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Die deutsche Wirtschaft erlebt einen Boom. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Bilanz für das Jahr 2017 auf über 2 % Wachstum angehoben und auch 2018 werden hohe Wachstumsraten erwartet. Es herrscht Optimismus trotz des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU, des drohenden Protektionismus und der schwierigen Regierungsbildung in Deutschland. Technologische Neuerungen bestimmen den Blick in die Zukunft: Industrie, Handel und Dienstleistungen müssen auf die Digitalisierung reagieren – von Elektromobilität und autonomem Fahren über die Nutzung der Künstlichen Intelligenz bis zur Ausbreitung des Online-Handels.

Industrie braucht Technologieneutralität statt Verbotspolitik

Trotz eines nicht immer einfachen Umfeldes ist die allgemeine konjunkturelle Entwicklung in Deutschland gut. Die Wirtschaftsleistung ist 2017 so stark gewachsen wie zuletzt vor sechs Jahren, die Beschäftigung ist hoch, der Ölpreis noch moderat und die Zinsen sind niedrig. Der deutsche Automobilmarkt übertraf 2017 erstmals in diesem Jahrzehnt die Marke von 3,4 Mio. Neuzulassungen. Die Weltproduktion der deutschen Hersteller erreichte mit mehr als 16 Mio. Pkw, davon 5,6 Mio. im Inland, einen neuen Rekord.

Der Pkw-Weltmarkt wuchs 2017 um 2 % auf 84,6 Mio. Neuwagen. China, der größte Automobilmarkt der Welt, legte erneut zu und verzeichnete ein Plus von 2 % auf 24,1 Mio. Neuwagen. Der US-amerikanische Light-Vehicle-Markt ging, erstmals nach sieben Jahren Wachstum, leicht zurück – um 2 % auf 17,2 Mio. Einheiten. Er liegt damit aber weiterhin auf hohem Niveau. Die Europäische Union setzte 2017 gemeinsam mit den Ländern der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ihren Wachstumskurs fort und erreichte ein Plus von 3 % (15,6 Mio. Pkw). Von den Top 5 in Europa (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien) wies lediglich Großbritannien einen Rückgang auf. Hier zeigten sich erste Auswirkungen der Brexit-Entscheidung. Auch die kleineren Märkte in Europa waren in guter Verfassung. Besonders kräftig war das Wachstum in den neuen EU-Ländern (+10 %).

Gut drei von vier Autos, die am Standort Deutschland produziert werden, gehen in den Export. Für das Gesamtjahr 2017 wurde ein leichter Rückgang auf 4,3 Mio. exportierte Einheiten (-2 %) verzeichnet. Gründe hierfür sind Modellwechsel mit Lokalisierungen im Ausland, aber auch der Brexit mit seiner wechselkursbedingt geringeren Nachfrage in Großbritannien.

Pkw-Weltmarkt auch 2018 auf Wachstumskurs

Was erwarten wir für das kommende Jahr? Wir gehen davon aus, dass der Weltmarkt um 1 % auf 85,7 Mio. Einheiten zulegen wird. Der gesamteuropäische Pkw-Markt wird sein Niveau mit 15,6 Mio. Einheiten halten. Westeuropa hingegen wird durch einen Rückgang in Großbritannien
(-5 %) gebremst, sodass ein leichtes Minus (-1 %) auf gut 14,2 Mio. Pkw zu erwarten ist.

Nach dem starken Verkaufsjahr 2017 wird der deutsche Markt auf ein Volumen von rund 3,4 Mio. Neuzulassungen (-2 %) leicht zurückgehen. Allerdings bewegt sich der Markt auch dann deutlich über dem langjährigen Mittelwert. Dem US-Markt wird es 2018 weiter an Dynamik mangeln, wir rechnen mit einem Absatz von gut 16,8 Mio. Light Vehicles (-2 %). China hingegen bleibt auf Wachstumskurs mit einem Plus von 2 % auf gut 24,6 Mio. Pkw. Russland und Brasilien erholen sich weiter. Der indische Markt dürfte 2018 um 10 % auf 3,6 Mio. Pkw steigen und damit erstmals größer werden als der deutsche Pkw-Markt.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir für 2018 eine Steigerung der deutschen Pkw-Weltproduktion um 2 % auf 16,7 Mio. Einheiten. Die Inlandsproduktion bleibt stabil mit 5,6 Mio. Pkw, dies gilt auch für den Export mit unverändert 4,3 Mio. Fahrzeugen. Die Auslandsproduktion legt um 3 % auf 11,1 Mio. Einheiten zu.

Elektromobilität mit viel Dynamik

In den kommenden zwei bis drei Jahren wird sich das Angebot unserer Hersteller auf über 100 E-Modelle verdreifachen. In den nächsten fünf bis acht Jahren werden die deutschen Hersteller mehr als 150 neue Modelle mit Elektroantrieb auf die Straße bringen. Noch vor Ende dieses Jahrzehnts wird der Elektroantrieb (Plug-in-Hybrid Vehicle, Battery Electric Vehicle) in allen Segmenten vertreten sein, von der Kompaktklasse bis zum SUV.

Bis 2020 investiert die deutsche Automobilindustrie über 40 Mrd. Euro in alternative Antriebe. Rund ein Drittel aller weltweiten Patente im Bereich der Elektromobilität (34 %) und des Hybridantriebs (32 %) kommt aus Deutschland. Wir wissen: Nur wer bei Forschung und Entwicklung ganz vorn ist, bleibt auch beim Elektroauto an der Spitze. Wir haben unsere Marktanteile bei der Elektromobilität deutlich gesteigert. In Europa (EU28 + EFTA) sind es 53 %, in Deutschland 64 %, auf dem Leitmarkt Norwegen 58 %.

Auch bei der Ladeinfrastruktur geht es voran. Derzeit gibt es in Deutschland 10 700 öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon sind 530 Schnellladepunkte. Im nächsten Jahr wird sich die Zahl der Normalladepunkte über das Förderprogramm der Bundesregierung auf gut 30 000 verdreifachen, die Zahl der Schnellladepunkte wird sich sogar verfünffachen.

Luftqualität in Städten verbessern – Fahrverbote vermeiden

Seit Monaten wird, teilweise sehr emotional, eine öffentliche Debatte über den Verbrennungsmotor geführt, im Mittelpunkt steht dabei der Diesel. Es ist dringend an der Zeit, die öffentliche Diskussion weiter zu versachlichen. Entscheidend ist, dass Fahrverbote vermieden werden und die Autofahrer rasch Klarheit erhalten. Wir wissen, unter welchem Handlungsdruck die Städte beim Thema Luftreinhaltung stehen und leisten erhebliche Beiträge zur Verbesserung der Situation. Wir stehen zu unseren Zusagen, die wir auf dem ersten Dieselgipfel im August gegeben haben und setzen die Maßnahmen konsequent um.

Mit den für die Kunden kostenlosen Software-Updates von über 5 Mio. Diesel-Pkw, den Umstiegsprämien und der Erneuerung des Bestands können die NOx-Emissionen im Straßenverkehr bis Anfang 2019 um etwa 12 % bis 14 % gesenkt werden. Im Rahmen dieser „Städte-Initiative“ arbeiten wir gemeinsam an Lösungen, wie wir kurzfristig die Luftqualität in der jeweiligen Stadt verbessern können. Stichworte hierfür sind:

  • eine rasche Erneuerung der Flotten durch emissionsarme oder emissionsfreie Fahrzeuge,
  • der Ausbau von Sharing-Angeboten der Industrie,
  • Verbesserungen der Verkehrssteuerung durch Grüne Welle und Digitalisierung.

Klimaschutz braucht breiten Antriebsmix

Die deutsche Automobilindustrie arbeitet kontinuierlich daran, die CO2-Emissionen ihrer Fahrzeuge weiter zu senken – und zwar über alle Antriebsarten hinweg. Nur so kann eine Dekarbonisierungsstrategie für den Straßenverkehr erfolgreich sein. Im Jahr 2025 werden Elektroautos voraussichtlich einen Anteil von 15 % bis 25 % an den Pkw-Neuzulassungen haben. Das heißt umgekehrt: Ein Großteil der Fahrzeuge fährt auch dann noch mit einem Verbrennungsmotor. Dies gilt umso mehr, wenn wir auf die internationalen Märkte schauen: In Lateinamerika, in weiten Teilen Asiens oder in Afrika wird es auch dann noch keine flächendeckende Ladeinfrastruktur geben. Wir müssen also alle Antriebsarten nutzen, auch Wasserstoff und Erdgas.

Wer die CO2-Frage ernst nimmt, kommt an klimaneutralen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, nicht vorbei. Die Technologie für diese Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen ist vorhanden. Noch sind die Kosten vergleichsweise hoch, doch sie werden sinken. Mit E-Fuels gibt es die Chance für klimaneutrale Verbrennungsmotoren. Und damit ein Instrument, um CO2-Emissionen im gesamten Fahrzeugbestand massiv zu senken, nicht nur bei Neuzulassungen. Hinzu kommt: Wir machen uns unabhängiger von fossilen Energieträgern und können in großem Umfang Grünstrom „lagern“.

Die CO2-Bilanz eines modernen Diesel oder Benziners mit E-Fuels kann besser sein als die eines Elektroautos, das hauptsächlich mit Kohlestrom geladen wird. Der Weg in die klimaneutrale Mobilität braucht alternative und synthetische Kraftstoffe, Elektromobilität und Brennstoffzelle. Deswegen sollte die Politik Rahmenbedingungen und Ziele setzen, aber nicht den Weg dahin vorschreiben. Quoten oder Technikverbote weisen den Weg in die wirtschaftliche, sozial- und klimapolitische Sackgasse. Wer Klimaschutz und Industriepolitik in der Balance halten will, muss dem Grundsatz der Technologieneutralität folgen.

Digitalisierung – deutsche Automobilindustrie Patentweltmeister

Der zweite große Innovationstrend – neben der Elektromobilität – ist die Digitalisierung. Wir investieren dafür in den nächsten drei bis vier Jahren 16 Mrd. Euro bis 18 Mrd. Euro. Die deutsche Automobilindustrie ist bereits heute Patentweltmeister beim vernetzten und automatisierten Fahren: An den seit 2010 weltweit erteilten Patenten auf diesem Feld hält sie einen Anteil von 52 %. Wir sprechen von der digitalen Transformation einer ganzen Branche durch das vernetzte und automatisierte Fahren. Die Vorteile: mehr Effizienz, mehr Komfort – vor allem aber mehr Sicherheit. Die Zahl der Unfälle wird massiv nach unten gehen.

Damit komme ich zum politischen Umfeld. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es keine vergleichbare Situation: Einerseits haben wir es weltweit mit vielen handelspolitischen Risiken zu tun, etwa die protektionistischen Tendenzen von Iran bis China oder die unklare Zukunft des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA). Die US-Steuerreform schafft durch die starke Senkung der Unternehmenssteuern auch für deutsche Unternehmen Anreize für mehr Investitionen in den USA. Sicher nicht hilfreich für das Exportland Deutschland ist die Einführung einer sogenannten Missbrauchsvermeidungssteuer („BEAT“) durch die US-Regierung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen. Und hinzu kommen Herausforderungen wie die Zukunft Europas mit Blick auf den Brexit.

Andererseits sehen wir aber insgesamt ordentlich laufende Automobilmärkte, selbst erste Hoffnungszeichen in Russland und Brasilien. Die deutsche Automobilindustrie hat sich in diesem ungewöhnlich anspruchsvollen Umfeld 2017 gut behauptet. Politik und Öffentlichkeit sollten sich darüber im Klaren sein, dass sich diese gute Gegenwart nicht von selbst in die Zukunft fortschreibt. Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung können sich nicht von allein dauerhaft stabilisieren. Sie brauchen die entsprechenden Rahmenbedingungen. Ich bin davon überzeugt: Die Politik muss die Chance nutzen und die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen − von der Senkung der Energie- und Energienebenkosten bis zur steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes − in guten Zeiten verbessern. Ein Dach erneuert man ja auch bei gutem Wetter − und wartet nicht solange, bis es an vielen Stellen hineinregnet. Eine kommende Bundesregierung wäre daher gut beraten, wenn sie die Weichen viel stärker auf Wachstum und Investitionen stellt, statt auf öffentlichen Konsum.

 
 

Die Erwartungen der Bauindustrie für das Jahr 2018

Für die Unternehmen des deutschen Bauhauptgewerbes war 2017 ein erfolgreiches Baujahr. Begünstigt durch einen Rekordauftragsbestand zu Jahresbeginn, ein äußerst positives gesamtwirtschaftliches Umfeld und weiterhin deutlich zulegende Auftragseingänge haben die Unternehmen des Bauhauptgewerbes im Vorjahr ein nominales Umsatzplus von rund 5 % erwirtschaftet. Trotz einer anziehenden Preissteigerungsrate von 2,5 % lag die reale Zunahme bei 2,5 %. In den vergangenen fünf Jahren wies das Bauhauptgewerbe damit ein reales Wachstum von 12 % auf, das deutlich über der Zunahme des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts von 8 % lag. Die Bauwirtschaft ist damit im aktuellen Konjunkturzyklus eine Stütze der Gesamtwirtschaft. Entsprechend positiv ist die Stimmungslage in der Branche. In allen relevanten Umfragen meldeten die Baubetriebe beim Geschäftsklima zum Jahresende Rekordwerte für die vergangenen 27 Jahre. Wichtig ist vor allem, dass die Unternehmen trotz der bereits als sehr gut bewerteten Geschäftslage auch positiv für das neue Baujahr gestimmt sind.

Die gute konjunkturelle Entwicklung fand ihre Entsprechung auf dem Bauarbeitsmarkt. Im Jahresdurchschnitt lag 2017 die Zahl der Erwerbstätigen im Bauhauptgewerbe mit 805 000 um etwa 3 % höher als ein Jahr zuvor. Verglichen mit 2009 – als die Branche ihren beschäftigungspolitischen Tiefpunkt erreichte – stieg die Zahl der Erwerbstätigen um 14 %. Die Baufirmen haben damit ihren Teil zum deutschen „Beschäftigungswunder“ beigetragen. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften nur noch äußerst schwer zu befriedigen ist. Im November 2017 lag die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter mit 15 600 nur noch minimal über derjenigen der offenen Stellen. Bei den Bauinge­nieuren kommen sogar mittlerweile auf jeden Arbeitslosen zwei offene Stellen. Es verwundert daher nicht, dass in der Herbstumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags drei von vier Baufirmen den Fachkräftemangel als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung im eigenen Unternehmen einstuften.

Wohnungsbau: Weiterhin ungebrochene Dynamik

2017 zeigten die Indikatoren im Wohnungsbau ein auf den ersten Blick verwirrendes Bild. Während der Umsatz im Bauhauptgewerbe in dieser Sparte in den ersten zehn Monaten zweistellig zulegte, gingen im gleichen Zeitraum die Genehmigungen für Wohnungen in neuen Wohngebäuden um 4 % zurück. Dies ist allerdings auf zwei Sonderfaktoren zurückzuführen. Von Januar bis April 2016 gab es wegen der nochmaligen Verschärfung der Energieeinsparvorschriften einen überproportionalen Genehmigungsschub von einem Drittel. Um diesen Sonderfaktor „bereinigt“, legten auch 2017 die Genehmigungen noch um rund 10 % zu. Zudem fehlen in vielen Kommunen Mitarbeiter in den Bauämtern, sodass Bauanträge derzeit nur mit großer Verzögerung abgearbeitet werden können. Für die Branche viel wichtiger ist dagegen die Tatsache, dass sich in den vergangenen Jahren ein Genehmigungsüberhang von 400 000 Wohnungen aufgestaut hat. Von 2009 bis 2016 sind fast 2,1 Mio. neue Wohnungen genehmigt worden, diesen stehen jedoch nur 1,7 Mio. Fertigstellungen gegenüber. Damit steckt noch deutlich mehr als eine Jahresproduktion an Wohnungen in der Warteschleife.

Während sich der Markt für Miet- und Eigentumswohnungen weiter dynamisch entwickeln wird, muss hinter den Eigenheimbau ein Fragezeichen gemacht werden. Angesichts deutlich steigender Bauland- und mittlerweile auch Baupreise dürften viele Haushalte – trotz des niedrigen Zinsniveaus – Probleme bekommen, das gewünschte Eigenheim auch finanzieren zu können. In diesem Marktsegment ist daher eher mit einer Seitwärtsbewegung zu rechnen.

Bei den Maßnahmen im Wohnungsbestand – und hier vor allem bei der energetischen Sanierung – ist hingegen auch 2018 nur mit einer geringen Wachstumsrate zu rechnen. Gerade bei den Handwerksbetrieben wirken mittlerweile die angespannten personellen Kapazitäten als Wachstumsbremse.

Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen dürfte 2017 mit rund 315 000 Einheiten den höchsten Wert seit 2001 erreicht haben. Eine Prognose für das neue Jahr fällt angesichts der zunehmenden Kapazitätsengpässe schwer; eine Fertigstellungszahl von 350 000 Einheiten scheint aber möglich. Mittelfristig setzen wir vor allem auf eine Etablierung der seriellen Produktion im Wohnungsbau. Nur diese ermöglicht es, die gewünschten Fertigstellungszahlen bei guter Qualität zu bezahlbaren Mieten zu errichten.

Die deutsche Bauindustrie geht zum Jahreswechsel davon aus, dass der Wohnungsbau auch 2018 deutlich zulegen wird. In diesem Marktsegment ist im neuen Jahr mit einem Umsatzplus von 3,5 % zu rechnen.

Wirtschaftsbau: Unternehmen investieren wieder in Deutschland

Der Wirtschaftsbau hat 2017 den Anschluss an den allgemeinen Bauaufschwung geschafft. Dies ist auch auf die unerwartet positive Investitionsneigung im Verarbeitenden Gewerbe zurückzuführen. Im Frühjahr 2017 wollten nach einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft 44 % der Industriefirmen ihre Investitionen am Standort Deutschland ausweiten, nur 15 % hatten Kürzungsabsichten. Die unerwartet starke Nachfrage aus dem In- und Ausland nach Industriegütern hat diesen Effekt noch verstärkt. So erreichte die Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe im 4. Quartal 2017 mit 87,9 % ihren höchsten Wert seit der Jahresmitte 2008. Entsprechend gaben 39 % der befragten Unternehmen in der Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) vom Herbst 2017 als Investitionsmotiv Kapazitätserweiterungen an, das war der höchste Wert seit 2007. Nach einem schwächeren 1. Halbjahr legten begleitend die Baugenehmigungen für Fabrik- und Werkstattgebäude sowie sonstige gewerbliche Betriebsgebäude von Juli bis Oktober um immerhin ein Viertel zu.

Gleichzeitig profitiert der Wirtschaftsbau von der Investitionsoffensive der Deutsche Bahn AG (DB AG), dem größten gewerblichen Bauinvestor in Deutschland. Die Investitionszuweisungen des Bundes an die DB AG, die 2014 erst ein Volumen von 4 Mrd. Euro hatten, stiegen 2017 auf ein Niveau von 5,1 Mrd. Euro, 2018 werden es sogar 5,6 Mrd. Euro sein. Zudem treibt die DB AG auch die Modernisierung ihrer Bahnhöfe – die sie komplett selbst finanzieren muss – weiter voran. 2018 soll in diesem Bereich 1 Mrd. Euro investiert werden. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld, das für die Investitionsentscheidungen der Wirtschaft eine gravierende Rolle spielt, soll 2018 positiv bleiben. So haben zum Jahresende die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Konjunkturprognosen unisono angehoben. Im Durchschnitt erwarten sie ein reales Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 2,3 %, nach 2,2 % im Vorjahr. Das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial steigt allerdings nur um rund 1,4 %. Die zunehmende Überauslastung spricht – trotz der weiterhin vorhandenen internationalen Risiken – für eine rege Investitionstätigkeit am Standort Deutschland. Nach einem nominalen Umsatzplus im Wirtschaftsbau des Bauhauptgewerbes um 6 % im vergangenen Jahr ist für 2018 mit einer weiteren Zunahme von 4 % zu rechnen.

Öffentlicher Bau: Planungsengpässe bremsen zunehmend

In den vergangenen Jahren hat die deutsche Bauindustrie vor allem vom Investitionshochlauf im Verkehrswegebau des Bundes profitiert. Standen für Investitionen in Fernstraßen, Wasserstraßen und Eisenbahnen des Bundes zu Beginn der Legislaturperiode 2013 noch 10,6 Mrd. Euro zur Verfügung, waren es 2017 bereits 12,8 Mrd. Euro. Im laufenden Jahr sollen es sogar 13,9 Mrd. Euro sein, damit würde die von vielen Wirtschaftsverbänden geforderte „Zielmarke“ von 14 Mrd. Euro nahezu erreicht.

Mittlerweile scheinen aber auch die Städte und Gemeinden die Investitionswende einzuleiten. 2016 und 2017 dürften sie ihre Ausgaben für Baumaßnahmen jeweils um nahezu 10 % gesteigert haben. Auch mittelfristig sind die Aussichten positiv: 2020 sollen die kommunalen Steuereinnahmen das Niveau des Jahres 2017 um mehr als 15 % übertreffen. Auch der Kommunalinvestitionsförderungsfonds, den der Bund mit 7 Mrd. Euro ausgestattet hat, wirkt sich nun aus. Nachdem im Teilbereich Infrastrukturprogramm die Gemeinden die Mittel anfangs nur zögerlich abgerufen hatten, waren zur Jahresmitte 2017 von 3,5 Mrd. Euro immerhin schon 3,1 Mrd. Euro verplant. Damit wird ein kommunales Investitionsvolumen von 4,7 Mrd. Euro ausgelöst.

Trotz sprudelnder Steuereinnahmen und gesamtstaatlicher Haushaltsüberschüsse kann das Umsatzwachstum im öffentlichen Bau des Bauhauptgewerbes 2018 allerdings durch zwei Faktoren gebremst werden:

  • Angesichts der anhaltenden Probleme bei der Bildung einer neuen Bundesregierung müssen wir für erhebliche Teile des Jahres 2018 mit einer vorläufigen Haushaltsführung rechnen. Dabei dürfen nur Baumaßnahmen finanziert werden, die bereits in den Vorjahren begonnen wurden. Zwar sind davon Investitionen in Erhalt und Sanierung der Fernstraßen nicht betroffen, dennoch rufen wir die Bundesministerien für Verkehr und Finanzen bereits heute dazu auf, im neuen Haushaltsjahr größtmögliche Flexibilität zu zeigen, damit die für Verkehrswegeinvestitionen des Bundes zur Verfügung stehenden Mittel auch verbaut werden können.
  • Auf der kommunalen Ebene müssen wir immer öfter feststellen, dass Planung und Vergabe öffentlicher Baumaßnahmen durch Personalengpässe verzögert werden. Zwar sind die Städte und Gemeinden bestrebt, ihr Fachpersonal wieder aufzustocken, stoßen dabei allerdings in der aktuellen Arbeitsmarktsituation auf große Probleme.

Angesichts der geschilderten Rahmenbedingungen erwarten wir für den Umsatz im öffentlichen Bau des Bauhauptgewerbes 2017 ein nominales Wachstum von 5,5 %, für 2018 auf leicht abgeschwächtem Niveau von 4 %. Alles in allem bleibt das deutsche Bauhauptgewerbe auch 2018 auf Wachstumskurs. Der Umsatz in der Branche dürfte um rund 4 % zulegen.

Planungsverfahren vereinfachen und beschleunigen

Die Planungsprozesse in Deutschland müssen schneller werden. Zwar sind durch den Investitionshochlauf genügend Mittel vorhanden, um die Verkehrswege des Bundes zu erhalten und bedarfsgerecht auszubauen. Gleichzeitig sehen sich allerdings die öffentlichen Verwaltungen immer langwierigeren und komplizierteren Planungs- und Genehmigungsverfahren gegenüber. Sie sind kaum noch dazu in der Lage, Projekte in angemessener Zeit zur „Baureife“ zu führen.

Für die deutsche Bauindustrie steht die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren deshalb ganz oben auf der politischen Prioritätenliste. Die Vorschläge des Innovationsforums Planungsbeschleunigung zur Optimierung von Verwaltungsabläufen und zu naturschutzrechtlichen Prüfungen müssen gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode umgesetzt werden. Die Bauindustrie fordert:

  • ein Planungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg zu bringen, in dem die Vorschläge des Innovationsforums zur Optimierung der Verwaltungsabläufe in geltendes Recht umgesetzt werden,
  • den weitgehenden Verzicht auf Planfeststellungsverfahren bei reinen Ersatzbaumaßnahmen, z. B. im Brückenbau,
  • die Integration des Raumordnungsverfahrens in das Planfeststellungsverfahren,
  • einen „Redaktionsschluss“ für die einzelnen Planungsschritte und
  • die Eingrenzung des Verbandsklagerechts im Umweltbereich.

Nur wenn wir gemeinsam neue Wege gehen, wird es uns dauerhaft gelingen, die Infrastruktur in Deutschland in angemessener Zeit preisgünstig und in guter Qualität zu erhalten und auszubauen.

Erfolgreiches Jahr für die deutsche Chemie

2017 war ein ausgesprochen gutes Jahr für die chemisch-pharmazeutische Industrie. Durch eine starke Industriekonjunktur in ganz Europa, die im Jahresverlauf noch Fahrt aufnahm, wuchs die Chemie-Produktion inklusive Pharma um 2,5 %. Rechnet man das starke Pharmageschäft heraus, legte die Produktion der Chemie immer noch um 2 % zu. Die Kapazitäten der Branche waren mit rund 87 % überdurchschnittlich gut ausgelastet. Dieses positive Mengengeschäft, verbunden mit steigenden Erzeugerpreisen (+3 %), sicherte den deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen ein kräftiges Umsatzplus: Die Erlöse der Branche nahmen insgesamt um 5,5 % auf knapp 195 Mrd. Euro zu. Der Inlandsumsatz stieg um 4,5 %, der Auslandsumsatz um 6,5 %. Der Aufschwung führte zum höchsten Beschäftigungsstand seit 13 Jahren: Die Zahl der Mitarbeiter in der chemisch-pharmazeutischen Industrie stieg 2017 um 1 % auf 451 500. Seit dem Tiefpunkt im Jahr 2010 hat die Branche damit fast 31 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Das Auslandsgeschäft der Branche profitierte von der robusten Nachfrage aus China, der Belebung der Wirtschaft in den USA und der wirtschaftlichen Stabilisierung in Brasilien, Russland und anderen Schwellenländern. Aktuell bewerten die Unternehmen ihre Geschäftslage ähnlich positiv wie zuletzt 2010, als sich nach der Weltwirtschaftskrise eine rasante Erholung einstellte.

Von der konjunkturellen Belebung haben alle Segmente der Branche profitiert. So konnten in der Basischemie die Unternehmen ihre Produktion nach den Rückschlägen der vergangenen Jahre wieder deutlich ausweiten. Die Produktion von anorganischen Grundstoffen stieg im Gesamtjahr um 4 %. Auch die Produktion von Polymeren legte mit einem Plus von 3 % kräftig zu. Allein die Produktion von petrochemischen Grundstoffen verbuchte noch ein Minus von 1,5 %. Aber auch hier scheint nach mehreren Jahren des Rückgangs die Wende geschafft: Im zweiten Halbjahr lag die Produktion um 1 % höher als ein Jahr zuvor. Die gute Industriekonjunktur in Deutschland und Europa belebte auch das Geschäft mit Fein- und Spezialchemikalien. Ihre Produktion wuchs 2017 um 2,5 %. Die Hersteller konsumnaher Produkte, wie Seifen, Wasch- und Reinigungsmittel, konnten die Menge um 4 % ausweiten. Die Nachfrage nach pharmazeutischen Erzeugnissen legte im In- und Ausland kräftig zu. Das Produktionsplus für 2017 beträgt 4,5 %.

Politische Risikofaktoren

Zahlreiche politische Risikofaktoren geben Anlass, sich auf turbulente Zeiten einzustellen. Dazu gehören z. B. die Unsicherheit, wann eine neue Bundesregierung arbeitsfähig ist und welche Ausprägung ihre Wirtschafts- und Energiepolitik haben wird. Bei den politischen Unwägbarkeiten hat der Brexit ein besonderes Gewicht für die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie.

Großbritannien ist ein wichtiger Handelspartner und einer der größten Märkte in der EU für unsere Unternehmen. 2016 verkaufte die Branche Produkte im Wert von fast 12 Mrd. Euro dorthin (6,7 % der deutschen Chemieexporte). Den größten Anteil machten Spezialchemikalien und Pharmazeutika aus. Gleichzeitig führten deutsche Chemieunternehmen Erzeugnisse für über 6,4 Mrd. Euro (5,2 %) ein. Dazu gehörten vor allem pharmazeutische Produkte und Petrochemikalien. Das deutsch-britische Außenhandelssaldo mit Chemieprodukten ist deutlich positiv. In den vergangenen fünf Jahren sind die Exporte nach Großbritannien stark gestiegen, die Importe gingen dagegen zurück.

Wie stark unsere Unternehmen vom Brexit betroffen sein werden, hängt vor allem vom Ergebnis der jetzt beginnenden zweiten Verhandlungsphase zwischen London und Brüssel ab. Zum einen könnten jährliche Zollzahlungen von 200 Mio. Euro in der Chemie anfallen. Noch größere Belastungen sind möglich, wenn sich für unsere Branche spezifische Regulierungen – wie z. B. das Chemikalienrecht REACH oder die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden – in Großbritannien und der EU unterschiedlich entwickeln sollten. Eine möglichst weitgehende gegenseitige Anerkennung von Regulierungen und gleiche Standards sind daher ein zentrales Anliegen der Branche. Dafür müsste Großbritannien durch ein umfassendes Abkommen möglichst eng an die EU gebunden werden.

Chemie-Prognose 2018

Bei den Unternehmen überwiegt derzeit die Zuversicht, dass sich trotz solcher Turbulenzen der Aufschwung im deutschen Chemiegeschäft 2018 fortsetzen wird. Der Aufwärtstrend in Europa scheint robust, dadurch dürfte das Exportgeschäft weiter Rückenwind erhalten. Gleichzeitig stehen die Zeichen für die deutsche Industrieproduktion weiterhin auf Wachstum. Für dieses Jahr erwartet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) daher ein Produktionsplus von 2 % für die Chemiebranche. Bei steigenden Preisen (+1 %) sollte der Umsatz um 3 % wachsen und könnte damit erstmals die Schwelle von 200 Mrd. Euro überschreiten. Im Inland erwarten wir ein Plus von 2,5 %, der Auslandsumsatz dürfte um 3,5 % zulegen.

Wachstum durch Innovationen in einer Welt im Umbruch

Nicht nur das politische Umfeld, sondern vor allem auch die zunehmende Bedeutung von Digitalisierung, Nachhaltigkeit und zirkulärer Wirtschaft haben Auswirkungen auf die künftige Entwicklung der Chemie. Wie die deutsche Industrie insgesamt steht auch unsere Branche vor großen strukturellen Herausforderungen. Nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltiger Konsum sind von wachsender Relevanz. Auch die Digitalisierung führt im Wirtschafts- und Alltagsleben zu großen und schnellen Veränderungen, da sich neue Technologien auf das Wettbewerbsumfeld und die Geschäftsbasis der Chemie auswirken. Gleichzeitig steigt die Wettbewerbsintensität sowohl im Heimatmarkt Europa als auch in den Exportmärkten.

Elementare Veränderungen der Produktionsbasis oder des Wettbewerbsumfeldes hat Deutschlands drittgrößte Branche aber auch schon in der Vergangenheit gemeistert: Nach Gründerzeit und Kohlechemie (Chemie 1.0), dem Aufkommen der Petrochemie (Chemie 2.0) und der zunehmenden Globalisierung und Spezialisierung (Chemie 3.0) ist die Branche in der neuen Phase Chemie 4.0 angekommen. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und zirkuläre Wirtschaft spielen in Chemie 4.0 eine Schlüsselrolle. Neben kontinuierlichen Innovations- und Verbesserungsprozessen wird die Branche dadurch auch disruptiven Veränderungen unterliegen, die einen großen Einfluss auf Produktportfolios, Wertschöpfungsstrukturen und Geschäftsmodelle haben können.

Das zeigt eine umfassende Analyse, die der VCI mit dem Partner Deloitte im letzten Jahr durchgeführt hat. Insgesamt haben wir in der Studie „Chemie 4.0“ die Wirkung von rund 30 aktuellen Entwicklungstrends auf das Chemie- und Pharmageschäft bis 2030 untersucht.1 Die Studie legt dar, welche Wachstumschancen die Branche in einer Welt des Umbruchs durch Innovationen realisieren kann, welche tiefgreifenden Veränderungen in den Unternehmen dafür nötig sind und wie Verbände und Politik diesen Prozess begleiten können.

Chemie 4.0 und Digitalisierung

Vor allem aus der Digitalisierung ergeben sich Chancen, die Weiterentwicklung der Branche erfolgreich zu gestalten. Digitalisierung und die Nutzung von „Big Data“ eröffnen unserer Branche Optionen für gezieltere Forschung, effizientere Produktion und neue Geschäftsmodelle. Deshalb werden die deutschen Chemieunternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren 1 Mrd. Euro in Digitalisierungsprojekte oder in neue digitale Geschäftsmodelle investieren. Betriebliche Massendaten lassen sich für vorausschauende Wartung, virtuelle Prozessführung und komplexe Simulationen in der Forschung oder Produktentwicklung einsetzen. Damit haben die Unternehmen neue Möglichkeiten, um in vieler Hinsicht effizienter zu werden.

Datenbasierte Anwendungen lassen sich in Zukunft aber auch in der Chemie zu einem „Rohstoff“ für zusätzliche Wertschöpfung machen – z. B. für die Präzisionslandwirtschaft oder den 3D-Druck. Die Verknüpfung von digitalen Dienstleistungen mit den Produkten der Chemie- und Pharmaindustrie ist der Schlüssel für mehr Wertschöpfung.

Chemie 4.0 und zirkuläre Wirtschaft

Digitalisierung eröffnet gleichzeitig im Zusammenspiel mit zirkulärer Wirtschaft besondere Potenziale. Das Verständnis unserer Branche von zirkulärer Wirtschaft geht weit über klassisches Recycling hinaus. Die Strategie integriert alle Beiträge zur Steigerung der Ressourceneffizienz. So trägt zirkuläre Wirtschaft nicht nur zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele bei, sondern bietet der Chemie auch Wachstumspotenziale: Neben der verringerten Importabhängigkeit von fossilen Rohstoffen kann die Technologie- und Innovationsstärke der Branche in Deutschland dazu genutzt werden, eine internationale Vorreiterrolle bei zirkulären chemischen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen zu etablieren.

Handlungsempfehlungen

Die Studie „Chemie 4.0“ leitet auf Grundlage der Analysen Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Politik ab, um die mit den Veränderungen einhergehenden Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können. Die Betriebe sollten sich demzufolge neue strategische Ziele setzen, ihre Geschäftsmodelle prüfen, finanzielle und personelle Ressourcen aufbauen, die Unternehmenskultur anpassen, Kooperationen und Plattformen etablieren oder neue Beteiligungskonzepte entwickeln.

Der Paradigmenwechsel in der Branche und ihren Kundenindustrien benötigt aber auch Unterstützung durch industriepolitische Maßnahmen: Die öffentliche Hand muss die technische Infrastruktur ausbauen, die digitale Bildung fördern sowie die Datensicherheit verbessern und Datenschutzregelungen prüfen. Cyber- und IT-Sicherheit muss ein Schwerpunkt der deutschen Hightech-Strategie werden. Künftige Vorschriften sollten einem Innovations-Check unterzogen werden, damit sie neue Geschäftsmodelle nicht behindern. Um mehr Investitionen anzuregen, werden staatliche Anlauffinanzierungen für neuartige Projekte und eine Erleichterung des Zugangs zu Wagniskapital sowie die Förderung von öffentlich-privaten Partnerschaften in Form von Pilotprojekten empfohlen. Die Politik sollte außerdem ein grundlegendes Verständnis in der Gesellschaft für eine zirkuläre Wirtschaft fördern.

  • 1 VCI, Deloitte: Chemie 4.0 – Wachstum durch Innovation in einer Welt im Umbruch, September 2017.

Aufbruch in ein smartes industrielles Wissenszeitalter

Die deutsche Elektroindustrie ist im vergangenen Jahr 2017 dynamisch gewachsen. Beim Umsatz konnte der bisherige Rekord aus dem Jahr 2007 endlich eingestellt werden. Bei den Ausfuhren gab es das vierte Allzeithoch in Folge, und der Beschäftigungsaufbau hat sich weiter fortgesetzt. Alles in allem war 2017 ein sehr positives Jahr für die Elektrobranche.

Die preisbereinigte Produktion hat sich von Januar bis Oktober 2017 um mehr als 4 % gegenüber dem Vorjahr erhöht. Gleichzeitig stiegen die nominalen Erlöse um 7 % auf 156,3 Mrd. Euro. Im gesamten letzten Jahr dürften es annähernd 190 Mrd. Euro gewesen sein – also etwa 8 Mrd. Euro mehr als im bisherigen Rekordjahr 2007. Dabei hat sich mehr oder weniger das gesamte Spektrum an Fachbereichen der Elektroindustrie gut entwickelt.

Die Elektroindustrie ist der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber in Deutschland, und die Zahl der Beschäftigten hat sich im vergangenen Jahr nochmals um mehr als 17 000 auf insgesamt 864 000 erhöht. Dies ist der höchste Stand seit anderthalb Jahrzehnten. Zu den Inlandsbeschäftigten kommen noch einmal 706 000 Mitarbeiter im Ausland hinzu. Weltweit sind also inzwischen fast 1,6 Mio. Menschen für die deutsche Elektrobranche tätig.

Exporte wachsen zweistellig

Als exportstarke Branche werden auch 2018 unter anderem die nach wie vor schleppenden Brexit-Verhandlungen und deren noch nicht absehbares Ergebnis sowie die zunehmenden Protektionismus-Tendenzen – nicht nur in den USA, sondern eigentlich weltweit – eine Herausforderung für die deutsche Elektroindustrie darstellen. Und dennoch: Unter den gleichen Unsicherheiten haben sich im vergangenen Jahr von allen konjunkturellen Größen gerade die Exporte vergleichsweise wieder am besten entwickelt. Zwischen Januar und September 2017 sind die aggregierten Elektroausfuhren (einschließlich der Re-Exporte) um 10 % gegenüber dem Vorjahr auf 147,2 Mrd. Euro gestiegen. Für das komplette letzte Jahr kamen sie schätzungsweise auf fast 200 Mrd. Euro und damit auf den nunmehr vierten Rekord in Folge. Ganz im Einklang mit dem breit angelegten weltwirtschaftlichen Aufschwung stand auch das Wachstum der Branchenexporte auf einem sehr breiten Fundament. Die Ausfuhren in Industrieländer stiegen von Januar bis September um 9 % auf 96,9 Mrd. Euro, in Schwellenländer um 12 % auf 50,3 Mrd. Euro. Etwa zwei Drittel ihrer Exporte hat die deutsche Elektroindustrie in den ersten drei Quartalen 2017 in Europa abgesetzt, rund die Hälfte davon im Euroraum. Insgesamt konnten die Elektroausfuhren nach Europa um 10 % auf 94,0 Mrd. Euro zulegen. Im Geschäft mit der Eurozone gab es dabei ein Plus von 9 %, mit dem Rest Europas ein Plus von 12 %.

China wieder größter Exportabnehmer

China war auch 2017 das größte Abnehmerland deutscher Elektroexporte – vor den USA und Frankreich. Die Branchenausfuhren nach China stiegen zwischen Januar und September um hohe 18 % gegenüber dem Vorjahr auf 14,0 Mrd. Euro. Mehr Wachstum hatte es hier zuletzt vor sieben Jahren gegeben. Die Exporte in die USA erhöhten sich im gleichen Zeitraum um 8 % auf 12,9 Mrd. Euro. Frankreich fragte mit 9,1 Mrd. Euro insgesamt 7 % mehr elektrotechnische und elektronische Produkte und Systeme aus Deutschland nach als im Jahr zuvor.

Selbst die heimischen Elektroausfuhren nach Großbritannien sind von Januar bis September noch um 3,5 % gegenüber dem Vorjahr auf 7,7 Mrd. Euro gestiegen. Allerdings gab es im gesamten dritten Quartal Rückgänge. Großbritannien ist der weltweit viertgrößte Exportabnehmer und gleichzeitig der größte ausländische Investitionsstandort der deutschen Elektroindustrie in Europa.

Insgesamt befindet sich die Kapazitätsauslastung in der Elektrobranche mit 88 % auf hohem Niveau. Die durchschnittliche Reichweite der Auftragsbestände liegt bei knapp drei Monaten. Die Zahl der neu eingegangenen Bestellungen nahm von Januar bis Oktober 2017 gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 10 % zu. Das Wachstum steht auch hier auf einer breiten Basis: Inlands- wie Auslandsaufträge zogen ähnlich stark an. Bei den Bestellungen aus dem Ausland erhöhten sich die Aufträge von Kunden aus dem Euroraum sogar noch dynamischer als die von Geschäftspartnern aus Drittländern. Schließlich liegt der Geschäftsklima-Index für die Branche weiter klar im expansiven Bereich.

Und so ist heute nicht mehr der Mangel an Aufträgen das größte Produktionshemmnis, sondern wieder der Fachkräftemangel. Auch auf den Beschaffungsmärkten für Material und Rohstoffe sowie in der Logistik zeigen sich vermehrt Anspannungen. Dagegen bereiten Finanzierungsfragen derzeit keine Probleme – dank Nullzinsen und einer hohen Eigenkapitalquote von 40 % im Branchendurchschnitt.

Aufbruch in ein smartes industrielles Zeitalter

Jenseits der konjunkturellen Entwicklung bieten die großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen Potenziale für die deutsche Elektroindustrie. Allen voran prägt die nicht mehr aufzuhaltende Digitalisierung alle Lebensbereiche. Und mit ihr wächst die Bedeutung von Daten. Algorithmen beeinflussen zunehmend unser Leben, und Daten sind ihr Rohstoff. Die Analyse von Daten hilft uns zu verstehen; sie ermöglicht es uns, neue Produkte, Lösungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln – schneller und präziser als je zuvor. Big Data ist ein großes Thema, damit wächst gleichzeitig aber auch der Bedarf an (Daten-)Sicherheit.

Nötig sind ein einheitlicher Rahmen und ein gemeinsames Verständnis, wie man künftig mit Daten umgehen will. Gerade mit Blick auf neue datenbasierte Geschäftsmodelle ist es wichtig, dass die Daten nicht monopolisiert werden. Sie müssen allen gleichermaßen zur Verfügung stehen und gleichzeitig müssen die individuellen Schutzrechte gewahrt sein. Die Digitalisierung setzt Datennutzung, -verknüpfung und -analyse zwingend voraus. Diese Diskussion muss dringend intensiviert werden. Denn auch für die Unternehmen ist der Schutz von Daten und Systemen höchst relevant. Die deutschen Elektrounternehmen sehen gemäß einer vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) in Auftrag gegebenen Innovationsstudie1 Datensicherheit an Platz 2 der Hemmnisse bei der Digitalisierung. Daher muss sich innerhalb der Branche eine Security-Kultur etablieren. Cybersicherheit sollte – ebenso wie Umweltschutz, Compliance und Corporate Social Responsibility – als fester Bestandteil in den Unternehmensleitlinien verankert werden. Cybersicherheit ist jedoch nicht nur ein Thema für die Wirtschaft. Im Gegenteil: Sie muss zu den Schwerpunkten der zukünftigen Bundesregierung gehören. Denn nur wenn Cybersicherheit gewährleistet ist, lassen sich die Chancen des digitalen Wandels auch nutzen.

An Platz 1 der Hemmnisse bei der Digitalisierung steht gemäß der Studie allerdings mangelndes Fachwissen. Der zuvor schon erwähnte Fachkräftemangel macht sich in der Branche besonders bemerkbar und wird sie auch in den kommenden Jahren herausfordern. Zum einen kommt hier der demografische Wandel zum Tragen, zum anderen müssen sowohl die Unternehmen selbst als auch das gesamte Bildungssystem die Mitarbeiter bzw. den Nachwuchs für das Arbeiten in der digitalen Welt befähigen. Die digitale Kompetenz muss über die gesamte Bildungskette und im Rahmen der Aus- und Weiterbildung auf- und ausgebaut werden. Neue Konzepte sind gefragt. Und auch hier ist die Politik mit in der Pflicht, diese einheitlich zu gestalten.

Optimistischer Ausblick, aber Herausforderungen bleiben

In der jüngsten ZVEI-Konjunkturumfrage aus dem November 2017 haben knapp drei Viertel der antwortenden Unternehmen angegeben, dass sie für 2017 ein Umsatzwachstum von mehr als 2 % erwarten. Gleichzeitig planen die Firmen 2018 erneut mit mehr Investitionen – vor allem in die für die Digitalisierung so entscheidende Software, Daten und Prozesse.

Aber: Trotz der guten Lage und des optimistischen Ausblicks gilt es, Risiken nicht auszublenden. Dies umso mehr, als der Aufschwung nun schon recht lange anhält. So ist die deutsche Wirtschaft 2017 bereits das achte Jahr in Folge gewachsen. Das Ausmaß an (geo-)politischer Unsicherheit ist weiter hoch. Die globalen Schulden sind heute höher als vor der Finanzkrise. Die Konjunktur ist noch immer stark abhängig von der Geldpolitik. Der Freihandel wird von Protektionismus bedroht. Die schlussendlichen Folgen des Brexit-Votums sind eben noch immer unklar. Und der demografische Wandel lastet auf der Produktivität.

Alles in allem lässt sich zusammenfassen: Wir befinden uns auf dem Weg in ein neues smartes industrielles Zeitalter. Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft können diesen Wandel gemeinsam sicher und nachhaltig gestalten. Die Elektroindustrie kann dabei wesentlich zum Erfolg der deutschen Wirtschaft in der Digitalökonomie des 21. Jahrhunderts beitragen.

  • 1 Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, IW Consult (i. A. des ZVEI): Die Elektroindustrie als Leitbranche der Digitalisierung, Frankfurt a. M. 2016.

Maschinen- und Anlagenbau im Aufwind

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau befindet sich nach fünf Jahren eher zähen Geschäftsverlaufs endlich im Aufwind. Nach einem guten Start zum Jahresbeginn 2017 bekam die deutsche Maschinenproduktion im Frühjahr zwar einen kleinen Dämpfer, der sie allerdings nicht daran hinderte, in den kommenden Monaten des Jahres weiter zu wachsen. Insgesamt legte die deutsche Produktion in den ersten zehn Monaten von 2017 um preisbereinigt 2,9 % zu. Die Verbandsprognose von 3 % Wachstum für das Jahr 2017 sollte also erfüllt werden. Damit endet für den Maschinenbau eine untypisch lange, von 2012 bis 2016 währende Periode, in der die Produktion kumuliert gerade einmal um real 2 % im Vergleich zu 2011 steigen konnte. Das Jahr 2017 kann mit Fug und Recht als Aufschwungsjahr charakterisiert werden.

Maschinenexporte: Zuwächse auf breiter regionaler Basis

Das Produktionsplus ist hauptsächlich auf die gute Entwicklung der Exportmärkte zurückzuführen. Erfreulich ist zudem, dass das Wachstum auf breiter regionaler Basis stattfand. Lediglich die Maschinenausfuhr in den Nahen und Mittleren Osten und nach Afrika verfehlte ihr Vorjahresniveau. Die stärksten Wachstumsimpulse kamen aus den beiden Top-Absatzländern China und den USA. In China hatte die Regierung die Wirtschaft durch diverse politische Maßnahmen auf Trab gebracht. Davon konnten auch die deutschen Maschinenexporte profitieren. In den USA hat die Konjunktur im Verarbeitenden Gewerbe wieder deutlich an Schwung gewonnen. Insbesondere die Nachfrage nach Investitionsgütern hat die Flaute aus dem Vorjahr trotz zahlreicher politischer Unwägbarkeiten überwunden.

Auch die Exporte in die EU-Partnerländer sind auf Wachstumskurs – jedoch mit einer vergleichsweise niedrigen Rate. Grund hierfür ist neben den rückläufigen Lieferungen nach Großbritannien eine Delle in den Orders aus den Euroländern. Doch seit November 2016 gibt es hier wieder signifikante Wachstumsraten im Auftragseingang. Das schlägt sich bei einer Durchlaufzeit zwischen Ordereingang und Auslieferung an die Kunden von etwa einem halben Jahr nun auch in den Maschinenexporten nieder. Zusätzlich zu den Export­erfolgen in die Industrieländer können sich die deutschen Maschinenexporteure über einen wieder wachsenden Bedarf zahlreicher Entwicklungs- und Schwellenländer freuen. Dazu zählen unter anderem Russland, Brasilien und der Iran. Auch wenn die hohen Plusraten teils einer niedrigen Vorjahresbasis zu verdanken sind, so ist der Befund doch klar: Es geht in diesen Märkten wieder voran.

Auftragseingang: Fortsetzung der konjunkturellen Erholung im Ausland

Die Nachfrage nach deutschen Maschinen, Maschinenteilen und -komponenten hat in den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 insbesondere in den Auslandsorders ein erfreuliches Tempo vorgelegt. Hier steht insgesamt ein Plus von 10 % in den Büchern. Während die Aufträge aus den Euroländern um 13 % stiegen, konnten die Bestellungen aus den Nicht-Euroländern um 9 % wachsen.

Prospektiv sollte die Nachfrage aus den USA nach deutschen Maschinenlieferungen ihr Wachstumstempo in etwa halten können. Die Konjunktur läuft recht gut. Insbesondere die Investitionen holen auf, nachdem das gesamtwirtschaftliche Wachstum bisher schwerpunktmäßig vom Konsum getragen worden war. Eine Steuerreform könnte die Nachfrage nach Investitionsgütern sowohl aus US-Produktion als auch – gar nicht im Sinne des US-Präsidenten – mittels Zulieferungen aus dem Ausland weiter beschleunigen.

Die Maschinenausfuhr nach China, das sich anschickt, an den USA vorbei wieder den ersten Platz im Exportranking der deutschen Maschinenexporteure zu besetzen, dürfte wohl auch 2018 wachsen. Allerdings ist hier ein spürbarer Tempoverlust wahrscheinlich, denn die Messlatte für den Vorjahresvergleich liegt bereits recht hoch. Befürchtungen, dass es nach dem Parteitag zu einem Strömungsabriss des chinesischen Wirtschaftswachstums kommen könnte, scheinen sich jedoch nicht zu bewahrheiten. Die politische Führung hat ihr Anliegen bekräftigt, die chinesische Industrie auf ein höheres qualitatives Niveau zu heben. Das stärkt die Nachfrage Chinas nach deutschen High-End-Maschinenbauprodukten.

Nicht zuletzt sollte die Nachfrage aus den Euroländern, dem für die deutschen Maschinenbauer wichtigsten Markt, wenn auch moderat, weiter expandieren. Die stärkere Kapitalbildung beruht im Wesentlichen auf einer besseren Kapazitätsauslastung in der europäischen Industrie, steigenden Gewinnen bei den Kunden und anhaltend günstigen Finanzierungsbedingungen. Zur Vorsicht mahnen die jüngsten Entwicklungen in Spanien, deren Maschinennachfrage sich bis zuletzt recht positiv entwickelt hatte, sowie der Brexit in Großbritannien, dem viertgrößten Auslandsmarkt für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau. Die bisherigen Verluste (deutscher Maschinenexport nach Großbritannien Januar bis September 2016 bis 2017: -5 %) dürften, so die nicht unbegründete Befürchtung, nur der erste Vorgeschmack für weitere schmerzhafte Einbußen infolge eines Austritts aus der EU sein. Denn auch wenn die Verhandlungen nun eine erste wichtige Hürde genommen haben: Die Unsicherheit über die künftigen wirtschaftlichen Rahmendaten behindern das Investieren.

Das gilt leider nicht nur für Großbritannien. Die Liste der weiteren Risiken ist nach wie vor lang. Dazu zählen der Nordkorea-Konflikt, die belasteten politischen Beziehungen zwischen der EU und der Türkei, die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sowie das weiter drohende Damoklesschwert eines zunehmenden Protektionismus, nicht nur in den USA.

Inlandsnachfrage: ausreichend Potenzial

Während also die Auslandsmärkte des deutschen Maschinenbaus den ersten Wachstumsschub hinter sich haben, bietet der Inlandsmarkt für Investitionsgüter noch reichlich Potenzial. Denn die Investitionsneigung war bisher in Deutschland eher verhalten. Viele Unternehmen hatten sich mit Investitionsvorhaben zurückgehalten, da deren Entscheidungsträger nicht zuletzt angesichts immer neuer Risiken an der Nachhaltigkeit des konjunkturellen Aufschwungs zweifelten.

Doch eine Änderung zeichnet sich ab. Die deutschen Ausrüstungsinvestitionen dürften 2018 um etwa 5 % zulegen, nach nur 3,5 % im Jahr 2017. Hiervon profitieren auch die Maschinenkäufe. Die Stimmung ist quer durch die deutschen Abnehmerbranchen sehr positiv. Und die Produktionskapazitäten der deutschen Industrie sind inzwischen gut ausgelastet. Die Auslastung lag im Oktober bei 87,3 % und damit erstmals fast so hoch wie im April 2008. Mehr noch: 7 % der Unternehmen klagen bereits über zu knappe technische Kapazitäten. Außerdem gibt es einen technologisch bedingten Nachholbedarf, sprich: Manche Maschine oder Anlage dürfte gerade auch mit Blick auf die Herausforderungen von Industrie 4.0 nicht mehr dem wünschenswerten Stand der Technik entsprechen.

Insofern gibt es berechtigten Grund zu der Annahme, dass die Inlandsorders endlich Fahrt aufnehmen und ein nachlassendes Wachstumstempo auf anderen Märkten kompensieren. Die Chancen, 2018 mit einem Produktionsplus von 3 % eine ähnlich hohe Zuwachsrate wie im Vorjahr zu erreichen, stehen mithin gut.

Wirtschaftspolitik: Stärkung von Forschung und Innovation

So wie sich Unternehmen ständig mit großem Engagement der Aufgabe stellen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und zu stärken, so ist es Aufgabe des Staates, sich als Unternehmensstandort im internationalen Wettbewerb dadurch zu behaupten, dass wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Zweifelsfrei steht Deutschland im internationalen Vergleich aktuell gut da: Rekordbeschäftigung, solide Wachstumsraten und hohe Haushaltsüberschüsse sind eindrucksvolle Belege dafür. Doch ein gutes „Standing“ hat auf Dauer nur, wer nicht stehen bleibt.

In Deutschland beginnt eine neue Legislaturperiode. Wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Augenblick, um Neues in Angriff zu nehmen, Überholtes über Bord zu werfen, bislang Versäumtes aufzuholen und Zukunftsfelder wie die Digitalisierung konsequent zu besetzen? Aus unserer Sicht heißt das: Eine neue Regierung muss eine Politik verfolgen, die ganz klar auf Innovation und Investitionen setzt.

Dem Maschinen- und Anlagenbau kommt als innovativem Ausrüster der Welt mit hochwertigen Investitionsgütern, Anlagen und Komponenten, als Schlüsselindustrie für das Gelingen von Industrie 4.0, der Mobilität von morgen und Ressourceneffizienz eine zentrale Rolle zu. Mit einer mittelstandsfreundlichen steuerlichen Forschungsförderung sowie einer unbefristeten allgemeinen degressiven Abschreibung kann der Staat hier wirkungsvoll unterstützen. Hinzukommen muss die Bereitstellung einer Infrastruktur, die dem industriellen Mittelstand den Fortbestand wettbewerbsfähiger Produktion in Deutschland und Europa ermöglicht und den Einstieg in neue digitale Geschäftsfelder erleichtert, gerade auch im ländlichen Raum. Die Mittel hierfür sind angesichts von Rekordsteuereinnahmen vorhanden.

Einzelhandel in einer digitalen Welt

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in guter Verfassung. Die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich verbessert und die Binnenwirtschaft setzt ihren Wachstumskurs fort. Das Bruttoinlandsprodukt wird 2017 voraussichtlich um 2,2 % steigen. Die Konsumausgaben werden um 2,1 % zulegen und damit das Wachstumstempo des Vorjahres halten. 2018 dürfte sich die Entwicklung etwas verlangsamen. Der Aufwärtstrend bleibt jedoch bestehen. Die Beschäftigung steigt weiter an und liegt im laufenden Jahr deutlich über 44 Mio. Personen (+650 000). 2018 ist mit einem Anstieg um weitere 400 000 Erwerbstätige zu rechnen.

Moderates Wachstum setzt sich fort

Der Einzelhandel wird sich in diesem günstigen Konsum­umfeld weiterhin gut behaupten. Die Branche steigert ihre Erlöse 2017 auf Basis der Prognose des Handelsverbands Deutschland um nominal 3 %. Das Umsatzvolumen beträgt voraussichtlich 501 Mrd. Euro.

Treiber ist und bleibt der Onlinehandel, der für rund 30 % des Umsatzplus in der Gesamtbranche steht. Auch der Multichannelhandel, der seine Heimat häufig im stationären Handel hat, wächst weiter. 55 % der Unternehmen, die mehrere Vertriebswege nutzen, rechnen 2017 mit steigenden Online-Umsätzen, lediglich 8 % mit einem Umsatzrückgang. Der Onlinehandel steigert seine Erlöse um 10 % auf 48,7 Mrd. Euro. Der stationäre Handel wird 2 % höhere Umsätze erzielen.

Die Entwicklung im Einzelhandel wird auch 2018 aufwärts gerichtet verlaufen, aber kein Selbstläufer mehr sein. Vor allem zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen sehen sich in einem herausfordernden Wettbewerbsumfeld, in dem sie vielfach auch Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Größere Unternehmen werden sich deutlich besser behaupten können.

Onlinehandel bestimmt das Tempo

Das Wachstumstempo im Einzelhandel wird maßgeblich vom Onlinehandel geprägt. In diesem Bereich konzen­triert sich der Markt auf große Anbieter. Die Top-3-Unternehmen erzielen etwa 44 % des Gesamtumsatzes der größten 100 Online-Shops. Insgesamt werden knapp 40 % des gesamten deutschen Online-Umsatzes über den Marktführer abgewickelt. Es muss nicht betont werden, dass online einzukaufen für die Verbraucher zum Alltag gehört. Dies gilt jedoch (noch) nicht für schnelllebige Konsumgüter (Fast Moving Consumer Goods – FMCG), also insbesondere die Waren des täglichen Bedarfs. Hier ist zwar ein starkes Wachstum zu verzeichnen, der Online-Marktanteil liegt jedoch heute noch auf einem niedrigen Niveau. Lediglich 1,7 % aller Gesamtausgaben für FMCG werden online getätigt. In einzelnen Warengruppen zeigt sich jedoch ganz deutlich die fortschreitende Onlinerelevanz. So liegt der Anteil der Ausgaben bei Körperpflegeprodukten oder Near Food (z. B. Tiernahrung) bereits deutlich höher als beispielsweise in der Kategorie Food. Hier gibt es von den Verbrauchern bislang noch die größte Zurückhaltung, online einzukaufen.

Um die Aufmerksamkeit des Kunden auf den eigenen Shop zu lenken, werden neue Wege gegangen und innovative Formate entwickelt. Mehr denn je gilt es, sich in die Denkweise des Kunden hineinzuversetzen, technische Hürden zu überwinden und jedem einzelnen Kunden im richtigen Moment das passende Angebot zu machen. Im Mittelpunkt steht dabei die Verzahnung zwischen stationärem Geschäft und Online-Shop. Deshalb eröffnen immer mehr bisher reine Onlinehändler auch stationäre Geschäfte. So können die Kunden in Zukunft noch einfacher die Vorteile aus beiden Welten nutzen. Umgekehrt bauen aus demselben Grund immer mehr stationäre Händler einen Online-Shop auf. Damit wollen sie an den steigenden Umsätzen im Online-Bereich teilhaben.

Digitalisierung im Handel ist aber mehr als die Eröffnung von Online-Shops oder der Verkauf auf Marktplätzen und Plattformen. Denn auch die stationären Geschäfte nutzen die neuen Möglichkeiten für sich und ihre Kunden. Anwendungen wie Innen-Navigation, digitale Produktinformationen oder mobile Bezahlung sind in aller Munde.

Hier können die Kunden weitere neue Services erwarten. Insbesondere Anwendungen, die auf dem Einsatz von freiem WLAN beruhen, haben noch viel Potenzial. So z. B. die sogenannte verlängerte Ladentheke. Diese ermöglicht es den Kunden, die Produkte vor Ort im Laden zu begutachten und dann per Smartphone zusätzliche Produktinformationen zu erhalten sowie die gewünschte Produktkonfiguration zusammenzustellen.

Standort Stadt unter Druck

Wachsende Marktanteile des Onlinehandels sind zwar nicht der einzige, aber ein Grund dafür, dass Einzelhandelsstandorte unter Druck geraten. In den kommenden Jahren könnten 50 000 Betriebe aus dem Markt ausscheiden, wenn Unternehmen, Städte und Gemeinden nicht gegensteuern. Bereits seit einigen Jahren sind sinkende Kundenfrequenzen zu beobachten, die nicht nur Klein- und Mittelstädte treffen, sondern auch die Hauptgeschäftslagen der Innenstädte, deren Geschäftsmodell in besonderem Maße auf hohen Besucherzahlen fußt. In der Folge können Leerstände zu einem Attraktivitätsverlust führen.

Handel und Kommunen stehen vor der gemeinsamen Herausforderung, die Attraktivität der Innenstädte langfristig zu erhalten. Innenstädte müssen Erlebnisräume sein. Gefordert sind dabei auch die Immobilieneigentümer und -entwickler. Ein Beispiel könnten Mieten sein, die die Besucherfrequenz berücksichtigen.

Technologien treiben Entwicklung im Handel

Der Handel entwickelt sich immer stärker in Richtung einer Technologiebranche. Software- und Analytikwissen spielt eine gleichberechtigte Rolle neben den traditionellen Kernkompetenzen wie konsequenter Kundenorientierung, tollem Shopdesign, spannenden Sortimenten, hervorragendem Service und leistungsstarker Logistik.

Fünf Technologiebereiche lassen sich dabei aufgrund ihres großen Potenzials für den Handel herausstellen:

Augmented Reality und Virtual Reality (AR/VR)

Die Softwareaktualisierung iOS 11 von Apple im September 2017 hat mit dem darin enthaltenen Augmented-Reality-Toolkit einen wahren Sturm an AR-Apps ausgelöst. So können Möbel in Originalgröße im heimischen Wohnzimmer platziert und auf die restliche Einrichtung abgestimmt oder die passende Paketgröße anhand der Platzierung des zu versendenden Artikels im virtuellen Paket bestimmt werden.

Aber nicht nur in den eigenen vier Wänden, auch im Store selbst erleichtert Augmented Reality eine informierte Entscheidung. Vom Wegweiser durch den Store über die Einblendung von Produktinformationen – und -variationen sowie Illustration der Funktionsweise bis zur persönlichen Beratung durch digitale Verkäufer – unterschiedlichste Einsatzweisen werden derzeit getestet. Noch weiter gehen Virtual-Reality-Welten, in denen Kunden durch verschneite Skiwelten fahren oder die sonnigen Strände des nächsten Urlaubsorts besuchen können.

Der Store wird zur Spielwiese (Digital POS/Robotics)

„Persönliche Beratung“ wird meist als das Kernargument für den Kauf im Store genannt. Verkaufs- und Promotion-Roboter wie „Paul“ oder „Pepper“ eröffnen dabei neue Möglichkeiten, das digitale mit dem stationären Geschäft zu verbinden und erhöhen den Erlebniswert des Einkaufs. Sie unterstützen als digitale Verkäufer z. B. bei der Navigation, Vorstellung von Produkten und Techniken oder spielen auch mal mit den jüngeren Besuchern eine Runde „Schnick, Schnack, Schnuck“. Zudem zeigen Studien, dass Roboter sich sehr gut dazu eignen, Feedback einzuholen. Jeder zweite Kunde würde negative Kritik eher gegenüber einem Roboter äußern als im Gespräch mit einem realen Verkäufer.

Großes Interesse besteht nach wie vor auch am vernetzten Besucher im Store. Mehr als jeder dritte Händler setzt derzeit beispielsweise Beacons1 ein oder befindet sich in der konkreten Planung für deren Einsatz. Mehr als jeder vierte Händler experimentiert mit Instore-Navigation. Bei der Einblendung personalisierter Angebote und erweiterter Produktinformationen überschlagen sich derzeit die Technologien.

Big Data: Daten eröffnen neue Welten

65 % der deutschen Verbraucher sind in erster Linie jenen Marken treu, die das Kundenerlebnis gezielt auf ihre Bedürfnisse und Vorlieben zuschneiden. Die Grundlage für jegliche Form von Personalisierung des Produktangebots sowie individuelle Optimierung der Kundenkommunikation ist dabei der Zugang zu und die effiziente Analyse von Kundendaten. Wer die richtigen Daten hat, kann dem Kunden passgenaue Angebote unterbreiten. Dabei müssen natürlich die hohen Datenschutzanforderungen berücksichtigt werden, denn das Vertrauen der Kunden ist auch im digitalen Zeitalter die wichtigste Währung im Handel.

Der Handel wird klüger (künstliche Intelligenz)

Bisher lag das Wissen über Daten und ihre Verarbeitung beim Händler selbst. Die zunehmend komplexen, vielschichtigen und vernetzten Entscheidungen könnten jedoch zukünftig mehr und mehr von Maschinen getroffen werden, die mit jedem neuen Datensatz dazulernen und ihre Vorhersagen kontinuierlich verbessern.

45 % der Händler planen, in den kommenden drei Jahren künstliche Intelligenz einzusetzen. Die Anwendungsgebiete variieren von intelligenten Bedarfsprognosen zur Optimierung der Bestellmengen über intelligente Trendvorhersagen, nach denen sich Sortimente gestalten lassen, bis zu intelligenten Lieferrouten, die Verkehrs- und Wetterdaten einbeziehen.

Das Produkt kommt zum Kunden (Voice/Dash Buttons/Chatbots)

Alexa, Siri, Google Assistant, Cortana, Bixby – die Familie der Sprachassistenten wächst rasant. Sie managen das Smart Home, spielen Musik ab oder bestellen Taxis. Zum eigentlichen Shopping eignete sich bisher nur Amazons Alexa, die auf Basis der Kaufhistorie das meistbestellte bzw. bei Erstbestellungen das beliebteste Produkt nach mündlicher Aufforderung automatisch an die bekannte Kundenadresse verschickt. Schätzungen zufolge bevölkern mittlerweile 6 Mio. Alexas die Haushalte.

Intelligente Einkaufshilfen ermöglichen ein komfortables Einkaufserlebnis, indem sie bei der Einkaufsplanung unterstützen und den Kaufprozess vereinfachen – wieso erst das Smartphone suchen und die App öffnen, wenn man auch während des Kochens fehlende Zutaten nachbestellen kann? Generell geht der Trend zur Automatisierung des Bestellprozesses. Dash Buttons zur Bestellung per Knopfdruck haben es inzwischen bis in die Waschmaschinen und den Drucker selbst geschafft, sodass der Nachschub nach Pulver und Tinte niemals nachlässt.

  • 1 Beacons sind kleine Datenpakete, die in regelmäßigen Intervallen an erreichbare Empfänger gesendet werden.

Versicherungswirtschaft 2018: Anpassungen an stark geänderte Rahmenbedingungen auf gutem Weg

Die deutsche Versicherungswirtschaft geht verhalten optimistisch in das neue Jahr. Das extreme Niedrigzinsumfeld und die intensive Regulierung bedeuten weiterhin große Herausforderungen. Gleichzeitig hat die Branche aber bei den Anpassungen an die neuen Rahmenbedingungen erhebliche Fortschritte erzielt, und das deutlich stärkere gesamtwirtschaftliche Wachstum hat auch die Geschäftstätigkeit in der Versicherungsbranche belebt. Die rasant fortschreitende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft intensiviert den Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt und verlangt den Versicherern ebenfalls erhebliche Anstrengungen ab. In einem immer stärkeren Maße zeigen sich aber auch die damit verbundenen neuen Geschäftschancen. Vor diesem Hintergrund verlief die Entwicklung der Beitragseinnahmen im Jahr 2017 positiver als in den beiden Jahren zuvor. Für das kommende Jahr geht die Versicherungswirtschaft von einer Fortsetzung der besseren Entwicklung aus.

Konjunkturelles Umfeld stark verbessert

Die geopolitische Risikolandschaft war zu Beginn des Jahres 2017 von einer Vielzahl von Herausforderungen geprägt. Beispiele sind der Brexit, der Wahlausgang in den USA oder der Terror, der bei vielen zu einem lange nicht gekannten Gefühl der Unsicherheit geführt hat. Diese Gemengelage hatte viele Prognostiker veranlasst, für das Jahr 2017 von einem schwächeren Wachstum auszugehen als im Jahr 2016. Unternehmen und Haushalte, so die Befürchtung, würden sich mit ihren Kaufentscheidungen zurückhalten und so die gesamtwirtschaftliche Expansionsdynamik dämpfen.

Am Ende des Jahres 2017 ist der konjunkturelle Befund allerdings weit besser als gedacht. Insbesondere die wirtschaftliche Lage in Deutschland hat sich sehr positiv entwickelt. Beispielhaft hierfür ist der Ifo-Geschäftsklimaindex, der im Herbst des Jahres 2017 ein neues Rekordniveau erreicht hat. Im Gesamtjahr 2017 dürfte das reale BIP-Wachstum gut 2,5 % erreichen – und damit um rund einen Prozentpunkt über dem Wachstumspotenzial liegen.

Für das kommende Jahr stehen die Chancen günstig, dass der Aufschwung auf dem erreichten höheren Niveau andauert. Hierfür spricht, dass das Wachstum zunehmend global synchronisierte Züge trägt, der internationale Handel an Tempo gewinnt und die Finanzierungsbedingungen unverändert günstig sind. Zudem scheinen die Unternehmen im Zuge spürbar aufgehellter Erwartungen wieder bereit, ihre Investitionen auszuweiten. Die sehr ausgeprägte Investitionszurückhaltung in den Jahren nach der Finanzkrise war einer der Hauptgründe für die schwache konjunkturelle Grundtendenz der Jahre 2009 bis 2016.

Der kräftige Aufschwung stützt auch die Entwicklung in der Versicherungswirtschaft. Nach einer Phase nur sehr geringen Wachstums 2015 und 2016 dürften die Beiträge 2017 um rund 1,3 % gestiegen sein. Für das kommende Jahr ist von einem ähnlichen Zuwachs auszugehen. In Sparten wie der Kfz-, der Kredit- oder der Transportversicherung schlägt die zunehmende wirtschaftliche Aktivität positiv zu Buche. Aber auch für die Altersvorsorge eröffnet der spürbare Anstieg der verfügbaren Einkommen mit Raten von rund 3,7 % in den Jahren 2017 und 2018 Spielräume für zusätzliche Absicherungen.

Zinsniveau leicht erhöht

Für die Versicherungswirtschaft ist die Zinsentwicklung ein wesentlicher Faktor. Regulierung und Geschäftsmodell führen dazu, dass das Gros der Kapitalanlagen in festverzinslichen Titeln investiert ist (bei den Lebensversicherern rund 85 %). Im Jahr 2016 hatte das allgemeine Zinsniveau in Deutschland ein kaum vorstellbares Niveau erreicht: Die Renditen der Zinsstrukturkurve von Bundesanleihen waren für nahezu alle Laufzeiten negativ. Seither sind die Renditen in längeren Laufzeiten leicht gestiegen. Die „Eiszeit im Zins“ dauert aber nach wie vor an, insbesondere in kürzeren Laufzeiten.

2018 spricht eine Vielzahl von Faktoren für eine graduelle Erhöhung des allgemeinen Zinsniveaus: Die Konjunktur im Euroraum hat sich spürbar gefestigt, und die Inflationsraten haben sich deutlich von der Nulllinie entfernt. Von Deflationsgefahr kann keine Rede mehr sein. Im Gegenteil, gerade in Deutschland dürfte aufgrund steigender Lohnstückkosten die Kernrate der Inflation, die ohne die volatilen Preise für Nahrungsmittel und Energie berechnet wird, im Verlauf des Jahres 2018 merklich steigen. Darüber hinaus wird der Zinsnormalisierungsprozess der US-Notenbank anhalten, und auch die Europäische Zentralbank (EZB) sollte im Verlauf des Jahres einen weiteren Kurswechsel für ihre Geldpolitik signalisieren. Vor diesem Hintergrund dürften die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihe leicht in Richtung der 1 %-Marke steigen.

Größte Gefahr für Konjunktur und Finanzmärkte wäre allerdings ein deutlich darüber hinausgehender, abrupter Zinsanstieg. Dieser erscheint aus heutiger Sicht nicht sehr wahrscheinlich, denn die Notenbankbilanzen dürften noch auf Jahre aufgebläht bleiben – und damit das Zinsniveau strukturell niedrig halten. Zudem ist damit zu rechnen, dass die „Flucht in die Qualität“ aufgrund der angespannten geopolitischen Lage anhalten wird. Nordkorea ist hier nur ein Stichwort.

Ausschließen lässt sich ein stärkerer Zinsanstieg aber auch nicht. Sollten sich im Zuge des sehr kräftigen Aufschwungs mit Zuwachsraten über dem Potenzial und steigenden Befürchtungen einer Überhitzung in einigen Regionen die Inflationserwartungen erhöhen, droht ein Zinsrückschlag auf den Bondmärkten – und hier insbesondere in den längeren Laufzeiten. Eine sehr viel steilere Zinskurve aber wäre sowohl für die Konjunktur als auch für die Finanzmärkte Gift. Anpassungsfriktionen wären die Folge, die je nach Marktsegment auch heftig ausfallen könnten. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass sich die vielen politischen Risiken nicht in der aktuellen Marktvolatilität widerspiegeln. Sie ist derzeit erstaunlich niedrig, ein Umstand, der sich bei einer weniger expansiven Geldpolitik schnell ändern kann.

Evaluierung der Regulierungswirkungen erforderlich

Neben dem extremen Zinsumfeld, das in weiten Teilen Züge einer Blase trägt, steht die Versicherungswirtschaft unter dem Eindruck einer anhaltend hohen Regulierungsintensität. Das neue Solvency-II-Regelwerk wurde am 1.1.2016 in den Geschäftsbetrieb aufgenommen. Die Vorbereitungen hierfür haben sehr viel Geld und Kapazitäten gekostet. Gleichwohl gibt es bereits jetzt eine Vielzahl von Bereichen, in denen der Regulierer eine Änderung des gerade eingeführten Regelwerks anstrebt. Zahlreiche vorgeschlagene Maßnahmen würden insbesondere zu einer deutlichen Verringerung der Zinssätze führen, mit denen die versicherungstechnischen Rückstellungen berechnet werden, und damit zu einer substanziellen Kapitalmehrbelastung der Unternehmen. 2018 müssen die Versicherer zudem weitere grundlegende Regulierungsreformen bewältigen. An erster Stelle sind hier die Umsetzung der europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie und der europäischen Datenschutzgrundverordnung zu nennen.

Umgekehrt macht die Aufsicht wenig Fortschritte beim Abbau der Bürokratiekosten. So wird das mittlerweile allgemein anerkannte Aufsichtsprinzip der Proportionalität in der Praxis oft nicht so gelebt, dass die Unternehmen eine Behandlung erfahren, die den tatsächlich eingegangenen Risiken entspricht. Einer mitgliederinternen Umfrage des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zufolge sind nahezu alle befragten Unternehmen mit der derzeitigen Anwendung des Proportionalitätsprinzips unzufrieden.

In den Jahren nach der Finanzkrise wurden auf Initiative der G20 weltweit umfassende Reformen der Finanzmarktregulierung implementiert. Ziel dieser Maßnahmen war es insbesondere, die Finanzstabilität zu erhöhen sowie nachhaltiges Wachstum zu fördern. Allerdings gehen mit den Reformen auch Kosten und Risiken einher. Das erstrebte Mehr an Sicherheit wird durch geringere Freiheiten für Unternehmen und Kunden sowie durch hohe Regulierungskosten erkauft. Vor diesem Hintergrund unterstützt der GDV es sehr, dass nach Jahren der Reformen nun zunehmend der Schwerpunkt auf eine Bewertung der Reformwirkungen verlagert wird. Zu nennen ist hier beispielsweise das neue Rahmenwerk des Financial Stability Boards für die Durchführung von Ex-post-Auswirkungsstudien. Damit sollte deutlich werden, dass das Regulierungspendel an verschiedenen Stellen zu weit ausgeschlagen ist und es daher zu unerwünschten Nebenwirkungen und unnötigen Bürokratiekosten kommt. Positiv hervorzuheben sind zudem die derzeitigen Bestrebungen von Politik und Aufsicht, regulatorische Hürden für die Nutzung der neuen digitalen Technologien (InsurTech) abzubauen.

Anpassung des Geschäftsmodells in der Lebensversicherung

Die Regulierungsreformen und das veränderte Umfeld führen dazu, dass die Versicherer ihr Geschäftsmodell anpassen – ein Trend, der auch 2018 anhalten dürfte. Insbesondere bei den Lebensversicherern sind gravierende Veränderungen sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite zu beobachten. Auf der Aktivseite passen die Versicherer ihre Kapitalanlage an das Niedrigzinsumfeld an. Stichworte sind hier die Verlängerung der Duration, vermehrte Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien, eine Diversifikation über Assetklassen und Regionen hinweg, sowie eine gewisse Rating Drift bei Anleihen. Allerding gehen Versicherer hier mit Augenmaß vor. Nennenswerte Verschiebungen im Kreditrisiko finden nahezu ausschließlich im qualitativ höherwertigen Segment statt (Investment Grade) und die taktische Allokation wird nur im Rahmen der strategischen Vorgaben angepasst. Gleichzeitig ist das Exposure gegenüber z. B. Aktien nahezu unverändert geblieben. Mit anderen Worten: Die Versicherer versuchen durch Anpassungen in der Kapitalanlage höhere Risikoprämien zu vereinnahmen, ohne dabei ein exzessives „Search for Yield“-Verhalten an den Tag zu legen.

Allerdings sind die Möglichkeiten der Kapitalanlage aufgrund des allgemeinen Finanzmarktumfeldes zunehmend begrenzter. Das Zinsniveau und die Risikoprämien befinden sich bei Anleihen aufgrund der ultra-lockeren Geldpolitik auf extrem niedrigen Niveaus. Gleichzeitig sind die Bewertungsrelationen bei Immobilien oder Aktien so stark gestiegen, dass eine strategische Ausweitung der Anlagequoten derzeit wenig sinnvoll erscheint. Vor diesem Hintergrund passen viele Lebensversicherer auch ihre Produktpalette an, und bieten verstärkt Produkte mit alternativen Garantiemodellen an. Mittlerweile ist nahezu jeder zweite Neuvertrag bei kapitalbildenden Lebensversicherungen so ausgestaltet. Diese sogenannten Produkte der „Neuen Klassik“ haben den Vorteil, dass sie eine Kapitalanlage mit höheren Renditechancen ermöglichen, insbesondere in der mittleren bis langen Frist. Gleichzeitig erhalten die Kunden aber weiterhin eine Leistungsgarantie und sind damit gegen extreme Kapitalmarktentwicklungen geschützt.

Mittelfristige Perspektiven und neue Geschäftsfelder

Bei allen Herausforderungen, die das derzeitige Umfeld zweifellos für die Versicherer bedeutet: Der Umbruch am Versicherungsmarkt bringt auch viele neue Chancen für die Versicherer und ihre Kunden. Die grundlegenden Funktionen, die die Versicherungswirtschaft für Wirtschaft und Gesellschaft erfüllen, büßen nichts von ihrer Wichtigkeit ein. Im Gegenteil – in der neuen Welt wird die Versicherungswirtschaft in vielen Bereichen noch an Bedeutung gewinnen. Dies sei an drei Beispielen veranschaulicht:

  1. Mit der Digitalisierung wird der Zugang zu Versicherungsschutz erleichtert. Die traditionellen Wege zum Versicherungsschutz werden durch vielfältige neue Zugangswege ergänzt, vom Onlineabschluss auf der Internetseite eines Versicherers über Vergleichsportale bis hin zum Abschluss per App eines digitalen Maklers. Das betrifft nicht nur die traditionellen Versicherungsverträge. Es werden auch ganz neue Risikodeckungen für kurzfristige Bedarfe möglich. Beispiele sind ein jederzeit tageweise zubuchbarer Drittfahrerschutz bei der Kfz-Versicherung oder eine Unfallversicherung speziell für den Skiurlaub. Für die Versicherer eröffnen sich hier viele Spielräume für innovative Produkte und Vertriebsstrategien. Die Kunden profitieren von einer passgenaueren Risikoabsicherung und dem intensiven Wettbewerb der Anbieter um die besten Lösungen.
  2. Es entstehen zusätzliche Risiken und Versicherungsbedarfe. Die heutige Welt ist durch veränderte Risiken und eine immer komplexere Risikolandschaft gekennzeichnet. Neue Technologien und global vernetzte Produktionsprozesse schlagen sich ebenso nieder wie der Klimawandel und zunehmende politische Risiken. Private Versicherungen auf der Grundlage des Risikoausgleichs im Kollektiv und weiterer versicherungstechnischer Instrumente leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung dieser Risiken. Zwei wichtige Bereiche, in denen privater Versicherungsschutz derzeit stark an Bedeutung gewinnt, sind Naturgefahren und Cyberrisiken. Während noch vor 15 Jahren weniger als 20 % der Wohngebäudeversicherungen in Deutschland über einen erweiterten Naturgefahrenschutz verfügte, ist dieser Anteil mit zunehmendem Risikobewusstsein mittlerweile auf 40 % angestiegen. Mit den Cyberrisiken ist eine neue Risikoklasse entstanden, für die sich zunehmend Versicherungslösungen herausbilden. Unter anderem mit den im Frühjahr 2017 veröffentlichten Mustervertragsbedingungen für die Cyberversicherung für kleine und mittelständische Unternehmen durch den GDV sind bereits wichtige Grundlagen für ein rasches Wachstum des deutschen Cyberversicherungsmarkts gelegt.
  3. Versicherer bieten neue Services für die Schadenprävention an. Der Umgang mit Risiken gehört für die Versicherer zum Kerngeschäft. Sie verfügen über eine Fülle von Daten zu Risiken und deren Einflussfaktoren, und sie betreiben eine intensive Risikoforschung, um auch neue Risiken bewerten zu können. In diesen Zeiten hoher Veränderungsdynamik gewinnen die Versicherer damit als Partner in der Risikoprävention weiter an Bedeutung. Gleichzeitig ermöglichen die neuen digitalen Technologien (z. B. Internet der Dinge, Big Data) eine genauere Risikobewertung und zusätzliche Unterstützungsleistungen für die Kunden. Sowohl bei Cyber- als auch bei Naturgefahrenversicherungen beschränken sich die Versicherer nicht allein auf Schadenersatzleistungen, sondern geben den Kunden konkrete Hinweise zur Risikoprävention. Die Kombination von Risikoschutz und Prävention erhöht die Versicherbarkeit von Risiken und eröffnet damit neue Wachstumschancen. Die vielfältigen Potenziale zur Senkung von Risiken bedeuten aber auch: Die erfolgreiche Erschließung neuer Geschäfts- und Ertragsmöglichkeiten bemisst sich keineswegs ausschließlich am Wachstum der Beitragseinnahmen, sie kann sich z. B. auch in verringerten Aufwendungen für Schadenfälle widerspiegeln.

Um die neuen Geschäftspotenziale ausschöpfen zu können, müssen die Versicherer sich an die neuen Gegebenheiten anpassen. Sie müssen ihre Leistungen kontinuierlich verbessern und innovativ sein. Aber auch Politik und Aufsicht sind in den kommenden Jahren gefordert, einen sachgerechten Ordnungsrahmen bereitzustellen. Dazu gehört die konsequente Sicherung eines fairen Wettbewerbs. Dazu gehört aber auch die Beseitigung von ineffizienten oder nicht mehr zeitgemäßen Vorgaben, die Wachstumspotenziale und Innovationschancen unnötig beeinträchtigen.

Title:Economic Expectations for the German Economy in 2018

Abstract:The German economy experiences a boom period. The leading economic research institutes upgrade their economic balance for 2017 to a growth rate exceeding two per cent and their forecasts for 2018 are equally positive. This optimism is widespread despite the UK’s exit from the EU, the protectionist tendencies and the difficult coalition-building in Germany. Technological innovations look ahead: manufacturing industry and trade sector have to react to digital transformation – i.e. electro-mobility, autonomous driving, the use of artificial intelligence and the spread of online trading.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2235-5

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