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Die Stromnetzbetreiber in Deutschland müssen in den nächsten Jahren in erheblichem Umfang in die Netzinfrastruktur investieren. Dies ist zum einen durch die Umsetzung der Energiewende bedingt, zum anderen besteht großer Erneuerungsbedarf bei veralteten Anlagen. Die 2009 im Zuge der Liberalisierung des Strommarkts eingeführte Anreizregulierung, die die Netzbetreiber zu effizienterer Bereitstellung anhalten soll, steht nun im Verdacht, investitionshemmend zu wirken. Doch welche Probleme ergeben sich hier im Einzelnen und wie lassen sie sich lösen?

Mit dem Energiekonzept der Bundesregierung 2010 und den Beschlüssen zum Atomausstieg 2011 hat die Umgestaltung des Stromerzeugungssektors in Deutschland deutlich an Fahrt aufgenommen. Die sich dadurch ändernde Struktur der Erzeugungseinheiten und ihrer räumlichen Allokation macht auch einen erheblichen Um- und Ausbau der Stromnetzinfrastrukturen erforderlich. Hinzu kommt, dass ein Gutteil der Stromnetze in Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren errichtet wurde und die Lebensdauer der Anlagen aktuell oder in den nächsten Jahren ihr Ende erreicht und die Anlagen sukzessive ersetzt werden müssen.1 Entsprechend stehen in den nächsten Jahren viele Stromnetzbetreiber in Deutschland vor einem hohen Investitionsbedarf.2

Anreizregulierung und Energiewende

Die Vergütung für die Bereitstellung und den Betrieb von Stromnetzen wird in Deutschland staatlich reguliert, was maßgeblichen Einfluss auf das Investitionsverhalten der Netzbetreiber hat. Die mit der Liberalisierung des Strommarktes einhergehende Regulierung von Stromnetzen erfolgt in Deutschland seit 2009 im Rahmen einer Anreizregulierung. Vorrangiges Ziel eines solchen Regulierungsansatzes ist es, die gesamtwirtschaftliche Effizienz der Netzinanspruchnahme zu steigern – einerseits indem Produktionsineffizienzen der Netzbetreiber reduziert werden und andererseits durch die Begrenzung ihrer Monopolrenten.3 Zu diesem Zweck werden phasenweise die dem jeweiligen Netzbetreiber zugestandenen Erlöse von seinen Kosten entkoppelt. Durch Unterschreitung der von der Regulierungsbehörde angelegten Kosten kann der Netzbetreiber während der fünfjährigen Regulierungsperiode eine höhere Rendite erzielen als die regulatorisch zugestandene und erhält so einen Anreiz, Effizienzpotenziale im Unternehmen zu identifizieren und zu heben.4 Die Festlegung der Erlösobergrenze durch die Regulierungsbehörde (in Deutschland ist dies die Bundesnetzagentur oder eine Landesregulierungsbehörde5) basiert dabei auf den tatsächlichen Kosten des Netzbetreibers, die zwei Jahre vor Beginn einer Regulierungsperiode ermittelt und anerkannt werden. Mithilfe eines Benchmarkings werden zudem die Kosten eines effizienten, mutmaßlich vergleichbaren Netzbetreibers ermittelt. Um die Vergleichbarkeit der Kosten der ins Benchmarking einbezogenen Netzbetreiber zu ermöglichen, wird ein Vergleichsparameter gemäß § 13 der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) angewandt. Als Ergebnis dieses Effizienzvergleichs werden die individuellen Ineffizienzen eines Netzbetreibers ermittelt. Diese gelten als beeinflussbarer Kostenanteil und sind über den Zeitraum einer Regulierungsperiode abzubauen, sodass die einem Netzbetreiber zugestandenen Erlöse am Ende einer Regulierungsperiode denen eines vergleichbaren, effizienten Netzbetreibers entsprechen. Neben dieser individuellen Effizienzvorgabe wird zudem eine branchenweite Effizienzverbesserung durch die Regulierungsbehörde vorgegeben, die für alle Netzbetreiber gleichermaßen gilt und sich auf den beeinflussbaren und den vorübergehend nicht beeinflussbaren Kostenanteil auswirkt. Die nicht beeinflussbaren Kostenanteile sind in § 11 Abs. 2 ARegV definiert und von den Effizienzvorgaben der Regulierungsbehörde gänzlich ausgenommen.

Investitionen erhöhen die Kosten eines Netzbetreibers, da sie sowohl mit Kapitalkosten für die Bereitstellung der Infrastruktur als auch mit Kosten für deren Betrieb verbunden sind. Dies gilt sowohl für Ersatzinvestitionen, die in der Regel höhere Kapitalkosten als die bereits (teilweise) abgeschriebene Altanlage verursachen, als insbesondere auch für Erweiterungsinvestitionen, die per definitionem mit zusätzlichen Kosten einhergehen. In einem Anreizregulierungsregime gehen die Kosten einer Investition, nachdem sie durch die Regulierungsbehörde anerkannt wurden, in der auf die Investition folgenden Regulierungsperiode in die Erlösobergrenze ein. Sie führen so zu entsprechenden Mittelrückflüssen an den Netzbetreiber. Wenngleich auf diese Weise den zusätzlichen Kosten auch zusätzliche Erlöse gegenüberstehen, kann es unter einer Anreizregulierung aufgrund verschiedener Ursachen zu Investitionszurückhaltung der Netzbetreiber und einem damit verbundenen ineffizient niedrigen Investitionsniveau kommen.

Vor dem Hintergrund des besonderen Investitionsbedarfes im Zusammenhang mit der Energiewende im Stromsektor wäre Investitionszurückhaltung aber problematisch, da sie gegebenenfalls kostspielige Eingriffe in die Kraftwerksein­satzfolge und im Extremfall gar Nachfragerationierungen oder Blackouts nach sich zöge. Investitionszurückhaltung im Netzbereich ist im Kontext der Energiewende aber auch deshalb problematisch, weil deren Herausforderungen auch neuartige Lösungen erforderlich machen werden (z.B. Smart Solutions, Erdverkabelung oder Hochtemperaturleiterseile), die auf Netzebene (kurzfristig) mit erhöhten Kosten verbunden sind. Unter Einbezug weiterer, etwa umweltpolitischer Ziele und bei systemischer Betrachtung können sich diese Lösungen aber langfristig als überlegen erweisen. Daher stellt sich die Frage, inwieweit das gegenwärtige Regime der Anreizregulierung angemessene und ausreichende Anreize setzen kann, jene Netzinvestitionen durchzuführen, die für einen nachhaltigen Umbau der Stromversorgungsinfrastruktur langfristig benötigt werden. Zu diesem Zwecke werden zunächst die Ursachen für mögliche Unterinvestitionen betrachtet.

Risikobedingte Investitionszurückhaltung

Ein klassischer Grund für Investitionszurückhaltung besteht in einem unattraktiven Rendite-Risiko-Verhältnis. Höhere Risiken müssen, unter der Prämisse risikoaverser oder risikoneutraler Investoren, durch eine entsprechende Risikoprämie in der Kapitalverzinsung honoriert werden, um eine Investition für den Kapitalgeber attraktiv erscheinen zu lassen. Im Rahmen einer Anreizregulierung lassen sich insbesondere drei Typen von Risiken ausmachen:

  • Zunächst besteht ein Investitionsrisiko, da die Notwendigkeit einer Investition von der Regulierungsbehörde überprüft wird. Diese Prüfung erfolgt in Deutschland grundsätzlich ex post, also nach getätigter Investition, sodass erfolgte Investitionen bei der Kostenprüfung durch die Regulierungsbehörde im Extremfall vollständig nicht anerkannt werden und der investierende Netzbetreiber keinerlei Erlösrückflüsse aus der vorgenommenen Investition erzielen kann. Die ex ante, also vor Vollzug, bestehende Ungewissheit über die Anerkennung der geplanten Investition stellt somit ein Erlösrisiko für den Netzbetreiber dar.6
  • Ein weiteres Erlösrisiko liegt im Einbezug der Investitionskosten in den Effizienzvergleich der Anreizregulierungsverordnung.7 Dieses Effizienzrisiko ist zweierlei Gestalt: Zum einen verschlechtern Investitionen, die im Rahmen des Benchmarkings als ineffizient klassifiziert werden, den Effizienzfaktor des jeweiligen Netzbetreibers und mindern damit die Erlöse für alle Kostenanteile, die den individuellen Effizienzvorgaben der Anreizregulierungsverordnung unterliegen. Zum anderen fallen auch die ineffizienten Anteile der Investitionskosten selbst unter diese Effizienzvorgaben. Jedoch sind die Kapitalkosten einer einmal getätigten Investition ex post weitgehend nicht mehr durch den Netzbetreiber zu beeinflussen,8 sodass eine Verschlechterung des Effizienzfaktors über die Lebensdauer der Investition bestehen bleibt.
  • Ein dritter Typus von Risiko, dem sich die Netzbetreiber im Rahmen der Anreizregulierung ausgesetzt sehen, ist das regulatorische Risiko. Dieses hat insbesondere zwei Facetten: Da es sich bei Investitionen in Netzinfrastrukturen um sehr spezifische und langfristige Investitionen mit einem hohen Fixkostenanteil handelt, stellen diese für den Netzbetreiber größtenteils sogenannte versunkene Kosten dar, die nicht mehr entscheidungsrelevant sind. Maßgeblich für den Betrieb der Anlagen sind vielmehr nach getätigter Investition die variablen Kosten. Die Regulierungsbehörde kann vor diesem Hintergrund starke Anreize haben, nach erfolgter Investition geringere Kosten als die tatsächlichen, im Extremfall gar nur die variablen Kosten, in die Erlös­obergrenze einfließen zu lassen. Dann ist der Weiterbetrieb der Anlage für den Netzbetreiber zwar lohnend, die Investition aber ex post aus Netzbetreibersicht nicht. Im Ex-ante-Bewusstsein dieses „Erpressungspotenzials“ des Regulierers, das in der Neuen Institutionenökonomik als Hold-up-Problematik9 bekannt ist, können gesamtwirtschaftlich effiziente Investitionen unterlassen werden.10 Die zweite Facette des regulatorischen Risikos besteht in der Ungewissheit über die Beständigkeit des derzeit gültigen Regulierungsrahmens und damit auch über die zukünftigen Erlösrückflüsse auf Neuinvestitionen. Dies betrifft sowohl die Art des gewählten Regulierungsregimes selbst als auch dessen konkrete Ausgestaltung. Vor dem Hintergrund der nur kurzen Erfahrung mit dem Instrument der Anreizregulierung im Stromnetzbereich in Deutschland erscheinen Revisionen des Regulierungsrahmens sehr wahrscheinlich. Unsicherheit über die Beständigkeit des derzeitigen Regulierungsrahmens ist aber auch schon durch den bestehenden Rechtsrahmen in Deutschland gegeben, der die konkrete Ausgestaltung zentraler Parameter der Anreizregulierung oftmals zunächst nur für zwei Regulierungsperioden und damit bis Ende des Jahres 2018 festschreibt.

Zeitverzugsproblematik

Ein der Idee der Anreizregulierung inhärentes Problem liegt zudem im Zeitverzug, mit dem sich getätigte Investitionen in der Erlösobergrenze eines Netzbetreibers niederschlagen können. Die Ex-ante-Festlegung von Erlösobergrenzen erlaubt es einem Netzbetreiber, durch Kostensenkungen, die über die Senkungsvorgaben der Regulierungsbehörde hinausgehen, Zusatzgewinne während einer Regulierungsperiode zu erwirtschaften. Dieser Mechanismus bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass Kostensteigerungen die Gewinne bis zum Ende der jeweiligen Regulierungsperiode mindern. Erst im Rahmen der Kostenprüfung zum Ende einer Regulierungsperiode werden die mit einer Investition einhergehenden zusätzlichen Kosten in die Erlösobergrenze der nächsten Regulierungsperiode aufgenommen. Bedingt durch die Länge der Regulierungsperiode kann es in Deutschland auf diese Weise zu einem Zeitverzug von bis zu fünf Jahren bei der Erlöswirksamkeit von Investitionen kommen („t-5“-Problematik).

Die Kostenprüfung erfolgt zudem gemäß § 6 Abs. 1 ARegV im vorletzten Jahr vor Beginn der Regulierungsperiode anhand der Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres. Dies bedeutet einen weiteren Zeitverzug von zwei Jahren zwischen Investitionsaufwendung und Erlöswirksamkeit („t-2“-Problematik). Im Extremfall kann daher der Zeitverzug sieben Jahre betragen, was sich entsprechend renditemindernd auf den internen Zinsfuß des investierenden Netzbetreibers auswirkt, sofern der Renditenachteil nicht barwertneutral ausgeglichen wird. In Zeiten anhaltend hohen Investitionsbedarfs verbleiben jedoch auch bei barwertneutralem Ausgleich eine Ergebnis- und Liquiditätslücke, die die Investitionsmöglichkeiten des Netzbetreibers einschränken können.11

Strategische Investitionszurückhaltung

Investitionen in einem regulierten Wirtschaftsbereich können aber auch aus strategischen Gründen zurückgehalten werden. Denn anders als auf dem Wettbewerbsmarkt wird die Leistungsvergütung hoheitlich festgelegt und ist nicht Ergebnis des Marktmechanismus. Die Höhe der Vergütung erscheint vor diesem Hintergrund politisch verhandelbar und schafft so Anreize für Rent-Seeking-Aktivitäten.12 Rent-Seeking bedeutet, dass betriebliche Ressourcen für politisches Lobbying statt für produktive Zwecke aufgewendet werden, mit dem Ziel, die politischen Entscheidungsträger zu Entscheidungen zu bewegen, die der eigenen Besserstellung dienen. Diese Strategie wird dabei umso intensiver verfolgt, je höher die Erfolgsaussichten eingeschätzt werden und kann im Extremfall höhere Priorität im regulierten Unternehmen einnehmen als das eigentlich durch die Regulierung intendierte Profit-Seeking,13 also das Streben nach Markt­erfolg. Der aktuelle politische Rahmen in Deutschland bietet erhebliches Potenzial für solche Rent-Seeking-Aktivitäten: Die Regulierungsbehörden in Deutschland im Stromnetzbereich können nur auf eine sehr kurze Erfahrung mit dem Instrument der Anreizregulierung zurückblicken, sodass hier eine hohe Unsicherheit über die tatsächlich davon ausgehenden Wirkungen besteht. Die Netzbetreiber haben einen klaren Informationsvorteil gegenüber den Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern, da sie oftmals exklusiv Informationen über regulierungsrelevante Parameter besitzen. Gleichzeitig haben sie ein strategisches Interesse daran, diese Informationen den Regulierungsbehörden vorzuenthalten.14

Zwar wird die Anreizregulierung im Ausland schon länger auf Stromnetze angewendet, sodass auch auf dortige Erfahrungen zurückgegriffen werden kann,15 jedoch ist die Problemlage in Deutschland – massiver und andauernder Um- und Ausbaubedarf im Stromnetzbereich – sehr spezifisch. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass es zu Revisionen des Regulierungsrahmens kommen wird, sodass auch Potenzial für eine Verbesserung der Ertragslage der Netzbetreiber besteht. Investitionen eignen sich dabei in Deutschland als Verhandlungsobjekt besonders gut, da ihnen einerseits vom Gesetzgeber im von der Bundesnetzagentur zu erstellenden Evaluierungsbericht der Anreizregulierung nach § 33 Abs. 1 ARegV eine wichtige Rolle beigemessen wird,16 was Anpassungsbereitschaft signalisiert. Andererseits besteht große Einigkeit darüber, dass die Energiewende einen massiven Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur erfordert. Ausbleibende Netzinvestitionen gefährdeten somit das Projekt Energiewende im Stromsektor insgesamt, was einen entsprechenden Imageschaden der deutschen Politik mit sich brächte. Bei fortschreitender Transformation der Stromerzeugung geriete bei unzulänglichen Investitionen in die Netze aber auch die elektrische Versorgungssicherheit in Gefahr, die in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert hat. Blackouts oder eine rationierte Stromversorgung würden daher einen massiven politischen Schaden für die Regierung und damit verringerte Wiederwahlchancen bedeuten. Die potenzielle „Drohkulisse“ der Netzbetreiber ist somit ganz erheblich, und der Anreiz zu Rent-Seeking entsprechend stark. Tatsächlich formulierte etwa der Übertragungsnetzbetreiber TenneT im Jahr 2011 in einem Schreiben an Teile des Bundeskabinetts: „Die Vergabe weiterer Gleichstrom­anschlüsse ist […] in der bisherigen Geschwindigkeit und Form und bei unveränderten Rahmenbedingungen nicht möglich. Damit weiterhin Offshore-Windparks angeschlossen werden können, müssen die Rahmenbedingungen substantiell nachgebessert werden.“17 Freilich besteht in Deutschland eine rechtliche Verpflichtung, die Netze auszubauen (z.B. in § 12 EEG). Sofern jedoch die erwarteten Pönalen einer Verletzung dieser Verpflichtung die erwarteten Zusatzgewinne aus strategischer Investitionszurückhaltung nicht übersteigen, verbleiben Anreize für Rent-Seeking-Aktivitäten.

Die Ursachenanalyse für Unterinvestitionen im deutschen Anreizregulierungsregime hat deutlich gemacht, dass die Gründe für Investitionszurückhaltung sehr unterschiedlicher Natur sein können. Entsprechend müssen auch die Lösungsansätze sehr unterschiedliche Ziele adressieren. Welcher Gestalt diese Lösungsansätze sein können, aber auch welche Probleme diesen angesichts auftretender Zielkonflikte und Trade-offs anhaften, wird im Folgenden aufgezeigt.

Reduzierung der Risiken

Zur Verbesserung des Rendite-Risiko-Profils kann im Rahmen einer Entgeltregulierung als simpler Ansatz die zugestandene Rendite erhöht werden. In einem undifferenzierten Anreizregulierungsmodell wie dem deutschen ist ein solches Vorgehen jedoch wenig zielgenau, erhöht es doch die Rendite sowohl für Bestandsanlagen als auch für Neuinvestitionen und wäre daher mit hohen Mitnahmeeffekten verbunden, insbesondere bei Netzbetreibern mit geringem Investitionsbedarf. Zielgenauer wäre daher eine differenzierte Vergütung von Bestandsanlagen und Neuinvestitionen durch z.B. Renditeaufschläge für letztere.18 Alternativ kann jedoch auch eine Verringerung des Risikos die Investitionsbereitschaft von Netzbetreibern erhöhen.

Dem Investitionsrisiko durch Ex-ante-Unsicherheit über die Anerkennung einer Investition durch die Regulierungsbehörde könnte durch einen Übergang von der Ex-post-Notwendigkeitsprüfung in Form der Anerkennung der Investitionskosten in der Erlösobergrenze zu einer Ex-ante-Prüfung durch die Regulierungsbehörde bereits bei der Projektplanung entgegengewirkt werden.19 In der Regulierungspraxis dürfte allerdings die Ungewissheit über die Anerkennung nur von untergeordneter Bedeutung sein. Zum einen finden teilweise bereits Ex-ante-Prüfungen, etwa bei der Genehmigung von Investitionsmaßnahmen nach § 23 ARegV, statt. Zum anderen ist davon auszugehen, dass aufgrund genau dieser Gefahr der Nichtanerkennung bei größeren Investitionsvorhaben bereits frühzeitig ein Dialog mit der Regulierungsbehörde stattfindet. Der Anreiz zur Nichtanerkennung durch die Regulierungsbehörde wird de lege lata aber auch bereits dadurch abgemildert, dass mit der Ex-post-Effizienzprüfung in Form des Benchmarkings regulierungsinhärent ein wirksamer Mechanismus zur Bestrafung ineffizienter Investitionen besteht.

Das sich hieraus ergebende Effizienzrisiko entsteht dadurch, dass die angedachten Investitionen dem Effizienzvergleich der Regulierungsbehörde unterliegen. Entsprechend kann dieses Risiko verringert werden, indem Neuinvestitionen aus dem Effizienzvergleich ausgenommen werden und/oder selbst nicht den Effizienzvorgaben der Anreizregulierung unterliegen. Letzteres könnte im Rahmen der Anreizregulierungsverordnung z.B. dadurch geschehen, dass etwa die Kapitalkosten, die ex post nicht mehr beeinflussbar sind, den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteilen zugeordnet werden, die von den Effizienzvorgaben ausgenommen sind.20 Eine Reduktion bzw. Aufhebung des Effizienzrisikos bedeutet aber auch einen verringerten Anreiz zu Effizienzanstrengungen bei der Umsetzung des Investitionsvorhabens. Ein wesentlicher Vorteil und Motivationsgrund für die Anwendung der Anreizregulierung ginge auf diese Weise verloren, und man näherte sich einem kostenbasierten Regulierungsregime an,21 das Anreize für Überinvestitionen setzt.22 Hier müsste entsprechend durch Ex-ante-Anreize wie eine Kostenprüfung vor Tätigung der Investition und die Bestrafung von Plan-Ist-Abweichungen entgegengewirkt werden.23

Dem regulatorischen Risiko des Hold-up kann insbesondere durch eine glaubwürdige Selbstbindung des Regulierers zur Unterlassung ex-post-opportunistischen Verhaltens entgegengewirkt werden.24 Entsprechend muss aber auch der rechtliche Rahmen, in dem der Regulierer diskretionär agieren kann, eine solche Selbstbindung des Regulierers ermöglichen.25 Von besonderer Bedeutung ist dabei die Transparenz des Regulierungsverfahrens, sodass durch Dritte nachvollzogen werden kann, ob eine Schlechtbehandlung des regulierten Unternehmens durch die Regulierungsbehörde stattgefunden hat.26 Daneben spielt die Institution „Vertrauen“ hierbei eine herausragende Rolle. Vor dem Hintergrund der gültigen Rechtslage, aber auch der Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit, dürfte das Vertrauen in die Gewährleistung der Besitzstandswahrung in Deutschland jedoch sehr hoch sein.

Problematischer scheint hingegen die Unsicherheit über den zukünftigen regulatorischen Rahmen und damit über die künftigen Erlösrückflüsse zu tätigender Investitionen. Walter Euckens Postulat von der „Konstanz der Wirtschaftspolitik“27 kommt hier eine besondere Bedeutung zu, um Investitionssicherheit zu schaffen. Dies betrifft sowohl die grundsätzliche Wahl des Regulierungsinstruments als auch dessen konkrete Ausgestaltung. Das Regulierungsregime der Anreizregulierung ist in Deutschland nach der Verbändevereinbarung und einem kostenbasierten Regulierungsansatz bereits das dritte grundlegend verschiedene institutionelle Arrangement zur Erlösfestlegung seit der Strommarktliberalisierung Ende der 1990er Jahre. Dass angesichts dieser jüngeren Erfahrungen Unsicherheit über die Stabilität des Regulierungsrahmens und damit auch über die Rentabilität von Investitionen herrscht, scheint sehr wahrscheinlich und eine Stabilisierung mit dem Ziel der Investitionssicherheit dringend notwendig. Gleichzeitig kann sich jedoch vor dem Hintergrund sich ändernder Rahmenbedingungen, der Gewinnung neuer Erkenntnisse und der Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen ein starrer Regulierungsrahmen in dynamischer Perspektive als ineffizient erweisen.28 Hier entsteht also grundsätzlich ein Spannungsfeld zwischen Flexibilitätsbedarf einerseits und der Notwendigkeit von Stabilität andererseits.29 Abhilfe könnten hier glaubhafte Festlegungen des Gesetzgebers schaffen, dass unter der Anreizregulierung getätigte Investitionen auch bei einem Wechsel des Regulierungsregimes weiterhin nach dem derzeit gültigen Vergütungsmechanismus entlohnt oder jedenfalls nicht schlechter gestellt werden.

Behebung des Zeitverzugs

Das Zeitverzugsproblem bei Investitionen hat zwei Ursachen, die entsprechend auch nur durch unterschiedliche Anpassungen des Regulierungsrahmens angegangen werden können. Die „t-5“-Problematik hat ihre Ursache in der Länge der Regulierungsperioden. Entsprechend kann hier durch eine Verkürzung der Regulierungsperioden entgegengewirkt werden. Da dies jedoch die Funktionsweise der Anreizregulierung maßgeblich einschränken würde – je kürzer die Regulierungsperioden sind, desto kürzer wird auch der Zeitraum, über den Kosteneinsparungen von den Netzbetreibern einbehalten werden können und desto geringer wird auch der Anreiz zu Effizienzanstrengungen –, wird eine solche Verkürzung der Regulierungsperioden für gewöhnlich lediglich für die Kapitalkosten vorgeschlagen (OPEX-CAPEX-Split), deren Ex-post-Beeinflussbarkeit als nur sehr gering angesehen wird.30 In die Richtung einer Anpassung der Erlösobergrenze während der Regulierungsperiode gehen auch bereits implementierte Zusatzinstrumente in der Anreizregulierungsverordnung wie die Investitionsmaßnahmen nach § 23 ARegV, die jedoch in erster Linie für Übertragungsnetzbetreiber Anwendung finden. Auf Ebene der Verteilnetzbetreiber soll der Erweiterungsfaktor nach § 10 ARegV dieses Problem abmildern, ist jedoch in seiner Wirkung begrenzt, wie die Simulationen der dena-Verteilnetzstudie zeigen.31

Zur grundsätzlichen Behebung der „t-5“-Problematik in der Anreizregulierungsverordnung sind zwei Ansätze denkbar. Zum einen könnten die Kapitalkosten von Neuinvestitionen als dauerhaft nicht-beeinflussbare Kostenanteile klassifiziert werden. Da diese Kostenanteile einer jährlichen Anpassung unterliegen, würde auf diese Weise der „t-5“-Zeitverzug aufgehoben.32 Gleichzeitig jedoch wären damit die Kapitalkosten von den Effizienzvorgaben ausgenommen, da die dauerhaft nicht-beeinflussbaren Kostenanteile in der Anreizregulierungsverordnung hiervon nicht betroffen sind. Eine Ex-post-Effizienzprüfung entfiele damit und müsste durch eine Ex-ante-Prüfung ersetzt werden. Soll dieses Problem umgangen werden, kann eine gesonderte Behandlung von Kapitalkosten so vorgenommen werden, dass diese zwar weiterhin jährlich geprüft und die Erlösobergrenze entsprechend angepasst wird, sie aber weiterhin den regulatorischen Effizienzvorgaben unterliegen.33 Denkbar ist zudem ein anteiliger Betriebskostenzuschlag auf die Kapitalkosten wie ihn bereits die Investitionsmaßnahmen der Anreizregulierungsverordnung vorsehen, um auch bei den Betriebskosten das Zeitverzugsproblem zu beheben.

Die Ursache des „t-2“-Zeitverzugs liegt im Ansatz von Ist-Kosten bei der Festlegung der Erlösobergrenze, was das Vorliegen eines geprüften Jahresabschlusses notwendig macht. Würden dabei stattdessen die Plankosten von Investitionsvorhaben zugrunde gelegt, ließe sich auch dieser Zeitverzug vollständig beheben. Notwendig wäre dann jedoch ein späterer Plan-Ist-Abgleich, bei dem ein teilweiser barwertneutraler Ausgleich zumindest dann vorgenommen werden sollte, wenn die Plankosten die Ist-Kosten überschreiten, um keinen Fehlanreiz zur Ansetzung überhöhter Plankosten zu schaffen. Ein vollständig barwertneutraler Ausgleich würde jedoch Anreize zur Unterschreitung der Plankosten nivellieren, da dies keinen Vorteil für den Netzbetreiber mit sich brächte. Diesem Problem könnte wiederum durch eine anteilige Beteiligung des Netzbetreibers an Plankostenunterschreitungen begegnet werden. Durch komplexe Verfahren wie etwa die in Großbritannien angewandten Sliding Scales kann versucht werden, sowohl den Ansatz überhöhter Plankosten zu vermeiden als auch eine Plankostenunterschreitung zu belohnen.34

Vermeidung strategischen Verhaltens

Strategische Investitionszurückhaltung lässt sich insbesondere dadurch reduzieren, dass der erwartete Ertrag aus Rent-Seeking minimiert wird. Dies lässt sich vor allem durch eine Verminderung der Erfolgsaussichten von Rent-Seeking-Aktivitäten erreichen. Hilfreich sind hier einerseits Instrumente, die den Informationsvorteil der Netzbetreiber abschmelzen und so ungerechtfertigt hohe Renditeforderungen offenlegen. Der Verweis auf eine zu geringe regulatorisch zugestandene Rendite würde so als strategisches Manöver entlarvt und ließe sich gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr vertreten, was die Erfolgsaussichten des Rent-Seekings erheblich schmälerte. Andererseits kann durch eine glaubhafte politische Festlegung auf den gegenwärtigen Regulierungsrahmen die Aussicht auf bessere regulatorische Rahmenbedingungen eingedämmt und so strategisches Verhalten reduziert werden.35 Dies kann etwa dadurch geschehen, dass politische Hürden für Änderungen erhöht sowie klare Auslegungsmuster des diskretionären Handlungsspielraums der Regulierungsbehörden erkennbar werden. Jedoch bedeutet eine solche Selbstbindung des Parlaments und der Regulierungsbehörden auch, dass es im Falle einer tatsächlichen Nichtauskömmlichkeit der regulatorisch zugestandenen Rendite, entweder dauerhaft zu Unterinvestitionen kommt oder aber die Glaubwürdigkeit zugunsten einer Regulierungsanpassung aufgeweicht werden muss, mit entsprechender Signalwirkung für zukünftige Festlegungen.

Strategischer Investitionszurückhaltung kann aber auch durch Maßnahmen entgegengewirkt werden, die die damit verbundenen Kosten für den Netzbetreiber ausreichend hoch werden lassen, um Rent-Seeking unrentabel zu machen. Dies kann z.B. durch höhere Pönalen bei unterlassenem, aber gesetzlich vorgeschriebenem Netzausbau bis hin zum Konzessionsentzug geschehen. Auch hier gilt allerdings, dass bei Investitionszurückhaltung aus anderen als strategischen Gründen dieses Instrument keine investitionsfördernde Wirkung entfalten wird, sondern lediglich zu einer Schlechterstellung der betroffenen Netzbetreiber führt bzw. die Netzbetreiber zu Investitionen zwingt, die betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll sind.

Herausforderung Komplexität

Die Analyse von Verbesserungsvorschlägen zur Investitionsstimulation hat gezeigt, dass Ansätze, die von einer undifferenzierten Erhöhung der regulatorisch zugestandenen Rendite absehen, häufig mit steigender Komplexität des Regulierungsrahmens einhergehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn gleichzeitig strukturelle Unterschiede der Netzbetreiber angemessen berücksichtigt und Mitnahmeeffekte vermieden werden sollen. Eine aufwändige Ex-ante-Prüfung der Notwendigkeit und Effizienz von Investitionsvorhaben etwa oder aber die Setzung von Ex-ante-Anreizen durch Sliding Scales ginge bei der Vielzahl von Netzbetreibern und zu erwartenden Investitionsvorhaben in Deutschland mit einem deutlich erhöhten Regulierungsaufwand einher. Eine steigende Komplexität der Regulierung erscheint dabei insbesondere aus dreierlei Gründen problematisch:

  • Die traditionelle Regulierungsökonomik hat oftmals lediglich die Effektivität und die ökonomische Effizienz der Regulierung im Blick. Beides kann im theoretischen Modell durch eine weitere Detaillierung der Regulierung verbessert werden. In der Praxis allerdings bedeutet steigende Komplexität auch steigende Kosten der Regulierung, denn die mit einer Regulierung einhergehenden Transaktionskosten können beträchtlich sein. So sind die Erfassung und Verarbeitung von Informationen zur Festlegung der Erlösobergrenzen oder ihre Durchsetzung und Überwachung keinesfalls kostenlos, wie in der neoklassischen Modellwelt angenommen, sondern mit erheblichem Aufwand auf beiden Vertragsseiten verbunden.36 Mit zunehmender Komplexität, wie etwa einer Verkürzung des Kostenprüfungsintervalls oder zusätzlichen Ex-ante-Effizienzprüfungen von Investitionsvorhaben, steigen entsprechend auch die Transaktionskosten der Regulierung. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine Regulierung jedoch nur dann sinnvoll, wenn sie mit einer Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt einhergeht. Ein sehr komplexer Regulierungsrahmen kann daher zwar mit maximaler Effizienz der regulierten Unternehmen einhergehen, werden diese Effizienzgewinne jedoch durch die Transaktionskosten der Regulierung übertroffen, gibt es keine ökonomische Ratio mehr für den regulatorischen Eingriff. Tatsächlich gab es in Großbritannien in der Vergangenheit Überlegungen zu einer Abkehr von der Anreizregulierung angesichts des großen Regulierungsaufwands in einem Umfeld dezentraler Einspeisung und hohen Investitionsbedarfs.37
  • Steigende Komplexität bedeutet zum Zweiten aber auch, dass die Nachvollziehbarkeit der Regulierungsfestlegung durch Dritte erschwert bis unmöglich wird. Dieser Umstand birgt das Potenzial für Auslegungen des Regulierungsrahmens zugunsten der regulierten Unternehmen bis hin zur Quasi-Vereinnahmung des Regulierers durch die regulierten Unternehmen. Dieses als Capture-Hypothese bezeichnete Phänomen kann in der Folge Effizienzverluste durch suboptimale Anreize der Regulierung bedeuten und eine Regulierung im Extremfall gänzlich wirkungslos machen, ist jedoch nicht unumstritten.38 Verstärkt wird diese Gefahr in Deutschland noch durch die weitgehend intransparente Festsetzung der Erlösobergrenze infolge der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die eine öffentliche Zugänglichkeit der zugrundeliegenden Daten verhindert.39
  • Ein drittes Problem hoher Komplexität ist die Gefahr einer Anreizverwischung: Wird das Regulierungsregime derart komplex, dass die intendierten Anreize von den regulierten Unternehmen nicht mehr erkannt werden und entsprechend auch nicht mehr verarbeitet werden können, so reagieren diese auch nicht angemessen darauf.40 Auf diese Weise leidet die Effizienz der Regulierung, denn tendenziell steigenden Transaktionskosten stehen abnehmende Effizienzbemühungen im regulierten Unternehmen gegenüber.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Problematiken sollten Anpassungen der Anreizregulierungsverordnung gründlich hinsichtlich ihrer Komplexitätswirkungen geprüft und grundsätzlich die Maxime der Einfachheit und Verständlichkeit der Regulierung verfolgt werden. In der Regulierungspraxis scheint diese Maxime jedoch häufig kaum eine Rolle zu spielen.41 Ziele, die nicht im originären Fokus der Anreizregulierung stehen, sollten daher bei drohender Überfrachtung der Anreizregulierung durch komplementäre Regulierungsinstrumente außerhalb der Anreizregulierungsverordnung verfolgt werden.42

Fazit

Der hohe Investitionsbedarf in einem hochgradig dynamischen Stromnetzsektor stellt das auf Kostensenkungen unter gegebenen Rahmenbedingungen ausgerichtete Instrument der Anreizregulierung vor neue Herausforderungen. Hier steht die Befürchtung im Raum, dass die von der Anreizregulierungsverordnung ausgehenden Anreize ein (auch dynamisch) effizientes Investitionsniveau verhindern. Wie die Analyse gezeigt hat, können die Gründe für Unterinvestitionen im deutschen Anreizregulierungsregime vielfältig sein; daran müssen sich auch mögliche Gegenmaßnahmen ausrichten. Die gegenwärtig gehandelten Vorschläge für Anpassungsmaßnahmen konzentrieren sich oftmals auf Adjustierungen innerhalb der Anreizregulierung selbst und werfen damit neue Probleme auf. Zum einen zielen sie teilweise darauf ab, bestimmte Kosten von Effizienzvorgaben zu befreien und laufen damit der originären Idee der Anreizregulierung zuwider. Zum anderen bedeuten sie oftmals eine starke Zunahme an Komplexität des Regulierungsregimes und laufen so Gefahr, die Effizienzgewinne der Regulierung und damit ihre Daseinsberechtigung insgesamt zu erodieren. Vor diesem Hintergrund gilt es sorgfältig zu prüfen, inwiefern Anpassungen der Anreizregulierungsverordnung tatsächlich zu einer Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Effizienz führen können und nicht bloß der Behebung theoretischer Problemstellungen dienen. Aufwändige Detailregelungen etwa, die versuchen, der Heterogenität von Netzbetreibern weitreichend gerecht zu werden (z.B. Menüregulierungen), dürften bei der Vielzahl von (Verteil-)Netzbetreibern in Deutschland mit unverhältnismäßig hohen Transaktionskosten verbunden sein.

Eine gewisse Inkaufnahme von Ungleichbehandlungen und Mitnahmeeffekten erscheint mithin zugunsten der gesamtwirtschaftlichen Effizienz durchaus rational. Zudem können Zusatzinstrumente außerhalb der Anreizregulierung und eine optimierte Abstimmung des netzrelevanten Instrumentenmixes eine Überkomplexität der Anreizregulierung verhindern, gegenläufige Anreize abmildern und so das Anreizprofil der Netzregulierung insgesamt schärfen und ihre Effizienz erhöhen.43 Gleichzeitig sollte durch rasche und glaubwürdige politische und regulatorische Festlegungen der Regulierungsrahmen stabilisiert und bei den Stakeholdern die Erwartung beständiger (gegebenenfalls angepasster) Investitionsbedingungen gestärkt werden.

Das gilt insbesondere für die Dauerhaftigkeit des angewandten Regulierungsregimes, also etwa die Beibehaltung der Anreizregulierung, aber auch für die Stabilität seiner Ausgestaltung. Letzteres betreffend könnte etwa ein Pflicht- statt Optionscharakter der in § 13 Abs. 3
ARegV aufgeführten Parameter für den Effizienzvergleich oder der Ausschluss weiterer Verbesserungen der Investitionsbedingungen nach Abschluss der Anpassungen infolge des laufenden Evaluierungsprozesses44 gemäß § 33 ARegV zielführend sein. Mit gefestigtem Vertrauen in die Stabilität der Regulierung würden sowohl die regulatorische Unsicherheit als auch die Erfolgserwartungen mit Blick auf strategische Investitionszurückhaltung reduziert.

  • 1 Deutsche Energie-Agentur: Ausbau- und Innovationsbedarf der Stromverteilnetze in Deutschland bis 2030 (dena-Verteilnetzstudie), Berlin 2012.
  • 2 E-Bridge, IAEW, OFFIS: Moderne Verteilernetze für Deutschland, Abschlussbericht, Bonn 2014; Deutsche Energie-Agentur, a.a.O.; Bundesnetzagentur, Bundeskartellamt: Monitoringbericht 2013, Bonn 2014.
  • 3 M. Coenen, J. Haucap: Ökonomische Grundlagen der Anreizregulierung, DICE Ordnungspolitische Perspektiven, Nr. 35 (2012).
  • 4 G. Brunekreeft, R. Meyer: Netzinvestitionen im Strommarkt: Anreiz- oder Hemmniswirkung der deutschen Anreizregulierung?, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 61. Jg. (2011), H. 1/2, S. 2-5; M. Coenen, J. Haucap, a.a.O.
  • 5 C. Bauer, M. Seckelmann: Zentral, dezentral oder egal? – Eine rechtliche und verwaltungswissenschaftliche Analyse der Aufteilung der Regulierungsaufgaben zwischen Bundesnetzagentur und Landesregulierungsbehörden, in: Die öffentliche Verwaltung, 2014, H. 22.
  • 6 G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.; A. Romer: Anreizsysteme für Investitionen während der Regulierungsperiode, Diskussionspapier, Nr. 02/2012.
  • 7 Ebenda.
  • 8 G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.
  • 9 Regulierung stellt aus vertragstheoretischer Sicht nichts anderes als einen Vertrag zwischen Regulierer und reguliertem Unternehmen dar. Aufgrund unvollständiger Information und Voraussicht auf beiden Seiten muss auch der zu schließende Vertrag notwendigerweise unvollständig bleiben, d.h., er schreibt nicht für alle möglichen künftigen Umweltzustände das Verhalten der Vertragsparteien fest. Der sich hieraus ergebende Auslegungs- und Verhandlungsspielraum schafft Möglichkeiten für opportunistisches Verhalten nach erfolgter Investition (ex post), mit dem Versuch, die Vertragsbedingungen zu den eigenen Gunsten nachzuverhandeln. Je transaktionsspezifischer dabei die Investitionen einer Vertragsseite sind (d.h. je geringer ihr Wert bei einer anderweitigen Verwendung wäre), desto größer ist die Verhandlungsmasse und desto lukrativer erscheint ein solcher „Raubüberfall“ (hold-up) für die andere Vertragsseite. Ein rationaler Akteur antizipiert ein solches Verhalten der anderen Vertragsseite jedoch bereits vor Vertragsschluss (ex ante) und wird die Investition nur bei ausreichendem Vertrauen in das Verhalten der anderen Vertragsseite tätigen. Vgl. R. Richter, E. G. Furubotn: Neue Institutionenökonomik: Eine Einführung und kritische Würdigung, 4. überarb. und erw. Aufl., Tübingen 2010, S. 99 ff.; M. Erlei, M. Leschke, D. Sauerland: Neue Institutionenökonomik, Stuttgart 1999, S. 177 ff.
  • 10 Ebenda., S. 183; J. Haucap, U. Heimeshoff: Regulierung zwischen Investitions- und Wettbewerbsförderung, Gewerbearchiv Beilage Wirtschaft und Verwaltung, Nr. 02/2010, S. 92-100.
  • 11 G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.
  • 12 G. J. Stigler: The theory of economic regulation, in: Bell Journal of Economics, 2. Jg. (1971), S. 3-21.
  • 13 A. Krueger: The Political Economy of the Rent-Seeking Society, in: American Economic Review, 64. Jg. (1974), S. 291-303.
  • 14 M. Coenen, J. Haucap, a.a.O.
  • 15 B. Haller: Die Evaluierung der Anreizregulierung, in: Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft, 3. Jg. (2014), H. 5, S. 195-201.
  • 16 Ebenda.
  • 17 TenneT: TenneT plädiert für eine breite Diskussion zum Anschluss von Offshore-Windparks, 2011, http://www.tennettso.de/site/news/2011/TenneT-pl%C3%A4iert-f%C3%BCr-eine-breite-Diskussion-zum-Anschluss-von-Offshore-Winparks.html (13.10.2014).
  • 18 T. Beckers et al.: Alternative Modelle für die Organisation und die Finanzierung des Ausbaus der Stromübertragungsnetze in Deutschland: Eine (institutionen-)ökonomische Analyse unter Einbezug juristischer und technisch-systemischer Expertise, Berlin, Regensburg 2014.
  • 19 G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.
  • 20 A. Romer, a.a.O.; G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.
  • 21 G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.
  • 22 H. Averch, L. L. Johnson: Behavior of the Firm under Regulatory Constraint, in: American Economic Review, 52. Jg. (1962), S. 1052-1069.
  • 23 G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.
  • 24 J. Haucap, U. Heimeshoff, a.a.O.
  • 25 G. Knieps: Netzökonomie, Wiesbaden 2007, S. 191 f.
  • 26 T. Beckers et al., a.a.O.
  • 27 W. Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, in: E. Eucken, K. P. Hensel (Hrsg.), Tübingen 1952.
  • 28 J. Haucap, U. Heimeshoff, a.a.O.
  • 29 T. Beckers et al., a.a.O.
  • 30 G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.; Deutsche Energie-Agentur, a.a.O.
  • 31 Deutsche Energie-Agentur, a.a.O. Daneben gibt es weitere vielfältige Kritik an der Wirksamkeit und der Gerechtigkeit des Erweiterungsfaktors (vgl. hierzu etwa im Überblick A. Romer, a.a.O.).
  • 32 A. Romer, a.a.O.
  • 33 Deutsche Energie-Agentur, a.a.O.
  • 34 W. Elsenbast: Investitionsanreize bei der Regulierung der Energieinfrastruktur, in: Wirtschaftsdienst, 91. Jg. (2011), H. 11, S. 784-791; G. Brunekreeft, R. Meyer, a.a.O.
  • 35 T. Beckers et al., a.a.O.
  • 36 R. Richter, E. G. Furubotn, a.a.O., S. 58 ff.
  • 37 C. Bauer: Ein regulatorischer Treppenwitz? Ein Beitrag zu Überlegungen, die Anreizregulierung in Großbritannien abzuschaffen, in: Infrastrukturrecht, 7. Jg. (2010), H. 2, S. 26-28.
  • 38 G. Knieps, a.a.O., S. 185.
  • 39 B. Haller, a.a.O.
  • 40 K. Heine: Inside the black box: incentive regulation and incentive channeling on energy markets, in: Journal of Management & Governance, 17. Jg. (2013), S. 157-186.
  • 41 Ebenda.
  • 42 K. Korte, E. Gawel: Anreizregulierung und Energiewende – Eine Mesalliance?, in: Infrastrukturrecht, 10. Jg. (2013), H. 11, S. 250-253.
  • 43 Ebenda.
  • 44 Vgl. hierzu B. Haller, a.a.O.

Title:Power Grid Investments and Incentive Regulation: Problem Areas and Solutions

Abstract:The earnings of power grid operators in Germany are determined by an incentive regulation scheme in order to achieve efficient grid operation. As the scheme is focused on static efficiency gains, there is concern that incentive regulation may hinder investments which will be crucial for the success of Germany’s energy transition. This paper explores possible causes for grid operators’ reluctance to invest under an incentive regulation regime and shows avenues to overcome these problems while also pointing out associated drawbacks and limitations.

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DOI: 10.1007/s10273-015-1789-8