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Im Dezember 2013 wurde die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe in Betrieb genommen. Jetzt stellt sich die Frage, ob die Einführung tatsächlich zu einer Intensivierung des Wettbewerbs auf dem Tankstellenmarkt beigetragen hat. Die hier vorgestellte Analyse beruht erstmals auf umfassenden Mengendaten zum Tankverhalten, sodass sich Verhaltensänderungen und die Wirksamkeit der Markttransparenzstelle untersuchen lassen.

Das Auf und Ab der Benzinpreise und der Wettbewerb zwischen Tankstellen sind nicht nur ein Dauerbrenner in der öffentlichen Diskussion in Medien und Politik, sondern auch von starkem Interesse bei Wettbewerbsbehörden1 und in der Wissenschaft2. Um den Wettbewerb im deutschen Tankstellenmarkt zu intensivieren, wurde in Deutschland im Dezember 2013 die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTS-K) in Betrieb genommen. Auslöser war die von 2008 bis 2011 durchgeführte Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes,3 in deren Folge eine ganze Reihe von staatlichen Eingriffen in den Tankstellenmarkt diskutiert wurden. Umgesetzt wurde schließlich der von Haucap4 und der Monopolkommission5 entwickelte Vorschlag, eine MTS-K zu etablieren, sodass Verbraucher in Echtzeit und ohne hohe Suchkosten Benzinpreise vergleichen können. Die MTS-K ist nun seit dem 1. Dezember 2013 regulär in Betrieb. Unternehmen, die öffentliche Tankstellen in Deutschland betreiben bzw. über die Preissetzungshoheit an diesen verfügen, sind verpflichtet, Preisänderungen in „Echtzeit“ an die MTS-K zu melden. Die MTS-K stellt diese Informationen wiederum umgehend den zugelassenen Anbietern von Verbraucher-Informationsdiensten zur Verfügung, sodass Verbraucher Informationen über die aktuellen Kraftstoffpreise über das Internet mithilfe von Apps oder Navigationsgeräten in Echtzeit abrufen, beobachten und miteinander vergleichen können. Dies ermöglicht es Autofahrern prinzipiell, die günstigste Tankstelle in ihrer Umgebung oder entlang ihrer Route zu wählen bzw. zu Zeiten zu tanken, in denen es relativ günstig ist. Die verbesserte Informationslage der Verbraucher soll wiederum zur Intensivierung des Wettbewerbs beitragen.

Schon vor ihrer Einführung wurde öffentlich die Frage diskutiert, ob Verbraucher die MTS-K überhaupt nutzen werden und sich das Verbraucherverhalten ändere. Zudem ist mit Einführung der MTS-K auch eine Debatte darüber entbrannt, ob die erhöhte Markttransparenz tatsächlich den Wettbewerb beflügele, weil Verbraucher schneller auf Preisunterschiede reagieren können und somit auch einzelne Tankstellen einen stärkeren Anreiz haben, ihre Wettbewerber zu unterbieten, oder ob die erhöhte Markttransparenz nicht entgegen ihrer Intention kollusives Verhalten stärke und damit einen negativen Effekt auf den Wettbewerb habe. In der theoretischen Literatur wird nämlich (horizontale) Markttransparenz, also Transparenz zwischen Wettbewerbern, schon lange als einer der wesentlichen strukturellen Faktoren identifiziert, die Kollusion erleichtern.6 Gleichwohl ist theoretisch ebenso belegt, dass verbesserte Verbraucherinformationen, also vertikale Markttransparenz, die Anreize zur Preisunterbietung für Anbieter stärken und so kollusives Verhalten erschweren.7 In den Diskussionen zur Einführung der MTS-K spielten auch diese beiden Argumente eine Rolle, da durch die MTS-K sowohl die vertikale Transparenz (auf Verbraucherseite) als auch die horizontale Transparenz (auf Anbieterseite) erhöht wird.8

Die einzige Studie, die diese Frage bisher konkret für den deutschen Kraftstoffmarkt analysiert hat, haben Dewenter, Heimeshoff und Lüth vorgelegt.9 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass in Deutschland Benzin- und Dieselpreise nach der Einführung der MTS-K im europäischen Quervergleich relativ gestiegen seien. Dies würde eher ein Nachlassen des Wettbewerbs und gegebenenfalls (implizit) kollusives Verhalten vermuten lassen. Die Studie basiert allerdings auf Daten, die auf nationaler Ebene aggregiert sind und für die meisten Staaten als ungewichtete Durchschnittspreise vorliegen. Zeitliche und regionale Preisvariationen, die auf Kraftstoffmärkten eine wesentliche Rolle spielen, konnten somit nicht berücksichtigt werden.

Aufgrund der Datenprobleme konnten Dewenter, Heimes­hoff und Lüth nicht feststellen, ob und wie sich das Verbraucherverhalten nach Einführung der MTS-K verändert hat, da keine Mengendaten vorliegen.10 Gerade die Möglichkeit, dass Verbraucher aufgrund besserer Informationen ihr Tankverhalten nach Einführung der MTS-K verändern, war jedoch eine der damit verbundenen Hoffnungen. Wie wir im Folgenden berichten, scheint in der Tat eine solche Änderung im Tankverhalten stattgefunden zu haben.

Abbildung 1
Anteil der im Preistal getankten Menge an der Gesamtmenge pro Tankstelle
Anteil der im Preistal getankten Menge an der Gesamtmenge pro Tankstelle

Quelle: eigene Berechnungen.

Für eine evidenzbasierte Evaluation der MTS-K ist die Beobachtung des Tankverhaltens keineswegs unwichtig. Eine solche Evaluation, welcher sich die MTS-K alle drei Jahre durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unterziehen muss,11 findet aktuell erstmalig statt. In diesem Zusammenhang wurden wir durch den Mineralölwirtschaftsverband mit einer Studie zu Auswirkungen der MTS-K beauftragt.12 Eine Besonderheit der Studie ist, dass zum ersten Mal neben Preisdaten auch umfassende Mengendaten vor und nach Einführung der MTS-K ausgewertet werden konnten. Damit wurden mengengewichtete und somit aussagekräftige Durchschnittspreise ermittelt und sowohl die Preisentwicklung als auch das Tankverhalten analysiert. Wie sich zeigt, hat die MTS-K offenbar zu einer besseren Informationslage der Verbraucher geführt. Da zumindest einige Autofahrer die Informationen der MTS-K bzw. die neuen Benzinpreis-Apps gezielt zu nutzen scheinen, dürfte die MTS-K indirekt auch zu einer Intensivierung des Wettbewerbs unter den Tankstellen beigetragen haben.

Datengrundlage

Im Fokus der Untersuchung steht der Kraftstoff Super Benzin E5. Von insgesamt 327 Straßentankstellen in Hamburg, Köln, Leipzig und München standen neben Preisdaten für Super Benzin E5 auch Daten über die zu den jeweiligen Preisen getankten Mengen an den einzelnen Tankstellen an allen sieben Wochentagen in insgesamt zehn ausgewählten Kalenderwochen für die Jahre 2012 und 2015 mit Datum und Uhrzeit zur Verfügung.13 2012 existierte die MTS-K noch nicht und es gab auch keine Meldepflicht für die Tankstellenpreise. 2015 existierte die MTS-K, die den regulären Betrieb im Dezember 2013 aufgenommen hatte, bereits über ein Jahr, sodass die entwickelten Apps zum Benzinpreisvergleich vielen Autofahrern bekannt und etwaige Anlaufschwierigkeiten überwunden gewesen sein dürften.14

Um eine möglichst repräsentative Stichprobe zu erhalten, wurden für 2012 und 2015 jeweils zehn Wochen so ausgewählt, dass sowohl Wochen enthalten sind, die keine Besonderheiten aufweisen, als auch Wochen, in denen ein erhöhtes bzw. anderes Tankverhalten beispielsweise aufgrund des Ferienbeginns oder von Feiertagen, zu erwarten war. Die vier Städte Hamburg, Köln Leipzig und München wurden in Anlehnung an die 2011 publizierte Sektoruntersuchung ausgewählt, da das Bundeskartellamt auch genau diese Städte untersucht hatte.15

Veränderung der Preiszyklen

Erster Untersuchungsschwerpunkt ist das Preissetzungsverhalten der Tankstellen vor und nach Einführung der MTS-K. Empirische Studien aus den USA und Kanada haben belegt,16 dass eine Zunahme des Wettbewerbs regelmäßig mit häufigeren Preisänderungen, also schnelleren Edgeworth-Zyklen,17 einhergeht. Schnellere Zyklen von Preisanhebungen und -senkungen deuten auf eine schnellere Reaktion der Wettbewerber auf Angebotsänderungen hin und scheinen bei Kraftstoffen am Ende zu niedrigeren Preisen zu führen.18 So sind etwa an deutschen Autobahntankstellen, die auch aus Sicht des Bundeskartellamtes19 durch eine vergleichsweise geringe Wettbewerbsintensität geprägt sind, nur etwa halb so viele Preisänderungen zu beobachten wie an regulären Straßentankstellen.20

Als erster Anhaltspunkt für eine Veränderung des Anbieterverhaltens nach Einführung der MTS-K dient die Zahl der Preise, die von einzelnen Tankstellen pro Tag aufgerufen wurden.21 Über das gesamte Jahr betrachtet, ergibt sich eine durchschnittliche Zahl an Preisänderungen pro Tag und Tankstelle von 3,9 im Jahr 2012 und eine durchschnittliche Zahl an Preisänderungen pro Tag und Tankstelle von 6,5 im Jahr 2015, was einer Steigerung von 67% entspricht. Dieses Ergebnis bestätigt den schon vom Bundeskartellamt22 in der Sektoruntersuchung identifizierten Trend schneller werdender Preiszyklen und spricht tendenziell für eine weitere Intensivierung des Wettbewerbs.Untermauert wird dieses Ergebnis durch eine Analyse einzelner Kalenderwochen: 2015 wurden in einzelnen Kalenderwochen teilweise doppelt so viele Preisänderungen am Tag vorgenommen wie in der entsprechenden Referenzwoche 2012.23 Aufgeteilt in Preiserhöhungen und -senkungen zeigt sich zudem, dass die durchschnittliche Zahl an Preissenkungen pro Tag und Tankstelle stark zugenommen hat. Waren es 2012 noch 2,5 Preissenkungen pro Tag und Tankstelle wurde 2015 4,3 Mal pro Tag und Tankstelle der Preis gesenkt.24 Der starke Anstieg der Preisänderungen lässt sich somit vor allem mit der größeren Zahl an Preissenkungen erklären.

Die Zahl der Preissenkungen und -erhöhungen ist von Bedeutung, um die Zunahme der Preisänderungen zu interpretieren, da das Tempo der Edgeworth-Preiszyklen in der Fachliteratur als bedeutendes Indiz für die Intensität der Wettbewerbskräfte angesehen wird.25 Ein klassischer Edgeworth-Preiszyklus zeichnet sich dadurch aus, dass zunächst eine einzige deutliche Preiserhöhung erfolgt, bevor der Preis dann in vielen kleinen Preissenkungsschritten wieder sinkt.26 Somit deutet insbesondere ein hoher Anteil von Preissenkungen (bzw. ein geringer Anteil von Preiserhöhungen) auf ein Wirken der Wettbewerbskräfte hin, bei dem Preise immer wieder in schneller Folge gegenseitig unterboten werden.

Zwischen 2012 und 2015 sind diese Preiszyklen somit schneller und „gestauchter“ geworden. Diese Zunahme der Geschwindigkeit des Edgeworth-Zyklus kann als Indiz für eine Zunahme des Wettbewerbs gewertet werden, da sich hohe Preise weniger lang durchhalten lassen. In Märkten mit schnellen Preiszyklen fallen die Preise zudem regelmäßig niedriger aus als in Märkten, in denen keine Preiszyklen vorhanden sind.27 Ob dies auch für Deutschland zutrifft, wird im nächsten Schritt untersucht.

Durchschnittspreise und Preisspannen

Bei der Berechnung des mengengewichteten Durchschnittspreises werden die Preise mit der jeweiligen Menge gewichtet, die zu diesem Preis getankt wurde, im Gegensatz zum einfachen, ungewichteten Durchschnittspreis, der sich als einfacher Durchschnitt aller an einem Tag geltender Preise ergibt. Eine Differenz zwischen dem einfachen und dem mengengewichteten Durchschnittspreis erlaubt gewisse Rückschlüsse über ein gegebenenfalls verändertes Tankverhalten nach Einführung der MTS-K. Wird die MTS-K von den Autofahrern genutzt, so sollten mehr Liter zu unterdurchschnittlichen als zu überdurchschnittlichen Preisen getankt werden.

Im Jahr 2012 betrug der über alle vier Städte und alle zehn untersuchten Wochen ungewichtete Durchschnittspreis für Super E5 Benzin 163,61 Cent pro Liter. Der mengengewichtete Durchschnittspreis betrug im gleichen Zeitraum 162,14 Cent pro Liter. Dies ergibt eine Differenz von 1,47 Cent pro Liter. 2015 lag der ungewichtete Durchschnittspreis – bedingt durch gesunkene Ölpreise – deutlich niedriger, nämlich bei 141,99 Cent pro Liter. Der mengengewichtete Durchschnittspreis betrug im gleichen Zeitraum 138,75 Cent pro Liter. Daraus ergibt sich eine Differenz von 3,24 Cent pro Liter. Die Differenz hat sich somit mehr als verdoppelt. Dies bedeutet, dass 2015 mehr Benzin zu niedrigeren Preisen getankt wurde als 2012. Somit ist nach Einführung der MTS-K mehr Benzin zu unterdurchschnittlichen Preisen getankt worden als vor der Einführung. Noch deutlicher zeigt sich diese Entwicklung, wenn man die errechneten Differenzen in Relation zum jeweils durchschnittlichen Benzinpreis setzt. Der mengengewichtete Durchschnittspreis ist 2012 um 0,89% niedriger als der einfache Durchschnittspreis, wohingegen 2015 der mengengewichtete Durchschnittspreis sogar um 2,28% niedriger ist als der einfache Durchschnittspreis.28

Ein weiterer Anhaltspunkt für eine Zunahme des Wettbewerbs ist die Entwicklung der Preisspannen. In diesem Zusammenhang hat das Bundeskartellamt einen „Tankstellenspread“ und einen „Marktspread“ definiert:29

  • Der Tankstellenspread beschreibt den Betrag pro Liter, den ein Autofahrer an einem Tag sparen kann, wenn er bei einer gegebenen Tankstelle zum günstigsten Zeitpunkt tankt, wenn also die Tankstelle den niedrigsten Preis verlangt, im Vergleich zum ungünstigsten Zeitpunkt mit dem höchsten Preis an derselben Tankstelle. Der Tankstellenspread ergibt sich also aus der Differenz zwischen Tageshöchst- und Tagesniedrigstpreis einer Tankstelle. Dieser Tankstellenspread betrug 2012 durchschnittlich 5,42 Cent pro Liter, was etwa 3% des Preises entsprach. 2015 belief sich der Tankstellenspread auf 12,15 Cent pro Liter und war damit mehr als doppelt so hoch als vor Einführung der MTS-K. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass das absolute Preisniveau eines Liters Super Benzin E5 2015 deutlich niedriger war als 2012. In Relation zum Preisniveau entsprach der Unterschied zwischen niedrigstem und höchstem Preis etwa 9%, die ein Autofahrer sparen konnte. Somit lässt sich festhalten, dass das Einsparpotenzial für einen Liter Super Benzin E5 seit 2012 deutlich gestiegen ist.
  • Der Marktspread ist definiert als der Betrag pro Liter, den ein Autofahrer an einem Tag sparen kann, wenn er bei der günstigsten Tankstelle einer Stadt zum günstigsten Zeitpunkt tankt statt bei der teuersten Tankstelle zum teuersten Zeitpunkt. Der Marktspread berechnet sich also aus der Differenz zwischen Tageshöchst- und Tagesniedrigstpreis aller Tankstellen einer Stadt. 2012 betrug der durchschnittliche Marktspread über alle vier betrachteten Städte 10,98 Cent pro Liter. Die Preise unterschieden sich in einem Markt (in diesem Fall also je Stadt) dementsprechend durchschnittlich um 7% am Tag. 2015 betrug die Preisspanne des Marktes 21,58 Cent pro Liter – das sind 16% des durchschnittlichen Benzinpreises. Auch hier lässt sich ein erheblicher Zuwachs erkennen.30

Seit Einführung der MTS-K haben sich somit sowohl der Tankstellen- als auch der Marktspread erheblich vergrößert. Dies ist ein weiteres Anzeichen für eine Intensivierung des Wettbewerbs, da sich offenbar vermehrt Anbieter finden, die ihre Preise deutlich unter denen der Konkurrenz setzen. Den Kunden bietet ein vergrößerter Preisabstand zwischen günstigster und teuerster Tankstelle die Möglichkeit, mehr einzusparen als in früheren Jahren ohne die MTS-K. Diese Beobachtung unterstreicht die Bedeutung der MTS-K als Informationsinstrument für Konsumenten.

Analyse der Preistäler

Die Analyse des mengengewichteten Durchschnittspreises zeigt, dass Autofahrer offensichtlich heute vermehrt dann tanken, wenn die Preise günstig sind. Dieses Ergebnis ist ein starkes Indiz für die Wirksamkeit der MTS-K. Komplementär zu dieser Analyse haben wir das Tankverhalten zu niedrigeren Preisen anhand sogenannter „Preistäler“ vor und nach Einführung der MTS-K untersucht. Die Preistäler werden im Folgenden anhand unterschiedlicher Szenarien definiert, die verschiedene Niedrigstpreis-Situationen widerspiegeln.

Abbildung 2
Anteil der im Preistal getankten Menge an der Gesamtmenge pro Stadt
Anteil der im Preistal getankten Menge an der Gesamtmenge pro Stadt

Quelle: eigene Berechnungen.

Da die Zahl an Preisänderungen 2015 im Vergleich zu 2012 deutlich gestiegen ist und die Preiszyklen kürzer sind und schneller verlaufen, war die Zeitspanne, in welcher der absolut niedrigste Preis eines Tages galt, 2015 im Durchschnitt kürzer als 2012. Ein einfacher Vergleich der getankten Mengen in den beiden Jahren 2012 und 2015 im jeweiligen Zeitraum mit den absolut niedrigsten Preisen würde daher keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern. Als Preistal definiert wurden daher die Zeiträume mit den Preisen, die sich pro Tag und Tankstelle unter dem sogenannten 25%-Quantil befanden, d.h., dass nur 25% der Preise kleiner sind als der jeweilige Quantilswert. Im Ergebnis zeigt sich ein leichter Anstieg der durchschnittlich getankten Menge pro Minute 2015 im Vergleich zu 2012 von 5,53 Litern in der Minute zu 5,68 Litern in der Minute.

Um mögliche Preis- und Mengenunterschiede zwischen den einzelnen Wochentagen zu berücksichtigen, wurden zudem Preistäler auf Wochenbasis analysiert. Die Definition der Preistäler in diesem Szenario basiert auf den niedrigsten 10%, 15%, 20% und 25% aller je Tankstelle in einer Woche gesetzten Preise. Ein Vergleich der Mengenverkäufe zu den jeweils niedrigsten 10%, 15%, 20% und 25% der Preise pro Woche zeigt, dass zu den jeweils niedrigsten Preisen der Woche 2015 deutlich mehr getankt wurde als 2012. Hierbei wurde der durchschnittliche Anteil der im Preistal verkauften Menge an der Gesamtverkaufsmenge pro Woche je Tankstelle ermittelt. Anhand von Abbildung 1 lässt sich deutlich erkennen, dass zu den niedrigsten Preisen der Woche 2015 deutlich mehr getankt wurde als 2012. Der Anteil an der Gesamtabsatzmenge, der zu den niedrigsten Preisen einer Woche je Tankstelle getankt wurde, lag 2015 für alle betrachteten Schwellenwerte um 8 bis 9 Prozentpunkte höher als 2012 und somit vor Einführung der MTS-K.31 Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass Verbraucher offensichtlich nicht nur stärker die günstigsten Preise des Tages ausnutzen, sondern auch im Verlauf einer Woche ein Bewusstsein für günstige Kraftstoffpreise entwickelt haben und ihr Tankverhalten dementsprechend anpassen.

Um nicht nur das Tankverhalten an einer Tankstelle zu ermitteln, sondern auch das Tankverhalten im gesamten Markt, wurde dieses zu den günstigsten Preisen pro Stadt betrachtet. Auch diese Analyse zeigt, dass der Anteil der getankten Tagesmenge im Geltungszeitraum der 10%, 15%, 20% und 25% der günstigsten Preise an der Gesamtmenge je Stadt 2015 im Vergleich zu 2012 deutlich gestiegen ist. Der Zuwachs beträgt etwa 7 bis 8 Prozentpunkte für jeden Schwellenwert (vgl. Abbildung 2). Dieser Befund lässt vermuten, dass die Verbraucher auch in der räumlichen Dimension offensichtlich einen besseren Überblick erlangt haben und jeweils die Tankstellen bzw. diese zu den Zeitpunkten nutzen, an denen günstiger getankt werden kann.

Da sich das Preisniveau im Allgemeinen zwischen den Jahren verändert hat und die Preise täglich und wöchentlichen Schwankungen ausgesetzt sind, wurden die Preise außerdem anhand von sogenannten Preiskategorien präziser klassifiziert. Damit lassen sich die unterschiedlichen Preise pro Tag auch über die einzelnen Tage und Jahre vergleichen.

Hierzu werden die täglichen Preise jeder Tankstelle acht Preiskategorien zugeordnet. Jede Kategorie enthält ausgehend vom Minimum- bis zum Maximum-Preis des Tages jeweils 12,5% der aufgetretenen Preise. Die getankten Mengen der einzelnen Preiskategorien werden dann für das jeweilige Beobachtungsjahr aggregiert und zu der gesamten in diesem Jahr getankten Menge ins Verhältnis gesetzt. Auch diese Analyse bestätigt die bisherigen Ergebnisse: Im Vergleich zu 2012 wurde 2015 deutlich mehr zu den niedrigsten 12,5% der Preise am Tag getankt. Auch in der zweit- und drittniedrigsten Kategorie liegen die Werte 2015 über denen aus dem Jahr 2012 (vgl. Abbildung 3). Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Autofahrer durch Nutzung der Preisvergleichsportale bzw. -Apps ein gestiegenes Bewusstsein für günstige Preise entwickelt haben und dieses auch nutzen, um günstiger zu tanken. Aus den Ergebnissen der Untersuchung der verschiedenen Preistäler lässt sich zudem ableiten, dass die Differenz zwischen dem einfachen und mengengewichteten Durchschnittspreis tatsächlich maßgeblich darin begründet liegt, dass Kunden nach Einführung der MTS-K mehr zu günstigeren Preisen bzw. im Preistal getankt haben als zuvor.

Abbildung 3
Anteil der getankten Mengen pro Tag zu verschiedenen Preisen
Anteil der getankten Mengen pro Tag zu verschiedenen Preisen

Quelle: eigene Berechnungen.

Fazit

Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass sich seit Einführung der MTS-K sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfrageseite deutliche Änderungen ergeben haben. So sprechen auf Seiten der Tankstellenbetreiber die zunehmend größer werdende Zahl an Preisänderungen, die vor allem auf die deutlich gestiegene Zahl an Preisunterbietungen zurückzuführen sind, sowie die größer werdenden Preisspannen zwischen Tagesniedrigst- und Tageshöchstpreisen der einzelnen Tankstellen und der jeweiligen Stadt für eine Intensivierung des Wettbewerbs. Bei einer Reduktion der Wettbewerbsintensität zwischen den Tankstellen wäre eine Verlangsamung der Zyklen zu erwarten gewesen. Dies ist eindeutig nicht der Fall, da sich die Preiszyklen der Kraftstoffe beschleunigt haben. Nach einer Preiserhöhung wird nach Einführung der MTS-K der erhöhte Preis schneller auf ein niedriges Preisniveau durch viele Preissenkungen zurückgeführt als dies vorher geschehen ist. Vor Einführung der MTS-K teilweise geäußerte Befürchtungen, dass die MTS-K durch die erhöhte Transparenz Kollusion begünstigen könnte, scheinen somit unbegründet. Das Gegenteil ist der Fall: Alle Anzeichen sprechen dafür, dass der Wettbewerb intensiver geworden ist und Verbraucher die Preisunterschiede stärker ausnutzen als in der Vergangenheit.

Auf der Nachfrageseite ergeben die durchgeführten Analysen, dass die Autofahrer in Deutschland im Untersuchungsjahr 2015 und somit nach Einführung der MTS-K deutlich mehr in sogenannten Preistälern getankt haben als noch 2012, vor Einführung der MTS-K. Das veränderte Tankverhalten ist ein Indiz dafür, dass eine nicht zu vernachlässigende Zahl an Autofahrern die entsprechenden Preisvergleichs-Apps und somit die Informationen der MTS-K zu nutzen scheint, um preisbewusster zu tanken. Somit tritt der bei der Einführung der MTS-K postulierte positive Effekt einer gesteigerten vertikalen Markttransparenz ein und erlaubt den Verbrauchern die Preisunterschiede zwischen den Anbietern aufgrund der verfügbaren Informationen wirksam auszunutzen.

Unsere Analysen deuten somit darauf hin, dass die MTS-K nicht nur erfolgreich zu einer besseren Informationslage der Verbraucher, sondern damit auch indirekt zu einer Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den Tankstellen beigetragen hat. Kraftstoffanbieter müssen nun davon ausgehen, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der Kunden Preisunterschiede durch geeignete Apps schnell und kostengünstig identifiziert und infolgedessen auch den Anbieter wechselt.

  • 1* Der Beitrag basiert auf einer Studie, die mit finanzieller Unterstützung durch den Mineralölwirtschaftsverband (MWV) durchgeführt wurde. Vgl. OECD: Policy Roundtables: Competition in Road Fuel, Paris 2013.
  • 2 Vgl. M. Noel: Edgeworth Price Cycles, in: S. Durlauf, L. Blume (Hrsg.): New Palgrave Dictionary of Economics, London 2011; ders.: Do Edgeworth Price Cycles Lead to Higher or Lower Prices?, in: International Journal of Industrial Organization, 42. Jg. (2015), S. 81-93; ders.: Retail Gasoline Markets, in: E. Basker (Hrsg.): Handbook on the Economics of Retail and Distribution, Cheltenham 2016; A. Neukirch, T. Wein: Das Auf und Ab der Tankstellenpreise – Die Rolle des Binnen- und Außenwettbewerbs, in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, 42. Jg. (2016), H. 2, S. 195-245.
  • 3 Vgl. Bundeskartellamt: Sektoruntersuchung Kraftstoffe, Abschlussbericht gemäß §32e GWB, Mai 2011.
  • 4 J. Haucap: Lieber Sprit-Navi als Preisbremsen, Gastkommentar, in: Financial Times Deutschland vom 3.4.2012, S. 24.
  • 5 Monopolkommission: Stärkung des Wettbewerbs bei Handel und Dienstleistungen, 19. Hauptgutachten, Bonn 2012.
  • 6 Vgl. K.-U. Kühn, X. Vives: Information Exchanges among Firms and their Impact on Competition, Office of Official Publications of the Community, Luxemburg 1995; K.-U. Kühn: Fighting Collusion: Regulation of Communication between Firms, in: Economic Policy, 16. Jg. (2001), H. 32, S. 168-204.
  • 7 C. Schultz: Transparency on the Consumer Side and Tacit Collusion, in: European Economic Review, 49. Jg. (2005), H. 2, S. 279-297.
  • 8 Vgl. J. Haucap: Steigende Benzinpreise: Fehlende Transparenz auf dem Öl- und Kraftstoffmarkt?, in: ifo Schnelldienst, 65. Jg. (2012), H. 11, S. 6.
  • 9 R. Dewenter, U. Heimeshoff, H. Lüth: The Impact of the Market Transparency Unit for Fuels on Gasoline Prices in Germany, in: Applied Economics Letters, 24. Jg. (2017), H. 5, S. 302-305.
  • 10 Ebenda.
  • 11 Rechtliche Grundlage für die MTS-K ist zum einen das Ende 2012 in Kraft getretene Gesetz zu Errichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas. Durch dieses Gesetz wurde eine auch für den Kraftstoffbereich spezielle Bestimmung in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eingefügt. Zum anderen ist Rechtsgrundlage die Verordnung zur Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTSKraftV), die im März 2013 in Kraft getreten ist. Vgl. A. Mundt: Fehlende Transparenz auf dem Öl- und Kraftstoffmarkt?, in: ifo Schnelldienst, 65. Jg. (2012), H. 12, S. 3-5.
  • 12 DICE Consult: Auswirkungen der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTS-K). Eine Untersuchung des Preissetzungs- und des Tankverhaltens anhand von Preis- und Mengendaten. Ein Gutachten im Auftrag des Mineralölwirtschaftsverbandes, Düsseldorf 2017.
  • 13 Für insgesamt 140 Tage (sieben Tage in zehn Wochen in zwei Jahren) wurden für 327 Straßentankstellen Informationen zu Preisänderungen und getankten Mengen übermittelt.
  • 14 Ein Vergleich zwischen 2012 und 2014 könnte das Problem bergen, dass die Apps 2014 noch nicht hinreichend bekannt waren und Anfangsprobleme bei den Preismeldungen die Aussagekraft eines Vergleichs schmälern, da die MTS-K erst im Dezember 2013 den Regelbetrieb aufgenommen hat.
  • 15 Vgl. Bundeskartellamt, a.a.O., S. 20.
  • 16 Vgl. M. Noel: Edgeworth Price Cycles, Cost-Based Pricing, and Sticky Pricing in Retail Gasoline Markets, in: Review of Economics and Statis­tics, 89. Jg. (2007), H. 2, S. 324-334; ders.: Edgeworth Price Cycles: Evidence from the Toronto Retail Gasoline Market, in: Journal of Industrial Economics, 55. Jg. (2007), H. 1, S. 69-92.
  • 17 Zur Theorie der Edgeworth-Zyklen vgl. E. Maskin, J. Tirole: A Theory of Dynamic Oligopoly II: Price Competition, Kinked Demand Curves, and Edgeworth Cycles, in: Econometrica, 56. Jg. (1988), H. 3, S. 571-599; sowie M. Noel: Edgeworth Price Cycles, in: S. Durlauf, L. Blume (Hrsg.), a.a.O.
  • 18 Für Details vgl. M. Noel: Do Edgeworth Cycles Lead to ..., a.a.O.
  • 19 Bundeskartellamt, a.a.O.
  • 20 Vgl. J. Haucap, U. Heimeshoff, M. Siekmann: Selling gasoline as a by-product: The impact of market structure on local prices, DICE Discussion paper, Nr. 240, 2017, https://ideas.repec.org/p/zbw/dicedp/240.html (5.10.2017).
  • 21 Tritt der gleiche Preis mehrmals pro Tag zu unterschiedlichen Zeiten auf, nachdem zwischenzeitlich ein anderer Preis verlangt wurde, wird der entsprechende Preis mehrfach gezählt.
  • 22 Bundeskartellamt, a.a.O.
  • 23 Der Trend zunehmender Preisänderungen zeigt sich auch bei der Betrachtung der einzelnen Städte.
  • 24 Die Betrachtung einzelner Kalenderwochen ergibt ein ähnliches Bild: So hat die durchschnittliche Zahl an Preissenkungen pro Tag in einzelnen Kalenderwochen 2015 im Vergleich zu 2012 stark zugenommen, mit annähernd doppelt so vielen Preisänderungen pro Tag 2015 im Vergleich zur entsprechenden Referenzwoche 2012. Diese deutliche Zunahme der durchschnittlichen Preissenkungen pro Tag zeigt sich auch auf Ebene der vier einzelnen Städte.
  • 25 Vgl. M. Noel: Edgeworth Price Cycles, Cost-Based Pricing ..., a.a.O.; ders.: Edgeworth Price Cycles: Evidence from the Toronto Retail ..., a.a.O.; ders.: Edgeworth Price Cycles, in: S. Durlauf, L. Blume (Hrsg.), a.a.O.
  • 26 Vgl. J. Haucap: Steigende Benzinpreise ..., a.a.O., S. 3.
  • 27 Vgl. P. R. Zimmermann, J. M. Yun, C. T. Taylor: Edgeworth Price Cycles in Gasoline: Evidence from the United States, in: Review of Industrial Organization, 42. Jg. (2013), H. 3, S. 297-320; M. Noel: Do Edgeworth Price Cycles Lead to ..., a.a.O.
  • 28 Diese Entwicklung zeigt sich auch bei Betrachtung der einzelnen Städte und der einzelnen Wochen.
  • 29 Bundeskartellamt: Das 2. Jahr Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTS-K), Bonn 2015.
  • 30 Tankstellen- und Marktspread wurde auch pro Stadt untersucht und miteinander verglichen. Die Betrachtung über die vier untersuchten Städte zeigt, dass Tankstellen- und Marktspread ungefähr gleich verteilt sind.
  • 31 Eine Analyse auf Städteebene zeigt außerdem, dass dieses Phänomen in allen Städten auftritt, allerdings durchaus mit Unterschieden zwischen den Städten.

Title:The Effects of the Market Transparency Unit for Fuels in Germany

Abstract:The authors analyse how the market transparency unit for fuels in Germany affects both supplier and consumer behaviour. The number of price changes has increased, mainly due to increasing price cuts, as has the spread between the lowest and the highest price of the day – both indicators of intensified competition. The concern that the introduction of the market transparency unit would facilitate collusion appears not to be warranted. In contrast, competition has intensified and consumers are increasingly making use of the price differences. The analysis also reveals that consumers purchased more gasoline in times of low prices (so-called price valleys) in 2015 than they did in 2012. The change in consumer behaviour is an indicator that at least some drivers tend to use fuel price comparison apps fed by data from the market transparency unit.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2204-4