Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Durch das Securities Market Programme (SMP) des Eurosystems von 2010 bis 2012 haben alle gewonnen: Das Eurosystem, da durch das SMP die Fragmentierung der Anleihenmärkte des Euroraums verringert und die Transmission der Geldpolitik verbessert werden konnte. Alle Euroländer, da sie Zusatzgewinne ihrer Notenbanken erhielten. Das Marktversagen auf den Finanzmärkten wurde teilweise korrigiert. Die vergangenen und zukünftigen SMP-Gewinne könnten für eine Fiskalkapazität des Euroraums verwendet werden.

Die jüngste Finanzkrise, die zur großen Rezession mit dem schwersten wirtschaftlichen Einbruch seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren führte, nahm ihren Ausgang 2007 im Platzen einer Immobilienblase in den USA. Auch in anderen Ländern wie Island, Spanien, Irland und Großbritannien führten Boom-Bust-Zyklen bei den Wohnungspreisen zu Finanzkrisen, insbesondere zu Bankenkrisen und durch die hohen Kosten dieser Krisen in einigen Ländern auch zu Staatschuldenkrisen.

Der vor der Krise vorherrschende neoliberale ökonomische Mainstream hatte Warnungen, dass liberalisierte Finanzmärkte instabil seien, weitgehend ignoriert. Es wurden im Gegenteil der Finanzsektor und der Kapitalverkehr weitgehend liberalisiert, da die Mehrheit an die Effizienzmarkttheorie glaubte. Dies führte, da Märkte zum Überschießen in beide Richtungen neigen, zu massiven prozyklischen Auswirkungen und verstärkte die Krise. Es wurde auch unterschätzt, dass die Kapitalverkehrsliberalisierung die Verwundbarkeit von Ländern für Finanz-, insbesondere Banken- und Währungskrisen drastisch erhöhte. Kritische Ökonomen wie Keynes und Minsky, deren Theorien auf die Instabilität des Finanzsektors hinweisen, wurden ignoriert. Hyman Minsky betonte in seinen Werken die zyklische Natur des Kapitalismus und er stellte auch fest, dass schon Keynes, in der General Theory, dies als systemische Eigenschaft des Kapitalismus erkannte: „The General Theory is thus consistent with the wide spread view in the early 1930s: that what had gone wrong had its roots in the imperfections of the monetary-financial system. The greatness of the General Theory was that Keynes visualized these as systemic rather than accidental or perhaps incidental attributes of capitalism.“1

Das von Keynes wesentlich mitgeschaffene Bretton-Woods-System, das als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre 1945 geschaffen wurde, zeichnete sich durch stark regulierte Finanzmärkte aus. Bis zu seinem Zusammenbruch 1971 gab es daher kaum Finanzkrisen. Erst im Zuge der danach betriebenen Deregulierung der Finanzmärkte kam es weltweit wieder verstärkt zu Finanzkrisen. Der Internationaler Währungsfonds (IWF) hat festgestellt, dass es von 1970 bis 2011 218 Währungskrisen, 147 Bankenkrisen und 66 Staatsschuldenkrisen gab.2 Diese Krisen verursachten hohe wirtschaftliche Kosten. Die schwersten wirtschaftlichen Verluste entstanden dabei durch Bankenkrisen in den Industrieländern, die von 1970 bis 2011 über alle Länder im Durchschnitt Wachstumsverluste von 32,9 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und einen Anstieg der Staatschulden um 21,4 % des BIP brachten. Die direkten budgetären Kosten für die Bankenrettung waren mit 3,8 % des BIP im Durchschnitt der Länder dagegen relativ gering – dies nicht nur in Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern auch in Europa in den 1990er Jahren – in Schweden, Finnland, Norwegen und Spanien aufgrund der Währungskrisen des Europäischen Währungssystems (EWS) von 1992 bis 1995.

Auch Reinhart und Rogoff stellten in ihrem Überblicks-Papier zu Finanzkrisen fest, dass liberalisierter Kapitalverkehr mit hoher Kapitalmobilität zu einer Zunahme der Bankenkrisen führt.3 Im Gegensatz zur konventionellen Ansicht, dass Ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) stabile Kapitalflüsse darstellen, kam eine Expertengruppe der Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD nach der Asien-Krise zu folgendem Schluss: FDI können genauso volatil sein wie andere Formen von Kapitalflüssen und schützen ein Land nicht vor plötzlichen Stops und Kapitalabflüssen.4 Schon 2003 war die Problematik liberalisierter Kapitalmärkte bekannt.5 Die erfolgreiche Krisenbewältigung in der Schweiz und in Österreich basierte darauf, durch wirtschaftspolitische Aktionen das Marktversagen zu korrigieren. Meiner Auffassung nach hätte die Schweizer Notenbank das Securities Market Programme (SMP) des Eurosystems kopieren und Anleihen der Krisenländer kaufen sollen.6

SMP korrigiert Marktversagen auf Finanzmärkten

Die von Anhängern der Effizienzmarkttheorie gehegten Erwartungen, dass die Finanzmärkte in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) eine disziplinierende Rolle für die Staatsfinanzen erfüllen werden, haben sich nicht bewahrheitet. Die Finanzmärkte zeigten das ihnen inhärente Problem des Überschießens. Vor der Krise wurden zu geringe Zinsspreads auf Staatsanleihen der Euroländer verlangt, z. B. betrugen die Spreads zwischen Deutschland und Griechenland zeitweise nur rund 10 Basispunkte, womit sich Griechenland praktisch gleich günstig wie Deutschland verschulden konnte und dies auch tat. Im Zuge der Krise explodierten die Spreads dann geradezu und stiegen im Falle Griechenlands auf über 3000 Basispunkte, womit die Finanzierung des Landes über die Finanzmärkte nicht mehr möglich war.

Im Oktober 2010 lösten in Deauville Merkel und Sarkozy mit der Entscheidung für einen Schuldenschnitt (Haircut) für griechische Staatsanleihen Ansteckungseffekte in den meisten Euroländern aus. In einem Discussion Paper der EU-Kommission wird dies heftig kritisiert, „the October 2010 Franco-German agreement that deliberately injected credit risk in government bonds of most euro area member states.“7 Dies führte, als die EZB sich zurückhaltend zeigte und nicht als Backstop agieren wollte, dazu, dass die Risiken für Staatsanleihen von Euroländern im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlichen Fundamentaldaten stark überschätzt wurden „Deauville resulted in a severe overstatement of the risk embedded in euro area sovereigns perceived to be weak, compared to advanced economies with similar fundamentals outside the euro area.“8

Es kam dadurch zu Ansteckungseffekten auf andere Euroländer, womit auch deren Zinsen stark stiegen. Insbesondere in Spanien, Portugal, Irland, Italien und später Zypern verschärfte dies Boom-Bust-Zyklen bei den Wohnungspreisen und das Platzen der Immobilienblase, wodurch es auch in diesen Ländern zu Finanzkrisen, insbesondere Bankenkrisen und bedingt durch deren hohe Kosten in einigen Ländern auch zu Staatsschuldenkrisen kam. Diese Interaktion verstärkte sich über eine Rückkoppelungsschleife. Die Mitgliedschaft im Euroraum schützt nur vor Währungskrisen, wie den Krisen des Europäischen Währungssystems in den 1990er Jahren, nicht vor Banken- und Staatsschuldenkrisen.

Im Frühjahr 2010 kam es an einigen Staatsanleihemärkten des Euroraums zu starken Spannungen, insbesondere in Griechenland, aber auch in Spanien, Portugal, Irland und Italien. Die Renditeabstände zehnjähriger Staatsanleihen dieser Euroländer gegenüber deutschen Anleihen weiteten sich sehr rasch aus. Am 6. und 7. Mai 2010 erreichten die Spreads das höchste je in der EWWU verzeichnete Niveau. Die Regierungen des Euroraums beschlossen am 9. Mai 2010 ein Maßnahmenpaket, das auch die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) umfasste. Das Eurosystem gab am 10. Mai 2010 die Einführung des SMP bekannt.9 Im Rahmen dieses Programms kann das Eurosystem an den Märkten für öffentliche und private Schuldverschreibungen im Euroraum intervenieren, um die Liquidität in gestörten Marktsegmenten zu gewährleisten und die Funktionsfähigkeit des geldpolitischen Transmissionsmechanismus wiederherzustellen.

Weil die längerfristigen Zinsen aufgrund der Störungen auf den Anleihemärkten stark anstiegen, waren die Kurse auf diesen Märkten deutlich gesunken, sodass der Finanz- und der Nichtfinanzsektor erhebliche Portfolioverluste zu verzeichnen hatte. Für die Banken reduzierte sich dadurch ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe an die Wirtschaft (Bilanzkanal). Bei ausgesprochen niedriger Liquidität an den Staatsanleihemärkten werden diese auch zur Besicherung von Refinanzierungsgeschäften nur eingeschränkt verwendet, was die Kreditvergabe der Banken beeinträchtigt (Liquiditätskanal).

Durch die Intervention an den Anleihemärkten sollte die Transmission der Geldpolitik auf die Realwirtschaft im Euroraum wiederhergestellt werden. Den Staatsanleihemärkten kommt bei der geldpolitischen Transmission eine zentrale Funktion zu. Die Zinssätze von Staatsanleihen bestimmen maßgeblich mit, wie hoch die Zinsen für die Emission von Anleihen finanzieller und nichtfinanzieller Unternehmen sind (Preiskanal). Sind die Anleihemärkte gravierend gestört, werden die Änderungen der kurzfristigen Zinsen durch die Zentralbank nur in ungenügendem Maße an die für private Haushalte und Unternehmen wichtigen langfristigen Zinsen weitergegeben.

Das Eurosystem kaufte, bedingt durch das Verbot der Staatsfinanzierung im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), Staatsanleihen ausschließlich auf dem Sekundärmarkt, während private Anleihen auch auf dem Primärmarkt erworben wurden. Die Zinsen auf den Anleihemärkten in Griechenland, Irland, Portugal, Italien und Spanien wurden gedämpft, weil das Eurosystem regelmäßig, aber mengenmäßig begrenzt, Anleihen im Rahmen des SMP kaufte. Die Länder erzielten dadurch eine bessere Wirtschaftsperformance als ohne SMP und ersparten sich hohe Zinsaufwendungen für Investitionen in der Wirtschaft, aber auch für die Staatsschulden. Die Fragmentierung der Anleihemärkte des Euroraumes wurde damit gegenüber einer Entwicklung ohne SMP verringert und die Transmission der Geldpolitik verbessert. Das SMP hat entsprechend zu einer besseren Transmission der expansiven Geldpolitik des Eurosystems und zu einer Reduktion von Ansteckungseffekten beigetragen.10

Eine Studie der EZB kommt zu dem Ergebnis, dass das SMP erfolgreich war und temporär die Zinsen in den SMP-Ländern gesenkt und auch ihre Volatilität verringert hat.11 Eine andere Studie zeigt ebenfalls positive Effekte der SMP-Interventionen.12 Ende 2010 hatte das Eurosystem an den Anleihemärkten Interventionen in Höhe von 73,5 Mrd. Euro durchgeführt und am Geldmarkt Liquidität im selben Umfang abgeschöpft. Ende 2012 belief sich der Wert der Anleihen auf 218 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 1). Um die Liquidität durch das SMP nicht zu erhöhen und es damit inflationsneutral zu gestalten, wurden die Ankäufe durch wöchentliche liquiditätsabsorbierende Operationen kompensiert. Damit wurden die Ankäufe sterilisiert und die Geldpolitik nicht expansiver.

Tabelle 1
Im Rahmen des SMP erworbene Anleihen
zum 31.12.2012
Land Betrag (in Mrd. Euro) Buchwert1 (in Mrd. Euro) Durchschnittliche verbleibende Restlaufzeit (in Jahren)
Irland 14,2 13,6 4,6
Portugal 22,8 21,6 3,9
Griechenland 33,9 30,8 3,6
Spanien 44,3 43,7 4,1
Italien 102,8 99,0 4,5
Insgesamt 218,0 208,7 4,3

1 Die SMP-Anleihen werden als bis zur Fälligkeit gehaltene Assets klassifiziert und entsprechend zu amortisierten Kosten bewertet.

Quelle: European Central Bank: Details on securities holdings acquired under the Securities Markets Programme, Press Release, 21.2.2013.

Die Einführung der Outright Monetary Transactions (OMT) am 6. September 2012 führte zum Ende des SMP und am 5. Juni 2014 beendete das Eurosystem die Liquiditäts-absorbierenden Operationen für den Bestand an SMP-Anleihen, wodurch die Geldpolitik expansiver wurde. Die Nationalen Zentralbanken (NZB) im Eurosystem kauften im SMP von 2010 bis 2012 Anleihen nach ihrem Anteil am Kapital der EZB, und die EZB selbst erwarb einen Anteil von 8 %. Da diese Anleihen zu günstigen Kursen und mit hohen Zinskupons erworben wurden und diese pünktlich bezahlt und die Anleihen auch regelmäßig getilgt wurden, kam und kommt es zu hohen Gewinnen für das Eurosystem. Da die Anleihen im SMP-Portfolio bis zur Fälligkeit gehalten werden und meist zu Kursen von weit unter 100 gekauft und im Allgemeinen zu 100 getilgt werden, erzielt das Eurosystem neben Zinsgewinnen auch Kursgewinne.

Zusätzlich sind die Zinserträge hoch, da auf die Anleihen sehr hohe Zinsen gezahlt werden. Bereits 2011 und seither regelmäßig überstiegen die SMP-Nettozinserträge der EZB mit 1 Mrd. Euro ihre Zinserträge aus dem Banknotenumlauf von 0,86 Mrd. Euro. Im Jahr 2015 betrugen die SMP-Nettozinsertrage der EZB mit 609 Mio. Euro weit über das Zehnfache der Zinserträge aus dem Banknotenumlauf von 42 Mio. Euro (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2
Erträge der EZB aus dem SMP
  2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Nettozinsertrag (in Mio. Euro) 438 1003 1108 962 728 609 520

Quelle: ECB: Press releases, Financial Statements, 2010-2016.

Von 2010 bis 2016 betrugen die Erträge der EZB aus dem SMP 5,3 Mrd. Euro, bei einem Anteil von 8 % am SMP. Dadurch wurden die Gewinne der EZB erhöht. Da diese an die Nationalen Zentralbanken im Eurosystem nach ihrem Anteil am Kapital der EZB ausgeschüttet werden, erhöhten diese zusätzlich zu den eigenen Erträgen aus dem SMP noch die Erträge der NZB. Vorsichtig gerechnet hat daher das SMP die Erträge der NZB im Eurosystem von 2010 bis 2016 um insgesamt weit über 60 Mrd. Euro erhöht. Da die Nationalen Zentralbanken ihre Gewinne überwiegend in ihre jeweiligen Finanzministerien ausschütten, haben auch diese entsprechend profitiert.

Nicht die gesamten SMP-Erträge sind allerdings in die jeweiligen nationalen Budgets geflossen, es gab eine von der Eurogruppe der Finanzminister beschlossene Sonderregelung für Griechenland. Die SMP-Erträge aus griechischen Anleihen wurden seit 2013 von den jeweiligen Finanzministerien an Griechenland weitergeleitet, um die schwache griechische Volkswirtschaft zu unterstützen und die Schuldentragfähigkeit Griechenlands zu gewährleisten. Im Falle Österreichs sind dies Gewinne der Österreichischen Nationalbank aus dem SMP aus griechischen Anleihen von insgesamt 281 Mio. Euro.13 Nachdem griechische Anleihen nur knapp ein Sechstel der SMP-Anleihen ausmachen, verbleibt jedoch der Großteil des SMP-Gewinns in Österreich bzw. in den anderen Staaten des Euroraums. Ende 2016 besaß das Eurosystem noch SMP-Anleihen im Buchwert von 102 Mrd. Euro, was eine Halbierung der Bestände seit Ende 2012 bedeutet. Daher ist auch 2017 und in den Folgejahren noch mit substanziellen aber abnehmenden Erträgen aus dem SMP zu rechnen.

Zusammenfassend kann das SMP als ein Win-Win-Programm für den Euroraum bezeichnet werden, von dem alle profitiert haben. Dies steht klar im Gegensatz zu der insbesondere in Deutschland, aber auch in Österreich oft gehörten Behauptung, dass Deutschland und Österreich durch die Eurorettung besonders belastet würden. Dies wurde auch durch – letztlich aber erfolglose – Klagen vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und dem Europäischen Gerichtshof unterstützt. Im Gegenteil ist Deutschland der größte Profiteur des SMP und hat damit bisher Milliarden Euro gewonnen, aber auch Österreich hat damit hohe Erträge erzielt.

Fiskalkapazität des Euroraums

Die vergangenen und zukünftigen SMP-Gewinne der Euroländer könnten den Grundstock für eine derzeit intensiv diskutierte Fiskalkapazität des Euroraums darstellen. Dies wären die bisherigen Gewinne, abzüglich der für Griechenland bestimmten Beträge.14 Die gesamten Erträge der NZB aus griechischen Staatsanleihen von 2012 bis 2016 werden mit insgesamt 7 838 Mio. Euro beziffert. Die Fiskalkapazität könnte vorerst einmal mit 50 Mrd. Euro (Beitrag der Euroländer nach Kapitalschlüssel) dotiert werden und in den nächsten Jahren um die Gewinne aus dem SMP aufgestockt werden. Diese Mittel wären, wie das SMP, zur Korrektur von Marktversagen auf den Finanzmärkten und zur Vermeidung von überschießenden Spreads der Euroländer zu verwenden. Wie ein Working Paper des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung WIFO zeigt war die schwache rechtliche und institutionelle Basis im Euroraum der Hauptgrund für das schwächere Wachstum verglichen mit den USA. „We identify the pivotal reason of euro areas growth lagging behind the USA in the different experiences in the crises management.“15

Die Fiskalkapazität würde die Krisenmanagementfähigkeit des Euroraums signifikant stärken und den ESM ergänzen. Der IWF hat in einer Staff Discussion Note für eine zentrale Euroraum-Fiskalkapazität argumentiert, dass diese es erleichtern würde, sowohl länderspezifische als auch gemeinsame Schocks zu bewältigen.16 Die Fiskalkapazität des Euroraums sollte analog zum SMP durch Ankauf von Staatsanleihen von Euroländern, die hohe Zinsen zahlen müssen, bzw. durch die Ausgabe von Credit Default Swaps für diese Euroländer vor spekulativen Attacken schützen. Dem Marktversagen auf den Finanzmärkten mit Runs auf Staatsanleihen würde damit entgegengewirkt. Die Wirksamkeit der Geldpolitik des Eurosystems würde verstärkt.

In tiefen Rezessionen sollte die Fiskalkapazität des Euroraums auch für die makroökonomische Stabilisierung verwendet werden, wenn der Spielraum der nationalen Fiskalpolitik erschöpft ist. Dies sind keine Zuschüsse, sondern Darlehen mit relativ niedrigen Zinsen. Um Moral Hazard zu vermeiden, dürften diese Euroländer auch keine zu hohen Budgetdefizite ausweisen (sie dürfen sich nicht in der Excessive Deficit Procedure der EU befinden). Diese Euroländer könnten die Vorteile der Fiskalkapazität des Euroraums also nur nutzen, wenn sie die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Fiskal-Bedingungen einhalten. Dies würde den Stabilitäts- und Wachstumspakt wesentlich effektiver machen, da bei seiner Nichteinhaltung die Vorteile aus der Fiskalkapazität entfallen würden.

Die jüngste Entwicklung in Italien mit einer EU-kritischen populistischen Regierung 5 Sterne/Lega, welche die EU-Fiskalregeln ablehnt, zeigt, wie wichtig eine derart ausgestaltete Fiskalkapazität wäre. Von den Finanzmärkten wurde ja nicht allein Italien mit höheren Zinsspreads abgestraft, sondern auch die gesamt Euroraum-Peripherie, insbesondere Portugal, Spanien, Griechenland, die ja die EU-Fiskalregeln einhalten. Diese könnten die Fiskalkapazität nutzen. Italien hätte jedoch keinen Zugang, wenn es EU-Fiskalregeln nicht einhält.

SMP-Fonds

Die positiven Erfahrungen aus dem SMP sollten in Zukunft auch durch den Privatsektor genutzt werden. Beispielsweise könnte ein Exchange Traded Fund (ETF) als Smart Beta Fund (SMP-Fonds) gegründet werden und Staatsanleihen der Euroländer – Spanien, Portugal, Irland, Italien, bzw. auch Zypern und Slowenien, die derzeit höhere Spreads aufweisen – ankaufen. Griechenland könnte, wenn es sich weiter gut entwickelt, später aufgenommen werden. Die Anteile der Länder-Anleihen im SMP-Fonds würden dem Kapitalanteil im Kapitalschlüssel der EZB entsprechen. Der SMP-Fonds würde die Staatsanleihen der Länder nach ihrem Anteil im SMP-Fonds kaufen (vgl. Tabelle 3). Länder die sich nicht an die EU-Fiskalregeln halten, werden von Staatsanleihe-Käufen für den SMP-Fonds ausgeschlossen.

Tabelle 3
Länder-Anteile am SMP-Fonds
in %
  Kapitalschlüssel Anteil am SMP-Fonds
Central Bank of Cyprus (Zypern) 0,15 0,6
Banka Slovenije (Slovenien) 0,35 1,4
Central Bank of Ireland (Irland) 1,16 4,7
Banco de Portugal (Portugal) 1,74 7,1
Banco de Espana (Spanien) 8,84 36,0
Banca d‘Italia (Italien) 12,31 50,1
Gesamt 24,55 100,0

Quelle: EZB; eigene Berechnungen.

Gegenüber der individuellen Veranlagung in den Staatsanleihen dieser Länder gäbe es durch die Bündelung im SMP-Fonds einen Risikodiversifizierungsvorteil, sodass das Risiko geringer als beim Kauf einzelner Staatsanleihen wäre. Sollte sich der SMP-Fonds gut entwickeln und rasch wachsen, könnte es auch zu einem leichteren Handeln und eventuell zu einem Liquiditätsvorteil gegenüber einigen der Staatsanleihen kommen. Für Banken, die Anteile am SMP-Fonds erwerben, könnte gegen eine geringe Gebühr von einigen Basispunkten die Möglichkeit geschaffen werden, dass sie die Staatsanleihen als Kollateral verwenden.

Durch die Konstruktion als Smart Beta ETF hätte der SMP-Fonds niedrige Kosten. Ein über den Benchmark deutsche Staatsanleihen hinaus erzielter Gewinn des SMP-Fonds würde zu 80 % an die Investoren, zu 10 % an den SMP-Fonds und zu 10 % an die Berater, die den Kauf des SMP-Fonds empfohlen haben, verteilt. Dieser Schlüssel würde für Kursgewinne und Zinserträge gelten. Für Kursgewinne würde für die Berechnung des Benchmarks (deutsche Staatsanleihen) der Zeitraum zwischen Kauf und Verkauf gewertet werden, wobei für die Benchmark-Berechnung keine Negativzinsen verwendet würden, sondern Nullzinsen. Auch bei den Zinserträgen würde der Benchmark bei Negativzinsen bei null angesetzt. Die Zinserträge werden jährlich ausgeschüttet und ein Übergewinn im gleichen Verhältnis verteilt.

Damit käme es zu einer Angleichung der Interessen des Beraters, des Investors und des SMP-Fonds. Jetzt wird sehr oft ein Veranlagungsprodukt empfohlen, das dem Berater die höchste Provision bringt, die sehr oft unabhängig vom Ertrag des Investors ist. Anleger, insbesondere aus Niedrigzinsländern wie Deutschland, Österreich, und den Niederlanden, könnten damit, mit überschaubarem Risiko, wieder höhere Zinserträge erzielen – und dies, da die Euroländer durch die Verbesserung der Architektur des Euroraums wesentlich weniger gefährdet sind. In der Zwischenzeit wurde durch die Finanzierungsmechanismen im Euroraum – ESM, sowie durch die OMT – die Architektur des Euroraums wesentlich verstärkt. Zusätzlich werden durch die EU-Bankenunion die Ansteckungseffekte von Banken auf Staaten weitgehend eliminiert.

Der IWF hat in einem Working Paper im Juli 2017 ein Wiederaufleben der Vorteile der Mitgliedschaft im Euroraum festgestellt,17 nachdem auf dem Höhepunkt der Krise die Euro-Mitgliedschaft bei den US-dominierten Ratingagenturen sogar als Nachteil galt. 2017 haben Italien, Portugal und Griechenland ein besseres Rating erhalten. Der Euroraum hat 2017, vor allem durch die expansive Geldpolitik des Eurosystems, ein selbsttragendes Wachstum von mehr als 2 % mit sinkender Arbeitslosigkeit und sinkenden Staatsschuldenquoten erreicht. Und es wurde angekündigt, bis zumindest Ende September 2018 weiter Staatsanleihen der Euroländer anzukaufen.

Die verbesserte Architektur des Euroraums (ESM, OMT, Bankenunion) sorgt dafür, dass Zahlungsschwierigkeiten von Euroländern noch unwahrscheinlicher werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Euroländer, bis auf den Sonderfall Griechenland, auch in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren ihren Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sind – und dies trotz einer schlechteren Euroraum-Architektur als sie möglich wäre und wirtschaftspolitischer Fehler wie beispielsweise einer zu früh eingesetzten Austeritätspolitik.

Ein erfolgreicher SMP-Fonds könnte auch einen Beitrag zur Verwirklichung der von der EU angestrebten Kapitalmarkt­union leisten. Diese soll durch die bessere Integration der EU-Kapitalmärkte insbesondere die Finanzierung von Investitionen erleichtern und damit einen wichtigen Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung leisten. Der SMP-Fonds könnte durch eine verstärkte Kapitalmarktintegration mit mehr privater Risikoteilung zwischen Euroraumländern auch einen Beitrag zur besseren Bewältigung von asymmetrischen Schocks im Euroraum leisten.18 Damit könnte im Euroraum wie in den USA ein größerer Teil der asymmetrischen Schocks durch die Finanzmärkte aufgefangen werden und die Fiskalpolitik würde entlastet.

Der SMP-Fonds wäre eine Form der in den verschiedensten Varianten vorgeschlagenen Sovereign Bond-Backed Securities (SBBS). Zuletzt hat eine Arbeitsgruppe des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (European Systemic Risk Board ESRB) – High-Level Task Force on Safe Assets – in einem Bericht festgestellt, dass eine graduelle Entwicklung eines SBBS-Marktes möglich ist und regulatorisch unterstützt werden sollte. SBBS würden eine Diversifizierung und eine Risikoreduzierung der Staatsanleihen-Portfolios von Banken erlauben und damit auch Ansteckungs-Risiken verringern.19 Die EU-Kommission hat zuletzt einen SBBS-Vorschlag vorgelegt, der nun von Rat und Parlament behandelt werden muss. Es ist jedoch fraglich, ob hier Fortschritte erzielt werden können, da viele Mitgliedstaaten den Vorschlag ablehnen. Der SMP-Fonds könnte damit die EU-Kapitalmarktunion voranbringen und die Fiskalkapazität des Euroraums ergänzen.

* Der Artikel stellt die persönliche Meinung des Autors und nicht die der Österreichischen Nationalbank bzw. des Eurosystems dar.

  • 1 H. Minsky: John Maynard Keynes, New York 1975, S. 143.
  • 2 L. Laeven, F. Valencia: Systemic Banking Crises Database: An Update, IMF Working Paper, WP/12/163, 2012.
  • 3 „Periods of high international capital mobility have repeatedly produced international banking crises, not only famously as they did in the 1990s, but historically.“ Vgl. C. Reinhart, K. Rogoff: This Time is Different, New Jersey 2008.
  • 4 UNCTAD: Report of the expert meeting on the growth of domestic capital markets, particularly in developing countries, and its relationship with foreign portfolio investment, TD/B/COM.2/12, 1998.
  • 5 Neoliberale Reformen wie die Deregulierung des Finanzsektors oder die Liberalisierung des Kapitalverkehrs verbunden mit großen Kapitalzuflüssen verursachen Finanzkrisen: „Die Frage ist nicht ob, sondern wann die nächste Krise, der nächste Crash kommt und wie wir darauf vorbereitet sind.“ Vgl. F. Nauschnigg: Internationale Finanzarchitektur im Zeitalter der Globalisierung, in: M. Häupl (Hrsg.): Wirtschaft für die Menschen, Alternativen zum Neoliberalismus im Zeitalter der Globalisierung, Wien 2003. Die Probleme der Kapitalverkehrsliberalisierung wie ungleiche regionale und zeitliche Verteilung der Finanzströme, sowie Instabilitäten auf den Finanzmärkten, mit einem Anstieg der Zahl der Finanzkrisen wird ebenfalls betont. Vgl. F. Nauschnigg: Kapitalverkehrsliberalisierung, in: Globalisierung und Kapitalverkehr, in: Wirtschaftspolitische Blätter, Nr. 4/2003.
  • 6 F. Nauschnigg: Krisenbewältigung Schweiz und Österreich – Wirtschaftspolitische Aktionen korrigieren Marktversagen, FIW Policy Brief, Nr. 13, November 2011.
  • 7 A. Orphanides: The Fiscal-Monetary Policy Mix in the Euro Area: Challenges at the Zero Lower Bound, European Commission, Discussion Paper, Nr. 060/Juli 2017.
  • 8 Ebenda.
  • 9 Für Details vgl. Europäische Zentralbank: Entscheidung ECB/2010/5 vom 14.5.2010 zur Einrichtung des Securities Markets Programme.
  • 10 European Central Bank: The ECB‘s non-standard measures – impact and phasing-out; EZB Monatsbericht, Juli 2011.
  • 11 E. Ghysels, S. Manganelli, O. Vergote: A high frequency assessment of the ECB Securities Markets Programme; EZB Working Paper Series, Nr. 1642, Februar 2014.
  • 12 Insbesondere betonen die Autoren, „that the ECB’s bond purchases under the SMP have a stabilizing effect on the yields, while, moreover, they seem to weaken the negative yield spillovers between Germany and the distressed countries and the positive co-movement in yields among distressed countries. In particular, they exert a strong downward pressure on the positive co-movement in yields between Italy and Spain. Apparently, the ECB was effective in deploying the SMP to mitigate the crisis spillovers among the distressed countries and, related to this, to reduce the flight-to-safety from the distressed countries to Germany“. Vgl. R. Beetsma, F. de Jong, M. Giuliodori, D. Widijanto: The Impact of News and the SMP on Realized (Co) Variances in the Eurozone Sovereign Debt Market, ECB Working Paper Series, Nr. 1629, Januar 2014, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpwps/ecbwp1629.pdf?6dded64cf3fe8404002c7f324390d25a (1.6.2018).
  • 13 Bundesgesetzblatt Österreich: Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, BGBl Nr. 89/2013.
  • 14 Vgl. M. Draghi: Schreiben an MEP Chountis vom 10.10.2017, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.mepletter171010_Chountis.en.pdf?ca00752c61bdb4df6c227f4f3c62b98a (1.6.2018).
  • 15 F. Breuss: The United States-Euro Area Growth Gap Puzzle, WIFO Working Papers, Nr. 541/2017.
  • 16 International Monetary Fund: Filling a Gap in the Euro Area Architecture: A Central Fiscal Capacity for Macroeconomic Stabilization, Staff Discussion Note, SDN/18/03, 2018.
  • 17 J. Wiegand: The Re-Emerging Privilege of Euro Area Membership, IWF Working Paper, WP/17/162, Juli 2017.
  • 18 C. Alcidi, G. Thirion: Assessing the Euro Area´s Shock Absorption Capacity, CEPS Special Report, Nr. 146, September 2016.
  • 19 European Systemic Risk Board (ESRB): Sovereign bond-backed securities: a feasibility study, Januar 2018.

Title:The Securities Market Programme Benefits the Euro Area

Abstract:The Eurosystem’s Securities Market Programme (SMP,) the purchase of government bonds of euro area countries strongly affected by the crisis, started in 2010 and ended in 2012. The SMP benefited all parties concerned – the Eurosystem, all euro area countries and the crisis countries. The positive experience with the SMP can be replicated in the private sector with the creation of an exchange-traded fund (ETF), a Smart Beta ETF - SMP Fund. Like the SMP, the SMP Fund would buy government bonds, according to the ECB capital key. As an ETF, the SMP Fund would have low costs. Profits above the German Bund benchmark would be shared: 80% to investors, 10% to the SMP Fund and 10% to advisers who recommend the purchase. The related risks would be reduced by the diversification of the SMP Fund, the financing mechanisms of the euro area, especially the European Stability Mechanism (ESM), the Outright Monetary Transactions (OMT) and the banking union. The SMP Fund could support the euro area fiscal capacity and the EU capital markets union. Past and future SMP profits create a fiscal capacity for the euro area with an initial amount of 50 billion Euro.

Beitrag als PDF


DOI: 10.1007/s10273-018-2307-6

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.