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Wieder einmal hat die Weltgemeinschaft bei einer internationalen Klimakonferenz – diesmal im ägyptischen Sharm el-Sheikh – darum gerungen, angemessen mit dem Menschheitsproblem Klimawandel umzugehen und wieder einmal gab es nur kleine Fortschritte, viel Stillstand und zu wenig Dynamik Richtung Erreichung der im Pariser Klimaabkommen gesetzten Temperaturziele. Eine Kerndimension des Klimaproblems ist die Verteilung der zu tragenden Lasten. Das sind zum einen Klimaschäden. Man denke etwa an die extremen Hitzewellen im Frühjahr 2022 in Indien und Pakistan und die Flutkatastrophe in Pakistan im Sommer, die jeweils Millionen Menschen betroffen haben und für die laut Attributionsforschung der Klimawandel erkennbar mitverantwortlich war. Die resultierenden Verluste und Schäden treten allen voran in den Regionen rund um den Äquator auf, also in Afrika, Lateinamerika, Indien, Pakistan und den südpazifischen Inselsaaten, die teilweise sogar vom Untergang bedroht sind. Zum anderen geht es darum, wer die Kosten der Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen trägt.

Verantwortlich für die bisherigen Treibhausgasemissionen, und damit Verursacher des Klimawandels, sind zu mehr als 55 % die Industrieländer. Weitere etwa 20 % der historischen Emissionen stammen aus Russland und China. Die von den negativen Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffenen Länder sind nur für einen sehr geringen Teil der bisherigen Emissionen verantwortlich. Selbst das bevölkerungsstarke Indien hat nur 3 % der historischen Treibhausgase emittiert. Zudem gehören sie zu den ärmeren oder ärmsten Ländern und haben weniger Möglichkeiten und Mittel für Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen. Sie berufen sich daher auf das Verursacher- und das Zahlungsfähigkeitsprinzip, wenn sie fordern, dass allen voran die reichen Industriestaaten sie bei der Abwendung, Minimierung und Bewältigung der Verluste und Schäden unterstützen sollen. Diese erkennen zwar an, dass sie gemäß den in der Klimarahmenkonvention verankerten „gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ besonders in der Verantwortung stehen, möchten aber vermeiden, formal haftbar gemacht zu werden. Im Pariser Klimaabkommen ist entsprechend sogar festgehalten, dass betroffene Länder keine Kompensationen einfordern können. Das Thema hat es also schwer und wurde bei bisherigen Klimakonferenzen weitgehend ignoriert. Es in Sharm el-Sheikh auf die offizielle Agenda zu bringen, war ein erster Erfolg. Am Ende der Konferenz stand sogar eine Einigung auf einen neuen Finanzierungsmechanismus zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern. Dabei bleibt noch vieles offen, unter anderem wie viel Geld bereitgestellt werden soll, wer das Geld gibt und welches Land es erhält. Aber ein Anfang ist gemacht. Dies ist zu Recht als wichtiger Schritt zu einer international fairen Lastenverteilung zu werten.

Erneut gab es daneben auch positive multi- und bilaterale Vereinbarungen, wie etwa der Abschluss einer Joint Energy Transition Partnership (JETP) mit Indonesien, einem der größten Kohleverbraucher der Welt. Ebenfalls im Sinne einer fairen Lastenverteilung hat sich damit eine Reihe von Industrieländern verpflichtet, dem Land beim Aufbau erneuerbarer Energien zu helfen. Auch ökonomisch ist dies sinnvoll, da die Vermeidungskosten in Entwicklungs- und Schwellenländern typischerweise geringer sind als in den Industrieländern.

All dies sind wichtige Bausteine einer fairen globalen Lastenverteilung, verdecken aber kaum, dass die Konferenz bei der eigentlichen Kernfrage von Vermeidungsmaßnahmen quasi nicht vorangekommen ist. Der Preis für die Bottom-up-Herangehensweise des Pariser Abkommens ist die weiterhin bestehende Lücke zwischen den nationalen Selbstverpflichtungen und dem, was nötig wäre, um die übergeordneten Temperaturziele zu erreichen. Die Idee des Pariser Abkommens war, dass die Lücke nach und nach geschlossen wird und gerade die Klimakonferenzen zu einer entsprechenden Dynamik beitragen. In der letzten Klimakonferenz 2021 in Glasgow war eine solche Dynamik durch viele neue nationale Reduktionsziele spürbar, in Sharm el-Sheikh sind nennenswerte Zusagen ausgeblieben. Wenn die Reduktionsbemühungen nicht sehr deutlich und sehr schnell stärker werden, wird es auf den folgenden Klimakonferenzen viel mehr um die Schäden und Verluste des Klimawandels gehen, der unbeeindruckt von dem erfolglosen Ringen um Einigungen weiter voranschreitet. Vielleicht liegt die Enttäuschung über die Klimakonferenz aber auch an falschen Erwartungen und man muss anerkennen, dass es unter dem voranschreitenden Klimawandel bei dieser Art von Konferenzen zunehmend um finanzielle Kompensationen für Anpassungen gehen wird, während es für Fortschritte bei der Begrenzung des Klimawandels andere Formate braucht. Würden etwa die G7 voran­gehen oder Deutschlands Bemühungen um einen Klimaclub mit großen Emittenten Erfolg haben, wäre für Emissionsreduktionen mehr gewonnen, als von den nächsten internationalen Klimakonferenzen zu erwarten ist.

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© Der/die Autor:in 2022

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DOI: 10.1007/s10273-022-3334-x

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