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Die Wachstumsdynamik der deutschen Wirtschaft hat nach einem kräftigen Zuwachs im vierten Quartal 2014 (+0,7%) zu Beginn des Jahres etwas an Fahrt verloren. So ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorquartal lediglich um 0,3% gestiegen. Erneut wurde das Wachstum im ersten Quartal 2015 ausschließlich von der Binnenkonjunktur getragen. Positive Impulse lieferten vor allem der private und der staatliche Konsum. Aber auch die Investitionen trugen im ersten Quartal 2015 zum Wachstum bei; die Investitionen in Bauten und Ausrüstungen sind deutlich gestiegen. Gedämpft wurde das Wachstum vom Außenhandel und dem Abbau von Lagerbeständen. Zwar wuchsen die Exporte mit einer Rate von 0,8% im Vergleich zum Vorquartal recht deutlich, die Importe stiegen mit 1,5% allerdings doppelt so stark, so dass der Außenbeitrag mit -0,2% insgesamt einen negativen Wachstumsimpuls gab. Die Preisdynamik zeigt sich seit Februar dieses Jahres wieder aufwärtsgerichtet, mit 0,3% liegt die Inflationsrate allerdings immer noch deutlich unter der Stabilitätsmarke von 2%. Im Juni führten sinkende Preise für Pauschalreisen, für Mineralölprodukte, Gemüse und Kaffee dazu, dass die Inflationsrate von 0,7% im Mai auf 0,3% im Juni sank. Gleichzeitig erhöhten sich mit Einführung des Mindestlohns die Preise für Dienstleistungen in den vergangenen Monaten recht deutlich. Der Beschäftigungsaufbau verlangsamte sich zu Beginn des Jahres spürbar; hierbei waren aufgrund der Einführung des Mindestlohns vor allem bei der Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten Rückgänge zu verzeichnen. Die Zahl der Arbeitslosen verringerte sich in den ersten Monaten des Jahres kontinuierlich. Dennoch konnte der vergleichsweise immer noch rasante Aufbau der Erwerbstätigkeit nur in Teilen für den Abbau der Arbeitslosigkeit genutzt werden.

Tabelle 1
Eckdaten für Deutschland
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
2013 2014 2015 2016
Bruttoinlandsprodukt1 0,1 1,6 1,9 1,7
Private Konsumausgaben 0,8 1,1 2,1 1,6
Staatliche Konsumausgaben 0,7 1,2 1,8 1,2
Anlageinvestitionen -0,6 3,3 3,1 2,7
Ausrüstungen -2,4 4,3 4,8 4,7
Bauten -0,1 3,4 2,9 1,4
Sonstige Anlagen 1,3 1,2 0,7 2,2
Inlandsnachfrage 0,7 1,3 2,2 1,6
Ausfuhr 1,6 3,8 4,8 5,3
Einfuhr 3,1 3,5 6,1 5,7
Arbeitsmarkt
Erwerbstätige 0,6 0,8 0,6 0,5
Arbeitslose (in Mio.) 2,95 2,90 2,77 2,72
Arbeitslosenquote2 6,5 6,4 6,1 6,0
Verbraucherpreise 1,5 0,9 0,5 1,6
Finanzierungssaldo des Staates (in % des BIP)
0,1 0,6 0,4 0,5
Leistungsbilanzsaldo3 (in % des BIP) 6,5 7,4 8,1 8,0

1 Preisbereinigt. 2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept). 3 In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit; ab 2015: Prognose des HWWI.

Frühindikatoren wie der ZEW Konjunkturindikator und der ifo Geschäftsklimaindex hatten zwar seit Ende vergangenen Jahres zugelegt, zuletzt aber eher enttäuscht und waren in den vergangenen zwei Monaten rückläufig. Auch das Wachstum der Weltwirtschaft hat in den vergangenen Wochen etwas an Dynamik verloren. So verlangsamte sich der Aufschwung in den USA und in Großbritannien deutlich, und die Schwellenländer wiesen im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren ein geringeres Wachstum auf. Die Weltkonjunktur steht immer noch unter dem Eindruck der Krisenfolgen und der Krisenpolitik, so dass sich angesichts der Unsicherheit an den Märkten noch kein selbsttragender Aufschwung abzeichnet. Dennoch hat sich die Konjunktur im Euroraum spürbar belebt und auch das schwächere erste Quartal in den USA hat voraussichtlich temporäre Ursachen. Insgesamt dürfte sich die Weltwirtschaft im Prog­no­sezeitraum weiter beleben; niedrige Ölpreise stützen weltweit die Konjunktur und die Exportwirtschaft der Eurozone profitiert von der Abwertung des Euro. Mit anziehender Weltkonjunktur und damit einhergehender kräftiger Belebung der Exporttätigkeit sollte auch das Wachstum in Deutschland im Laufe des Jahres wieder an Fahrt gewinnen. Somit bleiben die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft günstig, das kräftige Wachstum sollte sich fortsetzen. Auf Basis dieser Entwicklung ist für Deutschland mit einem Wirtschaftswachstum von 1,9% in diesem Jahr und von rund 1¾% im nächsten Jahr zu rechnen (vgl. Tabelle 1 und Abbildung 1).

Abbildung 1
Preisbereinigtes BIP in Deutschland
Saison- und arbeitstäglich bereinigt mit Census-Verfahren X-12-Arima
38269.png

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet, rechte Skala. 2 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: Statistisches Bundesamt; ab 2015: Prognose des HWWI.

Im Prognosezeitraum wird die deutsche Binnenwirtschaft wichtigste Wachstumsstütze bleiben. Hierbei wird vor allem der private Konsum zum Wachstum beitragen. Das stetige Beschäftigungswachstum, der geringe Preisdruck und das niedrige Zinsniveau führen weiterhin zu einem deutlichen Anstieg der Konsumausgaben bei den privaten Haushalten. Gleichzeitig wirken sich die niedrigen Energiepreise und der gesunkene Außenwert des Euro positiv auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aus. Der Aufwärtstrend am Arbeitsmarkt sollte im Prognosezeitraum mit leicht verringertem Tempo anhalten. Für den aktuellen Rand zeigt das IAB-Arbeitsmarktbarometer eine leicht sinkende Arbeitslosigkeit in den nächsten drei Monaten an. Die kräftige Nettozuwanderung und die erhöhte Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Beschäftigten vergrößern weiterhin das Erwerbspersonenpotenzial und stützen den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig dämpfend wirken steigende Löhne aufgrund der anziehenden Konjunktur und die Einführung der Rente mit 63. Zwar wird die Arbeitslosigkeit nicht im selben Ausmaß sinken wie die Beschäftigung zunimmt, dennoch sollte sich die Zahl der Arbeitslosen von rund 2,77 Mio. Personen in diesem Jahr auf 2,72 Mio. Personen im nächsten Jahr leicht verringern. Die Arbeitslosenquote liegt bei dieser Entwicklung im kommenden Jahr bei rund 6,0%.

Der Preisdruck dürfte sich in den kommenden Monaten allmählich wieder erhöhen. Es ist zu erwarten, dass die Importpreise aufgrund der Abwertung des Euro langsam wieder anziehen und dies im Laufe des Jahres auch an die Verbraucher weitergegeben wird. Unter der Annahme, dass der Ölpreis im Prognosezeitraum langsam wieder steigt, gehen im nächsten Jahr kaum noch stimulierende Effekte von ihm aus. Insgesamt dürfte die Inflationsrate 2016 bei rund 1,6% liegen und damit weiterhin unter der 2%-Stabilitätsmarke bleiben.

Für eine positive Entwicklung der Investitionstätigkeit sprechen die nach wie vor günstigen Finanzierungsbedingungen und der bestehende Nachholbedarf. Nichtsdestotrotz könnte eine unerwartet schwache Entwicklung der Weltwirtschaft bzw. ein erneutes Aufflammen der Vertrauenskrise im Euroraum die Unsicherheit der Unternehmen erneut erhöhen, so dass sich der bereits angelegte Investitionsaufschwung weiter verzögert. Die Exporttätigkeit Deutschlands sollte sich mit Belebung der Weltwirtschaft und hier vor allem des Euroraums kräftig erhöhen, so dass der Außenbeitrag das Wachstum im kommenden Jahr wieder positiv beeinflussen wird. Zusätzlich stützend wirken der gesunkene Außenwert des Euro und der immer noch niedrige Ölpreis. Insgesamt liefert der Außenbeitrag in diesem Jahr einen leicht negativen Wachstumsbeitrag von -0,2% und im nächsten Jahr einen leicht positiven von 0,2%.

Das Staatskonto sollte im Prognosezeitraum leicht positiv bleiben. Mehrausgaben aufgrund steigender Sozialleistungen (Rentenanpassungen, Erhöhung der Bruttolöhne und -gehälter, Kindergelderhöhung) und staatlicher Investitionen stehen steigende Steuereinnahmen und geringere Ausgaben für den Schuldendienst gegenüber. Die Beitragsänderungen bei den Sozialversicherungen gleichen sich weitgehend aus. Zudem hat die Bundesregierung angekündigt, im nächsten Jahr die kalte Progression zu mildern, was zwar zu einer Entlastung bei den privaten Haushalten, aber auch zu staatlichen Mindereinnahmen von ca. 1,4 Mrd. Euro führen wird. Insgesamt ergibt sich ein Finanzierungssaldo des Staates von circa 0,5% sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr.

Das größte Risiko dieser Prognose besteht allerdings in der Entwicklung des Euroraums – vor allem aufgrund der Lage in Griechenland. Die Rückzahlungen von 1,6 Mrd. Euro an den Internationalen Währungsfonds, die am 30.6.2015 fällig waren, wurden von Griechenland nicht geleistet. Somit wird das Hilfsprogramm nicht verlängert. Es drohen weiterhin eine Staatspleite Griechenlands und der Austritt aus der Währungsunion, was die griechische Wirtschaft in eine schwere Depression stürzen dürfte, an deren Ende ein Schuldenschnitt wahrscheinlich ist. Es bleibt somit weiterhin abzuwarten, wie sich die Situation in Griechenland entwickelt. Des Weiteren besteht das Risiko, dass eine „überraschende“, also schneller und deutlicher als erwartete Zinswende in den USA die Finanzmärkte destabilisiert.


DOI: 10.1007/s10273-015-1857-0

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