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In der Märzausgabe 2017 veröffentlichte der Wirtschaftsdienst einen Aufsatz mit dem Titel „Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik – warum springt die Kreditvergabe nicht an?“ von Daniel Hagemann und Monika Wohlmann. Manuel Rupprecht hält den Fokus des Beitrags für zu stark auf das Kreditangebot gerichtet und betont hier die Bedeutung der Kreditnachfrage. Die Autoren greifen den unterstellten Bedeutungsverlust des Bankkredits in einer Erwiderung auf und erläutern, warum dennoch kreditangebotsbedingte Restriktionen untersucht werden sollten.

Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik - eine Ergänzung

Von Manuel Rupprecht

In der Diskussion über die Notwendigkeit von geldpolitischen Lockerungen des Eurosystems seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise steht regelmäßig die Kreditvergabe der Geschäftsbanken an den privaten Sektor im Mittelpunkt.1 Überraschen kann dies kaum, attestierte doch das Eurosystem selbst dieser Kreditvergabe über lange Zeit eine zu geringe Dynamik, um private Konsum- und Investitionsausgaben nennenswert anzuregen und motivierte so geldpolitische Maßnahmen zu deren Belebung. Entsprechend richten sich auch Analysen zur Einschätzung der Wirksamkeit der expansiven Impulse auf die Bankkreditvergabe, so auch ein Beitrag in der März-Ausgabe dieser Zeitschrift.2 Die darin identifizierten Störfaktoren in der Transmission geldpolitischer Maßnahmen auf die Kreditentwicklung – unter anderem sinkende Profitabilität der Banken, steigende Regulierungsanforderungen, höhere Kreditrisiken – überzeugen. Sie können mit ihrem überwiegenden Fokus auf Bankangebotsrestriktionen die vergleichsweise schwache Entwicklung der Bankkredite jedoch nur zum Teil erklären.3

Hinzu kommen vielmehr weitere Aspekte, die sich letztlich in der Bankkreditnachfrage niederschlagen und die Kredit­entwicklung damit im Zweifel völlig unabhängig von etwaigen Angebotsrestriktionen beeinflussen.4 Die Bedeutung von Angebots- und Nachfragedeterminanten variiert natürlich im Zeitverlauf, und eine trennscharfe Differenzierung zwischen beiden Seiten ist ökonometrisch außerordentlich schwierig.5 Dennoch sprechen derzeit einige Hinweise dafür, dass zuletzt eher die Nachfrageseite prägend gewesen sein dürfte. Diese Hinweise sollen nachfolgend erläutert werden, wobei der Fokus auf der Kreditnachfrage nicht­finanzieller Unternehmen liegt. Der Beitrag versteht sich insofern als eine Ergänzung des Artikels von Hagemann und Wohlmann.

Abbildung 1
Finanzierungsstruktur nichtfinanzieller Unternehmen im Euroraum
Gleitende Vierquartalssummen
Finanzierungsstruktur nichtfinanzieller Unternehmen im Euroraum Gleitende Vierquartalssummen

Quelle: Europäische Zentralbank: Quarterly Sector Accounts; sowie eigene Berechnungen.

Veränderte Bedeutung des Kredits

Unternehmen stehen in aller Regel verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Verfügung.6 Grundsätzlich lässt sich dabei zwischen internen und externen Finanzierungsquellen unterscheiden. Während zu den internen Quellen insbesondere thesaurierte Gewinne gehören, ist das Spektrum der externen Quellen deutlich breiter und umfasst unter anderem Bankkredite, Anleihen und Handelskredite. Welche Instrumente letztlich genutzt werden, hängt von zahlreichen Faktoren ab, etwa den Kosten oder den verfügbaren Sicherheiten – immer vorausgesetzt, die Unternehmen haben einen entsprechenden Mittelbedarf.

Abbildung 1 veranschaulicht die Finanzierung nichtfinanzieller Unternehmen im Euroraum seit 2007 aus makroökonomischer Perspektive. Deutlich wird erstens, dass das Finanzierungsvolumen insgesamt mit Ausbruch der Krise spürbar eingebrochen ist. Einer zwischenzeitlichen Erholung folgte 2011/2012 ein erneuter Rückgang, und erst seit Mitte 2014 ist ein Aufwärtstrend erkennbar. Vom Vorkrisenniveau ist das Finanzierungsvolumen hingegen bis heute weit entfernt.

Zweitens hat sich die Finanzierungsstruktur im Betrachtungszeitraum erkennbar verändert. Vor der Krise spielten externe Quellen und darunter vor allem der Kredit eine wesentliche Rolle: Gut ein Drittel der Gesamtfinanzierung (also der Summe aus interner und externer Finanzierung) bestand allein aus diesem Instrument. Im Bereich der externen Finanzierung wurden bisweilen sogar 70% der Mittel in dieser Form aufgenommen. Seit Krisenausbruch ist die Bedeutung des Kredits jedoch spürbar zurückgegangen. Während Unternehmen zwischenzeitlich per saldo sogar Kredite tilgten, was unter anderem mit den zuvor aufgebauten Schuldenüberhängen zusammenhing, entfielen zuletzt nur noch rund 7% der Gesamt- und 25% der externen Finanzierung auf dieses Instrument.7 Kräftig zugenommen hat demgegenüber die Bedeutung der internen Finanzierung.8 Deren Anteil stieg von ca. 45% bis 50% vor der Krise auf zuletzt rund 70% des gesamten Finanzierungsvolumens; zwischenzeitlich fiel er sogar noch deutlich höher aus.9

Mit der veränderten Rolle des Kredits hat sich auch die Bedeutung der jeweiligen Kreditgeber verändert. Denn: Bei den gezeigten Krediten handelt es sich nicht nur um Bankkredite, sondern auch um Forderungen anderer Gläubiger, darunter etwa Versicherungen und Investmentfonds. Vor der Krise stellten Banken einen Großteil der kreditbasierten Finanzierung bereit. Nach Krisenausbruch kam es hingegen zu einer deutlichen Verschiebung hin zu anderen Kreditgebern.10 Bedeutung gewannen unter anderem verbundene Unternehmen, die beispielsweise im Rahmen etablierter Lieferketten oder auch im Konzernverbund Kredite gewährten. Auch die „Sonstigen Finanzinstitute“ übernahmen einen größeren Teil der Mittelbereitstellung.11 Im Ergebnis ist der Anteil von Banken an den ausstehenden Kreditverbindlichkeiten der Unternehmen von rund 60% im Krisenvorfeld auf zuletzt unter 50% gefallen.12

Warum nimmt die Bedeutung der Bankkredite ab?

Aus makroökonomischer Perspektive spielen Bankkredite in der Finanzierung von Unternehmen im Euroraum somit derzeit – und im Gegensatz zum Vorkrisenzeitraum – eine vergleichsweise unbedeutende Rolle, ungeachtet ihrer Erholung in der jüngeren Vergangenheit. Was erklärt diese Entwicklung? Zweifellos beeinflussen die im eingangs genannten Beitrag diskutierten mikro- und makroökonomischen Determinanten das Kreditangebot von Banken. Aber ist es tatsächlich primär die Angebotsseite, die mit ihren potenziellen Restriktionen einer dynamischeren Kreditentwicklung entgegensteht? Dies würde voraussetzen, dass die Nachfrage der Unternehmen nach Bankkrediten systematisch höher ist als das Angebot, jene Restriktionen also tatsächlich bindend wirken. Angesichts der methodischen Schwierigkeiten, die mit einer ökonometrisch basierten Quantifizierung der Bedeutung von Angebots- und Nachfragedeterminanten verbunden sind, wird dieser Frage anhand alternativer Datenquellen nachgegangen.

Abbildung 2
Relevanz des Bankkredits als Finanzierungsquelle für Unternehmen im Euroraum
Relevanz des Bankkredits als Finanzierungsquelle für Unternehmen im Euroraum

Quelle: Europäische Zentralbank: Survey on the Access to Finance of Enterprises, Oktober 2016 bis März 2017, Basis: alle Unternehmen.

Aufschluss geben hier insbesondere die Ergebnisse einer Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) unter Unternehmen zu deren Zugang zu Finanzmitteln.13 Konkret werden dabei regelmäßig Angaben zur Geschäftsentwicklung, den Finanzierungsverhältnissen sowie den diesbezüglichen Erwartungen der Unternehmen für die nähere Zukunft erhoben. Die Umfrage wurde erstmals 2009 durchgeführt, um vor dem Hintergrund der ausgebrochenen Wirtschafts- und Finanzkrise ein besseres Verständnis für die Lage und die Probleme der Unternehmen zu entwickeln. Mit zuletzt ca. 11 500 Unternehmen ist die Stichprobe ausreichend groß und differenziert, um repräsentativ für die Unternehmen im Euroraum sein zu können.

Im Rahmen dieser Umfrage wird unter anderem nach der Relevanz verschiedener Finanzierungsquellen gefragt. Abbildung 2 fasst die Antworten der jüngsten Umfragewelle im Zeitraum Oktober 2016 bis März 2017 in Bezug auf den Bankkredit zusammen. Demnach gaben mehr als Dreiviertel der befragten Unternehmen an, den Bankkredit in der jüngeren Vergangenheit nicht genutzt zu haben. Für gut 46% ist dieses Instrument sogar grundsätzlich nicht relevant, wenn es um die Aufnahme finanzieller Mittel geht. Die separat erfassten, hier nicht dargestellten, Kontokorrentkredite haben zwar eine etwas höhere Bedeutung, doch gaben auch hier gut 60% der Unternehmen an, darauf zuletzt nicht zurückgegriffen zu haben. Wiederum Dreiviertel dieser 60% bezeichneten dieses Instrument als grundsätzlich nicht relevant für ihre Zwecke. Auf Länderebene gibt es keine größeren Abweichungen vom Gesamtbild des Euroraums.

Abbildung 3
Gründe für die Irrelevanz von Bankkrediten als Finanzierungsquelle für Unternehmen im Euroraum
Gründe für die Irrelevanz von Bankkrediten als Finanzierungsquelle für Unternehmen im Euroraum

Quelle: Europäische Zentralbank: Survey on the Access to Finance of Enterprises, Oktober 2016 bis März 2017, Basis: alle Unternehmen.

Warum ist der Bankkredit für den Großteil der Unternehmen (derzeit) wenig relevant? Abbildung 3 fasst die Antworten auf eine ergänzende Frage in der EZB-Umfrage zusammen. Mit knapp 75% gab die große Mehrheit der Unternehmen im Euroraum an, im Befragungszeitraum schlicht keinen Bedarf an Bankkrediten gehabt zu haben. Andere Faktoren, etwa zu hohe Kosten oder mangelnde Sicherheiten, spielten hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Mit Ausnahme Griechenlands ist das Bild in allen großen bzw. von der Krise besonders gezeichneten Euroländern weitgehend ähnlich. Abbildung 4 veranschaulicht darüber hinaus, dass der Anteil der Unternehmen ohne Kreditbedarf seit 2014 und damit seit Beginn der Erholung des gesamten Finanzierungsvolumens nahezu stetig zugenommen hat – über alle Ländergrenzen hinweg.

Abbildung 4
Anteil der Unternehmen ohne Bedarf an Bankkrediten im Zeitverlauf
Anteil der Unternehmen ohne Bedarf an Bankkrediten im Zeitverlauf

Quelle: Europäische Zentralbank: Survey on the Access to Finance of Enterprises, alle Wellen von 2014 bis 2017, Basis: alle Unternehmen.

Verantwortlich dafür dürfte zum einen die Investitionsdynamik sein, die trotz des sich festigenden konjunkturellen Aufschwungs im Euroraum bis zuletzt eher verhalten ausfiel. Entsprechend gedämpft dürfte somit auch der Mittelbedarf der Unternehmen sein, was zur Erklärung des aktuell vergleichsweise niedrigen Finanzierungsvolumens aus Abbildung 1 beiträgt. Die derzeit positiven Finanzierungssalden der nichtfinanziellen Unternehmen im Euroraum deuten in die gleiche Richtung.14 Bei Unternehmen mit Mittelbedarf hat dagegen wohl auch die Verfügbarkeit alternativer Finanzierungsquellen ihre Nachfrage nach Bankkrediten negativ beeinflusst. Dafür sprechen neben der aus Abbildung 1 hervorgegangenen Bedeutungszunahme eben jener Quellen auch die jüngeren Ergebnisse der Umfrage des Eurosystems zum Kreditgeschäft der Banken (Bank Lending Survey). Demnach gaben die befragten Banken selbst an, dass die Nachfrage von Unternehmen nach Krediten durch die Verfügbarkeit alternativer Finanzierungsquellen gedämpft wurde, vor allem durch Mittel der internen Finanzierung.15 Dies galt sowohl für den Euroraum insgesamt als auch für einzelne Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Spanien.

Abbildung 5
Wichtigste Probleme der Unternehmen im Euroraum


Wichtigste Probleme der Unternehmen im Euroraum

1 Der Aspekt, der auf der Skala von 1 bis 10 am höchsten (problematischsten) eingestuft wird, wird als das „drängendstes Problem“ eingestuft.

Quelle: Europäische Zentralbank: Survey on the Access to Finance of Enterprises, Oktober 2016 bis März 2017, Basis: alle Unternehmen.

Kreditnachfrage wichtiger Faktor

Bei aller gebotenen Vorsicht in der Interpretation einzelner Datenquellen sprechen die hier gezeigten Resultate der komplementären Umfragen zusammen mit der Entwicklung auf makroökonomischer Ebene doch recht deutlich dafür, dass die Nachfrage nach Bankkrediten in jüngerer Zeit eher verhalten ausfiel und damit nennenswert zur schwachen Kreditentwicklung beigetragen hat. Es ist insofern fraglich, inwieweit die aktuellen geldpolitischen Maßnahmen für sich genommen die Kreditent­wicklung noch spürbar beeinflussen können. Naheliegend ist vielmehr, dass andere Politikbereiche gefordert sind, etwaige Investitions- und damit auch Kreditnachfragehemmnisse zu beseitigen, um so den konjunkturellen Aufschwung und den begonnenen Preisauftrieb im Euroraum zu festigen. Auch dafür bieten die diskutierten Umfragen Hinweise: Unternehmen werden darin auch gefragt, was aus ihrer Sicht aktuell das größte Problem für ihre wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Die Ergebnisse der jüngsten Umfragewelle fasst Abbildung 5 zusammen. Eine mangelnde Kundennachfrage sowie die ausreichende Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte stellen aktuell die größten Herausforderungen für die Unternehmen im Euroraum dar. Auf Länderebene zählen wahlweise auch zu viel Regulierung (Frankreich) oder zu hohe Arbeitskosten (Italien) dazu. Am wenigsten problematisch ist hingegen in nahezu allen Ländern das Gleiche – der Zugang zu Finanzmitteln.

  • 1 Vgl. exemplarisch M. Demary, M. Hüther: Weak Credit Growth Hinders Eurozone Inflation to Increase, IW Monetary Outlook, Dezember 2015, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, Policy Paper, Nr. 37/2015.
  • 2 Vgl. D. Hagemann, M. Wohlmann: Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik – warum springt die Kreditvergabe nicht an?, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 3, S. 213-218.
  • 3 Darüber hinaus verstellt die Betrachtung der aggregierten Bankkredit­entwicklung den Blick auf dahinterliegende, potenziell divergierende Entwicklungen in einzelnen Industrien. So sind etwa in Spanien schon seit Längerem industriespezifische Unterschiede zu beobachten: Während die Kreditentwicklung in einigen Industrien seit Krisenausbruch spürbar zurückgeht (etwa in der Baubranche), gibt es in anderen Branchen kräftige Zuwächse. Dahinter steht unter anderem die ökonomisch wünschenswerte Reallokation von Ressourcen zugunsten produktiverer Industrien. Vgl. Banco de España: Growth and Reallocation of Ressources in the Spanish Economy, Annual Report 2014, S. 33-62; sowie Deutsche Bundesbank: Zur jüngeren Entwicklung der Buchkredite an nichtfinanzielle Unternehmen im Euro-Raum, Monatsbericht, September 2015, S. 15-41. Bei der Interpretation der aggregierten Kreditentwicklung mit Blick auf die Effektivität der Geldpolitik ist daher auch deswegen Vorsicht geboten.
  • 4 In einem weiteren Beitrag sprechen die Autoren des genannten Beitrags die Kreditnachfrageseite zwar an, stellen dabei aber vor allem die Entwicklung der Realzinsen und damit die Kreditkosten in den Mittelpunkt, die wiederum mit Angebotsrestriktionen verbunden sein können. Die Kreditnachfrage selbst wird hingegen nur kurz angesprochen. Vgl. D. Hagemann, M. Wohlmann: Die Transmission über den Zinskanal: von der Geldpolitik zur Kreditnachfrage, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 4, S. 299-303.
  • 5 Eine ausführliche Diskussion der methodischen Schwierigkeiten bieten U. Busch, M. Scharnagl, J. Scheithauer: Loan Supply in Germany During the Financial Crisis, Deutsche Bundesbank, Discussion Paper, Nr. 5/2010, Frankfurt a.M. 2010.
  • 6 Für eine ausführliche Diskussion der Finanzierungsstruktur von Unternehmen sowie deren mikro- und makroökonomische Determinanten vgl. Deutsche Bundesbank: Die langfristige Entwicklung der Unternehmensfinanzierung in Deutschland – Ergebnisse der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung, Monatsbericht Januar, Frankfurt a.M. 2012, S. 13-28.
  • 7 Zur Entwicklung der Verschuldung nichtfinanzieller Unternehmen im Euroraum und dessen Einfluss auf die Bankkreditnachfrage vgl. Deutsche Bundesbank: Private Verschuldung – Status quo, Anpassungsbedarf und Politikimplikationen, Monatsbericht Januar, Frankfurt a.M. 2014, S. 57-70.
  • 8 Unter der Innenfinanzierung wird im Kontext der hier genutzten Angaben der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Wesentlichen die Ersparnisbildung nichtfinanzieller Unternehmen verstanden.
  • 9 In Deutschland fällt der Anteil der Innen- an der Gesamtfinanzierung nichtfinanzieller Unternehmen gemäß den Angaben der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sowie der Finanzierungsrechnung im Übrigen seit Jahren noch höher aus und liegt bisweilen bei deutlich über 80%.
  • 10 Vgl. M. Rupprecht et al.: Corporate Finance and Economic Activity in the Euro Area, ECB Occasional Paper, Nr. 151, Frankfurt 2013.
  • 11 Für eine Diskussion der mit diesen Verschiebungen in der finanziellen Intermediation verbundenen Auswirkungen auf die geldpolitische Transmission vgl. Europäische Zentralbank: The Role of Euro Area Non-monetary Financial Institutions in Financial Intermediation, in: Economic Bulletin, H. 4, 2016, S. 49-67. Eine auf Deutschland fokussierte Diskussion des Themas bietet C. Annuß: Die Nutzung der Finanzierungsrechnung zur geldpolitisch motivierten Analyse des Schattenbankensystems, in: R. Mink, K. Voy (Hrsg.): Die gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung – Revision und Anwendung in ökonomischen Analysen, Marburg 2017, S. 257-274.
  • 12 Vgl. M. Rupprecht et al., a.a.O.; sowie die Angaben zu den Europäischen Sektorkonten der EZB, abrufbar unter http://sdw.ecb.europa.eu/browse.do?node=9689710 (25.5.2017). Für eine Deutschland-spezifische Diskussion zur Entwicklung der Bedeutung des Bankkredits vgl. Deutsche Bundesbank: Die langfristige Entwicklung der Unternehmensfinanzierung ..., a.a.O.
  • 13 Vgl. Europäische Zentralbank: Survey on the Access to Finance of Enterprises in the Euro Area, Oktober 2016 bis März 2017, Frankfurt a.M. 2017.
  • 14 Vgl. Eurostat: European Sector Accounts, http://ec.europa.eu/eurostat/web/sector-accounts/detailed-charts/non-financial-corporations (26.5.2017).
  • 15 Vgl. Deutsche Bundesbank: Geldpolitik und Bankgeschäft, Monatsbericht Mai, Frankfurt a.M. 2017, S. 24-40.

Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik - eine Erwiderung

Von Monika Wohlmann, Daniel Hagemann

Manuel Rupprecht stellt in seiner Ergänzung den Bedeutungsverlust des Bankkredits als Folge eines gedämpften Mittelbedarfs des Privatsektors als wesentliche Ursache für die zuletzt schwache Kreditvergabe in der Eurozone heraus. Zunächst möchten wir betonen, dass die Wirkungszusammenhänge bei der Analyse der Kreditvergabe vielschichtig sind und wir zustimmen, dass auch die Kreditnachfrage eine tragende Rolle für die Wirksamkeit der Geldpolitik spielt. Hierzu hatten wir in der April-Ausgabe dieser Zeitschrift eine Untersuchung des Zinskanals veröffentlicht, bei der speziell der geldpolitische Einfluss auf die Kreditnachfrage analysiert wird.1

Die Bedeutung des Bankenkanals als Transmissionsmechanismus für die Geldpolitik wird maßgeblich durch die Abhängigkeit des Privatsektors vom Bankensektor als Finanzierungsgeber bestimmt. Nur bei einer bestehenden Abhängigkeit des Privatsektors vom Bankkredit und unzureichenden Substitutionsmöglichkeiten würden Angebotsrestriktionen der Geschäftsbanken zu Finanzierungshemmnissen führen. Gäbe es ein vollkommenes Substitut für den Bankkredit, auf das der private Sektor ausweichen könnte, hätten Angebotsrestriktionen bei den Geschäftsbanken keine realwirtschaftlichen Auswirkungen.2

Abbildung 1
Verbindlichkeiten nicht-finanzieller Unternehmen (ohne Eigenkapital)
Verbindlichkeiten nicht-finanzieller Unternehmen (ohne Eigenkapital)

Anmerkung: Bestand zum Jahresende 2016. Die sonstigen Verbindlichkeiten enthalten z.B. Handelskredite, Finanzderivate oder Mitarbeiteraktienoptionen.

Quellen: EZB (Euro Area Accounts) und eigene Berechnungen.

Um zu überprüfen, ob angebotsbedingte Restriktionen bei den Geschäftsbanken zur Erklärung der schwachen Kreditvergabe wegen hinreichender Substitutionsmöglichkeiten des Bankkredits in der Eurozone vernachlässigt werden können, empfiehlt es sich, die Bewertung der Rolle des Bankkredits bei der Finanzierung des privaten Sektors aus zwei Perspektiven zu betrachten. Neben der durch Manuel Rupprecht durchgeführten Periodenbetrachtung der Finanzierungsstruktur sollte auch eine Bestandsbetrachtung vorgenommen werden. Zwar ist es richtig, dass aus Periodensicht der Anteil der Kreditfinanzierung an der jährlichen Neuaufnahme von Finanzierungsmitteln im Nachgang der Finanzkrise zurückgegangen ist. Dennoch zeigen die jüngsten Erhebungen der Europäischen Zentralbank, dass der Bankkredit aus Bestandssicht weiterhin mit Abstand das wichtigste externe Finanzierungsinstrument in der Eurozone darstellt.3 Abbildung 1 zeigt die Struktur der Verbindlichkeiten der privaten Unternehmen in ausgewählten Euroländern. Die Kreditfinanzierung macht im Durchschnitt des Euroraums rund zwei Drittel der Fremdfinanzierung der Unternehmen aus. Nur rund 10% des Fremdkapitals wird über kapitalmarktnahe Instrumente wie Schuldverschreibungen eingeworben. Dabei ist zu konstatieren, dass die Bedeutung der Kapitalmarktfinanzierung in den einzelnen Euroländern sehr unterschiedlich ausfällt und hier zum Teil länderspezifische Gepflogenheiten relevant sind. Zudem spielt der Bankensektor auch bei der Fremdkapitalaufnahme über die Emission von Schuldverschreibungen eine wichtige Rolle, da er hier nicht nur als Mittler sondern auch als Kapitalgeber, also Käufer von Schuldverschreibungen, auftritt. Damit bleibt die Bedeutung des Bankensektors zur Finanzierung des Unternehmenssektors hoch.

Insgesamt ist die Wirtschaft in der Eurozone also stärker von der Bankenfinanzierung abhängig als von der Finanzierung über den Kapitalmarkt.4 Hinzukommt, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in der Eurozone nicht zu adäquaten Konditionen auf alternative Finanzierungsformen zurückgreifen können und von Einschränkungen beim Bankkreditangebot stark betroffen wären.5 Dies gilt ebenso für private Haushalte, deren Abhängigkeit vom Bankensektor besonders hoch ist, da sie sich in erster Linie über Bankkredite verschulden.6 Daher erscheint insgesamt eine Betrachtung von Angebotsrestrik­tionen über den Bankenkanal zur Erklärung der schwachen Kreditentwicklung durchaus zielführend.

  • 1 Vgl. D. Hagemann, M. Wohlmann: Die Transmission über den Zinskanal: von der Geldpolitik zur Kreditnachfrage, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 4, S. 299-303.
  • 2 Vgl. A. K. Kashyap, J. C. Stein: The role of banks in monetary policy: A survey with implications for the European monetary union, in: Federal Reserve Bank of Chicago Economic Perspectives, 21. Jg. (1997), H. 3, S. 2-18; vgl. C.E. Walsh: Monetary theory and policy, 2. Aufl., Cambridge 2003, S. 324.
  • 3 Vgl. European Central Bank: Report on financial structures, Oktober 2016, Frankfurt a.M. 2016, S. 10.
  • 4 Vgl. E. Alevizopoulou, N. Apergis, S. M. Miller: The bank lending channel and monetary policy rules for Eurozone banks: Further extensions, in: The Berkeley Electronic Journal of Macroeconomics, 15. Jg. (2015), H. 1, S. 93-112.
  • 5 Vgl. J. Peek, E. S. Rosengren: The role of banks in the transmission of monetary policy, in: A. N. Berger, P. Molyneux, J. O. S. Wilson (Hrsg.): The Oxford handbook of banking, 2. Aufl., Oxford 2015, S. 453-473.
  • 6 Vgl. European Central Bank: Euro Area Accounts Online, Juli 2017, Frankfurt a.M. 2016, S. 70.

Title:The Transmission Mechanism of Monetary Policy – Addition and Reply

Abstract:In March 2015 Wirtschaftsdienst published the article “The Transmission Mechanism of Monetary Policy – Where is the Boost to Lending?” by Daniel Hagemann and Monika Wohlmann. Manuel Rupprecht asserts in his response that their argumentation concentrates too heavily on credit supply. He points to the importance of credit demand and the declining significance of bank loans. Hagemann and Wohlmann respond by providing detailed information on the sources of company financing and state that more than half of the financing for companies in the eurozone originated from banks.


DOI: 10.1007/s10273-017-2195-1

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