Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

Dieser Beitrag ist Teil von Niedrigzinsen – Ursachen und Wirkungen

Die Zinsen in Deutschland und der Eurozone sind zu niedrig – diese Aussage findet sich in der deutschen Presse immer häufiger. Der Europäischen Zentralbank (EZB) wird dabei implizit – und von einigen auch explizit – unterstellt, dass sie den nominalen Zinssatz künstlich niedrig setzt, damit sich die Regierungen in den südlichen Mitgliedstaaten der Eurozone mit günstigen Krediten finanzieren können. Eine gründliche Analyse zeigt jedoch, dass die niedrigen Zinsen nicht das Resultat der Politik der Zentralbanken sind, sondern vor allem auch an strukturellen Faktoren – einem geringen Angebot an sicheren Wertpapieren, die geringe realwirtschaftliche Wachstumsrate und Produktivität bis hin zur demografischen Entwicklung und der Erhöhung der Einkommens­ungleichheit – liegt. Ein Ende der Niedrigzinsphase kann daher nicht durch einen Anstieg der Leitzinsen erreicht werden, sondern nur durch eine kluge Wirtschafts- und Finanzpolitik, vor allem in Deutschland.

Spricht man über „die Zinsen“, so muss zunächst einmal klar sein: Es gibt keinen einheitlichen Zinssatz. Je nachdem, wie hoch das Verlustrisiko einer Anlage ist, variiert der jeweilige Zinssatz, da er eine Risikoprämie enthält. Gegenwärtig liegen die Zinssätze für risikobehaftete Anlagen nicht ausgesprochen niedrig, wie viele Besitzende von Aktien und Immobilien bestätigen können. Mit dem „niedrigen Zinssatz“, den die EZB beeinflussen kann, ist hingegen der risikolose Zinssatz gemeint, den z. B. eine Bundesanleihe oder das Sparkonto zahlt.

Angebot und Nachfrage bestimmen den Zinssatz

Diesen Zinssatz, genauer den nominalen Zinssatz für zehnjährige deutsche Bundesanleihen, zeigt Abbildung 1. Der nominale Zinssatz wird in einer Volkswirtschaft vor allem von der Zentralbank bestimmt. Gerade beeinflusst die EZB diesen Zinssatz durch das Public Sector Purchase Programme. Innerhalb des Vorgängers dieses Programms, das von März 2015 bis Dezember 2018 lief, kaufte die EZB schon Wertpapiere im Umfang von 2,5 Mrd. Euro. Im November 2019 wurde das neue Ankaufprogramm begonnen.

Abbildung 1
Entwicklung von Inflation, nominalem und realem Zinssatz in Deutschland
Entwicklung von Inflation, nominalem und realem Zinssatz in Deutschland

Quelle: Bloomberg.

Dieses Programm erhöht die Nachfrage nach risikolosen Wertpapieren und führt damit zu einer Erhöhung ihres Preises. Da Anlegende nun für die versprochenen Auszahlungen der Wertpapiere einen höheren Preis zahlen müssen, sinkt der Gewinn aus diesen Papieren und damit deren Verzinsung. Bei den kurzfristigen Bundesanleihen ist die Nachfrage so groß, dass die Verzinsung negativ ist, d. h., dass die Anlegenden mit dem Kauf der Anleihe Verlust machen. Die Nachfrage nach risikolosen Wertpapieren hat sich weiterhin durch die Vorgabe für die Geschäftsbanken, in sichere Wertpapiere zu investieren, um eine künftige Finanzkrise besser überstehen zu können, in den letzten Jahren zusätzlich erhöht und damit den nominalen risikolosen Zinssatz weiter gesenkt.

Erhöhte Nachfrage steht ein verringertes Angebot gegenüber

Der Erhöhung der Nachfrage nach risikolosen Wertpapieren steht in den letzten Jahren die Verknappung des Angebots gegenüber. Abbildung 2 stellt den Anteil an risikolosen Anleihen relativ zum Bruttoinlandsprodukt für die Eurozone und die USA dar. Während in der Eurozone den Investierenden weniger als 10 % sichere Anleihen zur Verfügung stehen, sind es in den USA über 30 %.

Abbildung 2
Anteil der risikolosen Wertpapiere relativ zum Bruttoinlandsprodukt
Kurzfristige Schuldtitel mit AAA-Ranking
Anteil der risikolosen Wertpapiere relativ zum Bruttoinlandsprodukt

Kurzfristige Schuldtitel mit AAA-Ranking

Quelle: eigene Berechnungen.

Das Angebot an risikolosen Wertpapieren in der Eurozone ist vor allem aus zwei Gründen gesunken. Erstens hat die Finanz- und Staatsschuldenkrise dazu geführt, dass es weniger Länder in der Eurozone gibt, die von den Ratingagenturen den Status risikolos verliehen bekommen. Gab es 2007 noch acht Länder, denen von mindestens zwei Ratingagenturen bescheinigt wurde, risikolose Schuldpapiere ausgeben zu können, so sind es 2019 lediglich noch drei Länder. Zweitens hat Deutschland, die größte und wichtigste Volkswirtschaft der Eurozone, in den letzten Jahren die Schuldenquote drastisch von etwas über 80 % auf ca. 60 % reduziert.

Nominale und reale Zinssätze

Der nominale risikolose Zinssatz ist aber nicht der Zinssatz, der für Haushalte und Firmen in einer Volkswirtschaft relevant ist. Das ist der reale Zinssatz, also der Zinssatz, der nach Abzug der Inflation von dem nominalen Zinssatz übrigbleibt. In Abbildung 1 stellen wir neben dem nominalen Zinssatz auch den Verlauf des realen Zinssatzes für Deutschland dar. Dieser Zinssatz ist für die Konsumentscheidungen der Haushalte und die Investitionsentscheidungen der Firmen wichtig. Je höher der Zins, desto teurer sind Kredite, um Investitionen oder langlebige Konsumgüter zu finanzieren. Deswegen versucht die Zentralbank in einer Rezession den realen Zinssatz zu senken, indem sie den nominalen Zinssatz senkt.

Erfolgreich gezogene Lehren aus der Geschichte

Die starken Zinssenkungen nach der Finanzkrise 2007/2008 waren durch die verheerenden Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um mehr als 5 % in weniger als einem Jahr motiviert. Wie sollten Zentralbanken auf diese Krise reagieren? Viele haben aus Finanzkrisen aus historischer Perspektive gelernt, vor allem von der Weltwirtschaftskrise in den Jahren 1929 bis 1933. Wie in der Krise 2007/2008 brach das Bruttoinlandsprodukt 1929 stark ein. Die geringe Nachfrage nach Gütern, die sich aus einem Einbruch der Investitionen und des Konsums zusammensetzte, führte zu einem deutlichem Rückgang der Preise. Damals reagierten die Zentralbanken aber nicht mit einer starken antizyklischen Politik.1 Die Regierung unter Reichskanzler Brüning nahm sogar sinkende Preise, eine Deflation in Kauf.

Abbildung 3 zeigt den negativen Verlauf der Preise.

Abbildung 3
Entwicklung des realen Zinssatzes und der Preisveränderungen in Deutschland
Entwicklung des realen Zinssatzes und der Preisveränderungen in Deutschland

Quelle: V. Daniel, L. ter Steege: Inflation expectations and the recovery from the Great Depression in Germany. Explorations in Economic History, 101305, 2019, https://doi.org/10.1016/J.EEH.2019.101305 (14.1.2020).

Die Abbildung verdeutlicht den starken Anstieg der realen Zinsen, der durch die Deflation verursacht wurde.2 Die hohen Zinsen führten zu einem weiteren Einbruch der Investitionen und verschärften somit die Wirtschaftskrise in Deutschland. Der Zinswendepunkt im August 1932 kam zu spät, um den Machtantritt der Nationalsozialisten zu verhindern. Die Abbildung 1 zeigt, dass es diese deflationären Tendenzen auch in der Eurozone nach der Finanzkrise gab. Allerdings hat die EZB mit ihrer Geldpolitik eine Deflation und damit eine weitere schwere Rezession in der Eurozone verhindern können3 – die EZB hat somit die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen und den Fehler einer zu restriktiven Geldpolitik, wie 1929 bis 1933, vermieden, auch wenn manche deutsche Kritiker dies bezweifeln.

Das Konzept des natürlichen realen Zinssatzes

Während die Geldpolitik und eine erhöhte Nachfrage nach risikolosen Anlagen, die mit einer Verknappung des Angebotes einhergeht, wichtige Ursachen für den relativ niedrigen realen Zinssatz sind, spielen auch noch andere Faktoren eine wichtige Rolle. Um die weiteren Ursachen für den niedrigen Zinssatz herausarbeiten zu können, wird das Konzept des natürlichen Realzinses betrachtet. Darunter versteht man den realen Zinssatz, der sich in einer Volkswirtschaft mit flexiblen Preisen bilden würde, in der Vollbeschäftigung herrscht. Diesen Zinssatz kann die Zentralbank nicht beeinflussen. Da es sich bei dem natürlichen realen Zinssatz um ein theoretisches Konzept handelt, kann er nicht beobachtet, sondern nur mit Hilfe eines empirischen Modells geschätzt werden. Abbildung 4 präsentiert die Schätzungen dazu von Fries et al.4 Der natürliche reale Zinssatz ist in Deutschland seit geraumer Zeit gering und mit Ausnahme der Zeit um 2010 herum sogar negativ. Da die Geldpolitik als Ursache für den niedrigen natürlichen Realzins nicht infrage kommt, muss es noch weitere Gründe für den negativen natürlichen Realzins geben.

Abbildung 4
Schätzung des natürlichen realen Zinssatzes für Deutschland
Schätzung des natürlichen realen Zinssatzes für Deutschland

Quelle: S. Fries, J.-S. Mésonnier, S. Mouabbi, J.-P. Renne: National natural rates of interest and the single monetary policy in the euro area, in: Journal of Applied Econometrics, 33. Jg. (2018), H. 6, S. 763-779.

Gründe für einen niedrigen natürlichen realen Zinssatz

Im Wesentlichen gibt es aktuell vier Gründe für den niedrigen natürlichen realen Zinssatz:

Geringes potenzielles realwirtschaftliches Wachstum

Ein erster Grund für den geringen natürlichen Realzins ist das geringe potenzielle realwirtschaftliche Wachstum. Das geringe potenzielle Wachstum ist unter anderem auf ein geringes Wachstum der Produktivität zurückzuführen. Die Gründe für das geringe Wachstum der Produktivität in der Eurozone liegen zum einen in einer geringen Diffusion der Technologie von Unternehmen, die an der Grenze des technologischen Fortschritts arbeiten, zu anderen, im gleichen Sektor tätigen Unternehmen, die technologisch weniger fortgeschritten sind. Zum anderen gab es in der Eurozone eine Vergrößerung des Dienstleistungssektors zulasten des verarbeitenden Gewerbes. Die Produktivitätszuwächse im Verarbeitenden Gewerbe sind aber wesentlich höher als im Dienstleistungssektor.5

Demografische Entwicklung in der Eurozone

Neben den geringen Produktivitätszuwächsen in den letzten Jahren spielt noch ein weiterer Trend eine wichtige Rolle für den niedrigen natürlichen Zinssatz: die demografische Entwicklung in der Eurozone. So stieg die Lebenserwartung in der Eurozone seit 1970 von etwas über 70 Jahre auf derzeit über 80 Jahre kontinuierlich an. Da gleichzeitig nicht das Renteneintrittsalter entsprechend angehoben wurde und wird, steigt auch die Zeit an, die Menschen im dritten Lebensabschnitt, dem Rentenalter, verbringen. Das Ansteigen der Rentenbezugszeit und der Zahl der Rentenempfänger wird nicht durch ein starkes Wachstum der Bevölkerung ausgeglichen. Dementsprechend wächst das Verhältnis der alten Bevölkerung relativ zur jungen Bevölkerung (das „old-age-dependency ratio“) in der Eurozone von ca. 20 % im Jahr 1970 auf derzeit etwa 30 %. Im Jahr 2050 wird das Verhältnis bei über 50 % liegen. Das bedeutet, dass immer weniger junge Menschen für die Rente der älteren Bevölkerung aufkommen müssen.

Der demografische Trend führt bei der älter werdenden Bevölkerung zu einem verstärkten Vorsorgemotiv und damit zu einem erhöhten Sparverhalten. Das so zusätzlich bereitgestellte Kapital findet gleichzeitig weniger Anwendungsmöglichkeiten. Das Produktivitätswachstum ist gering und aufgrund der demografischen Entwicklung gibt es weniger Arbeitende, die mit neuem Kapital ausgestattet werden müssen. Das erhöhte Kapitalangebot trifft hier auf eine geringere Nachfrage, die Kompensation für den Verzicht auf den Konsum, bzw. die Belohnung für das Ansparen, der reale Zinssatz, sinkt. Das Vorsorgemotiv führt nun dazu, dass, obwohl der reale Zinssatz gering ist, das Kapital nicht verkonsumiert wird. Es muss eben gespart werden.

Hohe Sparquote in Deutschland

Als drittes ist vor allem die hohe Sparquote in Deutschland zunehmend ein Problem und eine der Ursachen für die niedrigen nominalen und realen Zinsen in der gesamten Eurozone. Die deutsche Volkswirtschaft macht fast ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung der Eurozone aus, gleichzeitig erzielt die deutsche Volkswirtschaft eine Nettoersparnis von fast 7 % der eigenen Wirtschaftsleistung oder 230 Mrd. Euro pro Jahr. Die hohe Nettoersparnis spiegelt sich in massiven Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands seit vielen Jahren wider – ein Verstoß gegen die europäischen Regeln.

Anstieg der Einkommensungleichheit in der Eurozone und in Deutschland

Ein vierter Grund für den geringen natürlichen realen Zinssatz liegt im Anstieg der Einkommensungleichheit in der Eurozone und in Deutschland. Betrug das Einkommen der Top-1 % 1980 noch ca. 7 %, so sind es jetzt über 10 %. Während Haushalte mit einem geringen Einkommen den Großteil ihres Einkommens verkonsumieren und auch einen Anstieg im Einkommen größtenteils konsumieren werden, konsumieren die Top-1 % nur einen Bruchteil ihres Einkommens. Ein Anstieg des Einkommens führt deswegen eher zu einem Anstieg im Sparverhalten. Dieses Ansparen erfolgt ähnlich zins­unelastisch, d. h. fast unabhängig von der Höhe des Zinssatzes: Da das Geld nicht konsumiert werden kann, muss es gespart werden. Der Erhöhung des Kapitalangebots steht nicht die Erhöhung der Kapitalnachfrage gegenüber, das bedeutet, dass der reale Zinssatz sinkt.

Mögliche Lösungsansätze für höhere reale Zinsen

Per se sind niedrige reale Zinsen weder gut noch schlecht. Sie sind gut für Schuldner und für Unternehmen, Bürger und Staaten, die investieren wollen. Im Gegensatz dazu stellen sie eine Herausforderung für Bürger dar, die es gewohnt sind, ihre Ersparnisse in sichere Anleihen, wie Staatsanleihen oder auch Sparkonten, anzulegen. Gleichzeitig darf nicht ignoriert werden, dass Bürger nicht nur Sparer, sondern auch Arbeitnehmer und Steuerzahler sind. Niedrige Zinsen mag zwar das Sparen auf dem Sparkonto erschweren, hilft jedoch einigen eine Arbeit zu finden und bessere Einkommen zu erzielen,6 als auch geringere Steuern zu zahlen.7

Vorsicht ist daher geboten mit Forderungen nach einer Zinserhöhung durch die EZB. Denn ein Anstieg des Leitzinses der EZB hätte auch zur Folge, dass die Investitionen und damit die Nachfrage in der Eurozone zurückgingen, aufgrund derer die Zentralbank nun wieder die nominalen Zinsen senken müsste, um der Wirtschaft einen neuen Impuls zu geben und eine schwerere Rezession zu verhindern.8 Das folgende nominale und reale Zinsniveau könnte sogar unter dem derzeitigen Niveau liegen. Es droht dann unter Umständen sogar eine Wiederholung der Verhältnisse am Ende der Weimarer Republik: sinkende Preise, die den realen Zinssatz erhöhen und eine tiefe Rezession durch fehlende Investitionen hervorrufen. Der Ruf nach einer Erhöhung der nominalen Zinsen durch die Zentralbank ist deswegen irreführend und falsch.

Eine weitere Möglichkeit, die nominalen Zinsen zu erhöhen, ist die vermehrte Bereitstellung von öffentlichen Schuldtiteln mit hoher Bonität. Das wären unter anderem Bundesanleihen. Die Bundesregierung könnte ihre Politik der „schwarzen Null“ beenden, mehr produktive Investitionen tätigen und neue Schulden aufnehmen und dadurch das Angebot an hochwertigen Schuldverschreibungen erhöhen. Das erhöhte Angebot würde den Preis senken und die Verzinsung erhöhen. Da die Zinsen, die der deutsche Staat für die Schulden zahlen müsste, immer noch geringer als die Wachstumsrate der Wirtschaft wären, würde eine Schuldenaufnahme auch kaum eine Belastung zukünftiger Generationen darstellen.

Die aufgenommenen Schulden würden direkt die nominalen Zinsen und dadurch kurzfristig die realen Zinssätze erhöhen. Sie könnten auch verwendet werden, um die Triebkräfte des natürlichen realen Zinssatzes zu stützen. Staatliche Investitionen in eine bessere Ausbildung erhöhen die Arbeitsproduktivität der Beschäftigten. Auch Investitionen in eine moderne nachhaltige Infrastruktur verbessern die Produktivität einer Volkswirtschaft.9

Eine weitere Möglichkeit, den natürlichen realen Zinssatz zu erhöhen, besteht darin, durch politische Maßnahmen das Vorsorgemotiv des demografischen Wandels in der Bevölkerung abzufedern. Hierzu gehört die Erhöhung des Renteneintrittsalters oder die Erhöhung der jungen Bevölkerung durch gezielte Zuwanderung. Da eine weitere Ursache für den niedrigen natürlichen Zins der Anstieg der Ungleichheit ist, kann der Staat etwa durch die Einführung einer weiteren Steuerklasse, die einen höheren Spitzensteuersatz hat, zu einer Erhöhung des natürlichen realen Zinssatzes beitragen. Die Steuereinnahmen könnten dann wiederum sowohl für höhere Investitionen als auch für eine Subvention der Renten verwendet werden.

Das Fazit des Artikels lautet deswegen, dass nicht die Geldpolitik für eine Erhöhung der Zinsen in die Pflicht genommen werden kann, sondern dass es vor allem der deutsche Staat ist, der den realen Zinssatz kurzfristig durch ein kluges Investitionsprogramm und durch eine erhöhte Bereitstellung von Schuldtiteln erhöhen kann. Durch weitere Investitionstätigkeit, eine Verringerung der Einkommensungleichheit und durch Reformen, die zu einer Verringerung des persönlichen Vorsorgemotivs aufgrund des demografischen Wandels führen, kann die deutsche Politik zudem dem niedrigen natürlichen realen Zinssatz ein Ende bereiten.

  • 1 M. Friedman, A. J. Schwartz: A Monetary History of the United States, 1867-1960, Princeton 1963.
  • 2 Während ein positives Preiswachstum (Inflation) den realen Zinssatz bei stabilen nominalen Zinsen verringert, erhöht negatives Preiswachstum (Deflation) den realen Zinssatz.
  • 3 M. Rieth, L. Gehrt: Anleihekaufprogramme der EZB heben Inflationserwartungen im Euroraum, DIW-Wochenbericht, 2016.
  • 4 S. Fries, J.-S. Mésonnier, S. Mouabbi, J.-P. Renne: National natural rates of interest and the single monetary policy in the euro area, in: Journal of Applied Econometrics, 33. Jg. (2018), H. 6, S. 763-779.
  • 5 European Central Bank: The slowdown in euro area productivity in a global context, ECB Economic Bulletin, Nr. 3, 2017; D. Pilat, C. Criscuolo: The future of productivity. in: Policy Quarterly, 14. Jg. (2018), H. 3.
  • 6 M. Hachula, M. Piffer, M. Rieth: Unconventional Monetary Policy, Fiscal Side Effects and Euro Area (Im)balances, SSRN Electronic Journal, https://doi.org/10.2139/ssrn.2815463 (10.1.2020).
  • 7 M. Fratzscher: Der deutsche Sparer gehört zu den Gewinnern, Zeit Online, 19.8.2019, https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-08/niedrigzinsen-sparer-ezb-geldpolitik (14.1.2020).
  • 8 M. Fratzscher, M. Lo Duca, R. Straub: ECB Unconventional Monetary Policy: Market Impact and International Spillovers, in: IMF Economic Review, 64. Jg. (2016), H. 1, S. 36-74.
  • 9 F. Fichtner, M. Fratzscher, M. Gornig: Eine Investitionsagenda für Europa, DIW-Wochenbericht, Nr. 24, 2014.

Beitrag als PDF

© Der/die Autor(en) 2020

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht.

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-020-2553-2

Fachinformationen über EconBiz

EconBiz unterstützt Sie bei der Recherche wirtschaftswissenschaftlicher Fachinformationen.