Im Zusammenhang mit der Steigerung der Preise für Energie und den bei einzelnen Unternehmen stark gestiegenen Gewinnen sind Forderungen nach einer Übergewinnsteuer laut geworden. Die Bundesregierung spricht von Zufallsgewinnen, im Englischen „windfall“ (Fallobst) profits. Das Verständnis von diesen Gewinnen als außergewöhnlich und unverdient beruht wesentlich darauf, dass sie nicht durch eigene Leistung erwirtschaftet seien, sondern Folge der Preissteigerung im Zusammenhang mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der Steigerung der Gaspreise. Die Profitierenden gelten einerseits als Krisen- oder Kriegsgewinner:innen, während auf der anderen Seite die hohen Energiekosten als eine wesentliche Ursache für eine drohende schwere Rezession und Inflation (Stagflation) ausgemacht werden; ganz abgesehen von der Unsicherheit hinsichtlich der Energieversorgung auf dem bisherigen Niveau.
Die Inflation erreicht Höhen, die seit vielen Jahrzehnten unbekannt waren. In der Presse werden angesichts der absehbaren Wohlstandsverluste soziale Unruhen für den kommenden Winter prophezeit und Politiker:innen erteilen Privaten Ratschläge, wie sie Energie sparen können. Der Angebotsschock führt zu einer vielseitigen wirtschaftspolitischen Diskussion: Zinserhöhung, Preisdeckel, Schuldenbremse, Stilllegung von Betrieben, Insolvenzen, Zuschüsse an breite Bevölkerungsschichten, Rationierung oder ob bei unzureichender Energieversorgung Industrie oder Haushalte vorrangig versorgt werden sollen.
Es liegt schnell auf der Hand und ist populär, dass die hohen Überschüsse der Krisengewinner:innen abgeschöpft werden sollen.1 Jedoch stellen sich bei genauerer Analyse einige Fragen. Die Gewinner, die die Preise für Gas in die Höhe getrieben haben, sitzen oft im Ausland und sind für den deutschen Fiskus schwer greifbar. Höchstpreise kann die deutsche Gesetzgebung Unternehmen mit Sitz oder einer Geschäftstätigkeit in Deutschland vorschreiben, jedoch nicht einem im Ausland tätigen Exporteur. Zudem stößt die Regierung auf die vergleichsweise strenge Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Steuern. Das Grundgesetz (GG) nennt in Art. 106 Abs. 3 die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die den Gewinn aus gewerblicher Tätigkeit besteuern. Eine Übergewinnsteuer, die manche Gewinne besonders besteuert, wäre verfassungsrechtlich problematisch: Mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer werden Gewinne bereits besteuert (die Gewerbesteuer ist ausdrücklich im GG geregelt). Die Gesetzgebung darf bei der Besteuerung von Gewinnen nur in engen Grenzen zusätzliche Differenzierungen für die Höhe des Steuersatzes aufnehmen, wobei die Unterscheidungen stets einer vom BVerfG überprüfbaren Rechtfertigung durch Sachgründe bedürfen, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Ob eine Differenzierung nach der Ursache für die hohen Gewinne (Krisengewinne, Energiebranche oder welches Merkmal gewählt werden wird) verfassungsrechtlich Bestand haben würde, ist fraglich, denn solche außergewöhnlichen Gewinne sind keineswegs unüblich.2 Außerdem dürfen Steuern regelmäßig nicht nachträglich für abgeschlossene Sachverhalte erhoben werden. Das heißt, ein 2023 beschlossenes Gesetz wird die hohen Gewinne 2022 nicht mehr erfassen können. Auf die im Ausland sitzenden Gasexportierenden, die von den hohen Preisen stark profitieren, kann der deutsche Staat kaum zugreifen.
Ein weiterer Angriffspunkt sind die hohen Preise für Strom. Der Strommarkt funktioniert nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip. Strom wird wie ein homogenes Gut entweder über die Strombörse EEX (European Energy Exchange), Leipzig, oder außerhalb der Börse (OTC) gehandelt. Die Preise im OTC-Handel und an der Energiebörse unterscheiden sich nicht stark, denn die Händler:innen kaufen dort den Strom, wo der Preis am günstigsten ist, eine Arbitrage ist wirksam.3
Langfristige Verträge führen zu verzögerter Wirkung
In diesem Rahmen werden zwischen den Kraftwerken und deren Kundschaft langfristige Verträge geschlossen, mit denen Preise und Mengen in Zeitspannen von einigen Wochen bis hin zu einigen Jahren im Voraus vereinbart werden. Der weit überwiegende Teil des Stroms wird auf der Grundlage von langfristigen Verträgen geliefert, in denen der Preis festgelegt ist (teilweise vermutlich auch mit Preisanpassungsklauseln bei geänderten Rohstoffpreisen).
Preiserhöhungen beim Gas schlagen aufgrund diverser vertraglicher Vereinbarungen nicht unmittelbar auf den Preis für Strom durch. Bei langfristigen Verträgen mit der Kundschaft (etwa den Stadtwerken oder der Industrie) führt der gestiegene Gaspreis in der Regel dazu, dass die Gaskraftwerke den Strom nicht mehr kostendeckend mit den bei niedrigem Gaspreis vereinbarten Preisen liefern können, es sei denn, sie haben sich bei niedrigen Gaspreisen mit langfristigen Verträgen für den Kauf von Gas abgesichert.4 Aber auch wenn es noch Gaskraftwerke gibt, die auf der Grundlage von vor längerer Zeit geschlossener langfristiger Verträge noch günstig Gas beziehen, wird deren Zahl immer geringer werden und neue Lieferverträge werden sich den geänderten Bedingungen anpassen.
In Abhängigkeit von der Laufzeit von Verträgen wird Bestandskundschaft die geänderten Preise erst mit einer zeitlichen Verzögerung bezahlen, während Neukundschaft gleich einen höheren Betrag zahlen muss. Wenn die Preise hoch bleiben, werden sich diese mit der Zeit auf allen nachgelagerten Handelsstufen und bei den gewerblichen und privaten Verbraucher:innen deutlich bemerkbar machen.
Spotmarkt
Daneben gibt es den Spotmarkt, auf dem in der Regel für den kommenden Tag (Day Ahead) und für den Spitzenausgleich Intraday Strommengen gehandelt werden. Die Spotmarktpreise können im Laufe eines Tages erheblich variieren und sind unter Umständen negativ (vgl. Abbildung 1).5
Abbildung 1
Strompreise stündlich am 14.8.2022
Quelle: Bundesnetzagentur.
Die Nachfrage nach Strom ist relativ preisunelastisch und reagiert nur schwach auf Preisänderungen. Strom „aus der Steckdose“ lässt sich nur in geringem Maß substituieren (oft mit hohen Investitionskosten verbunden). Die Preiselastizität ist nicht vollkommen unelastisch, weil z. B. manche Unternehmen den Betrieb infolge hoher Energiekosten einstellen (müssen). Der Grundbedarf bleibt jedoch hoch und das Ausscheiden einzelner Nachfragender führt noch nicht zu einer nennenswerten Senkung der Nachfrage. Auf längere Sicht sind jedoch eine deutliche Reduktion des Energieverbrauchs und eine Ablösung der fossilen Energieträger angezeigt.
Die Fixkosten, die selbstverständlich auch amortisiert werden müssen, bleiben theoretisch außen vor. Deshalb sprechen wir von Renten, nicht von Gewinnen. Das Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten, das noch benötigt wird, um die gesamte Nachfrage zu decken und dessen Preis unterhalb der Zahlungsbereitschaft liegt, bestimmt damit den Preis und die Margen aller günstigeren Anbieter (Grenzanbieter).
Die Preise für Strom in beiden Varianten, Termin- und Spotmarkt, richten sich nach Angebot und Nachfrage (vgl. Abbildung 2). Es ergeben sich zunächst die typischen Angebots- und Nachfragekurven: Die Angebotskurve von Strom hat eine positive Steigung und leitet sich über die Grenzkosten der Stromanbietenden her, die Nachfragekurve hat eine negative Steigung und hat angesichts der niedrigen Preiselastizität einen steilen Verlauf. Der Schnittpunkt beider Kurven bestimmt den Strompreis.
Abbildung 2
Merit-Order-Preise und Stromquellen
Quelle: eigene Darstellung.
Da Strom ein homogenes Gut ist, herrscht ein einheitlicher Preis, gleichgültig ob der Strom mit Windkraft, Kohle oder Gas produziert wird. Bei der Nachfrage gibt eine gewisse Grundlast, der regelmäßige Mindestverbrauch an Strom, der als Mindestmenge fortlaufend zur Verfügung gestellt werden sollte. Darüber hinaus unterliegt die Nachfrage typischerweise jahreszeitlichen und täglichen Schwankungen, sinkt in der Nacht und steigt tagsüber. Wenn die Nachfrage das Angebot der Anbieter mit niedrigen Grenzkosten überschreitet, wird das Angebot sukzessive auf Stromanbieter mit höheren Grenzkosten ausgeweitet, womit alle zu höheren Preisen (Markträumungspreis) verkaufen.
Steigt der Preis, profitieren Unternehmen mit geringen Grenzkosten davon, da ihre Produzentenrenten steigen, ohne dass sich ihre Technologie verbessert hätte oder ihre Kosten gestiegen sind. Diese Renten, die aus der Verteuerung des Angebots an Gas entstanden sind, sollen abgeschöpft oder reduziert werden (Übergewinnsteuer, Preisdeckel etc.) und eventuelle Erträge an die Endverbrauchenden alloziert werden.
Manche Kraftwerke sind dauernd in Betrieb, weil sie sich nicht kurzfristig zu- und abschalten lassen oder dauernd Strom liefern. Hierzu gehören Atomkraft, Laufwasser oder Kohle. An sonnigen oder windigen Tagen kann der Strom sehr günstig sein, weil die Grenzkosten von Windkraft- oder Photovoltaikanlagen niedrig sind und kaum noch Kraftwerke mit höheren Grenzkosten ihren Strom verkaufen können. Umgekehrt tritt auch der Fall ein, dass die Nachfrage höher ist als das Angebot an preisgünstigem Strom. Wir sprechen dann von einem Nachfrageüberschuss, der wegen der geringen Nachfrageelastizität zum Einsatz von Gaskraftwerken mit gegenwärtig sehr hohen Grenzkosten führt.6 Gaskraftwerke haben den Vorteil, dass sie schnell zu- und abgeschaltet werden können. Sie kommen trotz ihrer hohen Grenzkosten in Spitzenzeiten vermehrt zum Einsatz, weil Anbieter mit niedrigeren Grenzkosten die gewünschte Nachfrage, die bei Strom relativ unelastisch ist, nicht mehr bedienen können. Sie erhöhen so exorbitant die Renten der übrigen Anbieter.
Von der gesamten Nettostromerzeugung in Deutschland entfielen im ersten Halbjahr 2022 rund 12 % auf Gas. Auch wenn im Schnitt nur ca. 12 % des gesamten Strombedarfs aus teuren Gaskraftwerken stammt, bestimmen deren Grenzkosten, sofern die Nachfrage den Einsatz fordert, den Preis für alle anderen Kraftwerke und erhöhen deren Produzentenrenten.
Abbildung 3 mit Daten aus August 2022 zeigt die weitgehende Parallelität des Strompreises mit dem Verbrauch von Gas auf.7 Bei niedrigem Gasverbrauch ist der Preis deutlich unter 100 Euro/MWh gefallen, während er bei hohem Gasverbrauch auf über 800 Euro/MWh gestiegen ist.
Abbildung 3
Strom aus Gaskraftwerken und Strompreis
Quelle: Energy-Charts.info; ENTSO-E , AG Energiebilanzen; Letztes Update: 20.9.2022, 21:30 MESZ
Das Fraunhofer-Institut und die Bundesnetzagentur bieten auf den Websites energy-charts.info und www.smard.de zahlreiche Daten zu den Preisen auf den Strombörsen an. Wie man den Daten entnehmen kann, haben sich die Day-Ahead-Preise 2022 gegenüber denen in der Zeit von 2014 bis 2020 ungefähr verachtfacht. Die gemittelten Preise haben nach den Daten des Fraunhofer-Instituts in den vergangenen Jahren von 0 Euro/MWh (bzw. negativen Preisen) bis zu 465,18 Euro/MWh variiert, wobei sämtliche hohen Preise im August 2022 liegen. Im August 2020 hat der durchschnittliche Strompreis ca. 35 Euro/MWh betragen, im August 2022, dem bisherigen Spitzenmonat, ca. 455 Euro/MWh, also das Dreizehnfache. Für September 2022 zeichnen sich bislang niedrigere Preise ab, aber mit im Schnitt 346 Euro/MWh immer noch das rund Zehnfache im Vergleich zu August 2020.
Abbildung 4
Großhandelspreise für Strom auf dem Spotmarkt
Quelle: Bundesnetzagentur.
Abbildung 4 gibt den Verlauf der Großhandelspreise (Auflösung in Stunden) von Anfang September 2020 bis Ende August 2022 nach den Daten der Bundesnetzagentur wider. Man erkennt, dass über einen langen Zeitraum die Preise selten über 50 Euro/MWh gestiegen sind. Ab Mitte 2021 beginnt der deutliche Anstieg der Preise; zugleich setzen auch die großen Preisunterschiede innerhalb kurzer Zeiträume ein. Die Preise sind kurzfristig über 800 Euro/MWh gestiegen, aber selbst in den vergangenen Monaten gab es am Spotmarkt immer wieder sehr niedrige Preise. Der Grund dafür liegt an dem großen Angebot im Vergleich zur niedrigen Nachfrage (zumeist um die Mittagszeit, weil die Sonne scheint und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien die Nachfrage auch vollständig decken kann). Stromkraftwerke mit hohen Grenzkosten werden dann nicht benötigt. Die großen Sprünge ergeben sich aus den Abbildungen 2 und 5 und spiegeln die unterschiedlichen Grenzkosten der jeweiligen Stromanbieter wider. Ist das Angebot von vor allem Windkraft- und Photovoltaikanlagen groß (oder die Nachfrage im Verhältnis zu diesem Angebot gering), stellen sich niedrige Preise ein (vgl. Abbildung 5). Müssen auch Gaskraftwerke zugeschaltet werden, springt der Preis in die Höhe.
Abbildung 5
Niedrige Strompreise bei großem EE-Angebot
Quelle: eigene Darstellung.
Subventionierung des Gaspreises als Alternative zum Abschöpfen
Die EU hat am 14. September 2022 eine Preisgrenze von 180 Euro/MWh vorgeschlagen: Inframarginale Stromerzeuger hätten außergewöhnliche Gewinne erzielt, da die hohen Gaspreise den Großhandelsstrompreis in die Höhe getrieben haben, während gleichzeitig die Erzeugungskosten für diese Anbieter niedrig geblieben sind. Die Kommission hat eine „befristete EU-Einnahmenobergrenze von 180 Euro/MWh für Strom aus unter anderem Kernenergie, Braunkohle und erneuerbaren Energiequellen“ vorgeschlagen. Darüber hinausgehende Einnahmen sollen von den Regierungen der Mitgliedstaaten abgeschöpft und an die Energieverbrauchenden umverteilt werden, um die Auswirkungen der hohen Energiepreise abzufedern. Die EU rechnet bei der Abschöpfung von Umsätzen oberhalb der 180 Euro/MWh mit zusätzlichen Einnahmen von 117 Mrd. Euro (EU-weit). Wenn man berücksichtigt, dass in früheren Jahren der Preis selten mehr als 50 Euro/MWh betragen hat, dürften bei dieser pauschalen Obergrenze in der Regel die Renten immer noch sehr hoch ausfallen.
Nachfolgend wird eine andere Lösung diskutiert, die ohne Preisdeckel bzw. Abschöpfung von Umsätzen oberhalb einer bestimmten Grenze auskommt, jedoch den Preis senken sollte. Sie ist auf die Stromproduktion zugeschnitten, da dort der Hebel sich am stärksten auswirken sollte.8 Der Vorschlag beruht auf einem Modell, bei dem ein isolierter Faktor (Höffner, 2021) für die Renten der Unternehmen ausschlaggebend ist. In solchen Konstellationen kann es sinnvoll sein, wenn die Gemeinschaft die Wirksamkeit des für die Preisbildung aller Unternehmen maßgeblichen Faktors reduziert oder ausschließt. Die Preissteigerung beim Strom beruht hauptsächlich auf der Preissteigerung des Gases. Bei den Gaskraftwerken ist keine Steigerung der Rente eingetreten, während sich bei den anderen Kraftwerken die Rente möglicherweise verzehnfacht hat.
Anstelle des EU-Vorschlags, also dem Abschöpfen von Umsätzen oberhalb eines Preises von 180 Euro/MWh, kommt in Betracht, dass der Staat die Gaskosten zum Teil trägt. Im einfachsten Fall würde der Staat das Gas zu den derzeitigen hohen Marktpreisen einkaufen und mit Verlust an die Gaskraftwerke verkaufen. Damit würden die Zufallsgewinne der anderen Stromanbieter fallen, weil die Grenzkosten des teuersten Anbieters sinken (vgl. Abbildung 6). Es würde weiterhin Renten für die günstigeren Anbieter geben, die jedoch deutlich niedriger ausfallen. Der Mehraufwand für die Subventionen würde angesichts der niedrigen Menge an verstromten Gas und den hohen Preisunterschieden deutlich niedriger ausfallen als der Betrag, der durch die reduzierten Renten gespart wird (die Renten werden nach dem EU-Vorschlag auf andere Art reduziert).
Abbildung 6
Subventionierte Gasverstromung
Quelle: eigene Darstellung.
Der Staat könnte durch den von ihm gesteuerten Gaspreis die Grenzkosten der Gaswerke und damit den Strompreis senken. Er könnte den Gaspreis z. B. so bestimmen, dass die Grenzkosten in etwa der EU-Einnahmenobergrenze von 180 Euro/MWh entsprechen. Nach den Preisübersichten des Fraunhofer-Instituts sollten auch niedrigere Preise möglich sein. Sie betrugen lange Zeit um die 40 Euro/MWh.
Es erscheint beispielsweise nicht sinnvoll, wenn der Staat als Gashändler auftritt, wenn die entsprechende Erfahrung und Fachkenntnis bereits bei den Unternehmen vorhanden ist. Deshalb könnte der Staat nur eine Subvention der Gaskosten bereitstellen, die sich an einem Referenzpreis, dem allgemeinen Marktpreis für Gas, orientiert. Sinkt der Marktpreis, reduziert sich auch die Subvention automatisch.
Es muss dafür gesorgt werden, dass das subventionierte Gas ausschließlich für die Stromproduktion verwendet und nicht für Spekulationen genutzt wird.9 Da die Stromversorger TenneT, 50hertz, Amprion und TransnetBW auch grenzüberschreitend liefern, muss ein Mechanismus gefunden werden, der vermeidet, dass durch deutsche Steuergelder der Export von Strom ins Ausland finanziert wird (die Warenverkehrsfreiheit kann eine Hürde darstellen, sodass unter Umständen internationale Vereinbarungen notwendig werden).10 Allerdings dürften sich vergleichbare Schwierigkeiten beim Abschöpfen von Umsätzen oberhalb eines bestimmten Preises nach dem EU-Vorschlag zeigen, wenn es darum geht, wer etwa einen Teil der Umsätze der Windparks in der Ostsee abschöpfen darf: Wenn es das Land sein sollte, in dem der Betreiber sitzt, erscheint das nicht angemessen. Die Iberdrola Gruppe betreibt große Windparks in der Ostsee, hat aber ihren Sitz in Spanien. Zu den hohen Renten tragen die Anrainer der Ostsee (Import) bei, abgeschöpft würden sie vom spanischen Staat, wenn der Sitz des Unternehmens maßgeblich sein sollte (Export). Es müssen in beiden Fällen Kriterien zur Abgrenzungen gefunden werden.
Die Kosten, die dem Staat bei diesem Verlustgeschäft entstehen, kann man auf unterschiedliche Art decken.11 In Betracht käme neben der Zahlung aus den allgemeinen Steuereinnahmen bzw. Staatsschulden eine zweckgebundene Abgabe auf Strom, die zur Finanzierung der Verluste aus dem Gasgeschäft zu verwenden ist.
Bei dem EU-Modell würde der Strompreis weiterhin hoch bleiben, was einen durchaus sinnvollen größeren Anreiz zur Reduktion des Stromverbrauchs darstellt, allerdings bei einer großen Zahl von Akteuren ohne anderweitige finanzielle Hilfe ruinöse Folgen haben kann. Die Staaten würden zusätzliche Einnahmen erzielen, die sie nutzen können, um beispielsweise Zahlungen an diejenigen vorzunehmen, bei denen der Bedarf an Unterstützung am größten ist. Wer über ein hohes Einkommen verfügt, benötigt keine Unterstützung, sodass die Mittel nicht pro Kopf verteilt werden müssen. Im gewerblichen Bereich dürfte eine angemessene und praktikable Bemessung der Zuschüsse deutlich komplexer werden. Die Umverteilung der abgeschöpften Umsätze, insbesondere auf die Industrie, erscheint äußerst kompliziert, dürfte langwierig und mit vielen Auseinandersetzungen verbunden sein, und sie bietet Möglichkeiten für einen noch stärkeren Markteingriff, denn es wird unmittelbar die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bestimmt, je nachdem, wie viel die einzelnen Unternehmen (z. B. in Abhängigkeit der Branchen oder betrieblichen Kennzahlen) an Subvention erhalten. Eine Fehlallokation erscheint vorhersehbar.
Sinnvoller wäre es, die mit der Auszahlung der abgeschöpften Umsätze bezweckte Umverteilung mit dem vorgestellten Modell zu verbinden. Die Finanzierung der staatlichen Verluste aus dem Gasgeschäft wird etwa zu einem Teil über eine zweckgebundene Abgabe auf den Strom (Anreiz zur Reduzierung des Verbrauchs), zum anderen Teil über eine Erhöhung der Spitzensteuersätze erreicht (Umverteilung). Der Vorteil der dargestellten Alternative liegt in einem fallenden Strompreis, von dem jeder, mit Ausnahme derjenigen, deren Zufallsgewinne reduziert werden, unmittelbar profitiert. Bei unverändertem Angebot und Nachfrage fällt in unserer Lösung der Strompreis, da die Grenzkosten der kostenintensiven Gaskraftwerke fallen.
Die Bemühungen zur Umstellung der Energieversorgung und Reduktion des Energieverbrauchs sollten dadurch nicht weiter aufgeschoben werden. Vielmehr kann diese Lösung sogar die Möglichkeit schaffen, dass die notwendige Wende beschleunigt wird, weil Verluste minimiert werden. Europaweit niedrigere Stromkosten dürften zu einer Reduzierung der Inflation beitragen und damit den Druck auf die EZB zu einer weiteren Erhöhung der Zinsen mit erhöhten Rezessionsrisiko und Kosten für alle senken.12 Zugleich könnte sich die Höhe der notwendigen Unterstützung der Armen, der sogenannten vulnerablen Gruppen, reduzieren, da deren finanzielle Last nicht in den Maße steigt wie bei hohem Strompreis und hoher Inflation. Die Methode bietet auch der Industrie und den anderen Gewerben die Möglichkeit, Änderungen beim eigenen Stromverbrauch zu planen und durchzuführen. Bei unverändert hohem Preis werden an sich rentable Unternehmen den Preisschock kaum (oder nur mit Unterstützung) überstehen.
- 1 Gegen ein Abschöpfen von ungewöhnlich hohen Gewinnen wird typischerweise vorgebracht, dass sie erwünschte Allokationseffekte haben. Der hohe Gaspreis führt z. B. dazu, dass das kostenintensive Fracking mit Gewinn betrieben werden kann. Kohlekraftwerke, die noch umwelt- und klimaschädlicher als Gaskraftwerke sind, werden wieder rentabel und folglich länger als notwendig betrieben. Das sind unerwünschte Folgen, denn die schnellstmögliche Reduzierung des Verbrauchs an fossilen Energieträgern im Hinblick auf deren Schädlichkeit und der wirtschaftlichen und auch politischen Autarkie ist angezeigt.
- 2 So führte der Hype der Kryptoeinheiten zu einer unerwartet angestiegenen Nachfrage nach Grafikkarten und einem erheblichen Preisanstieg.
- 3 Der Strom wird von den Kraftwerken (die vier großen Stromproduzenten sind RWE, E.ON, EnBW, und Vattenfall) aus von Netzbetreibern (Tennet, Amprion, 50Hertz Transmission und TransnetBW) über Hochspannungsnetze zu den regionalen Versorgungsunternehmen (oft Stadtwerke) transportiert, die die regionale Verteilung durchführen. Die überregionalen Übertragungsnetzbetreiber sind aus einer vertikalen Entflechtung entstanden. Der Großteil des von RWE betriebenen Netzes übernahm Amprion, beim Netz von E.ON war es Tennet TSO, 50Hertz Transmission ist regional vor allem in Ostdeutschland und Berlin tätig und TransnetBW in Baden-Württemberg (EnBW). Die Stromlieferungen erfolgen theoretisch EU-weit über zusammengeschlossene Netze, wobei der Netzausbau zu langsam vorangeht (Bayern etwa wollte nur Erdkabel, die ein Vielfaches von Leitungen über Strommasten kosten). Da mit längerer Transportstrecke die Energieverluste zunehmen und die Leitungen teuer sind, ist die regional verteilte Produktion in der Regel sinnvoller. Die europäischen Netzwerkbetreiber für Strom sind in einem Verband der European Network of Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E) zusammengeschlossen, die auch die Strombörse betreiben.
- 4 Solche langfristigen Verträge wurden z. B. mit Uniper geschlossen. Das Unternehmen ist in tiefrote Zahlen gerutscht, weil es sich langfristig zur Lieferung von Gas zu günstigen Preisen verpflichtet hat, während die Kosten für die Beschaffung spätestens mit dem Lieferstopp Russlands ein Vielfaches betragen. Interessanterweise ist der Presse zu entnehmen, dass die Gesellschafter Uniper Kredite in Höhe von 7,5 Mrd. Euro gewährt haben, deren Rückzahlung nunmehr der Staat garantieren soll. Gesellschafterkredite fallen bei einer Insolvenz typischerweise vollständig aus.
- 5 Spotmarktpreise können als Indikator dienen, mit welchen Preisen auch bei langfristigen Verträgen zu rechnen ist, wenn der Gaspreis hoch bleibt und der Stromverbrauch und -mix sich nicht grundlegend ändert.
- 6 Es gibt ferner Transportengpässe. Wenn die hauptsächlich im Norden installierten Windkraftanlagen genügend Strom produzieren, kann dieser nicht in ausreichender Menge in den Süden transportiert werden (Nord-Süd-Stromtrasse). Die Folge: Im Süden wird Strom mit hohen Grenzkosten produziert und gekauft, was den gesamten Strompreis nach oben katapultiert, während der im Norden produzierte Strom in die Erde abgeleitet wird (oder die Windräder angehalten werden).
- 7 Dargestellt wird die tägliche Stromerzeugungsmenge aus Gas und der Preis, alle anderen Stromproduzenten sind ausgeblendet. Die kleinere Abbildung zeigt das Monatsende in einer feineren Auflösung.
- 8 Ca. 12 % des Erdgases wird in Deutschland für die Stromgewinnung verbraucht.
- 9 Spekulationsgeschäfte sind bereits jetzt mitverantwortlich für die hohen Preise. Die gegenwärtige Situation bietet zudem einen Anreiz vor allem für die Anbieter von großen Mengen an Strom z. B. aus Kohle durch Drosselung der eigenen Produktion das Angebot so zu verknappen, dass der Einsatz von Gaskraftwerken notwendig wird. Damit verzehnfacht er (bei gegenwärtigen Preisen) mit vergleichsweise geringem Einsatz seine Rente aus seinen aktiven Kohlekraftwerken.
- 10 Im ersten Halbjahr 2022 wurde für ca. 7,5 Mrd. Euro Strom exportiert und für ca. 4,8 Mrd. Euro importiert.
- 11 Laut Statistischem Bundesamt (Stand 26.1.2022) lag der Stromverbrauch in Deutschland 2020 bei gesamt 418.626 GWh. Davon entfielen 127.426.000 MWh auf Haushaltskundschaft bei einem durchschnittlichen Abgabepreis von 26,62 Cent je KWh, also 266,20 Euro/MWh.
- 12 In Frankreich hat die Regierung im Januar 2022 festgelegt, dass der Strompreis 2022 maximal um 4 % erhöht werden darf. EDF, der wichtigste Stromanbieter in Frankreich gehört zu 80 % dem Staat, musste in der Folge Strom teilweise mit Verlust verkaufen und verklagt den französischen Staat auf Schadensersatz. Die Inflation ist in Frankreich 2022 deutlich niedriger als in Deutschland. Die damit verbundenen Kosten sollen teilweise durch Abschöpfung der Renten finanziert werden.
Literatur
E. Höffner (2021), Geschichte und Wesen des Urheberrechts, Teil 3, VLB.