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Mit der 1991 in Kraft getretenen Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (VerpackV) wurde auch die Grundlage für das umweltpolitische Ziel der Sicherung eines Mindestanteils ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen gelegt. Die Zielvorgabe war zunächst ein Anteil von Mehrweg-Getränkeverpackungen in Höhe von 72% aller abgefüllten Getränke (die sogenannte „Mehrwegquote“). Sollte diese Quote unterschritten werden, war die Einführung einer Pfandpflicht für Einweg-Getränkeverpackungen vorgesehen. Erstmalig unterschritten wurde die Mehrwegquote 1997, wobei sich diese Entwicklung in den Folgejahren fortsetzte. Trotzdem wurde erst im Januar 2003 die Pfandpflicht für ökologisch nachteilige Einweg-Getränkeverpackungen in den Getränkebereichen Bier, Mineralwasser und kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke umgesetzt. Und dies zunächst auch nur durch unternehmensspezifische Rücknahmesysteme (die sogenannten „Insellösungen“). Im Zuge der Novellierung der VerpackV wurde dann zum 1.5.2006 ein bundeseinheitliches Rücknahmesystem eingeführt, das bis heute betrieben wird.1 Der Beitrag diskutiert die umweltpolitische Zielerreichung der Pfandpflicht, wobei die Entwicklung der Anteile ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen, ihre ökobilanzielle Abgrenzung sowie umweltpolitische Schlussfolgerungen im Mittelpunkt stehen.2

Wirkungshypothese der Pfandpflicht

Hinsichtlich der beabsichtigten Wirkung der Pfandpflicht sind vor allem zwei Ziele zu nennen:

  1. Die Förderung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen dadurch, dass die Nutzung ökologisch nachteiliger Getränkeverpackungen unattraktiver wird. Damit soll ein Anreiz gesetzt werden, eine Substitutionsentscheidung hin zu umweltverträglicheren Getränkeverpackungen zu vollziehen.
  2. Durch den Einsatz einer Pfandpflicht soll eine hohe Rücklaufquote, eine sortenreine Sammlung und die Vermeidung des sogenannten Littering – also der Umweltverschmutzung durch weggeworfene Getränkeverpackungen – erreicht werden.

Abgrenzung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen

Im Hinblick auf die Abgrenzung, welche Getränkeverpackungen als ökologisch vorteilhaft einzustufen sind, gilt in der VerpackV die Annahme, dass Mehrwegverpackungen verglichen mit Einwegverpackungen grundsätzlich ökologisch vorteilhaftere Verpackungen sind. Jedoch wurden Ausnahmen dazu gemacht, welche bestimmten Einweg-Getränkeverpackungen – basierend auf ökobilanziellen Untersuchungen des Umweltbundesamtes3 – ebenfalls als ökologisch vorteilhaft einzustufen und somit von der Pfandpflicht auszunehmen sind. Diese Einweg-Getränkeverpackungen sind Mehrwegverpackungen gegenüber als ökologisch gleichwertig anzusehen. Sofern spezifische Verwertungsquoten eingehalten werden, sind ökologisch vorteilhafte Einweg-Getränkeverpackungen im Sinne der VerpackV derzeit 1. Getränkekartons und 2. Standbeutel bzw. Schlauchbeutel.4

Basierend auf dieser Gleichsetzung von Mehrweg-Getränkeverpackungen und ökologisch vorteilhaften Einweg-Getränkeverpackungen wurde auch die umweltpolitische Zielmarke angepasst. So ist nicht mehr die Mehrwegquote relevant, sondern seit dem 1.1.2010 soll durch die Pfandpflicht ein Anteil von 80% in ökologisch vorteilhaften Einweg-Getränkeverpackungen sowie in Mehrwegverpackungen abgefüllten Getränken (Mehrweg- und ökologisch vorteilhafte Einweg-Getränkeverpackungen – MövE-Verpackungen)5 erreicht werden.

Entwicklung der Anteile ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen

Um die Entwicklung der Anteile ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen zu verdeutlichen, werden sowohl die Entwicklung der Mehrwegquote (nach alter Abgrenzung der VerpackV) als auch die Entwicklung des Anteils der MövE-Verpackungen (nach neuer Abgrenzung der VerpackV) dargestellt (vgl. Tabelle 1 und Tabelle 2). Beide Tabellen machen deutlich, dass sowohl für die Mehrwegquote als auch für den Anteil der in Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Einwegverpackungen abgefüllten Getränke die jeweiligen Zielgrößen von 72% bzw. 80% seit Jahren deutlich verfehlt werden. Der Mehrweg­anteil betrug 2011 beispielsweise nur noch 42,3%. Der MövE-Anteil lag 2012 nur noch bei 47%, wobei der Anteil ökologisch vorteilhafter Einweg-Getränkeverpackungen mit nur 1,3% gering ist. Im Hinblick auf die Förderung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen ist es somit zu einer dauerhaften und sogar zunehmenden umweltpolitischen Zielverfehlung gekommen. Die Pfandpflicht konnte die erhofften Anreize nicht setzen. Zumal spätestens mit der Einführung des bundesweit einheitlichen Rücknahmesystems ohnehin fraglich war, woher entsprechende Anreize hätten kommen sollen. So sind für den Endverbraucher beispielsweise hinsichtlich des Handlings keine Vorteile von Mehrwegverpackungen gegenüber Einweg-Getränkeverpackungen zu erkennen und verteuert haben sie sich de facto auch nicht. Einweg-Getränkeverpackungen sind in der Regel leichter und einfacher zu transportieren als Mehrwegverpackungen und der Konsument erhält bei jedem Kauf einer Einwegverpackung eine neue Verpackung ohne die Gebrauchsspuren einer Mehrweg-Getränkeverpackung.

Tabelle 1
Mehrweganteile am Getränkeverbrauch in Deutschland
in %
Getränkebereich 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011
Mineralwasser 91,3 90,9 89,0 88,3 84,9 74,0 73,0 60,9 47,0 43,6 41,8
Fruchtsäfte und andere Getränke ohne CO2 34,6 39,6 38,2 36,8 34,8 33,2 24,0 17,1 13,0 11,2 10,1
Erfrischungsgetränke mit CO2 73,7 76,7 75,3 77,8 74,9 60,2 65,4 54,4 41,9 36,5 33,2
Bier 82,2 82,3 79,1 77,9 74,8 70,8 89,2 88,5 85,2 88,5 87,4
Wein 28,6 28,9 30,4 28,1 26,8 25,4 24,6 19,0 9,1 7,2 7,9
Gewichteter Durchschnitt (Mehrwegquote) 71,7 73,6 72,3 71,3 68,7 61,1 63,6 56,0 46,4 44,3 42,3

Quelle: Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung: Mehrweganteile am Getränkeverbrauch nach Getränkebereich in den Jahren 1991 bis 2011 (in %) in der Bundesrepublik Deutschland, 2013, http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Bilder_Infografiken/verpackungen_mehrweganteile_bf.pdf.

Methoden für neue Ökobilanzen

Eine notwendige Überprüfung betrifft auch die Grundlage, auf der die Abgrenzung in ökologisch vorteilhafte und ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen beruht. Dies sind derzeit die „Ökobilanz für Getränkeverpackungen I für Bier und Frischmilch“6, die „Ökobilanz für Getränkeverpackungen II – Phase 1: Alkoholfreie Getränke und Wein“ sowie die „Ökobilanz für Getränkeverpackungen II – Phase 2: Optimierte Verpackungssysteme für alkoholfreie Getränke“.7 Basierend auf den derzeit für die VerpackV relevanten Ökobilanzen, lässt sich hinsichtlich der Umweltwirkungen der Getränkeverpackungen diese Rangfolge ableiten: PET-Mehrwegsysteme sind allen anderen Systemen vorzuziehen; zwischen Glas-Mehrwegsystemen und Getränkekartonverpackungs-Systemen lässt sich kein Unterschied erkennen; Glas-Einwegsysteme sowie Getränkedosen-Systeme aus Weißblech und Aluminium zeigen gegenüber allen vergleichbaren Mehrwegsystemen deutliche ökologische Nachteile. Um den aktuellen Entwicklungen auf dem Getränkemarkt Rechnung zu tragen und neue Mindestanforderungen an Ökobilanzen für Getränkeverpackungen zu entwickeln, hat das Umweltbundesamt Ende 2011 das Forschungsvorhaben „Prüfung und Aktualisierung der Ökobilanzen für Getränkeverpackungen“ vergeben.8 Das Projekt zielt auf eine Verbesserung vorhandener Methoden ab, die wegen mangelnder Aktualität und Repräsentativität in die Kritik geraten sind.9 Die Ergebnisse des Vorhabens sind bislang jedoch noch nicht veröffentlicht.

Tabelle 2
Anteile der in Mehrweg- sowie in ökologisch vorteilhaften Einweg-Getränkeverpackungen abgefüllten Getränke in Deutschland
in %
Getränkebereich 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Bier 87,8 88,6 87,1 85,2 87,2 88,5 88,2 87,5 86,2
Mineralwasser 68,2 61,4 53,0 47,3 45,4 43,8 43,3 41,9 40,7
Erfrischungsgetränke 63,0 55,0 49,3 42,8 38,3 37,4 34,6 32,4 31,1
Alkoholhaltige Mischgetränke 25,7 24,7 31,8 23,1 21,2 15,7 14,3 12,0 9,6
Gewichteter Durchschnitt für alle vier Getränkebereiche (MövE-Quote) 71,1 65,7 59,8 54,6 52,6 51,8 50,1 48,3 47,0
davon:
Mehrweg-Getränkeverpackungen 66,3 61,3 55,6 51,2 49,5 49,2 48,0 46,7 45,7
Ökologisch vorteilhafte Einweg-Getränkeverpackungen 4,9 4,4 4,2 3,4 3,1 2,6 2,1 1,6 1,3

Quelle: Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung: GVM-Getränkestudie für 2012, Tab. 2 „Anteile MövE-Verpackungen am Getränkeverbrauch 2008-2012“, 2014, http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Bilder_Infografiken/verpackungen_mehrweganteile_oeko_bf.pdf.

Schlussfolgerungen für die Umweltpolitik

Es hat sich gezeigt, dass das umweltpolitische Ziel der Förderung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen durch die Pfandpflicht für ökologisch nachteilige Einweg-Getränkeverpackungen nicht erfüllt wurde. Zudem ist abzusehen, dass es im Hinblick auf zukünftig durchzuführende Ökobilanzen zu Weiterentwicklungen kommt, die sich auf die politische Rahmensetzung auswirken werden.

Dieser umweltpolitische Handlungsbedarf kann dann auch genutzt werden, um – konzeptionell abgestimmt – eine Weiterentwicklung umweltpolitischer Instrumente in diesem Bereich auf den Weg zu bringen. Dies muss natürlich mehr umfassen als einfach nur eine bessere Kennzeichnung von Mehrwegverpackungen. Letzteres war der Lösungsvorschlag aus dem Bundesumweltministerium, der kürzlich als Reaktion auf die Veröffentlichung der in Tabelle 2 dargelegten Entwicklungen erfolgte.10 Sofern das umweltpolitische Ziel der Förderung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen aufrechterhalten wird, kann letztlich kein Weg mehr an einer Verpackungsabgabe bzw. Verpackungssonderabgabe für ökologisch nachteilige Getränkeverpackungen zusätzlich zu der bestehenden Pfandpflicht vorbeiführen.

Durch diese Instrumentenkombination bestünde die Möglichkeit, die spezifischen Vorteile sowohl der Pfandpflicht (hohe Rücklaufquote, sortenreine Verwertung, Eindämmung des Litterings) als auch der Verpackungssonderabgabe (Lenkungswirkung durch einen unmittelbaren Preiseffekt, zweckgebundene Verwendung) zu nutzen. Dabei würde die Pfandpflicht zur Sicherung einer hohen Rücklaufquote bestehen bleiben. Die Verpackungssonderabgabe könnte durch die selektive Verteuerung ökologisch nachteiliger Getränkeverpackungen und die davon ausgehenden Substitutionsanreize zu einer Förderung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen beitragen. Das entstehende Abgabenaufkommen sollte dann beispielsweise im Rahmen von Informationskampagnen zur Steigerung des Umweltbewusstseins, zur Finanzierung neuer Ökobilanzen oder zur Beseitigung der Littering-Folgen eingesetzt werden. 24 Jahre nach Inkrafttreten der VerpackV, 13 Jahre nach der letzten umweltpolitisch relevanten ökobilanziellen Untersuchung von Getränkeverpackungen und zwölf Jahre nach Einführung der Pfandpflicht ist abzusehen, dass das Thema der Förderung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen in naher Zukunft einmal wieder prominent auf die umweltpolitische Agenda kommen wird.

  • 1 Umfassende Informationen zur VerpackV finden sich auf der Homepage des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: http://www.bmub.bund.de/themen/wasser-abfall-boden/abfallwirtschaft/verpackungsverordnung-verpackv/.
  • 2 Die wissenschaftliche Diskussion der deutschen Pfandpflicht sowie möglicher alternativer umweltpolitischer Instrumente zur Förderung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen hat in den letzten Jahren kaum noch stattgefunden. Für eine tiefergehende Betrachtung der grundlegenden Zusammenhänge siehe daher insbesondere: M. Groth: A review of the German mandatory deposit for one-way drinks packaging and drinks packaging taxes in Europe, University of Lüneburg Working Paper Series in Economics, Working Paper, Nr. 87, Juni 2008; ders.: Ausgestaltungsmöglichkeiten umweltpolitischer Instrumente zur Förderung ökologisch vorteilhafter Getränkeverpackungen, Stuttgart 2006; ders.: Die Pfandpflicht für Einweggetränkeverpackungen, in: Wirtschaftsdienst, 85. Jg. (2005), H. 5, S. 320-325; M. Groth, H. Serger: Die Pfandpflicht für Einweggetränkeverpackungen – Konzeption und Implementation aus umweltökonomischer Sicht, in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht, 27. Jg. (2004), H. 2, S. 249-276.
  • 3 Umweltbundesamt: Ökobilanz für Getränkeverpackungen, UBA-Texte 52/95, Berlin 1995; dass.: Ökobilanz für Getränkeverpackungen II Hauptteil, UBA-Texte 37/00, Berlin 2000; dass.: Ökobilanz für Getränkeverpackungen II – Endbericht zur Phase 2, Berlin 2002; dass.: Hintergrundpapier: Ökobilanzen für Getränkeverpackungen für alkoholfreie Getränke und Wein II – Phase 2, Berlin 2002.
  • 4 M. Groth: Die Relevanz von Ökobilanzen für die Umweltgesetzgebung am Beispiel der Verpackungsverordnung, University of Lüneburg Working Paper Series in Economics, Working Paper, Nr. 184, August 2010.
  • 5 MövE-Verpackungen sind derzeit: Mehrweg-Glasflaschen, Mehrweg-Kunststoffflaschen und Mehrweg-Fässer bis 10 l sowie Getränkekartons und Standbeutel bzw. Schlauchbeutel.
  • 6 Umweltbundesamt: Ökobilanz für Getränkeverpackungen ..., a.a.O.
  • 7 Umweltbundesamt: Ökobilanz für Getränkeverpackungen II – Hauptteil ..., a.a.O.; dass.: Ökobilanz für Getränkeverpackungen II – Endbericht ..., a.a.O.; dass.: Hintergrundpapier: Ökobilanzen ..., a.a.O.
  • 8 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Umwelt – Sonderteil: Forschungsrahmen des Bundesumweltministeriums und Umweltforschungsplan, UFOPLAN 3711 92 315 – Prüfung und Aktualisierung der Ökobilanzen für Getränkeverpackungen, 2011, http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Forschung_Foerderung/ufoplan_2011.pdf.
  • 9 M. Groth: Die Relevanz von Ökobilanzen ..., a.a.O.
  • 10 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Pressedienst, Nr. 257/14 - Mehrweg/Kennzeichnung vom 11.12.2014.

Beitrag als PDF

DOI: 10.1007/s10273-015-1809-8

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