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Für den Vergleich der fiskalischen Leistungsfähigkeit zwischen Bundesländern werden häufig die Pro-Kopf-Steuereinnahmen herangezogen. Darüber hinaus sollte aber auch die Verrechnung der Steuerarten zwischen den Ländern betrachtet werden. Speziell die Gewerbesteuerdaten für Deutschland zeigen, dass Ostdeutschland sowohl bezogen auf die Zahl der Einwohner wie auch die der Unternehmen unterdurchschnittliche Einnahmen hat. Für das regionale Steueraufkommen sind insbesondere Führungsfunktionen, wie sie von Unternehmenszentralen ausgehen und die im Osten unterrepräsentiert sind, bedeutend. Andere ostdeutsche Defizite liegen damit teilweise in der Wirtschaftsstruktur, teilweise aber auch in der Systematik des Gewerbesteuerrechts.

Durch die Einführung der gesetzlich geregelten Schuldenbremse für Bund und Länder (und damit auch die Gemeinden) wird die Verteilung der öffentlichen Einnahmen, vor allem der Steuern, auf die einzelnen Gebietskörperschaften von steigender Bedeutung sein. Für die Gemeinden müssen vor diesem Hintergrund die Möglichkeiten für eine autonome Finanzierung gesichert sein, um ihre Aufgaben für die kommunale Daseinsvorsorge erfüllen zu können. Speziell die ostdeutschen Gemeinden zeichnen sich aber durch eine sehr hohe finanzielle Abhängigkeit von den jeweiligen Ländern und damit durch eine geringe Finanzautonomie aus.

Betrachtet man die Verteilung der Unternehmenssitze auf alle deutschen Gemeinden fällt auf, dass sich nahezu kein relevantes Headquarter in einer ostdeutschen Gemeinde befindet. Die Hauptursache hierfür liegt in der jahrzehntelangen deutschen Teilung und der sich daraus entwickelnden unterschiedlichen Unternehmensstrukturen. Die großen deutschen Unternehmen hatten zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung bereits ihre Unternehmenssitze in den westdeutschen Gemeinden, und es gab keine Notwendigkeiten diese nach der Wiedervereinigung in den Osten (zurück) zu verlagern, zumal dafür auch keinerlei Förderung existierte. Parallel dazu hat die verstärkte Internationalisierung dazu geführt, dass die Konzentration der tatsächlich wertschöpfenden Arbeiten in den eigentlichen Unternehmenszentralen stattfindet. Dies hat einen wesentlichen Effekt für die Finanzen der Kommune, in der sich das jeweilige Headquarter befindet. Die besser bezahlten Tätigkeiten, beispielsweise in Forschung und Entwicklung, finden in der Unternehmenszentrale statt, was dazu führt, dass die jeweiligen Kommunen einen höheren Anteil an der Einkommensteuer beziehen als Kommunen ohne Unternehmenshauptsitze. Weiterhin wird die Gewerbesteuer nach der Lohnsumme zwischen Hauptsitz und Betriebsstätten zerlegt, weshalb das erhöhte Einkommen der Mitarbeiter am Hauptsitz, oft auch die gegenüber dem Osten höheren Einkommen der Betriebsstätten, den Osten trotz der dortigen besseren technischen Produktivitäten benachteiligt.

Headquarter und Unternehmenssitze

Aus dem Militärischen übernommen beschreibt ein Hauptquartier das logistische Planungs-, Befehls- und Koordinationszentrum eines militärischen Großverbands. Übertragen auf die unternehmerische Landschaft, ist ein Headquarter gleichzusetzen mit einer Konzernzentrale, in der die Managementtätigkeiten stattfinden und alle wichtigen unternehmerischen Aufgaben koordiniert werden.1 Größe und Funktionen von derartigen Zentralen variieren nach Art der Unternehmensorganisation – ihrer „Architektur“ (vgl. Kasten 1).

Kasten 1
Definition Headquarter

Der Sitz eines Unternehmens, in dem strategische Entscheidungen für das gesamte Unternehmen getroffen werden. In einem Headquarter versammeln sich Führungsfunktionen wie die Koordination und Überwachung anderer Unternehmensteile, aber auch humankapitalintensive Tätigkeiten wie z.B. in Forschung & Entwicklung. Diese sekundären Wertschöpfungsaktivitäten sichern die primären Wertschöpfungsaktivitäten, die direkte Produktionsrelevanz besitzen, ab. Vor allem bei Großunternehmen konzentriert sich in den Unternehmenszentralen ein Personal mit überdurchschnittlichem Einkommen, was erhebliche steuerliche Effekte auslöst.

Es ist ein Spezifikum der deutschen Einheit, dass eigentlich die Produktionsleistung des Ostens zur Versorgung des Gesamtlandes nicht nötig war – vielmehr reichte das Angebot der Produktion Westdeutschlands und der EU dazu aus. Insofern war das Interesse an Investitionen in den neuen Ländern eher verhalten. Da es sich auch nicht um ein eigenständiges Land mit Rechtsverfassung handelte, waren auch Unternehmenszentralen vor Ort nicht erforderlich – die vorhandenen wurden seitens der Treuhand weitgehend geschlossen. Nur in wenigen Fällen gelang es durch individuelle Initiativen, diese zu erhalten, beispielsweise in Thüringen (Zeiss in Jena). Die Übernahme von Unternehmensteilen durch Auswärtige erfolgte eher vorsichtig. Es waren neben dem qualifizierten Personal vor allem die betrieblichen Ansiedlungshilfen, die es für Unternehmen sinnvoll erscheinen ließen, sich zu engagieren: Ein erster gewerblicher Mittelstand entwickelte sich aus den Modrow-Privatisierungen – der Rückgabe an Enteignete der 1970er Jahre, die vor Ort geblieben waren. Ein Interesse, ausgewiesene oder geflohene Unternehmer zur Rückkehr zu bewegen, um insgesamt einen überkritischen Bestand an Familienunternehmen – vor allem solchen mit internationaler Einbindung – aufzubauen, war vor dem Hintergrund des fiskalischen Verwertungsinteresses am volkseigenen Vermögen nicht gegeben.2

Insbesondere konnte aufgrund der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung die großen deutschen Unternehmen ihre Konzernzentralen bereits an westdeutschen Standorten eingerichtet hatten und in den jeweiligen Regionen strukturell eingebunden waren, die Wirtschaftspolitik in den ostdeutschen Ländern seit 1990 im Wesentlichen nur darauf gründen, Bedingungen für die Entstehung neuer Headquarter zu schaffen. Allerdings wurden konkrete Politikfelder nicht implementiert und öffentlich eher diskreditiert, wie sich dies am Beispiel eines Gutachtens mehrerer Wirtschaftsforschungsinstitute zu Ostdeutschland3 zeigte. Somit verharrt seit nunmehr über zehn Jahren in den neuen Ländern die Wirtschaftsleistung pro Einwohner bei rund 70%, pro Erwerbstätigen bei rund 80% des westdeutschen Durchschnitts – und dies mit aktuell tendenziell zunehmender Divergenz.

Erklärt werden kann der Unterschied der Produktivität der ostdeutschen Länder zu den westdeutschen Ländern mit drei Ursachen: das Fehlen von Führungsfunktionen verbunden mit einer erhöhten Kleinteiligkeit der Wirtschaft, geringere Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sowie schlechtere Erreichbarkeiten.4 Um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen und die Steuerkraft der neuen Länder zu stärken, scheint es erforderlich, diese Ungleichverteilung infolge der Führungsfunktionen zu überwinden, zumal von diesen eine Vielzahl von Sekundäreffekten ausgehen.

Bedeutung der Gewerbesteuer

In erster Näherung lässt sich als einfaches Maß für die Verteilung der Gewerbesteuer auf die einzelnen Länder die Gewerbesteuer nach Einwohnern und nach Zahl der Unternehmen betrachten. Sowohl bei der Verteilung der Gewerbesteuer nach Einwohnern als auch nach Unternehmen weist Hamburg den jeweils höchsten Wert auf. Interessant ist auch, dass Bayern beim Anteil der Gewerbesteuer nach Unternehmen hinter Hessen und Bremen liegt. Die Städte und Gemeinden in den ostdeutschen Ländern haben in beiden Bereichen deutlich geringere Steuererträge, sowohl pro Einwohner als auch pro Unternehmen.

Die derzeitige Regelung für die Gewerbesteuer basiert auf dem bundeseinheitlich geltenden Gewerbesteuergesetz.5 Besteuert werden die Erträge aus inländischen Gewerbebetrieben,6 unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben. Grundlage ist die nachhaltig auf Gewinn ausgerichtete Tätigkeit eines Unternehmens. Die Gewerbesteuer wird von den Gemeinden direkt erhoben, d.h. sie besitzen sowohl die Steuerertrags- als auch die Steuerverwaltungskompetenz. Den Gemeinden stehen die Einnahmen in vollem Umfang bis auf die Abführung einer Gewerbesteuerumlage zu. Für die Abführung der Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder erhalten die Gemeinden im Gegenzug einen Anteil an der Einkommensteuer.

Abbildung 1
Kommunaler Anteil an der Gewerbesteuer nach Bundesland, 2007
in 1000 Euro
32229.png

Abkürzungen: BB = Brandenburg, BE = Berlin, BW = Baden-Württemberg, BY = Bayern, DE = Deutschland, HB = Bremen, HE = Hessen, HH = Hamburg, MV = Mecklenburg-Vorpommern, NI = Niedersachsen, NW = Nordrhein-Westfalen, RP = Rheinland-Pfalz, SH = Schleswig-Holstein, SL = Saarland, SN = Sachsen, ST = Sachsen-Anhalt, TH = Thüringen.

Quelle: eigene Darstellung auf der Basis der Daten aus dem Länderfinanzausgleich des Bundesministeriums der Finanzen: Zweite Verordnung zur Durchführung des Finanzausgleichsgesetzes im Ausgleichsjahr 2007, Drucksache 735/08, 16.10.2008, Berlin 2008.

Anmerkung der Redaktion: In Abbildung 1 waren die Gewerbesteuern je Einwohner für Hamburg und Bremen zu hoch ausgewiesen. Dies wurde hier nachträglich korrigiert.

Wie problematisch dies ist, zeigt der einfache Vergleich der in Abbildung 1 für die Bundesländer ausgewiesenen Pro-Kopf-Steuereinnahmen, weil die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden bei der Gewerbesteuer nicht nur vom Gewerbeertrag, sondern auch vom selbst festgelegten Hebesatz abhängen. Die Hebesätze der Gewerbesteuer in Deutschland unterscheiden sich aber erheblich, und es gibt keine Korrelation aus durchschnittlich hohen Hebesätzen und hohem Gewerbesteueraufkommen in den einzelnen Bundesländern. Denn tatsächlich sind Hebesätze einerseits ein Element des Steuer- und damit Ansiedlungswettbewerbs, um Unternehmen bzw. Betriebe zur Ansiedlung zu bewegen; sind sie aber erst einmal gebunden, können sie steuerlich ausgebeutet werden. Möglicherweise kommt es zur Abwanderung, allerdings sprechen hohe Bindungswirkungen der getätigten Investitionen, also versunkene Kosten, dem oft – zumindest über einige Zeit – entgegen. Insofern müssen kommunale Entscheidungsträger bei der Wahl des Hebesatzes stets diese beiden Entscheidungsgrößen berücksichtigen.

Ursprünglich war die Gewerbesteuer nach dem Äquivalenzprinzip dafür gedacht, den Städten und Gemeinden die aus der Ansiedlung von Unternehmen entstehenden vor allem infrastrukturellen Kosten über die Steuererträge zu erstatten. Damit konnte auch die Finanzhoheit der Städte und Gemeinden über den Hebesatz begründet werden. Die Entwicklung der Zahlen zeigt allerdings ein anderes Bild. Von den Unternehmen in Deutschland zahlen nur 41% überhaupt Gewerbesteuer.7 Vor allem kleine Unternehmen erwirtschaften keinen positiven Steuermessbetrag bzw. Gewerbeertrag. Das Äquivalenzprinzip greift entsprechend nicht. Damit hat auch die finanzielle Abhängigkeit der Städte und Gemeinden von einzelnen „großen“ Steuerzahlern zugenommen. Für die Kommunen ist damit die Gewerbesteuer keine von ihnen steuerbare Größe mehr. Die Unterstützung bei der Ansiedlung von Unternehmen führt für sie nur dann zu Steuererträgen, wenn der Steuermessbetrag der anzusiedelnden Unternehmen größer Null ist. Dies muss bei der Ansiedlungspolitik stärker berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind die Kommunen abhängig von Unternehmensentscheidungen hinsichtlich der Zusammenschlüsse von Unternehmen. Wie es das Beispiel Porsche und Volkswagen zeigt, können durch unternehmerische Entscheidungen die Gewerbesteuereinnahmen stark zurückgehen, so entsteht der Gemeinde Weissach nördlich von Stuttgart nach der Übernahme von Porsche durch Volkswagen jährlich ein Rückgang der Gewerbesteuer von ca. 70%.8 Das Unternehmen ist aber weiterhin vor Ort und die daraus resultierenden Ausgaben für die Gemeinde bleiben bestehen.

Bestätigt wird dieses Beispiel durch den Vergleich der 50 deutschen Städte mit dem jeweils größten absoluten Steuermessbetrag pro Unternehmen. Hier zeigen sich auf den ersten drei Plätzen die Gemeinden mit den Unternehmenssitzen von Porsche (zum Zeitpunkt der Untersuchungsdaten noch Unternehmenssitz), Volkswagen und SAP.9 Diese Gemeinden profitieren eindeutig von der Höhe des Gewerbeertrags und nicht von der Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes. Berlin, Dresden und Leipzig nahmen als einzige ostdeutsche Städte im Vergleich die letzten drei Plätze ein, wobei die Höhe des Hebesatzes deutlich die Hebesätze der Erstplatzierten übersteigt. Bereits hier wird deutlich, dass die Unternehmensstruktur innerhalb Deutschlands sehr stark divergiert10 und die Höhe der Gewerbesteuererträge für die Städte und Gemeinden erheblich beeinflusst.

Abbildung 2
Unternehmen nach Bundesland, 2007
in % aller Unternehmen
32334.png

Quelle: eigene Darstellung.

Auswertung regionaler Gewerbesteuerdaten

Die Zahl der Unternehmen nach der Gewerbesteuerstatistik11 verteilt sich weitestgehend analog der Bevölkerung auf die einzelnen Bundesländer (vgl. Abbildung 2). Nordrhein-Westfalen hat dabei den höchsten Anteil an Unternehmen von 22,4%, wohingegen Bremen nur 0,8% der deutschen Unternehmen beheimatet. Sachsen führt bei den ostdeutschen Bundesländern mit einem Unternehmensanteil an der Gesamtzahl der Unternehmen von 5,4%.

Setzt man darüber hinaus die Zahl der Unternehmen in Relation zur Einwohnerzahl, zeigt sich, dass Schleswig-Holstein mit 118 Unternehmen auf 1000 Einwohner eine Sonderstellung einnimmt. Überraschend ist dabei, dass das bevölkerungsschwache ostdeutsche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit 54,8 Unternehmen auf 1000 Einwohner einen nahezu gleichen Anteil aufweist wie der Stadtstaat Hamburg mit 55,9 Unternehmen.

Tabelle 1
Steuermessbetrag von Unternehmenssitzen und Betriebsstätten
  Unternehmenssitze Betriebs-
stätten
Unternehmensverteilung (in %) 83,7 16,3
Mittelwert Steuermessbetrag (in Euro) 3658,72 9244,80
Median Steuermessbetrag (in Euro) 0,00 89,33

Quelle: eigene Darstellung.

Unternehmenssitze und Betriebsstätten

In der Gewerbesteuerstatistik wird unterschieden in Unternehmenssitze (Steuerfestsetzung) sowie Betriebsstätten (Zerlegungsfälle zu den Unternehmenssitzen). Der Gesamtanteil der Betriebsstätten in Deutschland liegt bei 16,3% der gesamten Unternehmen. Die restlichen 83,7% umfassen Unternehmenssitze unabhängig davon, ob das Unternehmen Niederlassungen hat oder nur ein einzelner Unternehmenssitz ist (vgl. Tabelle 1). Für die Betriebsstätten wird die zu zahlende Gewerbesteuer anhand des Zerlegungsanteils und damit anhand der Lohnsumme bestimmt. Für die Gruppe der Unternehmenssitze wiederum bestimmt sich die Höhe der zu zahlenden Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und damit nach dem Steuermessbetrag. Für die Betriebsstätten ergibt sich ein Mittelwert von 9244,80 Euro, für die Unternehmenssitze sind es 3658,72 Euro. Auch der Median zeigt eine deutliche Verschiebung zugunsten der Betriebsstätten auf. Daraus lässt sich folgern, dass Betriebsstätten in Deutschland umso höhere Gewerbesteuerbeträge liefern, je geringer die Häufigkeit regionalen Auftretens ist. Diese Erkenntnis ist vor dem Hintergrund der Struktur der Gruppe der Unternehmenssitze nicht überraschend, da von den 83,7% der Unternehmenssitze nur 5% eine Niederlassung bzw. Betriebsstätte haben. Die verbleibenden 95% sind Unternehmen ohne Niederlassung.

Hierzu passt auch die Verteilung des Steuermessbetrags, die Tabelle 2 wiedergibt. Von der Unternehmenssitzen erwirtschaften 49% keinen positiven Steuermessbetrag. Lediglich 34,7% rechnen mit einem Steuermessbetrag größer Null, was wiederum bei den Städten und Gemeinden zu Steuererträgen führt. Das bedeutet, dass bezogen auf die Gesamtheit der deutschen Unternehmen knapp 59% keine Gewerbesteuer zahlen.

Tabelle 2
Größenklasse des Steuermessbetrags
  Zahl der Fälle Anteil
in %
    (1) (2)
Steuermessbetrag 0 1 741 384 49,0 58,5
Steuermessbetrag > 0 1 233 637 34,7 41,5
Gesamt 2 975 021 83,7 100,0
Betriebsstätten 580 953 16,3  

(1) Anteil an allen Unternehmen. (2) Anteil an den Unternehmenssitzen.

Quelle: eigene Darstellung.

Organträger als Headquarter

Für eine detaillierte Untersuchung der fiskalischen Auswirkung von Unternehmenssitzen und Betriebsstätten auf die deutschen Städte und Gemeinden wird eine steuerliche Kategorisierung, die Definition der Organschaft, genutzt. Wirtschaftlich selbständige, aber rechtlich unselbständige Unternehmen, Organgesellschaften, werden in einem Unterordnungsverhältnis dem Organträger zugeordnet. Organträger und Organgesellschaften müssen jeweils juristische Personen sein. Für die Erhebung der Gewerbesteuer gelten die Organgesellschaften als Betriebsstätten. Der Gewerbeertrag der Organgesellschaften wird damit zunächst dem Organträger zugerechnet und dann über die Zerlegung auf die Gemeinden verteilt, in denen die Organgesellschaften jeweils ihren Sitz haben. Die Gesellschaft, die nach der steuerlichen Definition ein Organträger ist, muss demnach immer ein Headquarter für mindestens eine Niederlassung sein.

Aus der Gewerbesteuerstatistik lässt sich ableiten, dass nach dieser Definition nur 0,35% der Unternehmenssitze und damit insgesamt 0,4% aller deutschen Unternehmen (Unternehmenssitze und Betriebsstätten) auch Headquarter sind. 99,6% der deutschen Unternehmen waren 2007 keine Organträger im steuerlichen Sinn (vgl. Tabelle 3). Untersucht man die Mittelwerte für den Gewerbeertrag sowie den Steuermessbetrag nach der Organträgerschaft, wird deutlich, dass das arithmetische Mittel bei beiden Werten für die Organträger um ein Vielfaches höher ist als für die Organgesellschaften. Beim Mittelwert des Steuermessbetrags wird der Unterschied ebenso deutlich. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Medianwert. Beim Steuermessbetrag nimmt der Median bei den Organgesellschaften sogar den Wert 0 an, was darauf hinweist, dass die Verteilung von hohen Werten dominiert wird.

Tabelle 3
Steuermessbetrag und Gewerbeertrag nach Organträger, 2007
  Organträger Nicht- Organträger
Unternehmensverteilung (in %) 0,35 99,65
Steuermessbetrag = 0 (in %) 37,00 59,00
Steuermessbetrag > 0 (in %) 63,00 41,00
Mittelwert Gewerbeertrag (in Euro) 5 574 599 46 914
Median Gewerbeertrag (in Euro) 211 800 9 100
Mittelwert Steuermessbetrag (in Euro) 373 009 2 358
Median Steuermessbetrag (in Euro) 9 870 0

Quelle: eigene Darstellung.

Für die Städte und Gemeinden ergibt sich bei den Organträgern eine größere Wahrscheinlichkeit, Gewerbesteuererträge zu vereinnahmen als bei den Nicht-Organträgern. Daraus lässt sich folgern:

  • Die Ansiedlung eines Headquarters führt durchschnittlich zu einem Steuermessbetrag von ca. 370 000 Euro.
  • Die Verteilung der Steuermessbeträge fällt eindeutig zugunsten von Headquartern im Verhältnis zu Unternehmen, die keine Organträger sind, aus.
  • Städte und Gemeinden mit Headquartern haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, Gewerbesteuer von diesen Unternehmen zu erhalten als Städte und Gemeinden, die keine Headquarter haben.
Abbildung 3
Unternehmenssitze mit Niederlassung nach Bundesland, 2007
in % aller Bundesländer
32528.png

Quelle: eigene Darstellung.

Anmerkung der Redaktion: In Abbildung 3 fehlte Nordrhein-Westfalen. Dies wurde hier nachträglich korrigiert.

 

Vergleich nach Bundesländern

Wie Abbildung 3 belegt, findet sich der größte Anteil an Unternehmenssitzen mit Niederlassungen in Niedersachsen, wobei der Anteil unter 10% liegt. Interessant ist, dass Schleswig-Holstein einen ähnlich hohen Anteil an Unternehmenssitzen mit Niederlassungen an der Gesamtzahl von Unternehmenssitzen aufweist wie Bayern. Von den ostdeutschen Bundesländern hat Brandenburg den höchsten Anteil. Alle anderen ostdeutschen Bundesländer liegen, was die Zahl der Unternehmenssitze mit Niederlassungen angeht, unter dem bundesdeutschen Gesamtdurchschnitt.

Abbildung 4
Headquarter nach Bundesland, 2007
in % der Unternehmen im jeweiligen Bundesland
32573.png

Quelle: eigene Darstellung.

Untersucht man, wie in Abbildung 4 dargestellt, die Bundesländer nach dem Anteil der dort vertretenen Headquarter und damit Organträger, fällt auf, dass die Stadtstaaten Hamburg und Bremen den höchsten Anteil an den gesamten Organträgern in Deutschland haben. Interessant hierbei ist auch, dass Bayern knapp über und Nordrhein-Westfalen knapp unter dem deutschen Bundesdurchschnitt liegt. Die ostdeutschen Länder belegen bei der Häufigkeit der Headquarter die letzten fünf Plätze, weit unter dem Durchschnitt. Hier kommt Sachsen außerdem nach Berlin, Thüringen und Brandenburg. Daraus lässt sich folgern:

  • Anteilig haben die ostdeutschen Länder deutlich weniger Unternehmenssitze als im Bundesdurchschnitt.
  • Bei der Verteilung der Headquarter nach Bundesländern belegen die ostdeutschen Bundesländer mit Berlin die letzten sechs Plätze.

Unternehmenssitze und Betriebsstätten nach Bundesländern

Im Bundesdurchschnitt sind etwa 83% der deutschen Unternehmen Unternehmenssitze und 17% Betriebsstätten. Über diesem Bundesdurchschnitt liegen neben den Stadtstaaten auch die Flächenländer Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen sowie Hessen. In diesen Ländern ist also der Anteil von Unternehmenssitzen an der Gesamtzahl der Unternehmen größer als 83%. Von den Ländern knapp unter dem Bundesdurchschnitt führen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen die Liste mit den höchsten Werten noch vor Baden-Württemberg und Bayern an (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5
Unternehmenssitze und Betriebsstätten nach Bundesland, 2007
in % der Unternehmen im jeweiligen Bundesland
32672.png

Quelle: eigene Darstellung.

Bei der Gegenüberstellung der Steuermessbeträge nach Unternehmenssitz und Betriebsstätte erhält man für die Grundgesamtheit der deutschen Unternehmen eine Verteilung von 51% zu 49%, d.h. von 100% Steuermessbetrag werden knapp 51% von den Unternehmenssitzen und 49% von den reinen Betriebsstätten erwirtschaftet (vgl. Abbildung 6). Dieser Verteilung von etwa 50:50 folgen neben den Stadtstaaten Hamburg und Bremen auch die Flächenländer Hessen, Brandenburg und Thüringen. Interessant sind die deutlichen Abweichungen zugunsten der Unternehmenssitze in Schleswig-Holstein, Niedersachsen sowie Mecklenburg-Vorpommern. Auch nicht zu erwarten war, dass die Relation aus Steuermessbetrag in Baden-Württemberg und Bayern so deutlich zugunsten der Betriebsstätten ausfällt. Für Sachsen und Sachsen-Anhalt und das Saarland wiederum konnte diese Verteilung aufgrund der beschriebenen geschichtlichen Entwicklung so erwartet werden.

Abbildung 6
Steuermessbetrag nach Unternehmenssitzen und Betriebsstätten in Bundesländern, 2007
in %
32902.png

Quelle: eigene Darstellung.

Bei der Verteilung der Steuerzahlung auf Gewerbebetriebe und Betriebsstätten ergeben sich damit in Deutschland unterschiedliche Situationen: In Sachsen waren die Betriebsstätten, mit einem Anteil von 18% an den gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen, für 57% der Gewerbesteuerzahlung verantwortlich. Interessanterweise gleicht dieser Wert den Verteilungen in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg, obwohl die Unternehmensstruktur eine ganz andere ist. In Niedersachsen dagegen wurde ein deutlich geringerer Anteil an Gewerbesteuer, nur 35% von den Betriebsstätten gezahlt. Den Großteil an Gewerbesteuer in Niedersachsen leisteten die Unternehmenssitze, die einen Anteil von 79% haben und 65% der Gewerbesteuer zahlen. Daraus lässt sich folgern:

  • Für die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und das Saarland gilt, dass der Anteil des durch die Betriebsstätten erwirtschafteten Steuermessbetrags deutlich höher ist als der Steuermessbetrag von Unternehmenssitzen.
  • Für Schleswig-Holstein, Niedersachen und Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich, dass in den Unternehmenssitzen ein höherer Steuermessbetrag erwirtschaftet wird als in den Betriebsstätten.

Gewerbeertrag nach Bundesländern

Für den Vergleich der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Bundesländer nach der Gewerbesteuer wird der Gewerbeertrag als Maß herangezogen. Da für die Betriebsstätten nur der Steuermessbetrag ermittelt werden kann, ist in Abbildung 7 der Gewerbeertrag von der Verteilung der Unternehmenssitze auf die einzelnen Bundesländer geprägt.

Abbildung 7
Mittelwert des Gewerbeertrags, 2007
in 1000 Euro
32872.png

Quelle: eigene Darstellung.

Der Mittelwert des Gewerbeertrags liegt in Niedersachsen am höchsten und ist fast doppelt so hoch wie der bundesweite Durchschnitt. Interessant ist das vor dem Hintergrund der Verteilung der größten 500 Unternehmen auf die deutschen Bundesländer,12 die zeigt, dass in Niedersachsen weder besonders viele Unternehmen aus dieser Kategorie ihren Sitz haben, noch dass der Anteil der Unternehmen mit sehr hohen Gewerbesteuererträgen besonders hoch ist. Auffällig beim Mittelwert des Gewerbeertrages ist allerdings, dass sowohl Bayern mit 64 282 Euro als auch Nordrhein-Westfalen mit 64 267 Euro unter dem bundesweiten Durchschnitt von 66 309 Euro liegen. Daraus lässt sich folgern, dass die ostdeutschen Bundesländer beim Mittelwert des Gewerbeertrages weit unter dem Bundesdurchschnitt liegen.

Bei den Größenklassen der Gewerbeerträge (vgl. Abbildung 8) weisen die Anteile für die westdeutschen Länder einen nahezu deckungsgleichen Verlauf zur gesamten bundesdeutschen Verteilung auf. Die Abweichung Ostdeutschlands ist dagegen in den Bereichen der Gewerbeerträge, die kleiner als 12 100 Euro sind, deutlich erkennbar. Der Anteil für die ostdeutschen Länder liegt hier deutlich über dem gesamtdeutschen Verlauf, d.h. in den ostdeutschen Ländern sind Unternehmen mit dieser Größenklasse an Gewerbeerträgen häufiger vertreten als insgesamt. Bei Gewerbeerträgen über 12 100 Euro sind dagegen die Häufigkeiten in den ostdeutschen Ländern sichtbar geringer als im Bundesdurchschnitt. In der Klasse der Gewerbeerträge von 4000 Euro bis ca. 30 000 Euro gibt es einen deutlichen Anstieg für alle drei Kurven, der danach wieder abfällt. Daraus lässt sich folgern, dass in Ostdeutschland der Anteil der Unternehmen mit einem Gewerbeertrag von 0 Euro und unter 0 Euro deutlich über dem der westdeutschen Unternehmen liegt.

Abbildung 8
Größenklassen der Gewerbeerträge, 2007
Anteile in %
32950.png

Quelle: eigene Darstellung.

Interessant ist die Untersuchung der Verteilung der großen Unternehmen mit einem Gewerbeertrag von mehr als 2,5 Mio. Euro pro Jahr nach Bundesländern. Nach einer Umrechnung auf die Zahl der Unternehmen pro Mio. Einwohner, um die Daten zwischen den Ländern vergleichbar zu machen, zeigt sich, dass die Zahl großer Unternehmen in Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland sehr gering ist. Aber auch zwischen den westdeutschen Regionen gibt es deutliche Unterschiede. Daraus lässt sich folgern: Betrachtet man nur die Unternehmen mit einem Gewerbesteuerertrag von mehr als 2,5 Mio. Euro, hat Schleswig-Holstein die meisten solcher Unternehmen pro Mio. Einwohner. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen liegen in dieser Betrachtung im Mittelfeld, die ostdeutschen Bundesländer haben im Vergleich die niedrigste Zahl solch großer Unternehmen.

Analyse nach Branchen

Die Unternehmensstrukturen hängen auch von den Branchen ab. In Ostdeutschland ist die Zahl der Unternehmen im Baugewerbe, das konjunkturabhängig ist und in dem vor allem sehr kleine Unternehmen mit wenigen Beschäftigten zu finden sind, überproportional groß. So sind z.B. in Sachsen 15,4% aller Unternehmen im Baugewerbe tätig, in Brandenburg gar 16,8% der Unternehmen, während es in Westdeutschland nur zwischen 6,1% (Hamburg) und 10,6% (Rheinland-Pfalz) sind. Besonders viele Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe, einer der Branchen mit den wenigsten Unternehmen mit keinem oder negativem Gewerbeertrag sowie den meisten Unternehmen mit einem Gewerbeertrag über dem Bundesdurchschnitt, sind hingegen kontraintuitiv in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt tätig. Allerdings sind die Unternehmen in dieser Branche in den ostdeutschen Bundesländern deutlich kleiner als die in Westdeutschland.

Betrachtet man die Gewerbeerträge, die in den verschiedenen Branchen erzielt werden, sind deutliche Unterschiede erkennbar. Die Unternehmen mit den größten Gewerbeerträgen finden sich im verarbeitenden Gewerbe (5,2% der Unternehmen mit einem Gewerbeertrag von mehr als 500 000 Euro) sowie im Bereich Wasserversorgung (6,3%), wobei in dieser Branche insgesamt nur sehr wenige Unternehmen tätig sind. Die Branchen mit dem höchsten Anteil an Unternehmen mit einem Gewerbeertrag von unter 0 sind die Energieversorgung (49,5%), der Dienstleistungssektor (39,9%) sowie die Branche des Gesundheits- und Sozialwesens (33,4%).

Organträger sind in allen Branchen nur in sehr geringem Umfang vertreten. Die meisten finden sich in der Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen mit 1,2% der Unternehmen. Im verarbeitenden Gewerbe sind 0,8% der Unternehmen Organträger, im Baugewerbe sowie im Gastgewerbe hingegen nur 0,1% der Unternehmen. Entsprechend ist die Zahl der Unternehmen im Baugewerbe, in dem vor allem sehr kleine Unternehmen mit wenigen Beschäftigten zu finden sind, überproportional groß.

Abbildung 9
Mittlere Zahl der Beschäftigten pro Unternehmen nach Bundesland, 2007
32880.png

Quelle: eigene Darstellung.

Beschäftigtenzahlen nach Bundesländern

Eine weitere Möglichkeit, die Unternehmensstruktur in Ost- und Westdeutschland zu untersuchen, ist die Betrachtung der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Unternehmen (vgl. Abbildung 9). Interessant ist dabei die mittlere Zahl Beschäftigter pro Unternehmen. Es zeigt sich deutlich, dass – mit Ausnahme von Hamburg, das mit durchschnittlich 135 Beschäftigten eine Sonderstellung einnimmt, die Unternehmen in Deutschland im Durchschnitt nur zwischen 7,6 (Mecklenburg-Vorpommern) und 15,2 (Bremen) Beschäftigten haben.

Die ostdeutschen Unternehmen sind mit durchschnittlich 7,6 (Mecklenburg-Vorpommern) bis 9,9 (Berlin) Beschäftigten kleiner als die westdeutschen Unternehmen mit 10,4 (Schleswig-Holstein) bis 15,2 (Bremen) Beschäftigten. Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 12,9 Beschäftigten pro Unternehmen. Diese Zahlen unterstreichen noch einmal die Dominanz von Kleinstunternehmen in Deutschland.

Im Zusammenhang mit der Diskussion von Organträgern als Headquarter lohnt eine Betrachtung der durchschnittlichen Beschäftigtenzahl. Im Mittelwert beschäftigen Organträger 361 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Nicht-Organträger: 10,2). Daraus lässt sich folgern:

  • Ostdeutsche Unternehmen sind mit durchschnittlich sieben bis zehn Beschäftigten deutlich kleiner als westdeutsche Unternehmen mit zehn bis 15 Beschäftigten.
  • Organträger und damit Headquarter beschäftigen im Durchschnitt 361 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Vergleich zu Nicht-Organträgern, bei denen im Durchschnitt nur zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeiten.

Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen

Die Analyse macht auf eine Reihe von Problemen aufmerksam, die bei der Diskussion erforderlicher Reformen berücksichtigt werden sollten. Zunächst sollte die Bedeutung der Führungsfunktion als großer Attraktor der Gewerbesteuer relativiert werden, weil er eine strukturell polarisierende Wirkung besitzt und die Verteilung, insbesondere unter den Bedingungen der immer noch andauernden Konvergenzprobleme, zu Lasten des Ostens geht und durch den Finanzausgleich kompensiert werden muss. Hinzu tritt die im Vergleich zum Westen verringerte steuerliche Leistungsfähigkeit, die über die bereits genannten Faktoren weitere strukturelle Gründe hat, beispielsweise die starke Vorleistungsorientierung und die damit verbundene häufig erhöhte Wettbewerbsintensität.

Ergänzend führen unternehmerische Reorganisationsmaßnahmen zu scheinbar willkürlichen – aber natürlich systematisch im Recht kodifizierten – Umverteilungseffekten, ohne die den Gemeinden auferlegten Kosten zu verändern.

Faktisch ist die Gewerbesteuer nicht indifferent gegenüber der Größenverteilung der Unternehmen. Ein hoher Bestand an Kleinstunternehmen erodiert die Steuerbasis, obwohl die nicht oder kaum zahlenden Unternehmen dennoch Kosten bei den Kommunen verursachen. In der Tat verändern Aufteilungen oder Zusammenschlüsse die steuerliche Veranlagung, was eigentlich in Bezug auf eine sinnvolle Neutralitätsforderung nicht als angemessen erscheint. Die erhöhte Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft wird hier zum Steueraufkommensproblem der Kommunen.

Deutlich wurde auch, dass es starke sektorale Effekte auf das Steueraufkommen gibt, die nicht allein über Größenstrukturen zu erklären sind. Die Vorstellung, dass vor allem die gewerbliche Produktion infrastrukturell belastend ist und daher eine steuerliche Kompensation zugunsten der Kommunen erfordert, ist falsch und daher rechtlich revisionsbedürftig.

  • 1 Vgl. dazu A. D. Chandler: The Functions of HQ Units in the Multibusiness Firm, in: Strategic Management Journal, 12. Jg. (1991), H. S2, S. 31-50.
  • 2 Vgl. U. Blum, W. Gleißner: Vom ökonomischen Desaster zum subventionierten Cluster? Alternative Aufbaustrategien „Build-Strategien“ in den neuen Ländern und ihr ökonomischer Wert durch Risikodiversifikation, in: H. Wagner, U. Heilemann (Hrsg.): Empirische Makroökonomik und mehr, Festschrift zum 80. Geburtstag von Karl Heinrich Oppenländer, Stuttgart 2013, S. 283-286.
  • 3 Vgl. U. Blum, U. Ludwig, C. Lang, P. Marek: Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland: Studie im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Halle 2011.
  • 4 Vgl. U. Blum: Der Einfluss von Führungsfunktionen auf das Regionaleinkommen: Eine ökonometrische Analyse deutscher Regionen, in: Wirtschaft im Wandel, 13. Jg. (2007), H. 6, S. 7.
  • 5 Vgl. Beck’sche Textausgaben: Steuergesetze, Textsammlung mit Verweisen und Sachverzeichnis, Stand 1.1.2015, 180. Ergänzungslieferung.
  • 6 Zur Definition eines Gewerbebetriebs vgl. §15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz.
  • 7 Vgl. Statistisches Bundesamt: Finanzen und Steuern: Gewerbesteuer, Fachserie 14, Reihe 10.2., 2012, S. 11.
  • 8 Wird ein Unternehmen als Betriebsstätte geführt, wird der Steuermessbetrag nach der Lohnsumme der Arbeitnehmer am Standort in Relation zur Lohnsumme des gesamten Unternehmens ermittelt. Dadurch ergeben sich zwangsläufig geringere Steuermessbeträge im Verhältnis zur Ermittlung nach dem Gewerbeertrag.
  • 9 Die ersten drei Plätze sind wie folgt verteilt: 1. Weissach (BW) mit 125 798 Euro, Porsche, Hebesatz 330; 2. Wolfsburg mit 82 530 Euro, Volkswagen, Hebesatz 360; 3. Walldorf mit 61 857 Euro, SAP, Hebesatz 255.
  • 10 Platz 48: Berlin mit 2192 Euro, Hebesatz 410; Platz 49: Dresden mit 2069 Euro, Hebesatz 450; Platz 50: Leipzig mit 1843 Euro, Hebesatz 450.
  • 11 Für die Auswertung wird auf die derzeit aktuellsten Gewerbesteuerdaten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2007 zurückgegriffen. Neuere Auswertungen auf regionaler Ebene lagen zum Zeitpunkt der Untersuchung noch nicht vor.
  • 12 Top-500-Unternehmen gemäß dem Ranking der Tageszeitung „Die Welt“, http://top500.welt.de/.

Title:The Importance of Company Headquarters for Fiscal Performance

Abstract:The fiscal capacity of the German Länder is often calculated on the basis of per capita tax revenues. Business taxes for Germany show below average revenues for Eeastern Germany in relation to population size and number of firms. Headquarter functions, which are underrepresented in the eastern Länder, play a dominant role for tax revenues. Other deficits relate to the economic structure of these Länder and to some extent to the business tax laws there.

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DOI: 10.1007/s10273-015-1838-3