Ein Service der

Artikel als PDF herunterladen

In der Debatte um die Energiewende gibt es derzeit kaum ein anderes Thema: Wasserstoff. Überall wird über den Einsatz von Wasserstoff geschwärmt, üppige Förderungen begünstigen den Verteilungskampf. Doch Obacht vor zu viel Euphorie! Seit den 1980er Jahren wird schon von einer „Wasserstoffgesellschaft“ geträumt, in der die damals auf Atomenergie basierenden Geschäftsmodelle legitimiert und verlängert werden sollten. Heute basieren die Modelle vor allem auf fossilen Energien. Doch der Einsatz von fossilen Energien wie Erdgas oder gar Kohle samt CO2-Einlagerung zur Herstellung von Wasserstoff ist ein teurer Etikettenschwindel und muss zwingend ausgeschlossen werden – er erschwert den Umstieg zu einer echten umweltfreundlichen und nachhaltigen Energiewende.

Dabei ist echter umweltfreundlicher Wasserstoff durchaus ein wichtiger Baustein der Energiewende, aber eben nur ein kleiner. Wasserstoff kann im Rahmen einer Energiewende zwei Funktionen erfüllen: Er ist als Langfristspeicher nutzbar; anstatt erneuerbare Anlagen abzuregeln oder auf den Bau unbeliebter und überflüssiger Übertragungsnetze zu warten, sollte besser Wasserstoff produziert werden. Zudem wird grüner Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Industrie nötig sein.

Wasserstoff ist kostbar. Er ist quasi der Champagner unter den Energieformen. Die Herstellung von Wasserstoff erfordert drei- bis fünfmal so viel Energie wie die direkte Nutzung erneuerbarer Energien. Man wird Wasserstoff deshalb vernünftigerweise nur dort einsetzen, wo es keine andere – vor allem elektrische – Möglichkeit gibt. Zudem sollte Wasserstoff aus ökologischen und ökonomischen Gründen nicht aus Öl, Gas oder Kohle (sogenannter grauer, blauer oder türkiser Wasserstoff), sondern zwingend aus erneuerbaren Energien hergestellt werden (grüner Wasserstoff). Sonst erreichen wir die Pariser Klimaziele und weitere Umweltziele nicht, und das wird in jeder Hinsicht teuer. Wer von Wasserstoff träumt, muss in erneuerbare Energien investieren und diese deutlich schneller ausbauen als bisher. Damit aus Wasserstoff und erneuerbaren Energien ein wirkungsvolles und effizientes Team werden kann, sollte neben der Abschaffung von unnötigen Abgaben bei der Herstellung zuallererst den Energieherstellern grundsätzlich erlaubt werden, Wasserstoff als Speicher zu produzieren, zu nutzen und zu verkaufen.

Die Herstellung von Wasserstoff ist teuer und wird sich nur rechnen, wenn man überschüssigen und abgeschriebenen Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung hat. Aktuelle Studien belegen, dass der Import von Wasserstoff enorm teuer ist. Sowohl der Bau neuer bzw. der Umbau existierender Erdgas-Pipelines ist kostenaufwendig. Das gilt auch für den Transport mit Schiffen, der erst ab einer Entfernung von 4000 km günstiger als die Verwendung von Pipelines ist. Diese hohen Kosten machen den ohnehin schon teuren Wasserstoff noch teurer. Erste Priorität sollte daher die Wasserstoffproduktion in Deutschland sein. Eine mögliche Wasserstoffproduktion in Kooperation mit Nordafrika oder auch anderen Ländern ist nicht falsch und kann im Rahmen von EU-Nordafrika-Kooperationen unterstützt werden. Man sollte jedoch einen Schritt nach dem anderen tun und den Schwerpunkt zunächst auf die Herstellung von Wasserstoff in Deutschland legen. Dies schafft Wertschöpfung und Arbeitsplätze.

Statt unbeliebter Übertragungsnetze oder Abregelung von Windanlagen wäre es sinnvoller, man würde die Produktion von Wasserstoff aus Windenergie ermöglichen. Erst wenn die Marktbarrieren abgeschafft sind, kann es zum erhöhten Einsatz von Wasserstoff kommen. Ob und wann sich die Produktion von Wasserstoff rechnet, hängt entscheidend davon ab, wie schnell erneuerbare Energien in Deutschland ausgebaut und die Rahmenbedingungen angepasst werden.

Grüner Wasserstoff ist wichtig. „Champagner in den SUV-Tank“ hilft aber weder dem Klima noch der Wirtschaft, sondern ist bloße Verschwendung oder eine simple Verlagerung der klimaschädlichen Emissionen von der Straße in die blaue Wasserstoffindustrie. Wir brauchen stattdessen eine aktive Verkehrswende. Strom ist das neue Öl. Dafür sollte man gezielt die Elektromobilität über den Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie den ÖPNV und den Schienenverkehr fördern. Der ebenfalls verschwenderische oder klimaschädliche Einsatz von Wasserstoff im Gebäudebereich kann genauso verhindert werden, etwa indem die energetische Gebäudesanierung gefördert wird und beim Betrieb von Gebäuden konsequent erneuerbare Energien eingesetzt werden. So können wir den kostbaren Wasserstoff am Ende vor allem im Industriebereich zum Einsatz bringen, wie bei der Herstellung von Stahl oder beim Schwerlast- und Schiffsverkehr. Das wäre Wasserstoffnutzung mit Vernunft, also grün und effizient.

© Der/die Autor(en) 2020

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht.

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-020-2793-1