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Sind tatsächlich nur wirtschaftlich schwache Länder an einer Teilnahme an der europäischen Gemeinschaftswährung interessiert – wie Friedrich Heinemann in einem Spiegelinterview meint? Als Beispiel für diese „schwa-chen“ Länder werden Kroatien und Bulgarien genannt, während Polen, Tschechien und Ungarn zurzeit keine Eile zum Beitritt zeigen und wie auch Rumänien an ih-ren Wechselkursregimen festhalten. Dennoch bleibt die Übernahme des Euro als Gemeinschaftswährung ulti-matives Ziel der Europäischen Union, das von den balti-schen Staaten (Estland 2001, Lettland 2014, Litauen 2015) sowie Slowenien (2007) und der Slowakei (2009) bereits umgesetzt wurde. In diesen osteuropäischen neuen EU-Mitgliedsländern ist die Unterstützung nach wie vor groß.

Zur Vorbereitung der Euroeinführung sind Bulgarien und Kroatien im Juli 2020 dem Europäischen Wechselkursmechanismus II mit einem Wechselkurs von 1,95583 Leva und 7,53450 Kuna beigetreten. Sollten diese zentralen Kurse nicht mehr als in einem Band von +/- 15 % schwanken, liegen die monetären Voraussetzungen für den Beitritt zur Eurozone vor. Daneben gibt es noch andere wirtschaftspolitische Anforderungen wie inter alia die Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption.

Es lohnt sich angesichts dieser Frage, einen Blick zurück auf die Entstehung der Eurozone zu werfen. Der Euro war und ist wie die Europäische Union ein deutsch-französisch dominiertes Projekt, das von Bundeskanzler Kohl und Präsident Mitterrand vorangetrieben wurde. Dabei standen nicht die wirtschaftlichen Aspekte im Vordergrund, sondern die politische Dimension, die als historische Zäsur gesehen wurde. Man darf davon ausgehen, dass einschlägige ökonomische Fachliteratur (Mundell, Gros/Thygessen, De Grauwe), wenn überhaupt, lediglich eine untergeordnete Rolle spielte. Es ist bezeichnend, dass es in Deutschland keine Volksabstimmung zur Übernahme des Euro gegeben hat. Die deutsche Bevölkerung hätte sicher die Beibehaltung der D-Mark bevorzugt und stand dem Euro nach Einführung skeptisch gegenüber. Entgegen der Sachlage wurde er anfänglich als „Teuro“ verunglimpft. Aus dieser Sicht sind Vorbehalte gegenüber dem Euro in wirtschaftlich starken Ländern keine Neuigkeit.

Eine Studie von Heinemann et al. stützt sich auf eine Um- frage unter Experten in Osteuropa, nennt aber diese Ex- perten nicht. Ein Blick auf einflussreiche Politiker in der größten Volkswirtschaft unter den neuen Mitgliedslän- dern, Polen, zeigt jedoch ein klares Plädoyer (wenn auch mit Reformvorschlägen) für die Euro-Übernahme – wie beispielsweise vom liberalen Politiker und Wirtschaftswissenschaftler Leszek Balcerowicz. Es ist bemerkenswert, dass sein einflussreicher politischer Gegner Gregor Kolod in diesem Punkt mit ihm übereinstimmt. Zeitweilig wurde sogar die einseitige Euro-Einführung in Polen dis- kutiert, was aber auf Widerstand in Frankfurt gestoßen wäre, da die Europäische Zentralbank eine Störung der Geldnachfrage befürchtete. Die Anti-Euro-Position sieht den Euro als neoliberales Projekt und lehnt Staatsversagen als Erklärung für Krisen und Ungleichgewichte als Kritik am Neoliberalismus ab.

Lehrbücher und Politiker wie Donald Trump würden den anhaltenden Leistungsbilanzüberschuss der EU als Zeichen einer Unterbewertung des Euro werten und mehr heimische Investitionen zum Ausgleich fordern. Dieser Überschuss wird hauptsächlich von der deutschen Wirtschaft produziert und es ist erstaunlich zu sehen, wie erfolgreich Deutschland seine Unterbewertungspolitik der D-Mark, die die Grundlage des deutschen Wirtschaftswunders war, in der Eurozone einfach dadurch fortsetzen konnte, dass Lohnerhöhungen unter dem Produktivitätsfortschritt blieben. Dem Wesen nach handelt es sich um eine merkantilistische Politik, wenngleich ein wenig verdeckter als z. B. bei direkten Handelssanktionen, wie sie Trumponomics vorsehen.

Um zum Ausgangspunkt, der Reputation des Euro, zu- rückzukehren, ist zunächst festzuhalten, dass die EU-Institutionen einschließlich des Euro in den Mitgliedsländern großes Vertrauen genießen, wie Gunther Tichy aus einer Umfrage des Eurobarometers schließt. Für wirtschaftlich schwächere Länder stellt die Einführung des Euro einen wichtigen Stabilitätsimport dar. Wichtige Verträge im Außenhandel sind ohnehin in Euro denominiert und im Alltag werden Eurozahlungen in der Regel akzeptiert. Mit der Übernahme wird die schleichende Euroisierung legitimiert. Im Hinblick auf Kroatien lässt sich auf Metternich rekurrieren: „Der Balkan beginnt am Rennweg“ im dritten Wiener Bezirk. Und dort basieren die Wirtschaftsbeziehungen auf dem Euro. Bei starken Volkswirtschaften wie Polen spricht die Intensität des gegenseitigen Handels für eine gemeinsame Währung. Die Zukunft gehört dem Euro.

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© Der/die Autor(en) 2020

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DOI: 10.1007/s10273-020-2730-3