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Trotz der guten wirtschaftlichen Lage in der Eurozone verzeichnen einige Krisenländer nach wie vor ein geringes Wachstum und eine hohe Arbeitslosigkeit. Diese Länder erhoffen sich von einer Erhöhung der Nachfrage in den wirtschaftlich erfolgreicheren Staaten eine Unterstützung ihres Aufschwungs. Die möglichen Spillovereffekte eines Anschubs beispielsweise aus Deutschland werden aber im Allgemeinen überbewertet. Wichtiger wäre es, wenn die Krisenstaaten durch interne Reformen ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken würden. Zudem könnte sich eine Schwächung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit durch steigende Löhne und Preise auch negativ auf sie auswirken.

Trotz der sich verbessernden konjunkturellen Gesamtsituation in Europa sind die Krisenländer der Eurozone noch lange nicht „über dem Berg“. Die strittigen Positionen zur Beilegung der nach wie vor kritischen Beschäftigungslage hochverschuldeter Länder wie Italien, Spanien, Griechenland, Portugal, aber auch Frankreich ziehen sich weiterhin wie ein roter Faden durch die politischen Debatten der Eurozone.1 Hierbei fordern die betroffenen Krisenländer immer wieder die politische und wirtschaftliche Solidarität des wirtschaftlich starken Deutschland ein. Mit dem Ausgang der Wahlen in Frankreich, deren Präsident Macron sich ebenfalls ein stärkeres finanzielles Engagement Deutschlands wünscht, haben diese Debatten eine neue Dynamik gewonnen und auch Eingang in die Koalitionsgespräche in Deutschland gefunden. Sie verlaufen in der Regel überaus kontrovers, da die Krisenländer die Ursache ihrer Schwäche anders einschätzen als die – relativ stabilen – Kernländer. Erstere sehen sich im Wesentlichen als Opfer eines temporären Nachfragedefizits, ausgelöst durch die Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2009. Da ihre – mit der Finanzkrise stark gestiegenen – Verschuldungsgrade ihnen keine eigenen fiskalpolitischen Spielräume mehr lassen, erwarten sie von starken Ländern wie Deutschland ein aktiveres Krisenmanagement in Form verstärkter Staatsausgaben – in der Hoffnung auf hinreichende „Spillover“-Effekte über den Außenhandel. Diese Ansicht wird auch von einigen internationalen Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF)2 geteilt. Unterstützung findet sie in der Regel durch den Hinweis auf die hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands. Diese übersteigen seit 2015 8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit die sowohl von der Welthandelsorganisation (WTO) als auch der EU-Kommission als noch akzeptabel eingestufte Benchmark von 6 %.

Die Bundesregierung argumentierte dagegen bisher damit, dass die wirtschaftlichen Probleme der Krisenländer nicht durch kurzfristige Nachfrageschwächen, sondern maßgeblich durch Ineffizienzen auf deren Angebotsseite verursacht wurden. Überdurchnittlich starke Lohn- und Preissteigerungen hätten die Wettbewerbssituation der heutigen Krisenländer schon in den Jahren vor der Finanzkrise nachhaltig verschlechtert. Hieraus resultiere auch ihre schwache Außenhandelsposition, die letztlich mitverantwortlich für die hohen deutschen Handelsüberschüsse sei. Solche Ineffizienzen seien nur durch strukturelle Reformen der Defizitländer selbst zu beseitigen, wie sie Deutschland mit seiner „Agenda 2010“ bereits umgesetzt hätte. Eine Kehrtwende in der deutschen Lohn- und Preisentwicklung würde die gut etablierten deutschen Handelsketten zerstören, die indirekt auch dem Wohlstand der Partnerländer dienen.3

Abbildung 1
Bruttoinlandsprodukt: jährliche Wachstumsraten
Bruttoinlandsprodukt: jährliche Wachstumsraten

Quelle: OECD: National Accounts of OECD Countries, Detailed Tables 2008-2015.

Welche dieser beiden kontroversen Positionen der ökonomischen Realität mehr entspricht, lässt sich nur durch eine Datenanalyse klären. Dabei sollten folgende Fragen im Mittelpunkt stehen: Liegen die Ursachen der Krise in den betroffenen Ländern tatsächlich auf der Angebots- oder vielmehr doch auf der Nachfrageseite? Soweit sie auf der Nachfrageseite liegen, wäre zu klären, ob Deutschland mit seinen Importvolumina und -strukturen überhaupt in der Lage wäre, die schwachen Partnerländer nachfrageseitig signifikant zu unterstützen. Hierbei ist abzuwägen, inwieweit eine solche fiskale Unterstützung Deutschland selbst wieder zurück in eine – den Krisenländern ähnliche – prekäre Wettbewerbs- und Verschuldungssituation bringen könnte. Eine solche Konsequenz wäre dem Euroraum als Ganzes auch deshalb nicht zuträglich, da Deutschland derzeit als einem der wenigen Euroländer mit AAA-Rating auf den internationalen Finanzmärkten eine Ankerfunktion für die ganze Eurozone zufällt.

Abbildung 2
BIP: aggregiertes Wachstum von 2008 bis 2015
BIP: aggregiertes Wachstum von 2008 bis 2015

Quelle: OECD: National Accounts of OECD Countries, Detailed Tables 2008-2015.

Soweit die Ursachen auf der Angebotsseite liegen, stellt sich die Frage, welche Hilfestellung Deutschland seinen Partnerländern bei der Rückgewinnung ihrer Wettbewerbsfähigkeit geben kann. Deutschlands Beitrag könnte, so wie einige Ökonomen es fordern, darin bestehen, durch eine expansive Lohnpolitik einen Beitrag zur Schließung der Wettbewerbslücke zu leisten und so den schwachen Ländern angebotsseitig zu assistieren. Dies entspräche allerdings einer Rückabwicklung der nachweislich erfolgreichen Reformpolitik vergangener Jahre. Die Verfechter dieser Maßnahmen argumentieren damit, dass die deutsche Reformpolitik zwar für Deutschland allokativ effizient war, auf währungspolitischer Seite jedoch seine internationalen Handelspartner unzulässig (über hohe Leistungsbilanzüberschüsse) belastet hat und darüber hinaus für Deutschland selbst verteilungspolitisch abzulehnen ist (wegen zu niedriger Lohnabschlüsse und der auch dadurch relativ stark gesunkenen Lohnquote). Das letztere Argument führt diese Ökonomen zurück zur Nachfrageseite: Mit höheren Lohnabschlüssen würde Deutschland nicht nur seinen Wettbewerbsvorteil abgeben, sondern darüber hinaus seine Kaufkraft für Importe aus den schwächeren Euroländern stärken.4

Ursachen ökonomischer Divergenz in der Eurozone

Am Anfang jeder Untersuchung möglicher Beistandsmaßnahmen Deutschlands sollte zunächst die Ursachenanalyse stehen. Als Indikator für das Auseinanderdriften der ökonomischen Performance innerhalb der Eurozone werden in der Regel die divergierenden Wachstumsraten der Mitgliedsländer, ihre sehr unterschiedlichen, teils nachhaltig schlechten Arbeitsmarktdaten sowie die Verschuldungsgrade ihrer öffentlichen Haushalte herangezogen. Die Abbildungen 1 bis 4 zeigen die Entwicklung dieser Kennzahlen für sechs ausgewählte Eurostaaten seit Ausbruch der Finanzkrise, wobei die vier großen Euroländer Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien um zwei besonders kritische kleinere Länder, nämlich Portugal und Griechenland, ergänzt werden.

Abbildung 3
Erwerbstätigenzahlen: jährliche Wachstumsraten
Erwerbstätigenzahlen: jährliche Wachstumsraten

Quelle: OECD: National Accounts of OECD Countries, Detailed Tables 2008-2015.

Diese Zahlen dokumentieren, dass sich bisher nur Deutschland und – in beschränktem Maße – auch Frankreich nachhaltig von der Wirtschaftskrise des Jahres 2009 erholt haben. Beide Länder wiesen ab 2010 wieder konstant positive Wachstumsraten des BIP sowie auch der Erwerbstätigenzahlen auf. Die anderen Länder schrieben noch bis 2014 negative Zahlen, und der positive Trend der Jahre 2015 und 2016 war bei weitem nicht stark genug, um die aggregierten Wachstumsverluste der Vorperioden zu kompensieren. Die Arbeitslosenquoten aller fünf Partnerländer Deutschlands lagen 2016 nach wie vor über den entsprechenden Quoten vor der Finanzkrise (Frankreich: 10,1 %, Italien: 11,7 %, Spanien 19,6 %, Portugal: 11,2 %, Griechenland: 23,6 %). Im gleichen Zeitraum sank die Arbeitslosenquote Deutschlands von 7,4 % (2008) auf 4,1 % (2016).5

Hinsichtlich der Verschuldungsgrade litten Italien und Griechenland bereits vor der Krise unter einer Überschuldung der öffentlichen Hand. Nur in Spanien und Portugal ließ die Finanzkrise den Verschuldungsgrad maßgeblich ansteigen. Auch in Frankreich und Deutschland nahm er durch die Rettungsprogramme zur Abfederung der Wirtschafts- und Finanzkrise zu. Während sich Deutschland jedoch seither mittels seiner Austeritätspolitik erfolgreich bemüht, den Verschuldungsgrad wieder abzubauen, ist er in Frankreich weiter angestiegen. Wie in Spanien lag Frankreichs öffentliche Verschuldung 2015 bei kritischen 100 %, in Italien und Portugal lag sie sogar bei knapp 130 %, in Griechenland bei bedenklichen 177 % (vgl. Abbildung 4). Diese Indikatoren stellen nur die Symptome dar für Kausalitäten, die ihren Ursprung im Wesentlichen in Effizienzunterschieden zweier volkswirtschaftlicher Schlüsselsektoren haben, nämlich dem Außenhandel und dem öffentlichen Finanzwesen.

Abbildung 4
Öffentliche Verschuldung
Öffentliche Verschuldung

Quelle: EU Commission: Statistical Annex of the European Economy, S. 164.

Im Bereich des Außenhandels waren die hier untersuchten Euroländer in unterschiedlicher Weise von dem mit der Finanzkrise einhergehenden weltweiten Nachfrageausfall betroffen. Im Kontext der ökonomischen „Theorie optimaler Währungsgebiete“ spricht man von sogenannten „asymmetrischen exogenen Schocks“ innerhalb einer Währungsunion. Optimale Währungsgebiete umfassen idealerweise nur Länder, die auf exogene Schocks schwach oder zumindest gleichartig (symmetrisch) reagieren, da sie ähnliche Produktions- und Außenhandelsstrukturen aufweisen. Solche Länder können auf diese symmetrischen Schocks als Block, also mit harmonisierten wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen antworten. Bestenfalls sind ihre Außenhandelssektoren so diversifiziert, dass exogene Schocks in einzelnen Subsektoren von anderen Subsektoren kompensiert werden. Dies setzt jedoch einen hohen Offenheitsgrad der Wirtschaft (Exportwert in % des BIP) voraus. Letzteres trifft in der Tat auf die deutsche Volkswirtschaft zu, deren Offenheitsgrad bei über 40 % liegt und die sich – nicht zuletzt durch ihren außereuropäischen Handel – schnell von der Finanzkrise erholte. Ebenso lässt sich konstatieren, dass dies in den anderen fünf Länder nicht der Fall war, sie reagierten deshalb asymmetrisch. Für besonders hart und nachhaltig getroffene Länder können solche Asymmetrien sogar ein Hinweis darauf sein, dass sie nicht auf das Instrument der Wechselkursanpassung hätten verzichten sollen.6

Abbildung 5
Außenhandel 2008 bis 2015
Außenhandel 2008 bis 2015

Quelle: OECD: National Accounts of OECD Countries, Detailed Tables 2008-2015.

Abbildung 5 lässt Rückschlüsse auf die Außenhandelssituation und die Anfälligkeit der hier betrachteten Länder für asymmetrische Schocks zu. Alle fünf Partnerländer Deutschlands weisen einen – teilweise erheblich – geringeren Offenheitsgrad und damit eine höhere Schockanfälligkeit auf. Während sich jedoch die Exporte Frankreichs, Spaniens und Portugals nach der Krise (2009) wieder erholten, hat sich der italienische Exportsektor kaum verbessert, der griechische ist sogar weiter geschrumpft. Aber auch in den drei erstgenannten Ländern blieben die Handelsbilanzsalden trotz Exportwachstums bis 2015 niedrig positiv (Spanien) bzw. sogar negativ (Frankreich, Portugal). Die deutlich geringere Offenheit und die seit Jahren unzureichende Exportkraft lassen eine notorische Wettbewerbsschwäche aller fünf Volkswirtschaften erkennen. Abbildung 6 verdeutlicht, dass sich die Leistungsbilanzsalden aller fünf Partnerländer bereits seit Einführung des Euro im negativen Bereich bewegten.

Abbildung 6
Handels- und Dienstleistungsbilanzsaldo 2002 bis 2016
Handels- und Dienstleistungsbilanzsaldo 2002 bis 2016

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis von OECD-Daten (National Accounts of OECD Countries – Detailed Tables).

Die Finanzkrise war nicht die Ursache der schwachen Exportkraft dieser Länder, sie hat dieses Problem – durch den Ausfall externer Defizitfinanzierungen – nur sichtbar gemacht.

Abbildung 7 lässt erkennen, dass die Gründe dieser Wettbewerbsschwäche auf der Angebotsseite liegen. Vergleicht man die nominalen Lohnkosten der Länder, so wird deutlich, dass diese sich seit Einführung des Euro bis zum Ausbruch der Finanzkrise, also im Zeitraum 2000 bis 2009, stark auseinanderentwickelt haben. Während sie in Deutschland annähernd konstant blieben (insgesamt +6 %), stiegen sie in Frankreich um rund 22 %, in Italien um 32 %, in Spanien um 33 %, in Portugal um 26 % und in Griechenland um rund 37 %.7 Diese Lohnkostensteigerungen übertrugen sich auf die Preise. Untersuchungen der Bundesbank bestätigen einen starken Zusammenhang zwischen der Lohnstückkostenentwicklung und der Wettbewerbsfähigkeit am Beispiel Deutschlands.8 Ohne Einführung des Euro hätten die anderen Länder ihre nationale Währung entsprechend abwerten können (und müssen), um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Währungsunion zwang sie jedoch zu einer analogen „internen“ Abwertung, also einer Senkung der Löhne bzw. Lohnstückkosten. Spanien und Portugal gelang dies aus eigener Anstrengung recht gut, Italien und Frankreich jedoch nicht (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 7
Nominale Lohnstückkosten 2000 bis 2016
Index, Basisjahr 2000 = 100
Nominale Lohnstückkosten 2000 bis 2016 Index, Basisjahr 2000 = 100

Quelle: Ameco Datenbank 2012, Eurostat 2012/2017; eigene Berechnungen.

In Griechenland wurden die Löhne mittels des ESM-unterstützten Reformprogramms massiv reduziert, allerdings mit geringen Auswirkungen auf die Exportpreise. Die nach wie vor überregulierten griechischen Märkte lassen eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit mittels Überwälzung der Lohnsenkungen auf die Preise nicht zu.9 Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach den politischen Prioritäten Griechenlands: Ohne strukturelle Reformen zur Deregulierung seiner Güter- und Dienstleistungsmärkte ist ein Verbleib in der Währungsunion ökonomisch weder sinnvoll noch zumutbar, und zwar sowohl für die eigene, unter diesen Reformen leidende Bevölkerung als auch für die Solidargemeinschaft der Eurozone.

In vergleichbarer Weise trugen die überzogenen Ausgaben der öffentlichen Haushalte zu den Wirtschafts- und Wettbewerbsproblemen dieser Länder bei (vgl. Abbildung 8). Und auch hier hatte die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung ihren Ursprung nicht in der Finanzkrise von 2009, sondern in Fehlentwicklungen, die bereits mit Einführung der Euro-Währungsunion begannen. Durch die Krise wurden sie nur akzentuiert. Zu den besonders herausragenden Problemen dieser Länder zählen die zu hohe Zahl von Staatsbediensteten, überzogene Ausgaben für die Altersversorgung und die Kapitalkosten der überhöhten Staatsverschuldung auf der Ausgabenseite sowie eine mangelhafte Hebeeffizienz der Besteuerung auf der Einnahmeseite. Letztere begründete in den als GIIPS-Staaten (Griechenland, Italien, Irland, Portugal, Spanien) bezeichneten Krisenländern die fiskalpolitische Konzeption der verstärkten Finanzierung ihrer öffentlichen Haushalte über Inflation.10 Dies gab dem Auseinanderdriften der Lohnstückkosten in der Eurozone weiteren Auftrieb. Zu diesen Problemen addieren sich in einigen Ländern (Italien, Griechenland), deren Anteil notleidender Bankkredite weiterhin sehr hoch ist, die drohenden Kosten einer Rekapitalisierung des Bankensektors.

Abbildung 8
Durchschnittlicher Saldo der öffentlichen Haushalte von 2008 bis 2015


Durchschnittlicher Saldo der öffentlichen Haushalte von 2008 bis 2015

Quelle: OECD: National Accounts of OECD Countries, Detailed Tables 2008-2015.

Diese Ausführungen zeigen, dass die wirtschaftlichen Schwächen der deutschen Euro-Partnerländer nicht auf temporären Nachfrageausfällen basieren. Sie sind vielmehr auf Fehlentwicklungen auf der Angebotsseite zurückzuführen,11 nämlich überdurchschnittlich starke Kostensteigerungen öffentlicher Haushalte sowie auch privater Unternehmen und die damit einhergehenden Verluste an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Es darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dass diese Probleme der Krisenländer im Wesentlichen aus der Nichteinhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts der Europäischen Währungsunion resultieren. Griechenland z. B. hat die Fiskalkriterien des Pakts seit seiner Mitgliedschaft noch nie erfüllt.12 Somit sollte man die Lösung dieser Probleme eigentlich auf der Seite der schwachen Euroländer suchen, deren exzessive Lohn-, Preis- und Fiskalausgabenentwicklungen zurückzufahren wären. Man könnte sie grundsätzlich aber auch auf Seiten der starken Länder einfordern, indem man diesen eine expansivere Lohn-, Preis- und Ausgabenpolitik abverlangt. Dies setzt allerdings den Willen zur generellen Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts voraus. Es liegt auf der Hand, dass diese beiden Sichtweisen von den betroffenen Ländern subjektiv, d. h. jeweils zu ihrem eigenen Vorteil, politisch eingesetzt werden. Im Folgenden geht es deshalb darum, diese politische Debatte jenseits nationaler Interessenlagen mit ökonomischer Rationalität zu füllen. Hierzu sollen beide Konzepte einer ökonomischen Wirkungsanalyse unterzogen werden.

Wirkung nachfragefördernder Beiträge Deutschlands auf das Wachstum in der Eurozone

Wenn man das Problem im Wesentlichen als angebotsseitig verursacht ansieht, schließt sich ein nachfragefokussiertes Krisenmanagement als langfristig wirkungslos eigentlich aus. Es könnte jedoch sinnvoll sein, die kurzfristig negativen sozialpolitischen Wirkungen einer langfristig reformorientierten Angebotspolitik der Krisenländer vorübergehend abzufedern. Die Regierung Schröder hatte begleitend zu ihrer „Agenda 2010“ ebenfalls Maßnahmen zur Stärkung der (eigenen) Binnennachfrage ergriffen. Eine auf regionale „Spillover“-Effekte abzielende, deutsche Mehrausgabenpolitik könnte möglicherweise einen entsprechenden Beitrag zur besseren Akzeptanz der Reformen seiner Nachbarn leisten, zumal Deutschland sich dies offensichtlich eher leisten kann. Dies setzt jedoch voraus, dass diese Spillovereffekte hinreichend groß sind, um ein Abweichen Deutschlands von seiner Austeritätspolitik zu rechtfertigen. Auch dürften sie keine negativen Anreizmechanismen setzen, also die Regierungen der Krisenländer von ihren schmerzvollen und unpopulären Reformen abhalten. Dass diese Gefahr besteht, hat die „akkommodierende“ Geldpolitik der EZB bereits deutlich gemacht: Der Versuch, den schwachen Ländern mit ihrer außergewöhnlich expansiven Geldpolitik Zeit für Reformen zu verschaffen, hat eben diese Reformen letztlich in erheblichem Maße verzögert. Vor allem aber erscheint es fraglich, ob ein einziges, wenn auch relativ großes und wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland überhaupt in der Lage ist, einer größeren Zahl von – teils ebenfalls großen – Nachbarländern mit seiner gestiegenen Importnachfrage spürbar zu helfen. Hierzu wären in Deutschland ein ausreichender fiskaler Multiplikatoreffekt sowie signifikante marginale Importquoten bezüglich der zu unterstützenden Krisenländer erforderlich.

Multiplikatoreffekte

Neuere, dynamisch ausgelegte Untersuchungen der EZB zeigen, dass die Fiskal-Multiplikatoren in der Eurozone relativ gering sind (ca. 0,5), allenfalls kurzfristig wirken und langfristig, je nach Verschuldungsgrad der Volkswirtschaft, sogar in negative Werte drehen können.13 Allerdings wurden diese Multiplikatoren hier für kontraktive Maßnahmen abgeleitet. Ähnliche Untersuchungen zur Multiplikatorwirkung expansiver Maßnahmen lassen höhere Werte (> 1) erwarten, hängen allerdings stark von der Ausgestaltung der Maßnahme, der konjunkturellen Ausgangssituation und dem Grad der monetären Alimentierung ab.14 Basierend auf den Untersuchungen von Gerchert und Rannenberg15 wird im Folgenden die optimistische Annahme einer Multiplikatorwirkung von 1,8 unterstellt. Sie wurde für die effizientesten fiskalpolitischen Maßnahmen wie z. B. öffentliche Investitionsausgaben ermittelt, allerdings auch nur in konjunkturellen Abschwungphasen – eine Annahme, die auf die konjunkturelle Wirtschaftslage Deutschlands derzeit eigentlich nicht zutrifft.

Bei diesem optimistischen Multiplikatorwert wären Mehrausgaben von rund 18 Mrd. Euro erforderlich, um das nominale deutsche BIP kumulativ, d. h. über eine zweijährige Anpassungsphase hinweg, um einen zusätzlichen Prozentpunkt steigen zu lassen. Soll dieser Effekt noch kurzfristiger erzielt werden, wären die Ausgaben entsprechend zu erhöhen. Wie viel von dieser Wirkung aber würde in den Nachbarländern ankommen? Abbildung 9 zeigt die relativen Anteile der deutschen Importnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen am BIP der hier betrachteten Partnerländer. Die Zahlen belegen, dass die deutsche Importnachfrage mit gerade einmal rund 3 % (Frankreich, Italien, Portugal), bzw. ca. 2,5 % (Spanien) oder sogar nur rund 1 % (Griechenland) zum BIP dieser Länder beiträgt.

Abbildung 9
Anteil deutscher Importnachfrage am BIP der Partnerländer
Anteil deutscher Importnachfrage am BIP der Partnerländer

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis von Daten der OECD Quarterly International Trade Statistics, Vol. 2017/2, der OECD Quarterly National Accounts 2017/2; und der Bundesbank-Außenhandelsstatistik (Wechselkurse).

Nimmt man vereinfachend an, dass die durchschnittlichen auch den marginalen Importquoten Deutschlands entsprechen, so würde ein zusätzlich generiertes deutsches BIP-Wachstum von einem Prozentpunkt in diesen Ländern zu einer initialen (Export-)Mehrnachfrage führen, die lediglich im Promillebereich ihres eigenen BIP läge. Selbst wenn man auch für diese Länder einen Exportmultiplikator von 1,8 unterstellt, so ergäben sich letztlich nur Wachstumswirkungen von rund 0,05 %, in Griechenland sogar nur 0,02 % (vgl. Abbildung 10). Die Spillovereffekte wären also vernachlässigbar gering. Noch kleiner fallen die Wirkungen aus, wenn man berücksichtigt, dass die relativ starke konjunkturelle Ausgangssituation Deutschlands kaum noch expansive fiskalische Impulse zulässt und deshalb eigentlich mit Multiplikatorwerten von deutlich unter Eins einhergeht.16 Die Spillovereffekte sind dann faktisch inexistent.

Abbildung 10
Potenzieller Spillover eines zusätzlichen deutschen BIP-Wachstums von 1 % (2013)
Potenzieller Spillover eines zusätzlichen deutschen BIP-Wachstums von 1 % (2013)

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis von Daten der OECD Quarterly International Trade Statistics, Vol. 2017/2, der OECD Quarterly National Accounts 2017/2; und der Bundesbank-Aussenhandelsstatistik (Wechselkurse).

Diese relativ einfachen Berechnungen finden Bestätigung in den makroökonomischen Modellsimulationen, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf der Basis des „Global Economic Model“ von Oxford Economics durchgeführt hat. Hier lag die Multiplikatorwirkung mehrjähriger zusätzlicher öffentlicher Investitionen auf die deutsche Wirtschaft tatsächlich deutlich unter Eins: öffentliche Mehrinvestitionen in Höhe von 1 % des deutschen BIP (rund 32 Mrd. Euro) generierten ein BIP-Wachstum von etwa 0,5 %. Die hieraus resultierenden Spilloverwirkungen auf die Partnerländer des Euroraums beliefen sich auf rund 0,1 % ihres BIP.17 Bei – im Vergleich zu den oben verwendeten Zahlen – knapp doppelt so hohem Mitteleinsatz generiert dieses Modell letztlich also auch nur einen etwa doppelt so hohen Wachstumseffekt in den Krisenländern. Die Spillovereffekte sind somit in beiden Analysen vergleichbar gering, und dies trotz der begleitenden expansiven Geldpolitik der EZB in der Modellsimulation des BMWi.

Die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse

Da solche Spillovereffekte letztlich über den Transmissionskanal der Außenhandelstransaktionen wirksam werden, lässt sich die Effizienz fiskalpolitischer Unterstützungsmaßnahmen Deutschlands auch über deren Beitrag zum Abbau deutscher Leistungsbilanzüberschüsse messen, die zum Teil den Leistungsbilanzdefiziten der Partnerländer entsprechen. Jede Umlenkung inländischer Nachfrage von Importen aus Deutschland auf die lokale Produktion stärkt die eigene Wirtschaft der Partnerländer. Länderübergreifende Untersuchungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) suggerieren tatsächlich, dass Leistungsbilanzüberschüsse am effektivsten mit den Mitteln expansiver Fiskalpolitik und realer Aufwertungen zu beseitigen sind.18 Angewandt auf die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands ergibt sich jedoch aus mehreren Untersuchungen ein anderes Bild.19 So ist zunächst festzuhalten, dass der deutsche Überschuss vor allem gegenüber Ländern außerhalb der Eurozone besteht. Hinsichtlich der Euroländer beträgt er nur noch rund 2 % des deutschen BIP.

Darüber hinaus entzieht er sich aus verschiedenen Gründen einer effizienten Beeinflussung durch wirtschaftspolitische Maßnahmen.20 Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Studie des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW). Alle acht von ihr untersuchten wirtschaftspolitischen Optionen würden nur eine sehr geringe und allenfalls kurzfristige Wirkung auf die deutsche Leistungsbilanz haben, auch wenn bestimmte fiskalpolitische Maßnahmen, nämlich eine Steigerung der öffentlichen Investitionen oder des öffentlichen Konsum sowie eine Senkung der Unternehmensteuern, hier noch vergleichsweise gut abschneiden.21 Untersuchungen der EU-Kommission unterstützen dieses Ergebnis: Nach Berechnungen der Kommission würde ein fiskaler Stimulus der Bundesregierung von 1 % des deutschen BIP, also wiederum rund 32 Mrd. Euro, den deutschen Leistungsbilanzüberschuss gerade einmal um 0,2 Prozentpunkte absenken.22 Entsprechend gering sind die Wirkungen auf die ausländischen Leistungsbilanzdefizite und damit deren Inlandsnachfrage.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis vieler Ökonomen, dass die vom Internationalen Währungsfonds (IMF) für Deutschland vorgeschlagenen fiskalpolitischen Maßnahmen23 überwiegend angebotspolitischer Natur sind und somit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nur noch mehr stärken würden – was den Leistungsbilanzüberschuss langfristig nicht abbauen, sondern vielmehr stabilisieren dürfte.24 Letztlich bleibt auch festzuhalten, dass solche geringen Spillovereffekte nur über einen unvertretbar hohen fiskalpolitischen Aufwand zu erzielen wären, der die Staatsfinanzen Deutschlands über eine entsprechende Neuverschuldung nachhaltig belasten würde.25 Es gilt das Wort des ehemaligen Bundesfinanzministers Schäuble: „Gesteigerte (…deutsche…) Staatsausgaben können Strukturprobleme in anderen Staaten nicht lösen.“26

Es scheint offensichtlich, dass die Wirtschaftprobleme dieser Länder mit einer – schuldenfinanzierten – expansiveren deutschen Fiskalpolitik nicht nur nicht gelöst werden können, sie können auch nicht kurzfristig gelindert werden. Im Gegenteil steht zu erwarten, dass die hierfür erforderliche – im Verhältnis zu ihrer externen Wirkung unverhältnismäßig hohe – Neuverschuldung Deutschlands die internationalen Finanzmärkte, insbesondere den Markt für Staatsanleihen der Eurozone, zusätzlich unter Stress setzen würde, da nun auch eines der letzten als stabil gelisteten Länder der Eurozone seine Strategie wechseln würde. Hieran kann den Krisenländern der Eurozone nicht gelegen sein.

Die Stärkung der Angebotsseite durch lohn- und preispolitische Assistenz Deutschlands

Es führt also kein Weg darum herum, die wirtschaftlich schwachen Euroländer auf der Angebotsseite zu stärken, um deren Leistungsbilanzen auszugleichen. Hierzu wäre vor allem die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder über ihre relativen Preise (im Verhältnis zu deutschen Export- und Importsubstitutionsgüterpreisen) wiederherzustellen. Ausgehend von der Hypothese, dass die bestehenden Leistungsbilanzdefizite der Krisenländer möglichst komplett abgebaut, aber nicht notwendigerweise in Überschüsse umgewandelt werden sollten (dies würde wiederum den bisherigen Überschussländern schaden), lassen sich die mit dem gewünschten Leistungsbilanzausgleich einhergehenden Wachstumseffekte für die Krisenländer relativ einfach schätzen. Der vollständige Abbau ihrer Defizite (in % des BIP) konstituiert einen positiven Nachfrageschub, der je nach Multiplikatoreffekt insbesondere in Frankreich und Griechenland signifikante Wachstumsimpulse auslösen könnte.

Abbildung 11
Potenzielles BIP-Wachstum nach Ausgleich ihrer Leistungsbilanz (2013)
Potenzielles BIP-Wachstum nach Ausgleich ihrer Leistungsbilanz (2013)

Quelle: eigene Berechnungen auf Basis der Datenquellen von S. Gechert, A. Rannenberg: Are Fiscal Multipliers Regime-Dependent? A Meta Regression Analysis, IMK working paper, Nr. 139, 2014.

Unterstellt sei ein Exportmultiplikator in gleicher Höhe wie der oben verwendete Staatsausgabenmultiplikator, also ein Wert von 1,8, wie er von Gerchert und Rannenberg für konjunkturelle Schwächephasen ermittelt wurde. Ein Ausgleich der Leistungsbilanzdefizite gegenüber Deutschland könnte diesen beiden Ländern so Wachstumsimpulse von 2,8 % (Frankreich) bzw. 3,3 % (Griechenland) ihres BIP verschaffen. In Spanien und Portugal läge der Wachstumsschub immerhin auch noch bei über 2 % (vgl. Abbildung 11).

Wenn auch Überschussländer wie Deutschland nachfrageseitig zum Abbau dieser Defizite wenig beitragen können, ist es möglicherweise sinnvoll, dies angebotsseitig zu tun. Der Internationale Währungsfonds (IWF) gibt hierzu die Empfehlung, dass wirtschaftlich erfolgreiche Euromitgliedsländer wie insbesondere Deutschland ihre Wettbewerbsfähigkeit über stärkere Lohn- und Preissteigerungen an die schwachen Länder abgeben sollten. Laut IWF müssten einige Länder des Euroraums hierzu eine Inflationsrate von deutlich über 2 % anstreben.27 Diese Meinung wird auch von einigen deutschen Ökonomen wie Peter Bofinger geteilt. Er führt die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands gegenüber den Krisenländern der Eurozone insbesondere auch auf die relativ hohe Lohnabstinenz Deutschlands seit Ende der 1990er Jahre zurück, die Deutschland einen internationalen Wettbewerbsvorteil verschafft habe.28 Im Rückschluss lässt sich argumentieren, dass man die Lösung des Problems nicht allein den Krisenländern zumuten darf, auch eine Revision der deutschen Lohnpolitik wäre nötig, um diese Wettbewerbslücke zu schließen. Diese Maßnahme wurde vom Institut für Weltwirtschaft, Kiel, ebenfalls untersucht. Sie kam auch in diesem Falle zu relativ unbefriedigenden Ergebnissen: Eine Erhöhung der Nominallöhne in Deutschland um 2 % (ab 2018) würde den deutschen Leistungsbilanzüberschuss nicht ab-, sondern sogar weiter aufbauen, allerdings nur geringfügig (0,2 Prozentpunkte des BIP), weil die Lohnstückkosten Deutschlands steigen, seine Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt und diese Entwicklung mit einer höheren Arbeitslosigkeit und sinkenden Investitionen einhergehen würde. Letzeres senkt das Importvolumen und schädigt somit sogar die europäischen Handelspartner.29

Es gibt andere Argumente gegen deutsche Lohnerhöhungen. Diese mögen zwar die relativen Preise der schwachen Euroländer gegenüber Deutschland stärken. Ein positiver Wachstumsimpuls für diese Länder lässt sich hieraus aber nur ableiten, wenn keine anderen Handelspartner in die gegenüber Deutschland geschlossene Wettbewerbslücke eindringen. Und hier zeigt sich eines der wesentlichen Probleme dieses Arguments: Die Rückgewinnung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland würde den Krisenländern nur dann nützen, wenn sie gegenüber allen anderen europäischen und außereuropäischen potenziellen Lieferländern hinreichend konkurrenzfähig wären. Dies dürfte aber bei den wenigsten der von Deutschland bezogenen Importprodukte der Fall sein. Sie können ihre Wettbewerbsfähigkeit also nur dadurch steigern, dass sie selbst ihre Preise senken und damit ihre relativen Preise gegenüber der gesamten ausländischen Importkonkurrenz verbessern. Ihre Wettbewerbsnachteile dadurch zu lindern, dass Deutschland inflationiert, erscheint vor diesem Hintergrund ein wenig plausibles Konzept zu sein.

Solchen spekulativen Wettbewerbseffekten deutscher Preissteigerungen stehen darüber hinaus kompensierende Nebenwirkungen gegenüber. Deutschland würde durch eine solche Lohn- und Preispolitik nicht nur gegenüber den Euroländern, sondern auch gegenüber seinen außereuropäischen Handelspartnern entsprechende Wettbewerbsvorteile verlieren. In dem Maße, in dem sich dieser für die deutsche Exportindustrie nachteilige Effekt negativ auf die heimische Kaufkraft auswirkt, wäre mit einer Reduzierung, gegebenenfalls sogar einer Überkompensierung der für unsere Nachbarländer zu erwartenden positiven Effekte zu rechnen.30 Es muss im Gegenteil davon ausgegangen werden, dass die europäischen Handelspartner Deutschlands sogar von einer Stärkung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit profitieren, da die deutschen Ausfuhren zu rund einem Viertel aus importierten Vorleistungen dieser Handelspartner bestehen. Deutschlands Wettbewerbsstärke wirkt sich für sie wie ein Katalysator für den eigenen Exportabsatz aus. So war auch die von Wolfgang Schäuble geäußerte These „Die Schwächung der Starken macht keinen Sinn“ zu verstehen.31

Es bleibt also festzuhalten, dass weder eine Aufgabe der deutschen fiskalpolitischen Austerität noch eine Forcierung der deutschen Lohn- und Preisentwicklung unseren schwächelnden Partnerländern der Eurozone helfen würden. Während eine Aufgabe der Austeritätspolitik keine signifikanten Wirkungen auf der Nachfrageseite erzeugen kann, würde auf der Angebotsseite eine maßgebliche Lohnkostensteigerung zwar die relative Wettbewerbssituation Deutschlands schwächen, dies würde sich aber aller Voraussicht nach sogar negativ auf die Wirtschaftslage unserer Nachbarländer auswirken. Es führt in den Krisenländern also kein Weg an der Forcierung der eigenen Reformpolitik vorbei.

  • 1 Vgl. den Kommentar von C. Hefeker: Widersprüchliche Empfehlungen, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 5, S. 312 f.
  • 2 IMF policy Paper – 2017, External Sector Paper, S. 22.
  • 3 W. Schäuble: Die Schwächung der Starken macht keinen Sinn, Wirtschaftswoche vom 28.4.2017, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Interviews/2017/2017-04-28-wirtschaftswoche.html (13.3.2018).
  • 4 Vgl. T. Niechoj et al.: German labour costs: A source of instability in the euro area, IMK Report, Nr. 68e, Dezember 2011.
  • 5 Datenquelle: Eurostat 2017.
  • 6 Vgl. H. Reimers: Targetsalden: Viel mehr als nur ein Haftungsrisiko, in: Wirtschaftsdienst, 94. Jg. (2014), H. 2, S. 134 ff., https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2014/2/targetsalden-viel-mehr-als-nur-ein-haftungsrisiko/ (13.3.2018).
  • 7 Datenquelle: Ameco Datenbank 2012, Eurostat 2012/2017, eigene Berechnungen.
  • 8 Deutsche Bundesbank: Der Einfluss alternativer Indikatoren der preislichen Wettbewerbsfähigkeit auf den realen Güterexport, Monatsbericht Januar 2016, S. 16 f.
  • 9 Vgl. hierzu auch A. Kotios: Griechenland: Wahre Ursachen der Krise, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 6, S. 380, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/6/griechenland-wahre-ursachen-der-krise/ (13.3.2018).
  • 10 Vgl. T. Jost, S. Reitz: 25 Jahre Maastrichter Verträge – reale Divergenzen und institutionelle Reformen, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 2, S. 126.
  • 11 Vgl. hierzu auch L. P. Feld, C. M. Schmidt, I. Schnabel, V. Wieland: Die Balance zwischen Eigenverantwortung und gemeinschaftlichem Handeln für ein starkes Europa, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 7, S. 477 ff., https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/7/die-balance-zwischen-eigenverantwortung-und-gemeinschaftlichem-handeln-fuer-ein-starkes-europa/ (13.3.2018).
  • 12 T. Jost, S. Reitz, a. a. O., S. 127.
  • 13 M. Kirchner, J. Cimadomo, S. Hauptmeier: Transmission of Government Spending Shocks in the Euro Area – Time Variation and Driving Forces, ECB Working Paper Series, Nr. 1219, Juli 2010.
  • 14 Vgl. G. Horn, S. Gerchert, C. Paetz: Konjunkturpakete versus Austeritätspolitik, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), Sonderheft, S. 9 ff., https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/13/konjunkturpakete-versus-austeritaetspolitik/ (13.3.2018).
  • 15 S. Gechert, A. Rannenberg: Are Fiscal Multipliers Regime-Dependent? A Meta Regression Analysis, IMK working paper, Nr. 139, 2014.
  • 16 Vgl. ebenda, S. 17 f.
  • 17 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Auswirkungen höherer öffentlicher Investitionen in Deutschland auf die Wirtschaft des Euroraums, Monatsbericht, Nr. 7/2015, S. 14 ff.
  • 18 IMF Policy Paper – 2017 External Sector Paper, S. 31 ff.
  • 19 Einen guten Überblick über solche Untersuchungen gibt C. Priesmeier: Lässt sich der deutsche Leistungsbilanzüberschuss mit vertretbarem Aufwand reduzieren?, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 9, S. 637 ff.
  • 20 B. Alm, S. Weins: Der Deutsche Leistungsbilanzüberschuss, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 12, S. 855, https://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2017/12/der-deutsche-leistungsbilanzueberschuss/ (13.3.2018).
  • 21 J. Boysen-Hogrefe et al.: Wirtschafts-, Finanz-, und Geldpolitik: Wirkungen auf die deutsche Leistungsbilanz, in: Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, IfW, November 2017.
  • 22 EU-Kommission.
  • 23 IMF: Germany – Article IV Consultations, Mai 2017.
  • 24 M. Hüther: IWF-Kritik – Suche nach einer Geschichte, in: Wirtschaftsdienst, 97. Jg. (2017), H. 6, S. 380 f.; L. P. Feld et al., a. a. O., S. 479.
  • 25 C. Priesmeier, a. a. O., S. 642 f.
  • 26 W. Schäuble, a.a.O.
  • 27 IMF: Germany – 2017 Article IV consultation, in: IMF country report, Nr. 17/192, S. 9 f.
  • 28 P. Bofinger: German wage moderation and the EZ crisis, veröffentlicht auf VoxEU.org, November 2015.
  • 29 J. Boysen-Hogrefe et al., a. a. O., S. 16 f.
  • 30 Hinzu kommt der Aspekt der Kosten einer solchen Politik für die Sparer der stärker inflationierenden Euroländer. Bei weiterhin expansiver Geldpolitik im Euroraum würden solche Inflationsraten über negative Realzinsen die Substanz der Geldvermögen insbesondere der Kleinsparer reduzieren. Auf diesen Effekt wird in diesem Artikel nicht weiter eingegangen.
  • 31 Vgl. W. Schäuble, a. a. O.

Title:Germany’s Options to Help Its Weaker Partners in the Eurozone

Abstract:The economic situation of the eurozone has recently improved. Nevertheless, growth and employment figures of important member countries such as Italy, Spain and France demonstrate clearly that the crisis is not yet over. The weaker economies’ request for support from their stronger neighbours, particularly Germany, is a constant element of political debate. Germany refuses to go along with demand-side-oriented investment programmes that are meant to produce positive spillover effects for its neighbour countries. Instead, the German government sticks to its austerity policy, claiming that the source of the eurozone’s prolonged economic vulnerability can be found on the supply side, weakening those economies’ international competitiveness. Relying on economic data analysis rather than politically motivated arguments, this paper focuses on the economic facts behind these two conflicting lines of argumentation.

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DOI: 10.1007/s10273-018-2263-1

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