5°C und -5°C einen erheblichen Unterschied machen dürfte. Das RWI verwendet für seine laufende Konjunkturbeobachtung einen Messansatz, der dies berücksichtigt. Die Variable „Temperaturdefizit“ gibt an, um wieviel Grad die Durchschnittstemperatur eines Monats einen vorgegebenen Schwellenwert unterschreitet. Für die folgenden Rechnungen wird dieser Schwellenwert auf 7,5°C festgelegt. Die Variable ist damit so skaliert, dass hohe Werte für besonders kalte Temperaturen stehen. Ermittelt wird dieses Temperaturdefizit zunächst für 48 Wetterstationen in Deutschland. Diese decken zwar alle Regionen ab, sind aber nicht gleichmäßig über ganz Deutschland verteilt. Deshalb werden zunächst Durchschnitte der ermittelten Temperaturdefizite für die Bundesländer berechnet und daraus ein gewichteter Durchschnitt für Deutschland gebildet, wobei die Einwohnerzahlen der Länder als Gewichte dienen. Betrachtet wird hier das zusammengefasste Temperaturdefizit der Monate Januar bis März.

Einen anderen Ansatz bietet der ifo-Konjunkturtest für die Bauwirtschaft. In dessen Rahmen werden Unternehmen befragt, in welchem Maße ihre Bautätigkeit durch das Wetter behindert wird. Hohe Werte stehen für eine starke Behinderung, niedrige für eine nur geringe. Hier werden die Indexwerte für die Monate Januar bis März zusammengezählt.

Um beide Variablen besser vergleichen zu können, werden sie um Mittelwert und Standardabweichung bereinigt. Abbildung 2 zeigt, dass ihr Verlauf sehr ähnlich, aber nicht völlig übereinstimmend ist. Dies könnte darauf hinweisen, dass niedrige Temperaturen nicht immer in gleichem Maße als Behinderung der Bautätigkeit empfunden werden, was sich natürlich im Nachhinein als Fehleinschätzung herausstellen kann. Die auffälligste Abweichung zwischen beiden Reihen ergibt sich für den Winter 2011, der nach der Temperaturbeobachtung eher ein durchschnittlicher Winter war, in dem aber sehr viele Bauunternehmen wetterbedingte Behinderungen berichteten. Die saisonbereinigten Bauinvestitionen sprechen eher für einen durchschnittlichen Winter.

Abbildung 2
Wetterbedingte Behinderungen der Bauwirtschaft und Temperaturdefizit im 1. Quartal
um Mittelwert und Standardabweichung bereinigte Werte
31531.png

Quelle: eigene Berechnungen.

Getestet wird nun, ob die Prognosefehler der Frühjahrs­prognosen im Zeitverlauf signifikant mit den beiden Wettervariablen korrelieren. Betrachtet werden dazu die zwischen 1991 und 2012 erstellten Prognosen der jahresdurchschnittlichen Veränderung des realen BIP und – da sie besonders von Witterungseffekten betroffen sein dürften – der Bauinvestitionen im gleichen Jahr. Bis 1994 beziehen sich die Prognosen auf Westdeutschland, danach auf Gesamtdeutschland. Als realisierte Werte dienen die jeweils im Februar des Folgejahres veröffentlichten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

Dabei werden acht Prognosen betrachtet: Zum einen die des IWF aus dem World Economic Outlook vom Frühjahr, die der Gemeinschaftsdiagose vom Frühjahr und die üblicherweise Ende April veröffentlichte Prognose der Europäischen Kommission. Diesen drei Prognosen ist gemein, dass die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das erste Quartal zum Zeitpunkt der Erstellung noch nicht vorliegen und die Einschätzung dieses Quartals auf Indikatoren gestützt erfolgt. Zum anderen werden die zwischen Mai und Juli erstellten Prognosen der OECD, des Instituts für Weltwirtschaft, Kiel (IfW), des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), des ifo Instituts, München (ifo) und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) betrachtet.5 Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Prognosen liegen die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das erste Quartal bereits vor.

Tabelle 1
Test auf Effizienz von Konjunkturprognosen1 bezüglich Informationen zum Wetter im 1. Quartal
t-Statistiken, 1991 bis 2012
  Brutto­inlandsprodukt Bau­investitionen
Temperatur­defizit ifo-Bau­umfrage Temperatur­defizit ifo-Bau­umfrage
IWF 1,60 2,18** - -
Gemeinschaftsdiagnose 2,13** 2,83** 2,81** 2,87***
Europäische Kommission 2,10** 3,06*** 0,96 1,28
OECD 3,11*** 3,37*** - -
DIW Berlin 3,06*** 3,20*** 2,92*** 3,80***
Institut für Weltwirtschaft 3,07*** 3,25*** 2,24** 2,43**
RWI 1,58 2,20** 2,40** 2,67**
ifo Institut 2,97*** 3,35*** 2,90*** 3,32***

1 Prognosen, die zwischen April und Juli erstellt wurden; */**/*** Signifikant auf dem 90/95/99%-Niveau.

Quelle: eigene Berechnungen.

Ergebnisse und deren Robustheit

Tabelle 1 gibt die Ergebnisse des Effizienztests wieder, wobei sich die Darstellung auf die t-Statistik der Wettervariable beschränkt.6 Sie zeigt, dass bei fast allen Prognosen der Einfluss der Wettervariablen mindestens auf dem 95%-Niveau statistisch signifikant ist, Ausnahmen bilden lediglich die BIP-Prognosen des IWF und des RWI in Bezug auf die Temperaturdefizit-Variable sowie die Prognose der Bauinvestitionen durch die EU. Das Vorzeichen der Wettervariablen ist in allen Fällen positiv, was bedeutet, dass nach besonders kalten Wintern die Prognosen tendenziell zu pessimistisch sind und umgekehrt. Dabei fällt auf, dass die t-Werte im Falle der später erstellten Prognosen in der Regel höher sind.

Bei der Prognose der Europäischen Kommission werden allem Anschein nach Wettereinflüsse in der Prognose der Bauinvestitionen zutreffend berücksichtigt; beide Wettervariablen üben in dem Test keinen signifikanten Einfluss aus. Gleichwohl findet man einen deutlichen Einfluss des Wetters in den Tests für das BIP. Dies lässt darauf schließen, dass Wetterinformationen nicht auf allen Stufen der Erstellung der Prognose berücksichtigt werden.

Die Zahl der Beobachtungen ist allerdings mit jeweils 22 Prognosen verhältnismäßig gering, und extreme Wetterlagen sind eher selten. Daher könnten die gefundenen Zusammenhänge auch auf das zufällige Zusammentreffen extremer Witterungsverhältnisse einerseits, hoher Differenzen zwischen Prognose und Realisation andererseits zurückzuführen sein. Daher wurden zusätzliche Schätzungen durchgeführt, um die Robustheit der Ergebnisse zu testen (vgl. Tabelle 2). Bei der ersten wurde das Jahr 1996 ausgeschlossen, weil dort die Wettervariable den mit Abstand höchsten Wert im Untersuchungsbereich aufweist. Bei der zweiten wird das Jahr 2010 ausgeschlossen, weil dort die Prognosefehler besonders groß waren. Zum einen wurde die Stärke des Aufschwungs nach der Rezession allgemein unterschätzt, zum anderen war zugleich der Winter vergleichsweise streng.

Tabelle 2
Test auf Effizienz von Konjunkturprognosen1 bezüglich Informationen zum Wetter, Robustheitstest
t-Statistiken, 1991 bis 2012
  Temperatur­defizit ifo-Bau­umfrage
  ohne 1996 ohne 2010 ohne 1996 ohne 2010
  BIP Bau BIP Bau BIP Bau BIP Bau
IWF 1,66 - 1,21 - 2,23** - 2,00* -
Gemeinschaftsdiagnose 1,73 2,85*** 2,27** 2,35** 2,59** 2,79** 2,59** 2,47**
Europäische Kommission 1,62 0,81 2,41** 0,68 2,71** 1,20 3,42*** 1,00
OECD 2,39** - 2,77** - 2,81** - 1,99* -
DIW Berlin 2,48** 4,94*** 3,95*** 2,50** 2,74** 3,85*** 2,11** 3,28***
Institut für Weltwirtschaft 2,47** 2,56** 3,20*** 1,98* 2,62** 2,29** 1,83* 2,10**
RWI 1,64 3,10*** 1,38 2,06* 2,15** 2,68** 1,45 2,22**
ifo Institut 2,72** 3,16*** 3,53*** 2,51** 2,93*** 3,11*** 2,29** 2,82**

1 Prognosen, die zwischen April und Juli erstellt wurden; */**/*** Signifikant auf dem 90/95/99%-Niveau.

Quelle: eigene Berechnungen.

In den meisten Fällen bleibt der Einfluss der beiden Wettervariablen erhalten. In wenigen Fällen, z.B. bei der BIP-Prognose des DIW in Bezug auf das Temperaturdefizit und bei der BIP-Prognose der EU in Bezug auf die ifo-Bauumfrage, ist der t-Wert bei Auslassung des Jahres 2010 sogar höher. Nur in wenigen Fällen üben die Wettervariablen keinen Einfluss mehr aus, wobei dies eher beim Temperaturdefizit zu beobachten ist. Dies betrifft überwiegend die bereits relativ früh im Jahr erstellten Prognosen. Bei den später erscheinenden Prognosen, die bereits die Angaben zum saisonbereinigten BIP im ersten Quartal berücksichtigen, ist der Effekt deutlich robuster.

Nun bedeutet die Tatsache, dass ein Zusammenhang statistisch signifikant ist, noch lange nicht, dass er auch eine für die Praxis relevante Größenordnung erreicht. Wie weit sich die Treffsicherheit der Prognosen durch eine effizientere Nutzung von Wetterdaten verbessern lässt, ist bei dem gewählten Untersuchungsansatz allerdings nur annährend zu quantifizieren. Dies liegt daran, dass nicht alle Prognosen effizient sind im Sinne von Gleichung (1), und dass die Erweiterung des Tests um die Wettervariablen in Gleichung (2) auch die Schätzung von ß0 und ß1 beeinflusst. Errechnet man unter Verwendung der rechten Seite von Gleichung (2) eine korrigierte Prognose, so verringert sich bei Verwendung der ifo-Wettervariablen der Mittlere Absolute Fehler (MAF) der hier betrachteten BIP-Prognosen von im Durchschnitt 0,57 um knapp ein Zehntel auf 0,50. Bei den Prognosen der Bauinvestitionen ist der Effekt größer. Hier verbessert sich der MAF von 2,08 auf 1,75 im Durchschnitt, sofern man die Prognose der EU außen vor lässt, für die kein Witterungseinfluss festgestellt wurde. Der größte Teil der Verbesserung dürfte auf den Wettereinfluss zurückzuführen sein. Setzt man nämlich die Wettervariable für alle Jahre auf 0, so würde sich der MAF beim BIP nur um nur 0,02 und bei den Bauinvestitionen nur um 0,07 verringern. Allerdings dürfte die Zurechnung der Effekte aus den genannten Gründen nicht exakt sein.

Schlussfolgerungen

Die hier präsentierten Rechnungen zeigen, dass die Konjunkturprognosen wichtiger Institutionen für Deutschland in den vergangenen beiden Jahrzehnten allem Anschein nach die Informationen zum Wetter im ersten Quartal nicht hinreichend berücksichtigt haben. In der Folge waren die betrachteten, im Frühjahr und im Frühsommer erstellten Prognosen nach ungewöhnlich milden Wintern tendenziell zu optimistisch, während sie nach außergewöhnlich strengen Wintern eher zu pessimistisch waren. Da im ersten Quartal 2014 das Wetter in Deutschland außergewöhnlich mild war, besteht auch in diesem Jahr die Gefahr, dass die Prognosen für Deutschland etwas zu optimistisch ausfallen.

Um das Problem künftig zu vermeiden, sollten zwei Ansätze verfolgt werden. Erstens sollten Prognostiker Wettervariablen explizit und systematisch bei ihren Prognosen berücksichtigten, beispielsweise in ihren jeweiligen Prognosemodellen. Fallweise geschieht dies durchaus,7 ob hinreichend systematisch muss anhand der gefundenen Ergebnisse bezweifelt werden. Zweitens sollte man Verfahren entwickeln, die witterungs-sensitive Zeitreihen wie die Bauproduktion nicht nur mit reinen Zeitreihenansätzen, sondern ursachenadäquat unter der Verwendung von Wettervariablen bereinigen.8 Da diese in der Regel früher vorliegen als die zu bereinigenden Reihen, dürften solche Ansätze empirisch keine Probleme bereiten.

Der Verfasser dankt György Barabas, Ullrich Heilemann, Martin Micheli, Sabine Weiler und Lina Zwick für hilfreiche Anmerkungen zu früheren Fassungen des Papiers. György Barabas entwickelte das Konzept des Temperaturdefizits zur Messung von Wetterschwankungen.

  • 1 Zum Konzept der Informationseffizienz vgl. auch R. Döhrn: Improving Business Cycle Forecasts’ Accuracy – What Can We Learn from Past Errors?, RWI Discussion Paper, Nr. 51, 2006.
  • 2 Solche Effekte sollten sich auch ergeben, wenn der Winter früh einsetzt bzw. das Wetter im November und Dezember sehr mild war. Auswirkungen solcher ungewöhnlicher Wetterkonstellationen im November und Dezember auf die Prognosefehler der im Winter erstellten Prognosen ließen sich bei den hier untersuchten Prognosen allerdings nicht feststellen.
  • 3 Vgl. J. Mincer, V. Zarnowitz: The Evaluation of Economic Forecasts, in: J. Mincer (Hrsg.): Economic Forecasts and Expectations, NBER, New York 1996.
  • 4 Vgl. K. Holden, D. A. Peel: On testing unbiasedness and efficiency of forecasts, in: Manchester School, 58. Jg. (1990), Nr. 2, S. 120-127.
  • 5 Davon veröffentlichen allerdings der IWF und die OECD keine bzw. nicht für alle Jahre Prognosen der Bauinvestitionen.
  • 6 Die Fehlerstreuungen werden mit Hilfe eines Heteroskedastie- und Autokorrelations-konsistenten Schätzers ermittelt.
  • 7 Vgl. R. Döhrn et al.: Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Aufschwung setzt sich fort, in: RWI Konjunkturbericht, 64. Jg. (2013), S. 50. F. Fichtner et al.: Frühjahrsgrundlinien 2014: Konjunktur weiter klar aufwärts gerichtet, in: DIW Wochenbericht, 81. Jg. (2014), H. 11, S. 211-213.
  • 8 Solche Verfahren wurden, wie Bell und Hilmer ausführen, in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts durchaus diskutiert, haben aber danach keine große Rolle gespielt. W. R. Bell, S. C. Hillmer: Issues involved with the Seasonal Adjustment of Economic Time Series, in: Journal of Business & Economic Statistics, 2. Jg. (1984), H. 4, S. 301. Daran scheint sich seitdem wenig geändert zu haben. Allerdings weckte die tiefe Rezession der Jahre 2008/2009 das Interesse an Verbesserungen der Saisonbereinigungsverfahren. Da der Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität insbesondere während der Wintermonate zu spüren war, wurde er von den Saisonbereinigungsverfahren zum Teil als saisonale Erscheinung interpretiert. Vgl. J. H. Wright: Unseasonal seasonals? Paper presented at the Fall 2013 Brookings Panel on Economic Activity, Brookings Institution, 19.-20.9.2013, Washington DC.

Title:Why Economists Making Short Term Forecasts Should Look at the Weather Report Carefully

Abstract:Certainly, economic activity is influenced by weather conditions. In short term economic forecast, normal weather fluctuations over the year are covered by using seasonally adjusted figures. However, they are calculated by time series methods and do not take into account specific weather conditions such as unusually mild or cold winters. In particular in the first quarter of a year, it is often difficult to identify whether short term shifts in economic activity are due to cyclical reasons ore merely reflect specific weather conditions. The paper shows that this uncertainty leads to biased forecast. After mild winters forecasts of GDP and investment in construction tend to be over optimistic whereas they are too pessimistic after atypically cold winters.

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DOI: 10.1007/s10273-014-1701-y

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