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Der internationale Dienstleistungshandel spielt eine immer bedeutendere Rolle im Welthandel. Hierbei muss im Gegensatz zu Zollschranken im Warenhandel auf die nicht-tarifären Handelshemmnisse geschaut werden, die oft nur schwer quantifizierbar sind. Der Autor diskutiert Handelsbarrieren, den Brexit sowie die damit verbundenen Bedrohungen für den Dienstleistungshandel in Europa.

Technologischer Fortschritt und die fortschreitende Integration der Weltwirtschaft haben in den vergangenen Jahrzehnten zu einem starken Anstieg des internationalen Dienstleistungshandels geführt. Im Jahr 2016 betrug der Wert der weltweiten Dienstleistungsexporte ca. 5 Billionen US-$, was etwa 23 % des Weltgesamthandels entsprach.1

Was ist Dienstleistungshandel?

Dienstleistungshandel wird nach zwei unterschiedlichen Definitionen erfasst. Dies ist erstens die sogenannte Zahlungsbilanzdefinition, nach der Handel Dienstleistungstransaktionen zwischen Inländern und Ausländern darstellt.2 Als Inländer gelten dabei auch ausländische Arbeitnehmer und andere Besucher, sofern sie sich mindestens ein Jahr dauerhaft in einem Land aufhalten.3 So wären z. B. Dienstleistungen, die ein Callcenter in Indien für Anrufer in Großbritannien leistet, ein Dienstleistungsexport im Sinne der Zahlungsbilanz. Die Präsentation eines Unternehmensberaters aus London bei einem Kunden in Frankfurt, oder der Aufenthalt desselben Kunden zu einem Trainingskurs in London würden ebenfalls Dienstleistungshandel darstellen. Obwohl in den letzten beiden Fällen keine grenzüberschreitenden Transaktionen vorliegen, bleiben der Exporteur (der Unternehmensberater) und der Importeur in ihrem jeweiligen Land ansässig, da ihre Aufenthaltsdauer im Ausland weniger als ein Jahr beträgt. Die zweite wichtige Definition von Dienstleistungshandel ist die sogenannte GATS-Definition (GATS steht für „General Agreement on Trade in Services“), die aus den Verhandlungen zur Uruguayrunde hervorging.4 Die GATS-Definition unterscheidet vier Varianten, sogenannte „Modes“: Mode 1 (grenzüberschreitender Handel) umfasst alle Transaktionen, bei denen Produzent und Konsument in ihrem jeweiligen Land verbleiben. Somit wäre das oben genannte Callcenter-Beispiel ein Mode-1-Export von Indien nach Großbritannien. Bei Mode-2-Transaktionen (Konsum im Ausland) begibt sich der Konsument in das Land des Produzenten, was also dem obigen Aufenthalt des Kunden zu einem Trainingskurs in London entsprechen würde. Mode 4 (Anwesenheit natürlicher Personen) umfasst schließlich solche Transaktionen, bei denen der Produzent sich vorübergehend ins Ausland begibt, um eine Dienstleistung zu erbringen (z. B. die oben genannte Präsentation des Unternehmensberaters in Frankfurt).

Wie ersichtlich sein sollte, decken sich die Modes 1, 2 und 4 mit der Zahlungsbilanzdefinition. Allerdings kennt die GATS-Definition auch noch eine weitere Erbringungsart, den sogenannten Mode 3 (kommerzielle Präsenz). Hier erbringen multinationale Unternehmen Dienstleistungen im Ausland durch ihre dortigen Tochtergesellschaften (z. B. einheimische Filialen einer ausländischen Bank). Da diese Tochterunternehmen Inländer im Sinne der Zahlungsbilanz sind, stellen Mode-3-Transaktionen laut Zahlungsbilanzdefinition keinen Dienstleistungshandel dar.

Diese relativ komplexen Definitionen lassen bereits erahnen, dass die statistische Erfassung des Dienstleistungshandels wesentlich schwieriger als die des Warenhandels ist. Beim Warenhandel ist die Überschreitung nationaler Grenzen einfach feststellbar, da hier physische Güter transportiert werden. Hinzu kommt, dass Nationalstaaten seit langer Zeit Zölle auf importierte Waren erheben und daher entsprechende statistische und administrative Systeme entwickelt haben, die eine genaue Erfassung von Handelsvolumen erlauben.5 Im Gegensatz dazu muss Dienstleistungshandel durch Umfragen oder Zahlungsmeldungen erfasst werden. Werden Umfragen verwendet, besteht häufig das Problem, dass die Umfragebasis unvollständig oder nicht repräsentativ ist. Repräsentativität ist insbesondere daher eine Herausforderung, weil Unternehmen aus fast allen Wirtschaftssektoren potenzielle Exporteure oder Importeure von Dienstleistungen sind. Falls zur Erfassung von Dienstleistungshandel auf Zahlungsmeldungen von Banken zurückgegriffen wird, werden Transaktionen ohne Finanzintermediäre nicht erfasst. Darüber hinaus sind grenzüberschreitende Abläufe innerhalb von multinationalen Unternehmen äußerst schwer messbar und können nur ungenügend in Handelsstatistiken abgebildet werden. Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass Dienstleistungshandel oft nur unvollständig erfasst wird, und die Datenqualität im Vergleich zum Warenhandel deutlich schlechter ist.6 Diese Einschränkung sollte bei der Interpretation der folgenden Ergebnisse beachtet werden.

Trends im Dienstleistungshandel

Abbildung 1 stellt die Entwicklung des Dienstleistungshandels im Sinne der Zahlungsbilanz zusammen mit den anderen Hauptkomponenten des Welthandels seit 1980 dar. Das durchschnittliche jährliche nominale Wachstum des Dienstleistungshandels betrug 8 %, was deutlich über die Wachstumsraten für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Rohstoffe hinausgeht und auch das rasante Wachstum im Industriegüterhandel übertrifft. Infolgedessen ist der Anteil des Dienstleistungshandels am Welthandel kontinuierlich von 16 % im Jahr 1980 auf 22 % im Jahr 2014 gestiegen, und beträgt 2016 bereits 23 %. Aus Abbildung 1 geht weiterhin hervor, dass der weltweite Dienstleistungshandel sich während des dramatischen Handelseinbruchs der Wirtschaftskrise 2008 bis 2009 als relativ robust erwiesen hat und nur geringe Rückgänge in Kauf nehmen musste. Der gängige Erklärungsansatz in der Literatur hierfür ist, dass insbesondere unternehmensbezogene Dienstleistungen ein unumgänglicher Bestandteil des Produktionsprozesses sind, und ihre Nachfrage daher weniger konjunkturabhängig ist, insbesondere im Vergleich zu langlebigen Konsumgütern, deren Anteil während der Welthandelskrise stark einbrach.7

Abbildung 1
Entwicklung der Hauptkomponenten des Welthandels
Entwicklung der Hauptkomponenten des Welthandels

Quelle: Welthandelsorganisation: Time Series on International Trade; eigene Darstellung.

Wie Tabelle 1 zeigt, hat sich die Zusammensetzung des weltweiten Dienstleistungshandels in den letzten anderthalb Jahrzehnten deutlich verändert. Während im Jahr 2000 Transportleistungen und Reiseverkehr die größten Posten darstellten, fällt diese Rolle 2013 mit einem Anteil von 26,9 % den unternehmensbezogenen Dienstleistungen zu. Unter diese Kategorie fallen unter anderem Dienstleistungen von Unternehmensberatungen, Rechtsanwaltskanzleien, Architekturbüros oder Marktforschungsinstituten. Ein rasanter Anstieg, wenn auch von einem viel geringeren Ausgangsniveau, ist auch für EDV- und Informationsdienstleistungen sichtbar, die 2013 bereits einen Anteil von 6,2 % am Weltdienstleistungshandel hatten. Abbildung 1 und Tabelle 1 beruhen auf der Zahlungsbilanzdefinition des Dienstleistungshandels und schließen daher Mode-3-Transaktionen aus. Die Datenerhebung für kommerzielle Präsenz (Mode 3) erfolgt separat durch Statistiken über die Struktur und Tätigkeit von Auslandsunternehmenseinheiten (Foreign Affiliates Statistics – FATS). Obwohl hier in den letzten Jahren signifikante Fortschritte gemacht worden sind, ist die Datenqualität im Moment noch schlechter als für den durch die Zahlungsbilanz erfassten Dienstleistungshandel. Insbesondere sind verlässliche Daten meist nur für OECD-Länder verfügbar.

Tabelle 1
Hauptbestandteile des Dienstleistungshandels
in %
Dienstleistungskategorie 2000 2005 2013
Dienstleistungen für persönliche Zwecke, Kultur & Freizeit 1,0 0,9 0,9
Versicherungs- und Altersvorsorgeleistungen 1,9 2,0 2,2
Baudienstleistungen 2,0 2,2 2,3
Kommunikationsdienstleistungen 2,3 2,4 2,6
EDV- und Informationsdienstleistungen 3,1 4,1 6,2
Gebühren für Nutzung von geistigem Eigentum 6,2 6,4 6,7
Finanzdienstleistungen 6,5 7,2 7,2
Transportleistungen 23,2 22,6 19,5
Reiseverkehr 32,0 28,0 25,5
Unternehmensbezogene Dienstleistungen 21,9 24,2 26,9
Insgesamt 100,0 100,0 100,0

Quelle: Welthandelsorganisation: Time Series on International Trade; eigene Darstellung.

Die bestehenden Quellen erlauben jedoch den Rückschluss, dass Dienstleistungstransaktionen durch kommerzielle Präsenz oft wichtiger als Modes 1, 2 und 4 zusammen sind. So zeigt z. B. Oldenski, dass die Mode-3-Dienstleistungsumsätze von US-amerikanischen multinationalen Unternehmen doppelt so hoch sind wie die Summe der Umsätze über die anderen drei Modes.8

Im Laufe der letzten zehn Jahre hat die internationale Forschung auch stärker auf die der Zahlungsbilanz unterliegenden Mikrodaten zurückgegriffen und dabei einige interessante zusätzliche Einsichten gewonnen. So zeigen z. B. Breinlich und Criscuolo, dass nur etwa 8 % aller britischen Unternehmen Dienstleistungen exportieren oder importieren.9 Andererseits sind solche Unternehmen in nahezu allen Wirtschaftszweigen zu finden – interessanterweise weist z. B. der Hightech-Sektor im produzierenden Gewerbe einen höheren Anteil an exportierenden Unternehmen aus als Produzenten von unternehmensbezogenen Dienstleistungen (15 % im Vergleich zu 12 %). Dienstleistungshandel ist zudem stark konzentriert, d. h. eine relativ kleine Zahl von Unternehmen erbringt den Großteil von Exporten und Importen. Wie auch im Warenhandel sind britische Exporteure und Importeure von Dienstleistungen im Durchschnitt größer, deutlich produktiver und zahlen höhere Löhne als Unternehmen, die nur im einheimischen Markt tätig sind. Wie eine Reihe neuerer Forschungsergebnisse gezeigt hat, sind ähnliche Muster in den meisten entwickelten Volkswirtschaften zu finden.10

Hemmnisse im Dienstleistungshandel

Obwohl im Gegensatz zum Warenhandel Zollschranken im Dienstleistungshandel keine Rolle spielen, erschweren doch zahlreiche Handelshemmnisse den Zugang zu ausländischen Märkten. Beispiele für solche Hemmnisse lassen sich für alle vier GATS-Modes finden. So beeinträchtigen z. B. Begrenzungen ausländischer Anteile an einheimischen Unternehmen, sowie andere Zulassungserfordernisse die Möglichkeit, Nachfrage durch kommerzielle Präsenz zu bedienen (Mode 3). Qualifikationserfordernisse für Einzelpersonen erschweren die Erbringung von Dienstleistungen über Mode 4, da ausländische Fachkräfte in den meisten Ländern nur nach teils langfristigen Akkreditierungsprozessen tätig werden können. Restriktive Einwanderungsbestimmungen in Industrieländern stellen zudem zusätzliche Hindernisse für Dienstleister aus Entwicklungs- und Schwellenländern dar. Schließlich wirken sich regulatorische Rahmenbedingungen in vielen Sektoren negativ auf den internationalen Dienstleistungshandel aus. Auch wenn Maßnahmen nicht explizit diskriminierend gegenüber ausländischen Anbietern sind, wird Regulierung doch oft mit Blick auf einheimische Unternehmen entworfen, die diese entsprechend bevorteilt. In einigen Fällen kann zu wenig Regulierung auch zu Handelshemmnissen führen. Dies ist der Fall wenn der Zugang zu notwendiger Infrastruktur wie z. B. zu Telekommunikationsnetzwerken nicht hinreichend durch regulatorische Maßnahmen gewährleistet ist.11

Die nicht-tarifären Handelshemmnisse sind im Gegensatz zu Zollschranken nur schwer quantifizierbar, was ein wichtiger Grund dafür ist, dass umfangreiche Datenbanken zu Handelsbarrieren im Dienstleistungsbereich erst seit wenigen Jahren verfügbar sind.12 Die zurzeit besten verfügbaren Datenbanken sind der Services Trade Restrictive­ness Index der OECD und die Services Trade Restrictions Database der Weltbank. Die OECD-Datenbank erfasst seit 2014 Handelshemmnisse für OECD-Mitgliedstaaten, sodass bereits eine kurze Datenzeitreihe verfügbar ist. Die von der Weltbank erfassten Daten sind hingegen eine Querschnittsanalyse, die allerdings neben 24 OECD-Mitgliedstaaten auch 79 Schwellen- und Entwicklungsländer erfasst. Beide Datenbanken beruhen auf einer Reihe von Quellen, wie z. B. systematischen Befragungen von Rechtsanwälten, Regierungsbeamten und Repräsentanten von im jeweiligen Land tätigen Unternehmen, öffentlich zugänglichen Regulierungsdatenbanken und detaillierten Analysen von nationaler Gesetzgebung. Ein wichtiges Problem, das sich bei der Aggregation von einzelnen Handelshemmnissen ergibt, ist die mögliche Substitution unterschiedlicher Marktzugangsarten. Zum Beispiel muss auch ein vollständiges Ansiedlungsverbot für ausländische Unternehmensniederlassungen (Mode 3) nicht bedeuten, dass die Bereitstellung von Dienstleistungen unmöglich ist, wenn gleichzeitig grenzüberschreitende Transaktionen möglich sind (Mode 1), oder freie Mobilität von Produzenten und Kunden besteht (Modes 2 und 4). Beide Datenbanken benutzen eine auf detaillierten Analysen des jeweiligen Dienstleistungstyps beruhende, aber letztlich subjektive, Gewichtung der Hemmnisse in allen vier Modes, um einen Gesamtrestriktionswert zu errechnen. Obwohl dies die zurzeit wahrscheinlich einzige Möglichkeit ist, wäre eine statistische Analyse von Substitutionsmustern auf längere Sicht wünschenswert.13

Abbildung 2
Handelshemmnisse für ausgewählte Dienstleistungskategorien, 2008 bis 2011
Handelshemmnisse für ausgewählte Dienstleistungskategorien, 2008 bis 2011

Anmerkung: Verwendete Ländergruppen: GCC – Gulf Cooperation Council (Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate) und der Weltbanksdefinition entsprechende Einkommensgruppen (OECD – hohes Einkommen, gering, unteres Mittel und oberes Mittel im Pro-Kopf-Einkommensvergleich). Ein Wert von 0 bedeutet hier, dass ein Land vollständig offen für Dienstleistungshandel ist, ein Wert von 100, dass ausländische Anbieter vom Markt ausgeschlossen sind.

Quellen: Weltbank: Services Trade Restrictions Database; eigene Berechnungen; I. Borchert, B. Gootiiz, A. Mattoo: Policy Barriers to International Trade in Services: Evidence from a New Database, in: World Bank Economic Review, 28. Jg. (2013), H. 1, S. 162-188, Abbildung 5.

Abbildung 2 stellt beispielhaft einige Befunde zur Höhe von Handelshemmnissen im Dienstleistungsbereich dar. Im Durchschnitt sind Handelshemmnisse in reicheren Volkswirtschaften niedriger als in Schwellen- und Entwicklungsländern.14 Allerdings gibt es auch einige Ausnahmen, wie z. B. die Länder des Gulf Cooperation Council (Bahrain, Kuwait, Oman, Katar und Saudi-Arabien), deren Märkte für ausländische Dienstleistungen nur schwer zugänglich sind. Handelsbarrieren für unternehmensbezogene Dienstleistungen und (in geringerem Maße) für Transportdienstleistungen sind ebenfalls durchgängig hoch.

Dienstleistungshandel, Europäischer Wirtschaftsraum und Brexit

In der volkswirtschaftlichen Literatur herrscht Konsens darüber, dass bisher die meisten Versuche der bilateralen oder multilateralen Handelsliberalisierung im Dienstleistungsbereich rechtlich nur eine Bestätigung des Status quo erreicht haben. Borchert, Gootiiz und Mattoo stellen z. B. fest, dass der tatsächliche Liberalisierungsgrad der meisten Länder weit über das hinausgeht, was ihre in der Uruguayrunde zugestandenen GATS-Verpflichtungen verlangen würden.15 Eine wichtige Ausnahme stellt hier der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) dar, der wohl am besten multinationale Dienstleistungsmarkt der Welt. Obwohl der Integrationsgrad des EWR im Dienstleistungshandel noch deutlich niedriger als im Warenhandel ist, geht er doch deutlich über existierende Freihandelsabkommen hinaus, was auch durch statistische Analysen bestätigt wird. Ebell findet z. B., dass eine EWR-Mitgliedschaft nationale Dienstleistungsexporte zu anderen Mitgliedstaaten langfristig mehr als verdoppelt.16 Im Gegensatz zeigt ihre Analyse aber auch, dass bilaterale Handelsabkommen im Durchschnitt nicht zu einem Anstieg von Dienstleistungshandel führen, auch wenn sie explizit Komponenten zur Liberalisierung im Dienstleistungsbereich enthalten. Eine mögliche Erklärung für diesen überraschenden Befund ist, dass die Dienstleistungsliberalisierungen in vielen Freihandelsabkommen nur einer Bestätigung bereits bestehender GATS-Verpflichtungen oder unilateral vorgenommener Liberalisierungsmaßnahmen entsprechen.

Vor diesem Hintergrund stellt der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) und voraussichtlich auch aus dem EWR die zurzeit wohl größte Bedrohung für den Dienstleistungshandel innerhalb Europas dar.17 So belief sich der Handelsumfang im Dienstleistungsbereich zwischen Großbritannien und dem Rest der EU im Jahr 2015 auf etwa 160 Mrd. £ (ca. 215 Mrd. Euro laut Wechselkurs vom 30.12.2015). Im Gegensatz zum Warenhandel weist Großbritannien im Dienstleistungshandel mit dem Rest der EU einen deutlichen Handelsbilanzüberschuss aus, wobei Exporten von 89 Mrd. £ Importe von nur 68 Mrd. £ gegenüberstehen.18

Laut der statistischen Analyse von Ebell würde ein Austritt aus dem EWR und der Abschluss eines „durchschnittlichen“ Handelsabkommens eine langfristige Reduktion des Dienstleistungshandels von 61 % bis 65 % zur Folge haben, was auf der Basis der genannten Handelswerte von 2015 einem Verlust von rund 100 Mrd. £ gleichkommen würde. Neben dem Finanzsektor wären insbesondere der Luftfahrtsektor und unternehmensbezogene, EDV- und audiovisuelle Dienstleistungen potenziell stark betroffen.19 Es ist z. B. zu erwarten, dass sich eventuelle Einschränkungen der Mobilität von Arbeitskräften, der Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Niederlassungsfreiheit für britische Unternehmen negativ auf Dienstleistungsexporte in Mode 2, 3 und 4 auswirken werden. Langfristig gesehen könnte auch regulatorische Divergenz, z. B. im Rahmen des digitalen Binnenmarktes oder bei künftigen Datenschutzbestimmungen, zu zusätzlichen Handelshemmnissen führen. Schließlich ist zu erwarten, dass Schlichtungsmechanismen, die britischen Unternehmen im Rahmen eines eventuellen Freihandelsabkommens zur Verfügung stehen könnten, weit hinter bestehenden rechtlichen Möglichkeiten innerhalb des EWR zurückbleiben werden. Ähnliche Nachteile könnten auch für europäische Exporte nach Großbritannien entstehen, obgleich die relativen Marktgrößen der EU und Großbritanniens bedeuten, dass britische Unternehmen stärker betroffen sein werden. Glücklicherweise gibt es auch Gründe, weniger pessimistisch zu sein. Im Gegensatz zu anderen Handelspartnern der EU, mit denen in letzter Zeit Freihandelsabkommen abgeschlossen wurden (z. B. Südkorea oder Kanada), werden die Verhandlungen mit Großbritannien von einer Position identischer regulatorischer Rahmenbedingungen in allen relevanten Bereichen starten. Daher ist zu hoffen, dass die dramatischen Handelseinbrüche, die Ebells Analyse vorhersagt, zumindest auf absehbare Zeit nicht eintreten werden und eventuell durch den Abschluss eines tiefen Handelsabkommens auch langfristig weitgehend verhindert werden können. Allerdings dürfte es unmöglich sein, ein entsprechendes Abkommen bis zum voraussichtlichen EU-Austritt Großbritanniens im März 2019 abzuschließen. Eine Übergangsfrist nach diesem Zeitpunkt – idealerweise zu bestehenden EWR-Marktzugangskonditionen – ist daher dringend nötig. Ob die zurzeit geplante Frist von ca. zwei Jahren ausreichen wird, ist allerdings fragwürdig. So dauerten etwa die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) vom offiziellen Verhandlungsbeginn bis zum (provisorischen) Inkrafttreten mehr als acht Jahre.

Schlussbemerkungen

Der Dienstleistungshandel hat während der letzten Jahrzehnte eine starke Expansion erlebt und betrug 2016 ca. 5 Billionen US-$, etwa ein Viertel des Weltgesamthandels. Aufgrund der Probleme bei der statistischen Erfassung von internationalen Dienstleistungstransaktionen stellen diese Größen aller Wahrscheinlichkeit nach zudem eine Unterschätzung der tatsächlichen Werte dar. Die Gründe für das rasante Wachstum des weltweiten Dienstleistungshandels sind noch nicht abschließend geklärt, aber wichtige Faktoren sind die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors in entwickelten Volkswirtschaften, technologischer Fortschritt, der die Handelbarkeit von Dienstleistungen erhöht, sowie die fortschreitende Integration der Weltwirtschaft. Die volkswirtschaftliche Forschung hat in den letzten zehn Jahren wichtige Beiträge zu einem besseren Verständnis von Dienstleistungshandel geliefert, insbesondere zu den Merkmalen von Exporteuren und Importeuren, der Quantifizierung von Handelshemmnissen und der Auswirkung bilateraler und multilateraler Handelsabkommen. Hinsichtlich der anstehenden Herausforderungen für den Welthandel, wie dem Brexit oder der zunehmend protektionistischen Handelspolitik der USA, sollten diese Forschungsergebnisse auch in die Wirtschaftspolitik Eingang finden.

  • 1 Berechnungen auf Grundlage von der Welthandelsorganisation: Time Series on International Trade, http://stat.wto.org/Home/WSDBHome.aspx?Language=E (8.1.2018).
  • 2 Im Allgemeinen werden Dienstleistungen dadurch charakterisiert, dass sie unsichtbar, nicht lagerfähig und nicht transportabel sind und daher meist gleichzeitig erzeugt und verbraucht werden müssen (oder laut Economist: „Dienstleistungen sind alles, was man verkaufen, was einem aber nicht auf die Füße fallen kann.“). Waren hingegen sind physisch greifbar, sichtbar und lagerfähig und erfordern kein direktes Zusammenwirken von Erzeuger und Verbraucher. Wichtige Ausnahmen dieser allgemeinen Definition sind verkörperte Dienstleistungen (z. B. Filme, Softwareprogramme und Musikwerke auf physischen Ton- und Datenträgern).
  • 3 Vgl. International Monetary Fund: Balance of Payments and International Investment Position Manual, 6.. Aufl., Washington DC 2009, S. 70.
  • 4 Die Uruguayrunde war die achte im Rahmen des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) durchgeführte Welthandelsrunde.
  • 5 Vgl. H. Breinlich: Producer Services and Trade Liberalization, in: D. Richard­son et al.: The International Encyclopedia of Geography, London 2017.
  • 6 Ebenda.
  • 7 Vgl. A. Ariu: Crisis-proof services: Why trade in services did not suffer during the 2008-2009 collapse, in: Journal of International Economics, 98. Jg. (2016), H. C, S. 138-149; I. Borchert, A. Mattoo: The crisis-resilience of services trade, in: The Service Industries Journal, 30. Jg. (2009), H. 13 , S. 2115-2136.
  • 8 Vgl. L. Oldenski: Export Versus FDI and the Communication of Complex Information, in: Journal of International Economics, 87. Jg. (2012), H. 2, S. 312-322.
  • 9 Vgl. H. Breinlich, C. Criscuolo: International trade in services: A portrait of importers and exporters, in: Journal of International Economics, 84. Jg. (2011), H. 2, S. 188-206. Alle Prozentsätze in diesem Abschnitt gelten für das Jahr 2005.
  • 10 Für Deutschland vgl. z. B. M. Kelle, J. Kleinert: German Firms in Service Trade, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Economics Working Papers, Nr. 2010-03, Kiel 2010.
  • 11 Vgl. I. Borchert, B. Gootiiz, A. Mattoo: Policy Barriers to International Trade in Services: Evidence from a New Database, in: World Bank Economic Review, 28. Jg. (2013), H. 1, S. 162-188.
  • 12 Nicht-tarifäre Handelshemmnisse werden auch im Warenhandel bedeutender und sind ebenfalls noch nicht umfassend statistisch erfasst.
  • 13 Vgl. H. Breinlich, a. a. O.
  • 14 Vgl. auch I. Borchert, B. Gootiiz, A. Mattoo, a. a. O. Die Autoren zeigen, dass zwischen Pro-Kopf-Einkommen und der Höhe von Handelshemmnissen eine negative Korrelation besteht.
  • 15 Vgl. I. Borchert, B. Gootiiz, A. Mattoo: Services in Doha: What‘s on the Table?, in: W. Martin, A. Mattoo (Hrsg.): Unfinished Business? The WTO’s Doha Agenda, CEPR und Weltbank, London 2011.
  • 16 Vgl. M. Ebell: Assessing the impact of trade agreements on trade, in: National Institute Economic Review, 58. Jg. (2016), H. 238, S. R31-R42.
  • 17 Laut der sogenannten Lancaster-House-Rede von Premierministerin May im Januar 2017 strebt Großbritannien einen Austritt aus dem EWR und der europäischen Zollunion an, mit dem Ziel, stattdessen ein „tiefes“ Freihandelsabkommen abzuschließen. Der Begriff Großbritannien schließt jeweils auch Nordirland ein.
  • 18 Vgl. Office for National Statistics: UK Balance of Payments, The Pink Book 2016, London 2016.
  • 19 Vgl. Brexit: Trade in Nonfinancial Services, House of Lords European Union Committee, 18. Report of Session 2016-2017.

Title:Services Trade – Historical and Current Perspectives

Abstract:Trade in services has expanded rapidly over the past several decades and now represents around a quarter of world trade, or approximately USD 5 trillion. This article gives an overview of historical and recent developments in services trade. It includes a discussion of the different definitions of services trade and the problems of accurate statistical measurement. It also presents selected recent research findings on the characteristics of services traders, firm­level trade patterns, measurement of trade barriers, and the effects of trade liberalisation and regional integration on services trade, with a particular focus on the United Kingdom’s exit from the European Union (Brexit).

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DOI: 10.1007/s10273-018-2270-2

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