Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Der demografische Wandel ist für alle OECD-Länder eine Herausforderung. Steigende Lebenserwartung und, in den meisten Ländern, sinkende Geburtenraten stellen alle sozialen Sicherungssysteme, insbesondere aber die Alterssicherungsysteme vor die Frage, wie langfristig der Lebensstandard einer wachsenden Zahl von Ruheständlern gesichert werden kann. Hinzu kommt, dass einige OECD-Länder aufgrund der Wirtschaftskrise erheblichen Konsolidierungsbedarf im Bereich öffentlicher Finanzen haben. In vielen Ländern, insbesondere in Europa, sind die Renten einer der größten Posten im Budget und daher im Visier der Finanzpolitiker.

Alle Länder befinden sich dabei im Zielkonflikt, ihre Rentensysteme langfristig auf einen Pfad finanzieller Nachhaltigkeit zu bringen, ohne dadurch die soziale Nachhaltigkeit zu gefährden. Die Verringerung der Altersarmut in den letzten Jahrzehnten ist eine der größten sozialpolitischen Errungenschaften in den OECD-Ländern. Insofern stellt sich die Frage, wie dieser Erfolg beibehalten werden kann, ohne jüngere Generationen übermäßig zu belasten.

Wo stehen die OECD-Rentensysteme heute?

Nationale und europäische Projektionen sagen einen Anstieg der öffentlichen Ausgaben für Alterssicherung in den OECD-Ländern von durchschnittlich 9,3% des BIP im Jahr 2010 auf 11,7% im Jahr 2050 voraus (vgl. Abbildung 1).1 Nach gegenwärtigen Schätzungen werden dann die höchsten Ausgaben in Luxemburg, Slowenien, Belgien und Österreich erreicht. Aber auch Korea, heute eines der jüngsten OECD-Länder mit sehr niedrigen Ausgaben für die Alterssicherung, befindet sich in einem sehr rapiden Alterungsprozess, ausgelöst durch rasante Zuwächse in der Lebenserwartung bei gleichzeitigem Verfall der Geburtenraten. Insofern wird sich das Land auf hohe Steigerungen der Rentenausgaben einstellen müssen.

Abbildung 1
Finanzielle Nachhaltigkeit: zukünftige Rentenausgaben im OECD-Vergleich
in % des BIP
31778.png

Quelle: OECD: Pensions at a Glance 2013, Paris 2013.

Während zwischen 1990 und Anfang der 2000er Jahre viele Länder Rentenleistungen durch Anpassung der Rentenformeln kürzten, konzentrieren sich die Reformen heute vor allem auf die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Zwischen 2007 und 2013 ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern zwischen 55 und 64 Jahren in vielen OECD-Ländern stark angestiegen, insbesondere in Deutschland von 51,3% auf 63,5% und in den Niederlanden von 48,8% auf 60,1% (vgl. Abbildung 2). Spitzenreiter bleibt Island mit rund 81%, obwohl die Beschäftigungsrate dieser Altersgruppe sogar etwas gefallen ist. Auch Neuseeland, Norwegen, Schweden und die Schweiz zeigen mit Beschäftigungsraten um die 70%, dass weitere Verbesserungen möglich sind. Wie zu erwarten, gab es hingegen Rückgänge in den Krisenländern Griechenland, Spanien, Portugal und Irland. Im OECD-Durchschnitt verbesserte sich die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer nur leicht von 51,1% auf 54,9%.

Abbildung 2
Beschäftigungsraten der 55- bis 64-Jährigen, 2007 and 2013
in % aller 55- bis 64-Jährigen
31979.png

Ungewichtete Durchschnitte der 34 OECD-Länder und der 21 EU-Länder.

Quelle: OECD Labour Force Statistics database.

Ein differenzierteres Bild ergibt sich bei der weiteren Aufgliederung der Gruppe älterer Arbeitnehmer, wie in Abbildung 3 dargestellt wird. Während der Anteil der Beschäftigten im Alter zwischen 55 und 59 Jahren insgesamt noch relativ hoch ist, fällt er in einigen Ländern danach stark. In Frankreich, z.B., liegt die Beschäftigung von Personen zwischen 55 und 59 mit 67,1% über dem OECD-Durchschnitt, sinkt danach aber dramatisch auf nur 21,7%, verglichen mit einem OECD-Mittel von 44,4%. Ein ähnliches Muster ist in Dänemark zu sehen, wo die Rate von 77,7% auf 43,5% fällt.

Die Gründe für die starke Abnahme der Beschäftigung ab 60 Jahren sind von Land zu Land verschieden; in zentral­europäischen Ländern ist dies zumindest zum Teil noch die Folge von Frühverrentungswellen im Zuge der wirtschaftlichen Transformation. In den meisten Fällen jedoch spielt die Struktur der Rentensysteme, insbesondere die Möglichkeiten und Anreize den Arbeitsmarkt vorzeitig mit einer Rente oder anderen Einkommensersatzleistungen zu verlassen, eine wichtige Rolle. Längeres Arbeiten führt in den meisten Ländern zu höheren Rentenansprüchen, wirkt also auf soziale Nachhaltigkeit hin, und hilft gleichzeitig, Ausgaben für Rentenzahlungen einzusparen und die finanzielle Nachhaltigkeit der Rentensysteme zu verbessern.

Abbildung 3
Beschäftigungsraten der 55- bis 59-Jährigen und 60- bis 64-Jährigen
in %
31790.png

Quelle: OECD: Pensions at a Glance 2013, Paris 2013.

Ein Indikator für die soziale Nachhaltigkeit von rentenpolitischen Entscheidungen ist die zukünftige Einkommensersatzrate für Arbeitnehmer, die heute in den Arbeitsmarkt eintreten und lückenlos bis zum offiziellen Rentenalter im jeweiligen Land arbeiten. Diese Projektionen, die regelmässig in der OECD-Publikation „Pensions at a Glance“ (Renten auf einen Blick) veröffentlicht werden, zeigen, dass Niedrigverdiener in einigen Ländern sehr geringe Nettoersatzraten zu erwarten haben, selbst wenn sie ein Leben lang gearbeitet und Beiträge gezahlt haben (vgl. Abbildung 4). Für Niedrigverdiener bilden Japan und Deutschland das Schlusslicht. Wegen der strengen Bindung von Beiträgen und Leistungen im deutschen Rentensystem wird in Deutschland, nur durch die vergleichsweise niedrige Grundsicherung, nicht aber durch andere einkommensabhängige Elemente im Rentensystem umverteilt. Ganz anders ist dies z.B. in Dänemark, wo Niedrigverdiener durch das Zusammenwirken von Renten- und Steuersystem in der Rente ein höheres Nettoeinkommen als im aktiven Arbeitsleben erwarten können. Heute ist in Deutschland, wie auch in vielen anderen OECD-Ländern, die Altersarmut noch kein großes Problem, was sich auch an der niedrigen Zahl der Bezieher von Grundsicherungsleistungen zeigt.2 Wenn zukünftige Beitragskarrieren jedoch mehr Lücken und Fehlzeiten aufweisen sollten, weil die Arbeitnehmer länger arbeitslos oder nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen sind, könnte das Armutsrisiko deutlich steigen.

Abbildung 4
Nettoersatzraten von Niedrig- und Druchschnittsverdienern, 20121
in %
32124.png

1 Die Nettoersatzraten sind für ein angenommenes Arbeitsleben beginnend mit 20 Jahren bis zum Renteneintrittsalter der jeweiligen Länder berechnet. Der Verdienst des Niedrigverdieners entspricht 50% des Durchschnittverdieners.

Quelle: OECD Pension Models; OECD: Pensions at a Glance 2013, Paris 2013, OECD and G20 indicators, http://dx.doi.org/10.1787/pension_glance-2013-en.

Allerdings machen die gesetzlichen Renten nur einen Teil des Einkommens in der Rente aus. Armutsrisiken werden gemessen, indem man alle Einkommen aus Sozialtransfers wie Renten und Sozialhilfeleistungen, Arbeitseinkommen und Kapitaleinkommen einbezieht. Abbildung 5 zeigt das altersspezifische Armutsrisiko (im Vergleich zum Armutsrisiko der Gesamtbevölkerung) seit Mitte der 1980er Jahre unter Berücksichtigung aller Einkommensarten. Sie illustriert den spektakulären Rückgang des Armutsrisikos für Menschen über 75 und einen deutlichen Rückgang auch für die Altersgruppe ab 65. Im Kontrast dazu steht die starke Erhöhung des Armutsrisikos für jüngere Altersgruppen, insbesondere zwischen 18 und 25 Jahren seit Mitte der 1980er Jahre. Angesichts hoher Jugendarbeitslosigkeit in vielen OECD-Ländern und einer wachsenden Zahl junger Menschen, die weder in Ausbildung oder Arbeit sind, wird verständlich, dass viele Länder heute nach einer fairen Lastenverteilung zwischen den Generationen suchen, die Situation jüngerer Altersgruppen stärker in ihre rentenpolitischen Entscheidungen einbeziehen und vermehrt Beiträge zur finanziellen Konsolidierung auch von den Rentnern selbst einfordern.

Abbildung 5
Altersspezifisches Armutsrisiko im Vergleich zum Armutsrisiko der Gesamtbevölkerung
Totale Armutsrate = 100
32265.png

Quelle: OECD Income Distribution Database, http://oe.cd/idd.

Die jüngsten Rentenreformen in OECD-Ländern

Die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen machen Rentenreformen in vielen OECD-Ländern derzeit zur Herausforderung. Anhaltend schwaches Wirtschaftswachstum und hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern, insbesondere in jüngeren Altersgruppen, sowie Druck auf die öffentlichen Finanzen haben die Rentenreformen dringlicher, gleichzeitig aber schwieriger gemacht. Einige der Reformen, insbesondere in europäischen Ländern, wurden vor allem aus kurzfristigen Budgetgründen durchgeführt. In anderen Fällen wurden Rentensysteme in einer längerfristigen Perspektive mit dem Ziel struktureller Änderungen reformiert.

Kapitalgedeckte Systeme, die z.B. in Australien, der Schweiz, den Niederlanden oder Großbritannien wichtiger Bestandteil des gesetzlichen Rentensystems sind, haben mit niedrigen Zinsen und schwachen Erträgen auf das angesparte Alterssicherungskapital zu kämpfen. Dasselbe gilt für die Investitionen und Erträge von Sicherungskapital für Betriebsrenten. Arbeitnehmer haben überdies in vielen Fällen durch die Krise das Vertrauen in den Finanzsektor verloren. Hier spielt auch eine Rolle, dass die Verwaltungsgebühren für private Renten oft so hoch sind, dass nach Kostenabzug von den bereits geringen Erträgen wenig oder nichts übrigbleibt.

Gleichzeitig sorgen sich viele Regierungen, insbesondere in krisengeschüttelten Ländern, wie zukünftige Rentenansprüche einer Generation angesichts hoher sozialer Risiken von Arbeitslosigkeit und manchmal prekärer Beschäftigung langfristig gesichert werden können. Auch die Rentenansprüche von Frauen, die häufig in Teilzeit arbeiten, geben in manchen Ländern Anlass zur Sorge über künftige Altersarmut von Rentnerinnen.

Maßnahmen zur Verbesserung der finanziellen Nachhaltigkeit

In vielen OECD-Ländern wurde im Laufe der letzten Jahre das gesetzliche Rentenzugangsalter erhöht. Hatten vor zehn Jahren noch viele Länder ein langfristig programmiertes Standardrentenalter unter 65 Jahren, so ist das heute die Ausnahme: nur in Chile, Israel und der Schweiz werden nach derzeitiger Gesetzgebung Frauen künftig noch vor 65 eine Altersrente bekommen; für Männer gilt ausnahmslos 65 Jahre und älter. In Dänemark und Italien wird langfristig ein Rentenalter von 69 Jahren erreicht und in Tschechien soll das Rentenalter langfristig mit der Lebenserwartung jedes Jahr um zwei Monate steigen, d.h. es soll in Zukunft keine fixe Regelaltersgrenze mehr geben.3

Eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung gab es allerdings in Deutschland und Frankreich. Beide Länder senkten die Regelaltersgrenze für langjährig Versicherte. Obwohl es sich in beiden Fällen um temporäre Maßnahmen handelt, die über die nächsten Jahre wieder zurückgenommen werden, haben solche politischen Entscheidungen Signalwirkungen, die einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit und höherer Beschäftigung älterer Arbeitnehmer entgegenwirken.

Heute allerdings gelten in vielen Ländern noch niedrigere Regelaltersgrenzen, von beispielsweise 59 für Frauen in der Türkei und 60 in Österreich und Polen; Männer können heute noch in Korea und der Türkei mit 60 und in einigen anderen europäischen Ländern um das Alter 62 offiziell in Rente gehen. Außerdem erreichen die Arbeitnehmer in den wenigsten Ländern mehrheitlich die Regelaltersgrenze, wie die oben diskutierten Trends in der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zeigen. Das effektive Rentenalter, d.h. das Alter in dem die Arbeitnehmer im Durchschnitt den Arbeitsmarkt dauerhaft verlassen, lag 2012 im OECD-Durchschnitt bei 64,2 Jahren für Männer und bei 63 Jahren für Frauen und damit nur geringfügig unter der durchschnittlichen Regelaltersgrenze. Hinter diesen durchschnittlichen Werten verbergen sich jedoch große länderspezifische Unterschiede: in Luxemburg, Belgien und Frankreich verließen Männer 2012 den Arbeitsmarkt vor dem 60. Geburtstag, während sie in Schweden und der Schweiz bis zum Alter von 66 Jahren und in Japan bis 69 arbeiteten. In Deutschland lag das effektive Rentenalter bei 62,1 Jahren für Männer und bei 61,6 Jahren für Frauen.4

Anders als in frühen Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wurde in OECD-Ländern diesmal die Frühverrentung nur selten zur Bewältigung von Arbeitsmarktproblemen genutzt. Im Gegenteil beschränkten viele Länder weiter den Zugang zu Frührenten und verbesserten die Anreize zum längeren Arbeiten durch die Art der Anrechnung späterer Jahre in den Rentenformeln. Durch die Erhöhung der Regelaltersgrenzen wurde in einigen Ländern auch die Diskussion über Schwer- und Schwerstarbeit wiederbelebt. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie realistisch es ist anzunehmen, dass alle oder zumindest die große Mehrheit der Arbeitnehmer bis zu diesen höheren Altersgrenzen auch tatsächlich in Beschäftigung bleiben können. So wurden in Österreich und Frankreich beispielsweise in den letzten Jahren neue Regelungen zur Berücksichtigung von Schwerstarbeit beim Rentenzugang eingeführt.

Darüber hinaus wird zunehmend diskutiert, inwiefern sozio-ökonomische Unterschiede im Gesundheitszustand und in der Lebenserwartung in rentenpolitische Entscheidungen einbezogen werden sollten. In Finnland beispielsweise leben Männer mit hohem Bildungsgrad im Durchschnitt rund fünf Jahre länger als solche mit niedrigem Bildungsgrad.5 Die in vielen Ländern zunehmenden Ungleichheiten bei Arbeitsmarktbeteiligung, Einkommen, Bildungsgrad und Gesundheitszustand werden sich mittel- und langfristig auch in der Rente und im Alterseinkommen niederschlagen. Allerdings sind die Rentensysteme allein mit dem Ausgleich dieser Ungleichheiten überfordert. Sie werden nur durch eine umfassende sozialpolitische Strategie gelöst werden können, die Ungleichheiten früh identifiziert und angeht, anstatt die Probleme in die Zukunft zu verschieben.

Ein weiterer Reformtrend in OECD-Ländern ist die Einführung von regelgebundenen Anpassungen im Rentensystem, wie z.B. die Koppelung von Rentenalter, Leistungshöhe und/oder den für eine Vollrente nötigen Beitragsjahren an die Lebenserwartung oder an ökonomische Variablen, wie die Entwicklung der Löhne (in Schweden), der Lohnsumme (in Polen) oder des Wirtschaftswachstums (in Italien). Auch in Deutschland gibt es durch den Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel eine solche regelgebundene Anpassung. Inwiefern diese Reformen langfristig die finanzielle Nachhaltigkeit verbessern können, wird davon abhängen, ob gleichzeitig die soziale Nachhaltigkeit gewährleistet werden kann. Wenn diese automatischen Anpassungsmechanismen zu deutlich niedrigeren Renten führen sollten, ist anzunehmen, dass entweder zusätzliche Sicherungsmaßnahmen gegen Altersarmut eingeführt oder die automatischen Anpassungsmechanismen aufgeweicht werden.

Wurden zu Beginn der Krise in einigen Ländern Sonderleistungen an Rentner gezahlt, um die Wirtschaft anzukurbeln,6 hat sich der Trend in den letzten Jahren umgekehrt. Nur in seltenen Fällen, und nur in den am stärksten von der Krise betroffen Ländern, wurden Rentenleistungen direkt gekürzt. Wo das geschah, waren meistens Zusatzleistungen betroffen, so wie der Zuschlag für einkommensschwache Rentner in Griechenland. Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit und erhöhter Armutsrisiken für jüngere Altersgruppen, wurde zunehmend eine Beteiligung auch der Rentner an der finanziellen Konsolidierung eingefordert. Daher setzten manche Länder die automatische Anpassung der Renten an die Inflation oder an die Lohnentwicklung zeitweilig aus (Griechenland), erhöhten die Renten in geringerem Maß als zuvor (Tschechien, Finnland, Polen) oder staffelten die Anpassung nach Einkommenshöhe (Frankreich, Italien). Ungarn und die Slowakei führten neue Berechnungsformeln für die Anpassung ein, während Spanien und Luxemburg eine Koppelung der Rentenanpassung an die Beiträge und Finanzen des gesetzlichen Rentensystems einführten. Allerdings waren die Einsparungen durch ausgesetzte oder reduzierte Rentenanpassungen in vielen Ländern aufgrund niedriger Inflationsraten gering und trugen weniger zur Konsolidierung bei als erhofft.

Eine weitere Möglichkeit, die Rentner an der Haushaltskonsolidierung zu beteiligen, ist, die Renten stärker zu besteuern, höhere Beiträge für die Kranken- oder Pflegeversicherung der Rentner einzuziehen, oder Steuerabzüge, insbesondere für freiwilliges Alterssparen, einzuschränken. Viele Länder, von Australien bis Kanada, Frankreich, Irland und Schweden nutzten diese Möglichkeiten, um die staatlichen Ausgaben für Alterssicherung zu begrenzen.

In einigen zentraleuropäischen Ländern lösten die Wirtschaftskrise und der Schuldendruck eine Umkehr in der Rentenpolitik aus. Ungarn und Polen hatten in den 1990er Jahren ihre Rentensysteme von rein umlagefinanzierten öffentlichen Modellen in Mischsysteme mit umlagefinanziertem Teil und kapitalgedecktem privaten Rentenfonds umgewandelt. Diese Transformation verursachte Übergangskosten, da das Alterssicherungssystem Renten an Ruheständler zahlte, aber gleichzeitig ein Teil der Beiträge der noch aktiven Generationen für das Alter im privaten System angespart wurden. Hohe Staatsschulden und oft enttäuschende Ergebnisse der privaten Rentenfonds aufgrund niedriger Verzinsung und hoher Verwaltungskosten, gepaart mit einem generellen Vertrauensverlust in den Finanzsektor, veranlassten Ungarn und Polen das Rad zurückzudrehen. In Ungarn wurden die Bedingungen für die Teilnahme am privaten System so unattraktiv gemacht, dass die private Säule dadurch de facto abgeschafft wurde. In Polen wurde das private System beibehalten, die Beitragssätze zu den privaten Rentenfonds aber gesenkt, um einen größeren Teil des Beitragsaufkommens in das öffentliche Rentensystem fließen zu lassen. In Estland wurden die Beiträge zur privaten Säule hingegen nur während der Krise vorübergehend gesenkt.

Reformen für die soziale Nachhaltigkeit der Renten

Die Einsparungen in den gesetzlichen Rentensystemen wurden in einigen Ländern durch Maßnahmen zur Sicherung der sozialen Nachhaltigkeit der Rentenpolitik flankiert. So wurden beispielsweise in Irland, Japan und Luxemburg die sozialen Sicherungsnetze gegen Altersarmut gestärkt und die Leistungen für einkommensschwache Rentner erhöht.

Dort, wo Rentensysteme stark von kapitalgedeckten privaten Renten bestimmt sind, wie z.B. in Australien und in der Schweiz, wurden zur Sicherung ausreichender Altersleistungen häufig die obligatorischen Beitragssätze sowie die vorgeschriebenen Beitragszeiten erhöht. Da Beiträge und Leistungen in diesen Systemen eng gekoppelt sind, können diese Änderungen zu höheren Renten führen, vorausgesetzt, dass die Arbeitnehmer kontinuierlich in die Systeme einzahlen.

Um den Deckungsgrad und die Reichweite freiwilliger privater Renten zu erhöhen, haben Großbritannien, Neuseeland und Chile in den letzten Jahren sogenannte „Opt-out“-Modelle eingeführt. Danach sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, ihre Beschäftigten automatisch in ein privates Alterssicherungssystem einzuschreiben; sollten die Arbeitnehmer nicht teilnehmen wollen, können sie die Teilnahme jedoch kündigen. Da Arbeitnehmer häufig keine Entscheidung zur Änderung des Status quo treffen werden, hat sich diese Maßnahme als wirksames Mittel erwiesen, die Reichweite privater Rentensysteme auszubauen.7 Andere Länder, in denen private Renten aufgrund begrenzter öffentlicher Systeme eine wichtige Rolle spielen, wie beispielsweise Irland, überlegen deshalb, ähnliche Regelungen einzuführen.

Da viele private Rentensysteme in OECD-Ländern noch relativ „jung“ sind und oft nur niedrige Altersersparnisse haben, ist die Frage nach den Auszahlungsmodalitäten privater Rentenersparnisse bisher noch nicht in den Vordergrund der rentenpolitischen Diskussion gerückt. In Zukunft wird dieses Thema allerdings immer wichtiger werden. Einige Länder erlauben Rentnern, den größten Teil der Ersparnisse auf einmal abzuziehen, ohne dies an irgendwelche Bedingungen der Verwendung zu knüpfen. Leibrentenverträge, die ein lebenslanges monatliches Einkommen sichern, sind teuer und wenig beliebt. Die Diskussion darüber, ob man Rentner verpflichten sollte, die Altersersparnisse vollständig in Leibrenten zu verwandeln, ab welchem Alter dies geschehen sollte, und wie man am besten die Kosten solcher Versicherungsverträge senken kann, beginnt jetzt in einigen Ländern, wie z.B. in Australien und Großbritannien. Damit verbunden ist auch die Frage, inwieweit die Nutzung von Immobilienbesitz durch umgekehrte Hypotheken staatlich gefördert werden kann. Solche Finanzinstrumente werden bislang noch wenig angeboten und nachgefragt, könnten aber in Zukunft zur Finanzierung des Ruhestandes und insbesondere auch eventueller Pflegekosten beitragen.8

  • 1 OECD: Pensions at a Glance 2013, Paris 2013.
  • 2 Der Anteil der Bezieher von Grundsicherungsleistungen in Deutschland liegt derzeit bei 3% der über 65-Jährigen, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2014/11/PD14_384_221.html.
  • 3 OECD: Pensions at a Glance 2013, a.a.O.; OECD: Pensions Outlook 2014, Paris 2014.
  • 4 OECD-Schätzungen auf Basis europäischer und nationaler Arbeitskräfteerhebungen, vgl. OECD: Pensions at a Glance, Indikator 3.8 (www.oecd.org/pensions/pensionsataglance.htm).
  • 5 OECD: Health Data 2014, Paris 2014.
  • 6 OECD: Pensions at a Glance 2009, Paris 2009.
  • 7 OECD: Pensions Outlook 2014, a.a.O.
  • 8 OECD: Pensions at a Glance 2013, a.a.O.; OECD: Help Wanted 2011, Paris 2011.

Title:Pension Reforms - the International Perspective

Abstract:This article examines recent pension reforms in OECD countries. All countries are facing the challenge of designing both financially and socially sustainable pension policies in a context of weak economic growth, low financial returns and ageing populations. In some cases, countries have been accelerating the pace of pension reform, bringing forward changes in the rules and parameters of their pension systems. Common features include, for example, increases in retirement ages, closure of early retirement avenues, changes in benefit indexation, stronger links in the system to increasing life expectancy and greater incentives for working longer. At the same time, many countries have improved the adequacy of retirement income provision, in particular by targeting benefits more towards the most vulnerable elderly.

Beitrag als PDF


DOI: 10.1007/s10273-015-1798-7

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.