Der Welthandel ist seit dem Herbst 2016 wieder deutlich aufwärts gerichtet, nachdem er in den Jahren zuvor nur schwach gestiegen und zeitweise sogar rückläufig gewesen war. Die Dynamik hat zwar im Frühjahr 2017 etwas nachgelassen, dennoch war das Volumen des weltweiten internationalen Güteraustauschs im Sommer nach den Daten des vom Centraal Planbureau (CPB) berechneten World Trade Monitor immer noch um knapp 5% höher als ein Jahr zuvor. Für das laufende Jahr ist mit einem Anstieg um mehr als 4% zu rechnen, nachdem die Zuwachsrate in den fünf davorliegenden Jahren lediglich bei rund 2% gelegen hatte.1 Es stellt sich die Frage, ob die jüngste Beschleunigung des Welthandels lediglich als temporäres, konjunkturbedingtes Phänomen zu werten ist, oder ob sie auch längerfristig eine Rückkehr zu dem hohen Wachstumstempo des Welthandels erwarten lässt, das in den 15 Jahren vor der globalen Finanzkrise verzeichnet worden war.
Zweifellos hat die konjunkturelle Belebung der Weltwirtschaft seit dem vergangenen Jahr den Welthandel angeregt. Insbesondere verstärkte sich die Investitionstätigkeit seit Mitte 2016 weltweit erheblich (vgl. Abbildung 1). Aufgrund der vergleichsweise hohen Handelsintensität bei Investitionsgütern wird die globale Investitionsschwäche als eine Ursache für den geringen Anstieg des Welthandels in den vergangenen Jahren angesehen.2
Besonders stark belebte sich der Außenhandel in den asiatischen Schwellenländern, der von China dominiert wird.3 Die Entwicklung in dieser Ländergruppe war sowohl für die ausgesprochen schwache Zunahme des Welthandels von Mitte 2014 bis Mitte 2016 als auch für den kräftigen Anstieg in jüngster Zeit wesentlich verantwortlich (vgl. Abbildung 2). Knapp zwei Drittel des Anstiegs der Zuwachsraten seit der zweiten Jahreshälfte 2016 lassen sich auf höhere Importe dieser Region zurückführen. Triebkraft war wohl die durch eine expansive Wirtschaftspolitik bewirkte Beschleunigung der Konjunktur in China.
Abbildung 1
Wachstum von Welthandel und Investitionen
Anmerkung: Quartalsdaten, saisonbereinigt; Veränderung gegenüber dem Vorquartal, gleitender Dreiquartalsdurchschnitt; Investitionen: Index der Investitionen von 47 Industrie- und Schwellenländern gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt zu Kaufkraftparitäten; Welthandel gemäß World Trade Monitor des Centraal Planbureau.
Quellen: Centraal Planbureau; nationale Quellen; Berechnungen der Institute.
Abbildung 2
Beiträge zur Expansion des Welthandels nach Regionen
Anmerkung: Quartalsdaten; preis- und saisonbereinigt. Welthandel: Importe. Drittes Quartal 2017: Durchschnitt der Werte für Juli und August.
Quelle: Centraal Planbureau; eigene Berechnungen
Allerdings dürfte sich die wirtschaftliche Dynamik in China und damit die Expansion des Handels im asiatischen Raum in den kommenden Monaten wieder etwas verlangsamen. In ihrer Gemeinschaftsdiagnose rechnen die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute damit, dass die wirtschaftspolitischen Anregungen in China mit der Zeit geringer werden und die Wirtschaft dort auf einen flacheren Expansionspfad einschwenkt, der mit der Entwicklung des Produktionspotenzials, ökologischer Nachhaltigkeit und finanzieller Stabilität eher vereinbar ist. Bereits seit einigen Jahren befindet sich die chinesische Volkswirtschaft in einem strukturellen Wandel. Der Anteil der inländischen Wertschöpfung an den chinesischen Exporten steigt seit geraumer Zeit, was die Expansion der Importe dämpft. Hinzu kommt die Regierungsstrategie einer Abkehr von dem vom Export getriebenem hin zu einem stärker von der inländischen Nachfrage getragenen Wachstum.4
Darüber hinaus bleiben wichtige Faktoren bestehen, die darauf hinwirken, dass sich die Dynamik des internationalen Warenverkehrs strukturell verlangsamt hat und die Produktionselastizität des Welthandels nachhaltig niedriger ist als in den beiden Dekaden vor der globalen Finanzkrise.5 So gehen anders als in den Jahren vor der Finanzkrise keine Impulse mehr von der Liberalisierung des Welthandelsregimes aus, und die Integration von zuvor stärker abgeschotteten Ländern (China, Osteuropa) ist weit fortgeschritten. Seit der Großen Rezession haben sich protektionistische Tendenzen vielmehr eher verstärkt. Auch wenn deren quantitative Bedeutung bislang gering eingeschätzt wird,6 stellen sie im gegenwärtigen weltpolitischen Klima ein Risiko dar und könnten die Welthandelsentwicklung in den kommenden Jahren spürbar belasten.
Der Abbau von Handelshemmnissen hatte auch den Aufbau internationaler Wertschöpfungsketten unterstützt. Einzelne Arbeitsschritte der Produktion wurden zunehmend international verlagert, um komparative Vorteile der Länder bereits bei der Erstellung von Vorprodukten zu nutzen. Dieser Prozess der vertikalen Spezialisierungen ist in den vergangenen Jahren offenbar zum Stillstand gekommen, teilweise sogar zurückgeführt worden.7
Hinzu kommen eher technische Gründe. So war die große Expansion des Welthandels in den 1990er Jahren auch durch Staatenteilungen in Osteuropa bedingt, in deren Folge bis dahin als Binnenhandel anzusehende Verflechtungen plötzlich als Außenhandel erfasst wurden. Auch die im Zuge der Exploration von Schiefergas gestiegene Eigenversorgung der USA mit Rohöl leistete einen – wenn auch kleinen – Beitrag zur Verlangsamung des Welthandelswachstums.8
In der Folge all dessen hat sich die Produktionselastizität des Welthandels, die im Zusammenhang mit der Ausweitung der globalen Wertschöpfungsketten auf ein im historischen Vergleich ungewöhnlich hohes Niveau gestiegen war, wohl nachhaltig vermindert.9 So ist damit zu rechnen, dass der Welthandel nach der zuletzt beobachteten, stark von zyklischen Faktoren getragenen Beschleunigung in den kommenden Jahren wieder mit etwas geringeren Raten von voraussichtlich rund 3,5% expandiert. Gestützt von einer anhaltend regen Investitionstätigkeit und unter der Annahme einer nur allmählichen Verlangsamung der konjunkturellen Dynamik in China würde er damit aber immer noch etwas stärker zunehmen als die globale Produktion.
- 1 Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Aufschwung weiter kräftig – Anspannungen nehmen zu, Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2017, Kiel 2017.
- 2 Vgl. M. A. Kose, F. Ohnsorge, L. S. Ye, E. Islamaj: Weakness in Investment Growth: Causes, Implications and Policy Responses, Policy Research Working Paper, Nr. 7990, 2017; M. Bussière, G. Callegari, F. Ghironi, G. Sestieri, N. Yamano: Estimating Trade Elasticities: Demand Composition and the Trade Collapse of 2008-2009, in: American Economic Journal: Macroeconomics, 5. Jg. (2013), H. 3, S. 118-151.
- 3 Das Centraal Planbureau (CPB) weist den Außenhandel Chinas nicht gesondert aus. Die Größe der chinesischen Volkswirtschaft und der hohe Gleichlauf relevanter Indikatoren für China mit den CPB-Zahlen für diese Region lassen aber auf die Dominanz der Entwicklung in China schließen.
- 4 Vgl. E. Dorrucci, G. Pula, D. Santabárbara: China’s economic rebalancing, ECB Occasional Paper Series, Nr. 142, Februar 2013; J. S. Kang, W. Liao: Chinese Imports: What’s Behind the Slowdown?, IMF Working Paper, Nr. 16/106, 2016
- 5 Vgl. D. Haugh, A. Kopoin, E. Rusticelli, D. Turner, R. Dutu: Cardiac Arrest or Dizzy Spell: Why is World Trade So Weak and What can Policy Do About It?, OECD Economic Policy Paper, Nr. 18, September 2016.
- 6 Vgl. IWF: World Economic Outlook, Chapter 2: Global Trade: What’s behind the Slowdown?, Oktober 2016.
- 7 Vgl. M. Crozet, C. Emlinger, S. Jean: On the gravity of world trade’s slowdown, in: B. Hoekman: The Global Trade Slowdown: A New Normal?, Centre for Economic Policy Research (CEPR), London 2015; Europäische Zentralbank: Gründe für die Schwäche des Welthandels, in: Wirtschaftsbericht, 3/2015, S. 37-47.
- 8 Vgl. RWI: Peak Trade? – Auswirkungen einer weltwirtschaftlichen Wachstumsverlangsamung auf das Exportland Nordrhein-Westfalen, RWI-Projektbericht, 2016, S. 17.
- 9 Vgl. B. Gangnes, A. C. Ma, A. Van Assche: Global value chains and the trade-income relationship: Implications for the recent trade slowdown, in: B. Hoekman, a.a.O.