Das Bundesverfassungsgericht hat den Berliner Mietendeckel kassiert. Was in der Stadt wütende Proteste hervorgerufen hat, war für Jurist:innen eigentlich keine Überraschung: Hintergrund ist, dass bundesweit bereits abschließende Regelungen zu allen im Mietendeckel regulierten Aspekten vereinbart sind. Dies betrifft die Höhe der Mieten neu geschlossener Verträge (Mietpreisbremse), die Anpassung der Mieten in laufenden Verträgen (Kappungsgrenze) und die Möglichkeiten der Mieterhöhungen nach Modernisierungen (Modernisierungsumlage). Allein weil diese Regelungen bereits existieren, fehle dem Land Berlin die Handhabe, eigene Grenzen festzulegen, so das Bundesverfassungsgericht.
Viele Gegner:innen des Mietendeckels sehen sich nach dem Urteil darin bestärkt, dass Regulierungen des Wohnungsmarkts zu weit in das Eigentumsrecht eingreifen und keine Lösung des Problems des Wohnungsmangels darstellen. Befürwortende argumentieren, dass das Urteil eine Aufforderung für scharfe Regelungen auf Bundesebene sei, da das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel nicht wegen seiner Inhalte, sondern wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz gekippt habe. Beide Seiten liegen damit falsch. Das Urteil bricht weder den Stab über Wohnungsmarktregulierungen, noch ist es eine Empfehlung, diese deutlich auszuweiten.
Generell sind Regulierungen des Wohnungsmarkts sinnvoll, da Wohnraum ein Grundbedürfnis ist. Hierfür spricht erstens, dass es eine Ungleichverteilung der Verhandlungsmacht in einem Mietverhältnis gibt. Könnten Vermieter:innen in laufenden Verträgen Mieten frei erhöhen oder Kündigungen grund- und fristlos aussprechen, wären Mieter:innen der Willkür ausgesetzt. Hohe Kosten bei der Suche einer neuen Wohnung hindern Haushalte, schnell auf sich ändernde Preise zu reagieren – die sozialen Kosten eines unregulierten Markts wären immens. Dies ist jahrzehntelanger Konsens in der deutschen Wohnungsmarktpolitik. Zweitens spricht für eine Regulierung, dass erodierende Sozialstrukturen erhebliche externe Kosten verursachen – die Literatur zu Gentrifizierung und Ghettoisierung ist in diesem Zusammenhang eindeutig. Drittens kommt es auf Wohnungsmärkten regelmäßig zu sogenannten Schweinezyklen, die umso größer ausfallen, je unflexibler das Angebot auf eine steigende Nachfrage reagieren kann. Da das Angebot kurzfristig starr ist, schießen Mieten weit über das langfristige Marktgleichgewicht hinaus, was zu massiven Veränderungen der Sozialstrukturen, zu steigender Ungleichheit sowie zu Windfallprofits bei Immobilieneigentümer:innen führt. Das Preissignal ist verzerrt.
Letzteres spricht für eine vorausschauende Wohnungsmarktpolitik, die Bevölkerungsentwicklungen antizipiert und eine große Angebotsflexibilität schafft. Diese können Kommunen durch eine entsprechende Bodenpolitik, entschlackte Bauvorschriften, eine technisch moderne und personell ausreichend ausgestattete Bauverwaltung und eine effiziente Besteuerung des Werts von Grund und Boden erreichen. All dies ist in den 2000er Jahre in den Hintergrund getreten: Das Narrativ, Deutschland sei angesichts der demografischen Wende „fertig gebaut“, hatte sich verfestigt. Das Ergebnis der starken Zuwanderung in die Städte sind erheblich steigende Mieten, die gerade bei den unteren Einkommen die Wohnkostenbelastung deutlich erhöhen. Da Bautätigkeit kurzfristig kaum ausgeweitet werden kann, ist eine stärkere Regulierung von Mieten eine sinnvolle Politik, um die Folgen der Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Eine solche Regulierung sollte allerdings klug sein: Sie darf die Anreize zu bauen nicht nehmen, sollte Kostensteigerungen für Instandhaltung und Modernisierung berücksichtigen und selbstdosierend die Mietendynamik bremsen.
Der Mietendeckel war in weiten Teilen das Gegenteil dessen. Das Einfrieren oder gar Absenken der Mieten in geschlossenen Verträgen oder die hohen Hürden für Modernisierungen hätten zu langfristig verheerenden Qualitätsverlusten des Mietwohnungsbestands und kurzfristig zu einem deutlichen Sinken des Angebots geführt. Letzteres war bereits zu beobachten und hat die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt für Wohnungssuchende erheblich verschlechtert. Hingegen entspricht die Mietpreisbremse in ihrer Mechanik weitgehend dessen, was eine moderne Wohnungsmarktregulierung leisten sollte: Erstens macht sie Neubauten durch ihre Ausnahmen attraktiv. Zweitens ist sie für den regulierten Bestand an die Marktdynamik geknüpft und unterbindet damit lediglich das kurzfristig massive Überschießen der Preise. Drittens setzt sie sich automatisch außer Kraft, wenn Mietpreisanstiege unter bestimmte Schwellenwerte sinken. Es lohnt eine Debatte um eine Verbesserung der Mietpreisbremse, wenn gleichzeitig dafür gesorgt wird, dass die Ursache des Problems – fehlender Wohnraum – mit entsprechender Ausweitung des Angebots mittelfristig gelöst wird.