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Wie hat sich der Anteil einkommensschwacher Personen in Deutschland entwickelt? Ihr Anteil hat zugenommen, aber auch ihr Einkommen. Abhängig von der sozialen Gruppe zeigen sich aber deutliche Unterschiede: Ostdeutsche sind eher einkommensschwach als Westdeutsche, das gleiche gilt für Personen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund. Unter Rentnern ist der Anteil der Einkommensschwachen gering, unter Erwerbslosen jedoch sehr hoch. Den Aufstieg aus dieser Gruppe haben im Vergleich der Jahre 2011 und 2016 weniger als die Hälfte der Erwachsenen geschafft.

Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der definitorischen Unklarheiten von Armut wird in der Armutsforschung fast nur noch der Begriff der Armutsgefährdung verwendet.1 In den Medien wird er häufig verkürzt aufgefasst und mit Armut gleichgesetzt. Der auf die EU zurückgehende Begriff der „Armutsgefährdung“ führt jedoch in die Irre. Denn wie kann die Gefährdung von Armut bestimmt werden, wenn Armut – in ihrer relativen Variante – selbst nicht klar definiert ist? Um diese Probleme zu umgehen, werden im Folgenden die Begriffe Einkommensschwäche und einkommensschwachen Personen verwendet. Um einen Maßstab zu haben, wird Einkommensschwäche genauso operationalisiert wie amtlicherseits Armutsgefährdung: Einkommensschwach sind demnach Personen, die in einem Haushalt leben, dessen bedarfsgewichtetes verfügbares Monatseinkommen2 geringer ist als 60 % des nationalen Medianeinkommens. Diese Operationalisierung ist nicht wissenschaftlich fundiert und somit willkürlich; das ist aber bei allen entsprechenden Abgrenzungen in der Armutsforschung genauso.

Für die Untersuchung wurden die Daten der Haushaltsumfragen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) herangezogen. Nutzbar sind allerdings lediglich die Erhebungswellen ab 2011, da für frühere Wellen derzeit nur unzulängliche Hochrechnungsrahmen zur Verfügung stehen (vgl. Kasten 1). Da es sich beim SOEP nicht um eine Zufallsstichprobe handelt, muss die Analyse auf eine deskriptive Statistik beschränkt bleiben. Derzeit liegen Angaben bis 2016 vor.

Kasten 1
Zur Erhebungseinheit des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)

Die Haushaltserhebungen im Rahmen des SOEP werden jährlich seit 1984 durchgeführt. Die Umfragen sind darauf ausgerichtet, immer wieder dieselben Personen bzw. Haushalte zu erfassen, um dadurch Daten zu gewinnen, die Längsschnittanalysen ermöglichen, also auf die Befragten bezogene Auswertungen über die Zeit. Im Laufe der Jahre scheiden manche Haushalte aus dem Befragtenkreis aus – etwa deshalb, weil sie kein Interesse mehr an der Teilnahme haben, sterben sowie unbekannt verziehen. Überdies wurde der Befragtenkreis mehrmals ausgeweitet. So wurde 1990 das Gebiet der DDR einbezogen. Zudem wurden hin und wieder spezielle Stichproben für bestimmte Personen- bzw. Haushaltsgruppen gezogen (beispielsweise für Asylbewerber oder für die Bezieher hoher Einkommen). All diese Ergänzungen und zusätzlichen Stichproben sind in dem üblicherweise verwendeten Basisdatensatz integriert.

Weil in den Datensätzen des SOEP einzelne Bevölkerungsgruppen zu wenig oder übermäßig vertreten sind, werden die einzelnen Fälle gewichtet. Dazu bedarf es Informationen über die Grundgesamtheit. Verwendet werden die Daten des Mikrozensus, bei dem es sich ebenfalls um eine Bevölkerungsumfrage handelt, die aber auf einer riesigen Stichprobe beruht (zuletzt: 830 000 Personen in 370 000 Haushalten). Die Stichprobe des Mikrozensus wird anhand der Melderegister der Einwohnerämter gezogen. Im Jahr 2011 wurde ein Zensus durchgeführt, der unter anderem ergab, dass die Daten in den Einwohnerregistern fehlerhaft waren. Bisher wurden die Einwohnerregister für die Zeit vor 2011 nicht rückwirkend revidiert und somit auch nicht die Daten des Mikrozensus nachträglich angepasst. Entsprechend ist auch der Hochrechnungsrahmen für die SOEP-Daten bei den Erhebungswellen für die Jahre vor 2011 verzerrt.

Abweichend vom ansonsten üblichen Vorgehen1 werden bei der hier vorgelegten Analyse keine Jahreseinkommen verwendet, sondern die Monatseinkommen. Im Rahmen des SOEP werden die Monatseinkommen für den Monat der Befragung erhoben, die Jahreseinkommen dagegen rückblickend – und zwar vom Zeitpunkt der Erhebung jeweils für das vorhergehende Jahr. So kann es sein, dass eine Person, die zum Befragungszeitpunkt nicht mehr einkommensschwach ist, wegen ihres Einkommens aus dem vergangenen Jahr aber trotzdem als einkommensschwach eingestuft wird. Mit der Verwendung der Monatseinkommen werden solche Verzerrungen vermieden; nur dadurch ist eine verlässliche Zuordnung der einkommensschwachen Befragten zu deren sozialen Merkmalen zum Zeitpunkt der Erhebung möglich. Diesem Vorteil steht jedoch das Manko gegenüber, dass in den Monatseinkommen manche Einkommensbestandteile, die nicht regelmäßig monatlich anfallen (wie Weihnachtsgeld oder Dividendenzahlungen), ausgeblendet werden. Stark ins Gewicht fällt dieses Problem aber nicht.

Als Alternativen zum SOEP bei einer Untersuchung der Einkommensschwäche in Deutschland bieten sich noch der Mikrozensus und die Haushaltbefragungen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) an. Hinsichtlich des Hochrechnungsrahmens für die Zeit vor 2011 sind diese beiden Quellen aber mit demselben Problem wie das SOEP behaftet. Der Vorteil des SOEP gegenüber den genannten Alternativen besteht in den differenzierten Einkommensangaben und darin, dass vergleichsweise aktuelle Daten für die Auswertung durch die Wissenschaft zur Verfügung stehen.

1 Vgl. unter anderem M. M. Grabka, J. Goebel: Realeinkommen sind von 1991 bis 2014 im Durchschnitt gestiegen – erste Anzeichen für wieder zunehmende Einkommensungleichheit, in: DIW Wochenbericht, 84. Jg. (2017), H. 4, S. 71-82.

Anteil der Einkommensschwachen steigt, aber auch deren Einkommen

Auf Basis der SOEP-Daten von 2016 lag das Einkommen pro Person, das 60 % des Medianeinkommens entspricht, bedarfsgewichtet bei 990 Euro netto im Monat (vgl. Abbildung 1). 2011 waren es nur etwas mehr als 857 Euro. Hätte ein Alleinstehender genau diese Beträge erreicht, hätte er nominal einen Einkommenszuwachs von 15,5 % und unter Berücksichtigung der Teuerung einen Zuwachs von knapp 10 % realisiert. Insofern ist die gemessene Einkommensschwäche mit steigenden Einkommen einhergegangen. Dies ist ein Spiegelbild der generellen Einkommensentwicklung, da die Einkommensschwelle sich lediglich an einem fixen Prozentsatz des Medianwerts aller Einkommen orientiert.

Abbildung 1
Anteil der Einkommensschwachen und deren bedarfsgewichtetes Netto-Monatseinkommen
Anteil der Einkommensschwachen und deren bedarfsgewichtetes Netto-Monatseinkommen

Quellen: Sozio-oekonomisches Panel (V33); Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen.

Die Schwelle für Einkommensschwäche ist als eine Obergrenze anzusehen; die tatsächlichen Einkünfte der Einkommensschwachen liegen in der Regel darunter. 2016 betrug der Mittelwert ihrer bedarfsgewichteten Netto-Monatseinkommen 745 Euro, der Medianwert belief sich auf 793 Euro. Dass der Mittelwert deutlich unter dem Median liegt, rührt daher, dass es einige Personen mit besonders niedrigen Einkommen gibt. Über die Zeit sind der Mittelwert und Median sowohl nominal als auch real deutlich gestiegen. Real gab es beim Mittel- wie beim Medianwert von 2011 bis 2016 einen Zuwachs um rund 9 %. Also auch in dieser Hinsicht gilt: Die Einkommen der Einkommensschwachen sind gestiegen.

Der Anteil der Einkommensschwachen an der Bevölkerung betrug in Deutschland 2016 ein Sechstel (vgl. Abbildung 2). Dabei ist der Anteil (oder die Quote der Einkommensschwachen) von 2013 bis 2015 gewachsen, während er in den Jahren zuvor etwas zurückgegangen war. Für 2016 war wiederum ein Rückgang zu verzeichnen, aber nur ein geringer. 2016 war der Anteil der Einkommensschwachen aber höher als 2011 – um 2 Prozentpunkte. In absoluten Zahlen gab es von 2011 bis 2016 einen Anstieg der Einkommensschwachen von 11,3 Mio. auf 13,4 Mio. Personen. Ob die Veränderung über die Zeit statistisch signifikant ist, lässt sich zwar nicht beurteilen, da im Falle der SOEP-Daten die einschlägigen Methoden der Inferenzstatistik wie Tests oder die Ermittlung von Konfidenzintervallen nicht anwendbar sind.

Abbildung 2
Quoten der Einkommensschwachen nach sozialen Gruppen
Quoten der Einkommensschwachen nach sozialen Gruppen

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel (V33); eigene Berechnungen.

Wäre die Schwelle der Einkommensschwäche indes real konstant geblieben, wären also die Einkommen in der Bevölkerung nur im Gleichschritt mit den Verbraucherpreisen gestiegen, dann hätte sich der Anteil der Einkommensschwachen an der Bevölkerung kaum verändert. Er wäre unter den Erwachsenen 2016 genauso groß wie 2011 ausgefallen. Die Zunahme bei der Zahl der Einkommensschwachen hängt also auch damit zusammen, dass das verfügbare Einkommen generell angezogen hat. Und auch bei real unveränderter Einkommensschwelle wären die Einkommensschwachen auf einen Anstieg ihrer Einkünfte gekommen.

Unterschiede zwischen Ost und West sowie hinsichtlich des Migrationsstatus

Die Quote der Einkommensschwachen variiert stark unter einzelnen sozialen Gruppen. Unter jenen, die keiner Berufstätigkeit nachgehen, ist sie viel höher als unter den Erwerbstätigen. Eine große Rolle spielt auch der Migrationsstatus. Bei Ausländern betrug die Quote der Einkommensschwachen 2016 reichlich ein Drittel – unter den Deutschen ist sie viel geringer, insbesondere unter jenen ohne Migrationshintergrund (ein Achtel). Starke Unterschiede zeigen sich auch zwischen den Personen in West- und Ostdeutschland. Im Osten ist bezogen auf den gesamtdeutschen Maßstab fast jeder Vierte einkommensschwach, im Westen lediglich jeder Siebte. Auffallend ist überdies, dass unter Kindern und Jugendlichen der Anteil der Einkommensschwachen höher als unter den Erwachsenen ist. Bei den Minderjährigen hat er zudem seit 2011 stetig und dabei besonders deutlich zugenommen.

Einkommensschwache Erwerbstätige: Zuwächse bei Migranten und Studenten

Wenngleich Erwerbstätige unter den Einkommensschwachen in unterdurchschnittlichem Maße vertreten sind, zählt jedoch immerhin jeder Zehnte dazu (vgl. Tabelle 1). Dabei ist zu differenzieren: Besonders viele Einkommensschwache (reichlich ein Viertel) befinden sich in einer Ausbildung; das sind solche, die als Schüler oder Studenten jobben oder die eine Lehre absolvieren. Fast ebenso hoch ist der Anteil unter jenen, die nicht in einer Ausbildung sind und lediglich einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Unter den übrigen Teilzeitbeschäftigten (ohne Personen in Ausbildung) ist der Anteil deutlich kleiner, und unter den Vollzeitkräften ist er mit nur 4 % gering. Abgesehen von diesen ist in den anderen Gruppen der Erwerbstätigen der Anteil der Einkommensschwachen in Ostdeutschland deutlich höher als in den alten Bundesländern.

Tabelle 1
Einkommensschwache Erwerbstätige
  Anteil der Einkommmens­schwachen
an der jeweiligen Gruppe in %
Anteil an allen einkommens­schwachen Erwachsenen in % 2016 Verän­derung der Zahl der Einkommens­schwachen in % von 2011 bis 2016 Beitrag zur Veränderung der
Zahl aller einkommens­schwachen Erwerbs­­tätigen in % von 2011 bis 2016
  2011 2016
  Wohnsitz in Westdeutschland
Vollzeit1 4 4 8 -6 -5
Teilzeit1 9 9 6 21 9
geringfügig beschäftigt1 18 21 6 13 6
Studenten, Auszubildende, Schüler 19 27 7 69 25
Erwerbstätige insgesamt 8 9 27 18 35
  Wohnsitz in Ostdeutschland
Vollzeit1 6 5 2 -9 -2
Teilzeit1 18 18 2 24 4
geringfügig beschäftigt1 46 50 2 13 2
Auszubildende, Schüler, Studenten 36 37 2 20 2
Erwerbstätige insgesamt 13 14 9 10 7
  kein Migrationshintergrund
Vollzeit1 4 3 6 -28 -20
Teilzeit1 10 9 5 2 1
geringfügig beschäftigt1 20 21 5 -4 -2
Auszubildende, Schüler, Studenten 21 27 6 42 15
Erwerbstätige insgesamt 8 8 22 -3 -6
  Deutsche mit Migrationshintergrund
Vollzeit1 4 6 2 109 9
Teilzeit1 12 12 1 52 3
geringfügig beschäftigt1 25 28 1 34 3
Auszubildende, Schüler, Studenten 21 26 2 72 6
Erwerbstätige insgesamt 10 12 6 65 21
  Ausländer
Vollzeit1 11 10 2 37 5
Teilzeit1 12 18 2 159 8
geringfügig beschäftigt1 28 38 2 65 7
Auszubildende, Schüler, Studenten 42 46 1 175 7
Erwerbstätige insgesamt 15 18 7 80 27
  insgesamt
Vollzeit1 5 4 10 -7 -6
Teilzeit1 10 11 8 21 13
geringfügig beschäftigt1 22 25 9 13 9
Auszubildende, Schüler, Studenten 22 28 9 57 27
Erwerbstätige insgesamt 9 10 35 16 42

1 Ohne Schüler und Studenten.

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel (V33).

Einkommensschwäche hängt mit der Lohnhöhe zusammen. So sind Arbeitnehmer, die nur einen Niedriglohn beziehen, häufiger von ihr betroffen als die übrigen abhängig Beschäftigten. Im Niedriglohnsektor zählt jeder fünfte Beschäftigte zu den Einkommensschwachen (vgl. Tabelle 2). Dieser Befund zeigt aber auch: Längst nicht jeder Arbeitnehmer mit einem niedrigen Lohn ist zugleich einkommensschwach, wie mitunter der Eindruck vermittelt wird.3 Es sind mithin auch andere Faktoren zu beachten. Zum einen spielt die Länge der Arbeitszeit eine Rolle: Unter den Vollzeitkräften im Niedriglohnsektor ist der Anteil der Einkommensschwachen viel geringer als unter den Teilzeitkräften und insbesondere als unter den geringfügig Beschäftigten. Besonders hoch ist er unter den jobbenden Schülern und Studenten; diese gehen in aller Regel ebenfalls keiner Vollzeitbeschäftigung nach. Zum anderen hat der Haushaltskontext einen Einfluss. So fällt auf, dass Vollzeitbeschäftigte im Niedriglohnsektor eher dann einkommensschwach sind, wenn ein größerer Haushalt zu versorgen ist. Bei den Beschäftigten im Niedriglohnsektor mit einer Teilzeit- oder einer geringfügigen Beschäftigung tritt dagegen kein entsprechender Zusammenhang zutage.

Tabelle 2
Arbeitnehmer1 im Niedriglohnsektor
  Anteil der Einkommens­schwachen in % durchschnittliche Zahl der Haushalts­mitglieder
Einkommens­schwache übrige Haushalte
Vollzeit2 12 3,4 2,3
Teilzeit2 20 2,7 2,9
Geringfügig beschäftigt2 29 2,5 2,7
Schüler, Studenten 39 2,0 2,7
Niedriglohn­beschäftigte insgesamt 21 2,7 2,6

1 Ohne Auszubildende, Praktikanten etc.

2 Ohne Schüler und Studenten.

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel (V33); eigene Berechnungen.

Groß sind die Unterschiede unter den Erwerbstätigen ebenfalls mit Blick auf den Migrationshintergrund. Besonders häufig sind erwerbstätige Ausländer einkommensschwach; wenig ist das bei Beschäftigten ohne Migrationshintergrund der Fall – dazwischen rangieren deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Auch innerhalb besagter Gruppen zeigen sich jeweils erhebliche Unterschiede zwischen Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten sowie zwischen Personen in einer Ausbildung und solchen, für die das nicht zutrifft.

In der Zeit von 2011 bis 2016 hat die Zahl der einkommensschwachen Erwerbstätigen – allerdings bei steigenden Einkommen – zugenommen. Dabei schlug besonders stark ein Anstieg bei den Erwerbstätigen in einer Ausbildung zu Buche. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Zahl der Studenten kräftig zugenommen hat4 und ein immer größerer Teil davon berufstätig ist.5 Auch die Zahl derjenigen Einkommensschwachen, die nicht in einer Ausbildung sind, und die eine Teilzeit- oder eine geringfügige Beschäftigung haben, hat sich erhöht. Das trifft aber nicht für Deutsche ohne Migrationshintergrund zu. Ähnliches zeigt sich mit Blick auf die Vollzeitbeschäftigten: Während unter den Personen mit Migrationshintergrund die Zahl der erwerbstätigen Einkommensschwachen gestiegen ist, ist sie bei denen ohne Migrationshintergrund gesunken – und zwar kräftig. Entsprechend ist auch im Osten die Zahl der einkommensschwachen Vollzeitbeschäftigten stärker als im Westen zurückgegangen, denn in den neuen Bundesländern leben relativ wenige Personen mit Migrationshintergrund. Insgesamt zeigt sich, dass unter den Erwerbstätigen ohne Migrationshintergrund allein die Zahl der Personen in einer Ausbildung gestiegen ist, bei den einkommensschwachen Migranten dagegen in allen Beschäftigtengruppen.

Einkommensschwache Erwachsene ohne Erwerbstätigkeit: Zuwächse allein bei Migranten

Die einkommensschwachen Erwachsenen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, setzen sich größtenteils aus Rentnern und Pensionären sowie aus Erwerbslosen zusammen (vgl. Tabelle 3). Ins Gewicht fallen überdies noch Studenten und Schüler. Das Ausmaß der Einkommensschwäche ist in diesen Gruppen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Besonders stark ist sie unter den Erwerbslosen verbreitet: Zwei Drittel von ihnen sind einkommensschwach. Bei den Schülern und Studenten trifft das auf ein Drittel zu, unter den Rentnern ist es hingegen nur bei jedem Zehnten der Fall. Unter den Beziehern von Altersruhegeldern liegt der Anteil an Einkommensschwachen also sogar unter dem gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt; von einer mitunter beklagten verbreiteten Altersarmut kann daher – jedenfalls bisher – nicht die Rede sein.

Tabelle 3
Einkommensschwache Erwachsene ohne eigene Erwerbstätigkeit
  Anteil der Einkommmens­schwachen
an der jeweiligen Gruppe in %
Anteil an allen einkommens­schwachen Erwachsenen in % 2016 Veränderung der Zahl der Einkommens­schwachen in % von 2011 bis 2016 Beitrag zur Veränderung der
Zahl aller einkommens­schwachen Erwachsenen in % von 2011 bis 2016
  2011 2016
  Wohnsitz in Westdeutschland
Rentner, Pensionäre 13 14 19 1 2
Studenten und Schüler 27 31 7 18 9
Erwerbslose 61 64 15 29 29
Sonstige mit Kind im Haushalt 21 27 4 18 5
Sonstige ohne Kind im Haushalt 28 23 3 -24 -9
Übrige1 32 48 1 108 5
insgesamt 21 23 49 11 41
  Wohnsitz in Ostdeutschland
Rentner, Pensionäre 12 19 6 58 19
Studenten und Schüler 39 33 1 -31 -4
Erwerbslose 77 84 7 1 1
Sonstige mit Kind im Haushalt 31 21 0 -15 0
Sonstige ohne Kind im Haushalt 43 50 0 -18 -1
Übrige1 52 83 1 108 2
insgesamt 28 33 16 14 16
  kein Migrationshintergrund
Rentner, Pensionäre 11 12 17 0 0
Studenten und Schüler 25 29 5 17 7
Erwerbslose 64 63 12 -8 -10
Sonstige mit Kind im Haushalt 16 14 1 -18 -2
Sonstige ohne Kind im Haushalt 19 20 2 -13 -3
Übrige1 37 57 1 102 6
insgesamt 18 20 39 0 -2
  Deutsche mit Migrationshintergrund
Rentner, Pensionäre 25 24 4 23 6
Studenten und Schüler 41 26 1 -29 -5
Erwerbslose 67 79 4 73 16
Sonstige mit Kind im Haushalt 27 25 1 -34 -3
Sonstige ohne Kind im Haushalt 46 18 0 -41 -2
Übrige1 . . . . 0
insgesamt 36 34 11 17 13
  Ausländer
Rentner, Pensionäre 30 34 4 64 15
Studenten und Schüler 40 54 1 27 2
Erwerbslose 79 79 6 92 24
Sonstige mit Kind im Haushalt 29 51 2 95 9
Sonstige ohne Kind im Haushalt 58 44 1 -30 -6
Übrige1 . . . . .
insgesamt 43 50 15 54 46
  insgesamt
Rentner, Pensionäre 13 15 25 11 21
Studenten und Schüler 29 31 8 7 4
Erwerbslose 67 69 22 18 30
Sonstige mit Kind im Haushalt 21 26 4 14 4
Sonstige ohne Kind im Haushalt 29 25 4 -23 -10
Übrige1 37 56 2 108 8
insgesamt 22 25 65 11 58

1 Personen, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leisten, Personen in Behinderteneinrichtungen etc.

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel (V33); eigene Berechnungen.

In sozialstruktureller Hinsicht zeigen sich ähnliche Muster wie bei den Erwerbstätigen. In den besagten Gruppen sind die in Ostdeutschland wohnenden Personen öfter einkommensschwach als Westdeutsche, und Personen mit Migrationshintergrund – insbesondere Ausländer – sind es viel häufiger als solche ohne Zuwanderungshistorie.

Die Zahl der einkommensschwachen Nichterwerbstätigen hat von 2011 bis 2016 ebenfalls zugenommen – sowohl im Osten wie im Westen. Es fällt auf, dass die Zuwächse allein auf Personen mit Migrationshintergrund zurückzuführen sind, während die Zahl der Einkommensschwachen unter denen ohne Migrationshintergrund etwas geschrumpft ist. Bei diesen hat sich wiederum nur die Zahl der einkommensschwachen Personen in Ausbildung – Schüler und Studenten – sowie in der kleinen Gruppe der „Übrigen“ (etwa Personen, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leisten) erhöht. Bei den Rentnern ohne Migrationshintergrund hat sie stagniert (aber nur im Westen, nicht im Osten), bei Erwerbslosen und anderen Nichterwerbstätigen hat sie abgenommen. Bei Personen mit Migrationshintergrund waren die Zuwächse breiter gestreut; besonders stark schlugen hier die Zuwächse an Einkommensschwachen unter den Rentnern und den Erwerbslosen zu Buche.

Einkommensschwache Minderjährige häufig in Haushalten ohne Erwerbstätige

Ob eine Person einkommensschwach ist, hängt in erheblichem Maße vom Haushaltskontext ab und insbesondere davon, aus welchen Quellen sich das Haushaltsbudget speist. Wie gezeigt, spielt es dabei eine große Rolle, ob Erwerbseinkommen anfallen oder nicht. Im Falle von Kindern und Jugendlichen schlägt der Erwerbsstatus der Haushaltsmitglieder besonders stark durch, da ihre Eltern bzw. Erziehungsberechtigten in aller Regel im erwerbsfähigen Alter sind. Altersrenten oder Pensionen können daher in ihren Haushalten nur in eher seltenen Fällen als Einkommensquelle eine Rolle spielen – entscheidend sind fast immer Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Sozialleistungen oder private Transfers.

Entsprechend finden sich besonders häufig einkommensschwache Minderjährige in Haushalten ohne eine erwerbstätige Person. Mehr als die Hälfte der dort lebenden Minderjährigen ist einkommensschwach – und auf diese Haushalte entfällt fast die Hälfte aller einkommensschwachen Minderjährigen (vgl. Tabelle 4). Auch in Haushalten, in denen zwar Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt werden, aber nur durch Teilzeittätigkeiten oder durch geringfügige Beschäftigung, gibt es einen relativ hohen Anteil einkommensschwacher Minderjähriger. Gering ist er dagegen in solchen Haushalten, in denen Vollzeitbeschäftigte leben.

Tabelle 4
Einkommensschwache Minderjährige
  Anteil der einkommmens­schwachen
Minderjährigen an der jeweiligen Gruppe in %
Anteil an allen einkommens­schwachen Minderjährigen in % 2016 Veränderung der Zahl der Einkommens­schwachen in % von 2011 bis 2016 Beitrag zur Veränderung der
Zahl aller einkommens­schwachen Minderjährigen in % von 2011 bis 2016
  2011 2016
  Wohnsitz in Westdeutschland
keine Erwerbstätige im Haushalt 40 53 36 97 54
Vollzeiterwerbstätige im Haushalt 6 8 21 33 16
nur Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigte im Haushalt 18 25 24 63 28
insgesamt 12 20 81 66 98
  Wohnsitz in Ostdeutschland
keine Erwerbstätige im Haushalt 70 64 9 12 3
Vollzeiterwerbstätige im Haushalt 9 8 4 -16 -2
nur Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigte im Haushalt 41 32 6 4 1
insgesamt 24 23 19 3 2
  Haushaltsvorstand ohne Migrationshintergrund
keine Erwerbstätige im Haushalt 44 43 19 4 3
Vollzeiterwerbstätige im Haushalt 5 5 11 -7 -3
nur Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigte im Haushalt 19 16 13 -12 -6
insgesamt 12 12 43 -4 -6
  deutscher Haushaltsvorstand mit Migrationshintergrund
keine Erwerbstätige im Haushalt 48 59 10 90 15
Vollzeiterwerbstätige im Haushalt 7 13 7 78 10
nur Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigte im Haushalt 38 27 5 0 0
insgesamt 18 25 21 54 24
  ausländischer Haushaltsvorstand
keine Erwerbstätige im Haushalt 50 72 16 265 39
Vollzeiterwerbstätige im Haushalt 14 19 7 29 5
nur Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigte im Haushalt 21 65 13 752 38
insgesamt 21 46 36 221 81
  insgesamt
keine Erwerbstätige im Haushalt 46 55 45 71 57
Vollzeiterwerbstätige im Haushalt 6 8 25 23 14
nur Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigte im Haushalt 22 26 30 46 29
insgesamt 14 20 100 49 100

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel (V33); eigene Berechnungen.

Im Osten ist der Anteil der einkommensschwachen Minderjährigen noch etwas größer als in den alten Bundesländern. Allerdings gab es seit 2011 einen Angleichungsprozess. Während in Ostdeutschland der Anteil in etwa unverändert blieb, stieg er im Westen. Dahinter verbergen sich unterschiedliche Entwicklungen mit Blick auf den Migrationsstatus. Denn in Haushalten, in denen der Haushaltsvorstand keinen Migrationshintergrund hat, ist der Anteil der Minderjährigen, der auf einkommensschwache Haushalte entfällt, konstant geblieben. Deren Zahl ist sogar gesunken – das liegt daran, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit einem Haushaltsvorstand ohne Migrationshintergrund abnimmt. Ganz anders dagegen die Entwicklung bei einem Haushaltsvorstand mit Migrationshintergrund. So ist in denjenigen Haushalten mit einem Vorstand, der Deutscher mit Migrationshintergrund ist, die Zahl der einkommensschwachen Minderjährigen von 2011 bis 2016 um 54 % gestiegen; in denjenigen Haushalten, in denen der Vorstand Ausländer ist, hat sich die Zahl einkommensschwacher Kinder und Jugendlicher sogar um 221 % erhöht. Der gesamte Zuwachs an Minderjährigen in einkommensschwachen Haushalten geht folglich allein auf Haushalte mit Migranten zurück – und dabei zum größten Teil auf solche Haushalte, deren Vorstand eine ausländische Staatsbürgerschaft hat. Bei einem Haushaltsvorstand mit Migrationshintergrund hat die Zahl einkommensschwacher Kinder auch dann zugenommen, wenn Vollzeitbeschäftigte im Haushalt sind. Besonders stark waren die Zuwächse aber in den Fällen, bei denen es keine Erwerbstätigen im Haushalt gibt.

2016 lebte mehr als die Hälfte aller einkommensschwachen Minderjährigen in Haushalten, deren Vorstand einen Migrationshintergrund hatte. In Haushalten mit einem ausländischen Haushaltsvorstand war in jenem Jahr fast jeder zweite Minderjährige einkommensschwach – fünf Jahre zuvor war es nur jeder fünfte. In Haushalten mit einem Vorstand, der als Migrant die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, war 2016 ein Viertel der Kinder und Jugendlichen einkommensschwach – nach reichlich einem Sechstel im Jahr 2011. Bei den Minderjährigen mit einem Haushaltvorstand ohne Migrationshintergrund war indes jeder Achte einkommensschwach – derselbe Anteil wie 2011.

Verfestigung der Einkommensschwäche?

Mit Blick auf die Gesellschaft mag es eine gewisse Berechtigung haben, von einer „Verfestigung der Armut“ zu sprechen – und zwar dann, wenn es einen hinreichend klaren Begriff von Armut gäbe, sowie dann, wenn der Anteil der Einkommensschwachen in der Gesellschaft stagniert oder gar zunimmt.6 Letzteres ist – bei allerdings steigenden Einkommen – der Fall, ersteres nicht. Es wäre aber unzureichend, bei der Thematisierung von Verfestigung oder Verhärtung den Blick auf die Gesellschaft zu richten, entscheidend sind vielmehr die Individuen bzw. die Privathaushalte. Verharren also die einkommensschwachen Personen dauerhaft in einer prekären Einkommenssituation oder gelingt es, die Einkommensschwäche zu überwinden?

Wird als Untersuchungszeitraum nur ein Jahr gewählt, dann zeigt sich, dass von denjenigen Erwachsenen, die 2015 noch zu den Einkommensschwachen zählten, fast ein Drittel im Jahr 2016 nicht mehr dazu gehörte.7 Wird ein längerer Zeitraum betrachtet, steigt dieser Anteil naturgemäß: So waren von jenen Personen, die 2011 noch einkommensschwach waren, 45 % im Jahr 2016 nicht mehr einkommensschwach (vgl. Abbildung 3). Im Laufe eines Jahres gelingt es also recht vielen, die Einkommensschwäche zu überwinden. Im Laufe längerer Zeit wächst indes der Anteil jener, die das schaffen, nur noch mit erheblich abnehmendem Tempo. Nach fünf Jahren ist immer noch mehr als die Hälfte der Einkommensschwachen finanziell schlecht gestellt. Wenn etwa ein Sechstel der erwachsenen Bevölkerung einkommensschwach ist und das für reichlich die Hälfte auch noch nach fünf Jahren zutrifft, dann beläuft sich der harte Kern der Einkommensschwachen auf etwa 8 % bis 9 % der Bevölkerung. Derselbe Wert ergab sich bei ähnlicher Berechnung auch vor zehn Jahren.8

Abbildung 3
Anteil von einkommensschwachen Erwachsenen 2011, die 2016 noch einkommensschwach waren1
Anteil von einkommensschwachen Erwachsenen 2011, die 2016 noch einkommensschwach waren

1 Nach Ihrem Status im Jahr 2011.

2 Ohne Auszubildende, Schüler und Studenten.

Quelle: Sozio-oekonomisches Panel (V33).

Der Anteil derjenigen, denen es im Laufe von fünf Jahren gelingt, aus dem Kreis der Einkommensschwachen auszuscheiden, variiert ebenfalls erheblich nach sozialen Merkmalen. So schaffte dies von den einkommensschwachen Erwerbstätigen des Jahres 2011 ein weitaus größerer Teil (knapp zwei Drittel) als von jenen, die keiner Berufstätigkeit nachgingen (ein Drittel). Und unter den Erwerbstätigen gelang es vor allem den Vollzeitbeschäftigten, während das bei den geringfügig Beschäftigten nur für eine Minderheit zutrifft. Von den einkommensschwachen Personen, die 2011 nicht erwerbstätig waren, blieben die Rentner sowie die damals Erwerbslosen besonders häufig in einer prekären Einkommenssituation. Bei den Rentnern ist das verständlich, denn sie haben kaum eine Chance, ihre Einkommen zu erhöhen, denn die Aufnahme einer bezahlten Beschäftigung ist in der Regel für sie nicht möglich. Den Erwerbslosen ist es indes möglich, aber offenbar bleiben viele dennoch über Jahre in einer schlechten Einkommenslage. Ganz anders dagegen die früheren einkommensschwachen Personen in einer Ausbildung: Der allergrößte Teil kommt im Laufe der Zeit auf höhere Einkommen – etwa deshalb, weil nach dem Studium entweder erstmals eine Beschäftigung aufgenommen wird oder eine solche Beschäftigung gefunden wird, die besser bezahlt ist als der vorherige Studentenjob bzw. die Ausbildung im dualen System.

Fazit

Ziel der hier vorliegenden Untersuchung ist es, einen genaueren Blick auf die Strukturen und die Entwicklung der einkommensschwachen Bevölkerung zu richten. Dabei zeigt sich, dass die Zahl der Einkommensschwachen in jüngerer Vergangenheit zugenommen hat. Auch ihr Anteil an der Bevölkerung ist gewachsen – auf ein Sechstel. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass nicht nur die Zahl der Einkommensschwachen zugelegt hat, sondern auch deren Einkommen – und zwar erheblich. Darin spiegelt sich die generelle Einkommensentwicklung in Deutschland wider. Die Schwelle für Einkommensschwäche ist variabel: Wenn in der Gesellschaft die Einkommen im Mittel zunehmen, steigt auch die Grenze, bis zu der Personen oder Haushalte als einkommensschwach gezählt werden. Hätten die Einkommen nur im selben Maße wie die Verbraucherpreise angezogen, hätte sich im Vergleich der Jahre 2011 und 2016 auch nicht der Anteil der Einkommensschwachen an der Bevölkerung verändert.

Angesichts der guten Konjunktur und wegen des kräftigen Aufbaus der Beschäftigung in den letzten Jahren wäre jedoch ein Rückgang bei der Zahl einkommensschwacher Personen zu erwarten gewesen. Dass dem nicht so war, hängt mit sozialstrukturellen Verschiebungen und mit einer Veränderung der Bevölkerung durch Zuwanderung zusammen. Etwa drei Viertel des Anstiegs bei der Zahl der Einkommensschwachen ist auf Personen mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft zurückzuführen. Hier dürften sich zu einem großen Teil die ab 2013 angeschwollenen Asylwanderungen9 niedergeschlagen haben, denn zuvor ging unter den in Deutschland lebenden Ausländern der Anteil der Einkommensschwachen zurück.

Ungünstig verlief aber ebenfalls die Entwicklung unter den Deutschen mit Migrationshintergrund. Das gilt sowohl für die Erwerbstätigen als auch für diejenigen, die nicht am Berufsleben teilnehmen – und hier insbesondere für Rentner und Erwerbslose. Unter den Minderjährigen ist der Anteil der Einkommensschwachen ebenfalls gewachsen. Über die Ursachen lässt sich allenfalls spekulieren. Hier ergibt sich ein weiterer Forschungsbedarf, bei dem wohl auch das Herkunftsland in den Blick genommen werden müsste, das mit dem Migrationshintergrund verbunden ist.

Ganz anders dagegen die Entwicklung bei den Personen ohne Migrationshintergrund, denn hier nahm die Zahl der Einkommensschwachen deutlich ab. Besonders stark war der Rückgang bei den Vollzeitbeschäftigten – wohl als Folge der konjunkturellen Entwicklung. Kaum verändert hat sich indes die Zahl der Einkommensschwachen mit einer Teilzeittätigkeit oder mit einer geringfügigen Beschäftigung. Hier macht sich bemerkbar, dass in solchen Fällen, bei denen keine weiteren Einkommen zum Haushaltsbudget beitragen, mit einem Teilzeit- oder einem Minijob spärliche Einkünfte in der Regel nicht zu vermeiden sind. Auffällig ist bei dieser Gruppe die starke Zunahme einkommensschwacher Personen in einer Ausbildung. Hier schlägt ein sich wandelndes Bildungsverhalten zu Buche, dass sich in einer kräftigen Zunahme der Studenten ausdrückt; und Studenten verfügen zumeist nur über eher geringe Einkünfte.

Wenn nun allerdings angebliche Armut deshalb zunimmt, weil immer mehr junge Menschen ein Studium ergreifen und in der ersten Phase ihres Erwachsenenlebens nur geringe Einkommen haben, ist das keine beklagenswerte, sondern eher eine gesellschaftlich wünschenswerte Entwicklung. Und wenn Personen aus Schwellen- und Entwicklungsländern in großer Zahl als Asylsuchende zuwandern, ist deren oft geringes Haushaltsbudget nicht der Ausdruck einer extremen Einkommensungleichheit in der Gesellschaft, sondern Folge einer schwierigen Integration dieser Personen in den Arbeitsmarkt aufgrund häufig unzureichender Qualifikationen.10

Überdies hat sich gezeigt, dass geringe Löhne keineswegs regelmäßig mit Einkommensschwäche verbunden sind. So zählt nur eine Minderheit der Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor (jeder Neunte) zu den Einkommensschwachen. Unter den Erwerbstätigen ist Einkommensschwäche viel eher dann zu finden, wenn nur einem Teilzeitjob oder einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen wird. Sie ist hier somit in erster Linie ein Unterbeschäftigungs- und weniger ein Verteilungsproblem.

Von einer ausgeprägten Einkommensschwäche im Alter kann nicht die Rede sein, denn Rentner und Pensionäre sind nur zu einem unterdurchschnittlichen Anteil finanziell besonders schlecht gestellt. Aber auch hier ist zu differenzieren. So fällt auf, dass insbesondere die Zahl der Einkommensschwachen bei den Rentnern in Ostdeutschland und bei solchen mit ausländischer Nationalität zugenommen hat. Das dürfte die Folge unterbrochener Erwerbsbiografien sowie häufig geringer Einkünfte bei der früheren Erwerbstätigkeit sein. Hier scheint wiederum das Phänomen von Unterbeschäftigung auf – und zwar der Unterbeschäftigung vor Renteneintritt. Dieses Problem könnte in Zukunft wachsen, da vermehrt Personen in den Ruhestand wechseln dürften, die aus besagten Gründen nur geringe Versorgungsansprüche an die Rentenversicherung haben.

  • 1 Für eine ausführliche Diskussion der Armutsdefinitionen vgl. K. Brenke: Armut: vom Elend eines Begriffes, in: Wirtschaftsdienst, 98. Jg. (2018), H. 4, S. 260-266.
  • 2 Bei der Bedarfsgewichtung wird das Haushaltseinkommen durch die Summe der Gewichtungsfaktoren geteilt, um der Größe und der Zusammensetzung der Haushalte Rechnung zu tragen. Die erste Person erhält nach dem Schema der OECD den Faktor „1“, jeder weiteren Person ab 14 Jahren „0,5“, Kinder bekommen „0,3“.
  • 3 So werden niedrige Löhne mitunter als „Armutslöhne“ bezeichnet, vgl. unter anderem C. Schäfer: Effektiv gezahlte Niedriglöhne in Deutschland, in: WSI-Mitteilungen, 56. Jg. (2003), H. 7, S. 420-428.
  • 4 So stieg die Zahl der Studenten in Deutschland vom Wintersemester 2010/11 von 2,2 Mio. bis zum Wintersemester 2016/17 auf 2,8 Mio. Vgl. Statistisches Bundesamt: Bildung und Kultur. Studierende an Hochschulen, Fachserie 11, Reihe 4.1.
  • 5 Vgl. M. Staneva: Studentische Erwerbstätigkeit: Elternhaus spielt bei Wahl des Studentenjobs eine Rolle, in: DIW Wochenbericht, 84. Jg. (2017), H. 41, S. 914-924.
  • 6 Vgl. O. Groh-Samberg: Armut, soziale Ausgrenzung und Klassenstruktur: Zur Integration multidimensionaler und längsschnittlicher Perspektiven, Wiesbaden 2009.
  • 7 Zu berücksichtigen ist, dass in manchen Fällen schon bei einer vergleichsweise geringen Einkommenssteigerung der Kreis der Einkommensschwachen verlassen wird. Das kann bei solchen Personen der Fall sein, die im Ausgangsjahr des Zeitvergleichs nahe an der Schwelle der Einkommensschwäche lagen.
  • 8 Vgl. O. Groh-Samberg, a. a. O., S. 171.
  • 9 Vgl. K. Brenke: Asylsuchende in Deutschland und der Europäischen Union, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Datenreport 2016. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2016, S. 245-257.
  • 10 So ist die Zahl der Arbeitslosen unter den anerkannten Flüchtlingen weit höher als die Zahl der Beschäftigten. Von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat die Hälfte lediglich eine Helfertätigkeit; von den Arbeitslosen suchen zwei Drittel eine solche Tätigkeit. Vgl. Bundesagentur für Arbeit, Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung: Arbeitsmarkt kompakt – Fluchtmigration, Nürnberg, Dezember 2017.

Title:The Low-income Population in Germany: Recent Trends

Abstract:The article examines the structure and development of persons in low income households in Germany from 2011 to 2016. Low income is operationalised as a fixed percentage of median income of all households, similar to the EU’s risk of poverty definition. The low income population rose to 16 per cent in this period but this was the result of increasing average incomes. Above average levels of low income are seen in Eastern Germany and in the migrant population. Employed and retired persons are less affected than the unemployed or students. The increase in the numbers of low income households is mainly due to an increase in the number of migrants. The number of “poor” students has also increased.


DOI: 10.1007/s10273-018-2310-y