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Die Geldpolitik der EZB bleibt nach wie vor sehr expansiv ausgerichtet. Auch in der jüngsten geldpolitischen Entscheidung Ende April 2017 hielten die Währungshüter hieran fest. Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte bleibt unverändert bei 0,00%. Das Wertpapierankaufprogramm, das im Volumen von zuvor 80 Mrd. auf 60 Mrd. Euro gesenkt wurde, soll weiterhin planmäßig bis Dezember 2017 laufen und, falls nötig, darüber hinaus ausgeweitet werden. Diese weiterhin stark expansiv ausgerichtete Geldpolitik steht im starken Kontrast zu den jüngsten Wirtschaftsdaten, die eine Belebung der europäischen Konjunktur andeuten.

Die Europäische Kommission rechnet für die Mitgliedsländer des Währungsraumes nun wieder durchweg mit einem positiven Wirtschaftswachstum.1 Das Wirtschaftswachstum der Eurozone war im ersten Quartal 2017 im Vergleich zum Vorquartal sogar doppelt so hoch wie das in den USA.2 Ebenso stieg die Inflationsrate in der Eurozone Anfang dieses Jahres sprunghaft an und liegt im April nunmehr bei 1,9% (vgl. Abbildung 1). Auch die weniger schwankungsanfällige Kerninflationsrate legte von 0,7% im März auf 1,2% im April zu. Darüber hinaus werden die Erwartungen der Wirtschafts- und Finanzmarktakteure bezüglich der zukünftigen konjunkturellen Entwicklung mehr und mehr positiv. So stiegen beispielsweise der ZEW-Indikator zu den Konjunkturerwartungen für die Eurozone im Mai um 8,8 Punkte auf 35,1 Punkte. Die Einschätzung der aktuellen Lage verbesserte sich ebenso um 6,8 Punkte auf 18,3 Punkte. Auch das weltwirtschaftliche Umfeld, insbesondere in den USA, verbessert sich zunehmend. Dies sollte die Entwicklung in der Eurozone zusätzlich stützen.

Abbildung 1
Inflationsrate Eurozone
Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat
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Quellen: Macrobond; HWWI.

Diese positiven Entwicklungen spiegeln sich auch in der aktuellen Entwicklung des Economic Surprise Index der Citi Group wider (vgl. Abbildung 2). Der Index errechnet für eine Reihe von wichtigen Wirtschaftsdaten die Differenz zwischen Markterwartungen und tatsächlichen Werten und aggregiert diese in einem Index. Liegt der Index im positiven Bereich, so heißt dies, dass die Wirtschaftsdaten der letzten drei Monate im Schnitt positiver waren als die Markterwartungen, es liegt also eine positive Überraschung vor. Natürlich kann dies an zwei Umständen liegen. Entweder, die Erwartungen der Prognostiker sind pessimistisch und leicht zu schlagen oder die tatsächlichen Wirtschaftsdaten waren außerordentlich stark. Wie der Abbildung 2 zu entnehmen ist, hält sich der Index am aktuellen Rand schon seit einiger Zeit sehr deutlich und nachhaltig im positiven Bereich auf. Die jüngsten Wirtschaftsdaten der Eurozone übertreffen also regelmäßig die Erwartungen der Prognostiker.

Abbildung 2
Citi Economic Surprise Index für die Eurozone
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Quellen: Macrobond; HWWI.

Diese Entwicklungen bedeuten noch lange nicht, dass die Erholung in der Eurozone auch nachhaltig ist, aber sie erlauben doch einen gesunden Optimismus. Dies spiegelt sich so aber noch nicht in der Kommunikation der EZB wider. Dies darf man durchaus kritisch sehen, denn eine optimistischere Kommunikation könnte tatsächlich zu einer nachhaltigeren Erholung beitragen. Kommuniziert die EZB momentan also vielleicht zu pessimistisch? Mario Draghi, Peter Praet und andere EZB-Offizielle lassen nach wie vor verlauten, dass es trotz sich verbessernder Konjunkturaussichten zu früh sei, Erfolg auszurufen, und dass erst eine solide Informationsbasis geschaffen werden müsse, um Zuversicht über eine nachhaltige Inflationsentwicklung aufzubauen.

Neben der so wichtigen Liquiditätsbereitstellung kann die EZB mi einer optimistischen Kommunikation die Erwartungen der Unternehmen und Wirtschaftsakteure bezüglich ihres eigenen Geschäfts und das ihrer Branche positiv beeinflussen. Aber, und das ist vielleicht noch wichtiger, sie kann mit ihrer Kommunikation auch die Erwartungen der Wirtschaftsakteure über die Erwartungen anderer Wirtschaftsakteure steuern. Stellt sie den Zustand der Eurozone optimistisch dar, so erwarten alle Wirtschaftsakteure, dass auch alle anderen ihre Erwartungen in eine positive Richtung korrigieren. Auf diese Weise kann die EZB die Unsicherheit in den Erwartungen der Wirtschaftsakteure senken und diese auf einen optimistischen Pfad lenken. Sie schafft Vertrauen bzw. stellt dieses wieder her (restoring confidence argument). Wie jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, stehen die makroökonomische Aktivität und die ökonomische Zuversicht der Wirtschaftsakteure eng miteinander in Verbindung.3 Unter solchen Voraussetzungen können ein überschwallender Pessimismus eine Rezession verstärken und Optimismus einen Aufschwung beflügeln.

Das Schaffen von Vertrauen und Zuversicht durch eine zentrale Instanz wie der EZB kann am sich abzeichnenden Ende einer Rezession einen nachhaltigen Aufschwung erzeugen. Zumindest ist dies der Beitrag, den die EZB noch leisten kann, denn die Impulse der eigentlichen Zinspolitik und der unkonventionellen Maßnahmen dürften mittlerweile so gut wie verpufft sein. So kann eine optimistische Kommunikation die Erwartungen beflügeln und neben einer sehr behutsamen und langsamen Leitzinsanpassung eine Möglichkeit darstellen, aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen.

Eine solche Strategie funktioniert natürlich nur, wenn die europäischen Wirtschaftsdaten eine entsprechend optimistische Kommunikation erlauben. Dies ist aber, wie beschrieben, durchaus der Fall. Darüber hinaus sind die politischen Unsicherheiten nach den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden nun auch wieder geringer. Die Zurückhaltung der EZB aufgrund von politischer Unsicherheit sollte sich also langsam zurückbilden. Eine Ausnahme stellen hier vielleicht die Folgen des Brexit dar, die nach wie vor nicht absehbar sind und noch maßgeblich von den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU beeinflusst werden.

Nach der letzten geldpolitischen Entscheidung und der anschließenden Pressekonferenz im April erwarten Beobachter, dass die EZB in ihrem Kommuniqué am 8.6.2017 den Hinweis auf „nötigenfalls noch expansivere Geldpolitik“ streichen wird.4 Ob eine solch geringfügige Anpassung der Kommunikation aber ausreicht, um Optimismus zu verbreiten, darf angezweifelt werden. Vielmehr sollte die EZB die positiven Entwicklungen der Konjunkturindikatoren betonen und ihren möglichen positiven Einfluss auf die Inflationsentwicklung erläutern. Dies hätte den anzustrebenden Nebeneffekt, dass die Finanzmarktteilnehmer sich verstärkt mit realwirtschaftlichen Indikatoren auseinandersetzen.

Vermutlich hält sich die EZB mit allzu optimistischen Aussagen zurück, um im Falle einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nicht ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Eine allzu optimistische Kommunikation birgt also auch Risiken, die aktuell aber als überschaubar einzuschätzen sind. Aber sie bedeutet eben auch die Chance, einen sich andeutenden Aufschwung zu verstärken und damit endlich den Exit aus der Krisenpolitik zu schaffen. Es hilft nicht, erst dann optimistisch zu kommunizieren, wenn wirklich keine Zweifel mehr an einem nachhaltigen Aufschwung bestehen.

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DOI: 10.1007/s10273-017-2160-z