Hohe Preise für den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen sind ein effizienter Weg, um den Umstieg auf ein nachhaltiges Wachstumsmodell und die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Trotz der Einführung von CO2-Preisen für Emissionen in Deutschland und Europa sind große Bereiche noch nicht von einer CO2-Bepreisung abgedeckt. Zusätzlich sind die Preise sehr wahrscheinlich zu niedrig, um die Zielerreichung im Klimaschutz zu sichern. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung eines Schattenpreises auf Emissionen aus öffentlichen Beschaffungen und Investitionen ein weiterer Mechanismus, der die Energiewende unterstützen kann und auch indirekte Emissionseinsparungen finanziell attraktiv macht. Die zu erwartende Wirkung ist durch die niedrige Preisspanne, den kurzen Planungshorizont und die bisher eingeschränkte Anwendung auf Bundesausgaben begrenzt.
In der Wohlfahrtsökonomie gibt der Schattenpreis die Veränderung einer Zielfunktion an, wenn durch externe Umstände eine zusätzliche Ressourceneinheit verfügbar ist. Wie würde sich beispielsweise die Wirtschaftsleistung eines Landes verändern, wenn eine marginale Einheit Erdöl zusätzlich verfügbar wäre? Unter freiem Wettbewerb und ohne Marktversagen ist dieser Wert genau der Nutzen des Konsums einer Ressource, sein Kapitalwert und auch sein Marktpreis. Bei erneuerbaren Ressourcen steuert dieser Schattenpreis Konsum- und Investitionsentscheidungen so, dass ein langfristig stabiles Gleichgewicht erreicht wird. Bei endlichen Ressourcen steigt der Schattenpreis abhängig von der Diskontrate im Laufe der Zeit so, dass der Konsum immer weiter zurückgeht (Siebert, 1982).
In der Realität sind Schattenpreise nicht so leicht erfassbar, etwa aufgrund des Auftretens von externen Effekten. Dies sind Wirkungen auf Dritte, die nicht in den marktlichen Interaktionen erfasst sind. Das gilt insbesondere für Treibhausgase, deren schädliche Effekte für die meisten Verursacher:innen nicht durch Märkte bewertet, d. h. durch einen Preis internalisiert werden. Doch selbst ein ungefährer Wert für den Schattenpreis, also die gesellschaftlichen Kosten, wenn beispielsweise eine weitere Tonne CO2 ausgestoßen wird, kann beim Umstieg auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Unternehmen berechnen etwa Schattenpreise bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen, wenn für manche Güter keine Marktpreise zur Verfügung stehen. Wird eine Steuer in Höhe des Schattenpreises auf Emissionen erhoben, werden im Gleichgewicht nur so viele Treibhausgase ausgestoßen, dass Schaden und Nutzen im Gleichgewicht sind. Aber auch ohne Steuer kann ein Schattenpreis helfen: Wenn Firmen, der Staat oder sogar Haushalte bei Kosten-Nutzen-Abwägungen diesen Preis berücksichtigen, wird der gleiche Effekt erreicht. CO2-arme Güter, Technologien und Dienstleistungen sind dann im Vergleich günstiger, und mehr Geld fließt in Investitionen und Produktionsweisen, die Treibhausemissionen vermeiden. Für öffentliche Ausgaben gelten vereinheitlichte Vorgaben, die sich an Gesetzen und Verordnungen orientieren. Ein Schattenpreis kann also per Vorgabe für Beschaffungen und Investitionen eingeführt werden, wie es 2021 für die Bundesebene bereits geschehen ist.
Öffentliche Auftraggeber in Deutschland geben jedes Jahr ca. 400 Mrd. Euro für Beschaffungen aus. Das entspricht rund 13 % des Bruttoinlandsprodukts. Die Bundesebene ist für rund die Hälfte dieser Ausgaben verantwortlich (StBA, 2021; Umweltministerium BW, 2017). Grundlage der Auftragsvergabe ist dabei jeweils die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit, aber auch umweltbezogene Aspekte dürften eine Rolle spielen (BMI, 2016). Ohne Schattenpreis werden dazu Verfahren wie die Nutzwertanalyse eingesetzt: Auf Kriterien wie Preis, Qualität und nachhaltige Rohstoffe werden Punkte vergeben und unterschiedlich gewichtet. Mit einem Schattenpreis wiederum werden die indirekten Klimafolgen direkt als Kosten auf den Angebotspreis aufgerechnet. Wenn Nettoeinsparungen, z. B. durch die Minderung des CO2-Ausstoßes in die Atmosphäre, entstehen, zählen diese als positiver Geldwert. Dadurch werden emissionssparende Anschaffungen und Investitionen im Vergleich wirtschaftlicher. Für eine Investition, bei der beispielsweise ohne einen Schattenpreis (SP) gilt, dass der Mehrwert aus einem Projekt A größer ist als der aus einem Projekt B, könnte mit einem Schattenpreis gelten, dass der Mehrwert minus SP*Emissionen aus Projekt A dann kleiner ist als der Mehrwert aus Projekt B minus SP*Emissionen. So wird in diesem Beispiel durch den Schattenpreis das Projekt mit geringeren Emissionen zur wirtschaftlicheren Investition.
Mit einem einheitlichen Schattenpreis wirken theoretisch durch eine gleichmäßige Gewichtung an verschiedenen Stellen in der Verwaltung die gleichen Anreize zur Auswahl von emissionsarmen Anschaffungen und Investitionen. Die effizientesten Einsparungen werden bevorzugt, das Verfahren wird vereinfacht und die Last der Einsparung wird auf mehrere Bereiche verteilt. Wenn der Preis hoch genug ist, leistet die öffentliche Hand dadurch einen effektiveren Beitrag zur Energiewende. Neben den Emissionen bei der Nutzung von Anschaffungen, sind für diese Berechnung auch solche wichtig, die bei der Herstellung, Bereitstellung und bei der Entsorgung anfallen. Ein Beispiel: Für Holzscheite und Pellets entsteht mehr als die Hälfte der Emissionen nicht im Verbrauch, sondern in der Produktion (Giuntoli et al., 2015). Ein Vergleich der Treibhausgasmenge lediglich aus der Verbrennung verweist also nicht eindeutig auf die umweltfreundlichere Option. Noch schwieriger wird die Berechnung der entstandenen Emissionen, wenn Produktionsketten global und komplex sind. Auf europäischer Ebene werden beim Joint Research Center der EU-Kommission und in Deutschland bei der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) entsprechende Werkzeuge und Datenbanken zur Schätzung dieser Emissionen bereitgestellt, sodass auch vorgelagerte Emissionen zur Berechnung von Schattenpreisen herangezogen werden können (BMI, 2021; EU-Kommission, 2021a).
Schattenpreise für öffentliche Ausgaben in der Praxis
Im Jahr 2021 wurde eine Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) von 2019 beschlossen, die für Investitionen und Beschaffungen auf Bundesebene einen CO2-Schattenpreis verpflichtend macht. Zuvor war für alle öffentlichen Träger nur eine allgemeine Berücksichtigung der Klimaziele vorgeschrieben. Jetzt muss für alle verursachten oder vermiedenen Emissionen ein Schattenpreis von mindestens den Werten in § 10 Absatz 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) eingerechnet werden. Im BEHG werden für 2021 bis 2025 feste und jedes Jahr steigende Preise für die Emission 1 t CO2 von 25 Euro bis 55 Euro angegeben. Ab 2026 werden die Emissionsrechte versteigert mit einem Preiskorridor von 55 Euro bis 65 Euro.1 Der Schattenpreis für die Bundesebene orientiert sich dann am jeweiligen Mindest- oder Festpreis. Da die Emissionen nach 2026 weiter reduziert werden sollen, ist ein noch stärkerer Anstieg wahrscheinlich. Besonders für größere Ausgaben mit langfristiger Wirkung über fünf Jahre hinaus gibt es somit keine verbindliche Vorgabe. Dadurch wird die Wirkung des Preises in der Praxis begrenzt. Sowohl im BEHG als auch im KSG gilt der CO2-Preis auch für alle anderen Treibhausgasemissionen und wird dort auf das Äquivalent des Klimaschadens 1 t CO2 berechnet (KSG, 2021; BEHG, 2020).
Länder und Kommunen verantworten ca. 47 % aller öffentlichen Ausgaben. Besonders auf Kommunalebene gibt es oft nicht ausreichend Kapazitäten, um selbstständig Verfahren wie Schattenpreise zu implementieren. Für sie gilt laut KSG, dass sie ihre eigenen Vorgaben ausgestalten können. Sie sind daher nicht vom bestehenden Schattenpreis für die Bundesebene betroffen. Der Verwaltungsaufwand sowie politische und rechtliche Hürden können die Umsetzung erschweren. In Baden-Württemberg beispielsweise beschlossen die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vom März 2021 einen Schattenpreis für Sanierungen und Neubauten aus Landesmitteln in Höhe von 180 Euro, einer Empfehlung des Umweltbundesamtes zur Höhe der Klimaschäden folgend. Eine Ausweitung des Preises auf andere Bereiche wird geprüft (Grüne/CDU BW, 2021). Im Juli 2021 stellte die Landesregierung einen Gesetzentwurf für eine Änderung des Landes-KSG vor. Schattenpreise wurden dort nicht erwähnt. In einer Stellungnahme auf Antrag der FDP/DVP verwies die Landesregierung auf die rechtliche Komplexität des Vorhabens (Landtag-BW, 2021a und 2021b). Weitere denkbare Hindernisse sind die Höhe des Preises im Vergleich zu bisherigen Regelungen und die mögliche Last für finanzschwache öffentliche Haushalte, die Ungleichheiten verstärken könnte.
Deutschland ist nicht das erste Land, in dem Schattenpreise für öffentliche Ausgaben diskutiert werden. In den USA und Großbritannien werden schon länger entsprechende Schätzungen veröffentlicht und in unterschiedlichem Maß verpflichtend in der Verwaltung verwendet. In den USA müssen aufgrund des National Environmental Policy Acts (NEPA) von 1970 Bundesbehörden die Umweltfolgen unter anderem bei Zulassungen, Landnutzung und Bauvorhaben berücksichtigen. 2007 urteilte ein Bundesgericht, dass Behörden einen Schattenpreis für Emissionen bei relevanten Entscheidungen berücksichtigen müssen (Ninth Circuit Court, 2007). Seit 2010 werden dafür einheitliche Schätzungen zu den gesellschaftlichen Kosten von Treibhausgasemissionen (social cost of greenhouse gases, SC-GHG) veröffentlicht. Herausgeberin ist die Interagency Working Group (IWG), die zu diesem Zweck von der Obama-Regierung berufen wurde. Die Schätzungen wurden 2013 und 2015 aktualisiert und werden von Behörden seit 2015 für Methan- und seit 2016 für Distickstoffmonoxide (N2O) verwendet. Nachdem die IWG 2017 von der Trump-Regierung aufgelöst und die SC-GHG-Schätzungen abgeschwächt wurden, wurden die Gruppe und die Schätzungen durch die Biden-Regierung im Executive Order 13,990 (Executive Office of the President, 2021) im Januar 2021 wiederhergestellt, und neue Werte im Februar durch die IWG publiziert (CRS, 2021; IWG, 2021). Laut einer Untersuchung des Institute for Policy Integrity (2021) gibt es keine Behörde, die die IWG-Schätzungen regelmäßig bei NEPA-Analysen einsetzt. Einige Behörden, wie die Nuklear- und die Energie-Aufsicht (USNRC, FERC), benutzten diese sogar niemals. Der Executive Order 13,990 schreibt die Anwendung der Schätzungen nun für alle Behörden vor. Ob und wann sie flächendeckend umgesetzt wird, ist jedoch unklar. Der Preis liegt aktuell bei 51 US-$ pro t CO2 (Chemnik, 2021). Zur Zeit der Trump-Regierung lag er zwischenzeitlich zwischen 1 US-$ bis 7 US-$, am Ende der Regierungszeit Barack Obamas bei 52 US-$ (Stone, 2021). In einer Entscheidung der Umweltbehörde EPA zur Luftverschmutzung kamen die neuen Werte bereits zur Anwendung. Trotz Klagen gegen den Executive Order von republikanisch geführten Bundesstaaten könnten die Schätzungen der SC-GHG also in Zukunft mehr Wirkung entfalten. Der Gesetzentwurf S.2085 (Save Our Future Act) von zwei demokratischen Abgeordneten, eingebracht im Juni 2021, orientiert sich beim Vorschlag einer Bepreisung von CO2 ebenfalls an dem Wert der IWG. Trotz großer Schwankungen gibt es in den USA somit eine offizielle Richtlinie für die Anwendung von Schattenpreisen für öffentliche Ausgaben.
Noch umfassender ist die Umsetzung in Großbritannien. Dort gibt es seit 2009 eine einheitliche Schätzung des Schattenpreises durch das Department for Business, Energy and Industrial Strategy (BEIS). Seit 2020 schreibt das Finanzministerium im sogenannten Green Book die Benutzung dieser Schätzungen in der Verwaltung vor. Nachdem 2003 das erste Mal ein Schattenpreis im Green Book empfohlen wurde, gab es mehrere Änderungen der Berechnungsmethode, vom „Social Cost of Carbon“-Ansatz bis zuletzt zu marginalen Vermeidungskosten. Seit 2011 werden aktuelle Berechnungen nach einem transparenten Anpassungsverfahren jährlich publiziert. Darüber hinaus gibt es eine offizielle Schätzung für die Werte bis 2100, sodass auch sehr langfristige Projekte danach evaluiert werden können. Dadurch erhält der Schattenpreis eine konsistente Signalwirkung und bietet eine gute Orientierungsgrundlage für Wirtschaft und Verwaltung (UK Department of Energy and Climate, 2007; UK BEIS, 2021a). Zur Erreichung der britischen CO2-Budgetziele werden Schattenpreise für 1 t CO2-äquivalent in Höhe von 248 £/tCO2ä für 2022, 280 £/tCO2ä für 2030 und 378 £/tCO2ä für 2022 festgelegt (UK BEIS, 2021b).
In Frankreich hat das Beratungsgremium des Premiers France Stratégie einen Bericht der Alain-Quinet-Kommission vorgestellt, die von Premier Édouard Philippe einberufen wurde. Der Bericht empfiehlt einen Schattenpreis von 87 Euro (2020) bis 250 Euro (2030) pro t CO2. Er orientiert sich dabei, ebenso wie der Schattenpreis in Großbritannien, nicht an den gesellschaftlichen Kosten von Emissionen, sondern an der Vereinbarkeit mit dem Ziel, bis 2050 insgesamt keine zusätzlichen Treibhausgase mehr auszustoßen (net-zero emissions). Zielkonsistente Preise haben den Vorteil, dass sie insbesondere über die lange Frist weniger Annahmen treffen müssen. Die Schätzungen der Kommission sollen in mehr Bereichen und besonders bei öffentlichen Investitionsprojekten angewandt werden, wo derzeit noch nicht überall CO2-Emissionen einberechnet werden. Zuletzt empfiehlt der Bericht eine Kooperation bei der Berechnung, Anwendung und Auswertung über die EU-Kommission und mit Partnerländern in Europa (Bueb et al., 2019).
Eine Untersuchung internationaler Entwicklungsbanken durch den Think Tank E3G kam zu dem Schluss, dass sechs von sieben eine Form von Schattenpreis bei Investitionsentscheidungen berücksichtigen.2 Die Umsetzung der Europäische Investitionsbank (EIB) wurde als besonders ehrgeizig hervorgehoben, da sie die Empfehlungen der High-Level Commission on Carbon Prices der Weltbank überstiegen. Für 2020 betrug deren Empfehlung 40 US-$ bis 80 US-$ pro t CO2. Kein Schattenpreis wird derzeit bei der African Development Bank verwendet (Dunlop et al., 2020). Eine Möglichkeit, um die Vorteile von Schattenpreisen mit dem Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeit“ des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) zu vereinbaren, wäre aus Sicht von Kommentatoren eine Anpassung der CO2-Preise an die Bedingungen des jeweiligen Landes, möglicherweise auf Basis des HDIs (auch Boroumand et al., 2021).
Schattenpreise oder direkte Emissionspreise?
Müssen auf Emissionen direkt Preise gezahlt werden, die den gesellschaftlichen Kosten entsprechen bzw. effektiv zu den Klimazielen beitragen, dann sind zusätzliche Schattenpreise nicht nötig. Statt erst in einer Wirtschaftlichkeitsrechnung wirken Emissionspreise bei jeder Transaktion automatisch, indem vermiedene oder negative Emissionen finanziell vorteilhaft werden. Wenn es also schon direkte Preise gibt, sind Schattenpreise dann überflüssig oder sogar problematisch?
Seit Anfang 2021 gelten durch das BEHG Preise für Emissionen aus Brennstoffen, die durch Herstellung oder Import in den Verkehr gebracht werden. Dadurch werden auch Benzin, Gas und Heizöl dort bepreist, wo deren Nutzung nicht durch das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) erfasst ist. Das EU-ETS wurde 2005 initiiert und deckt Treibhausgasemissionen ab, wenn sie bei der Strom- oder Wärmeerzeugung, bestimmten industriellen Prozessen oder innereuropäischen Flügen entstehen. Davon ausgenommen sind kleinere Erzeuger und Produzenten sowie Emissionen aus der Landwirtschaft, Gebäude- und aus der Abfall- und Abwasserwirtschaft. Basierend auf Schätzungen des Bundesumweltamts könnten also ohne die Bereiche, die von BEHG und EU-ETS erfasst werden, mindestens 9 %, aber potenziell bis zu 40 % der Emissionen in Deutschland nicht von einem echten CO2-Preis abgedeckt sein.3 Der Grenznutzen der Einführung weiterer CO2-Preise für immer weniger emissionswirksame Stoffe ist abnehmend. Deshalb ist der Aufwand über diese Preise alle Emissionen abzudecken möglicherweise sehr hoch. Ob Schattenpreise zumindest für öffentliche Ausgaben effektiver sind, hängt von der rechtlichen Komplexität und dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand ab.
Schattenpreise sollten nicht jene Bereiche doppelt belasten, die bereits von existierenden Emissionspreisen betroffen sind. Deshalb muss bei jeder Anwendung der entsprechende Wert herausgerechnet werden. Für die Bundesebene regelt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima) vom Oktober 2021 die zentralen Vorgaben für die Bedarfsanalyse und Beschaffung, die sich auch aus dem KSG ergeben. Dort wird die Anwendung des Schattenpreises dann ausgesetzt, wenn die realen Angebotskosten durch das BEHG oder EU-ETS bereits vollständig CO2-Kosten in der Mindesthöhe enthalten. Sind die Kosten niedriger, muss die Differenz zum Schattenpreis aufaddiert werden. Es darf auch, wenn durch die jeweilige Stelle ein höherer Schattenpreis eingesetzt wird als nach BEHG vorgeschrieben, dieser höhere Preis angesetzt werden. So wird eine Doppelbelastung vermieden und den teilweise deutlich höheren Schattenpreisen im europäischen Vergleich Rechnung getragen, es entsteht aber ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Unklar ist auch, wie gut diese Differenzierung bei mehrstufigen internationalen Wertschöpfungsketten funktioniert. Die kumulierten CO2-Emissionen in den Produktionsketten einzelner Güter und die eventuell bereits gezahlten heterogenen CO2-Preise sind schwer erfassbar (BMWi, 2021). Ein Hinweis zur Vermeidung einer doppelten Zählung von CO2-Kosten durch die Anwendung findet sich auch im Zusatzmaterial des UK BEIS (2021a) zum Green Book des Finanzministeriums in Großbritannien.
Wie hoch sollten Schattenpreise sein?
In Baden-Württemberg soll ein Schattenpreis von 180 Euro angewandt werden, auf Bundesebene gilt 2021 noch der BEHG-Schattenpreis von 25 Euro. Wie hoch müssen Schattenpreise sein, um zwar effektiv zum Erreichen der Klimaziele beizutragen, aber ohne die öffentlichen Ausgaben zu stark zu belasten?
Der Wert in Baden-Württemberg liegt nah bei der Empfehlung des Umweltbundesamts von 195 Euro für 2020 in der Methodenkonvention 3.1 zur Ermittlung von Umweltkosten vom Dezember 2020. Ähnlich liegt der Wert von 182 Euro, im 5. Sachstandsbericht des IPCC 2014 (Matthey und Bünger, 2020). Der Wert ergibt sich aus dem Schadenskostenansatz des Umweltbundesamts. Es werden dabei nicht die Kosten berechnet, die durch die Vermeidung der Treibhausgasemissionen anfallen, sondern der Schaden, der durch den Klimawandel für die Gesellschaft entsteht. Weiterhin werden Schäden in anderen Ländern mit dem Verhältnis der durchschnittlichen Einkommen gewichtet, um die relative Schwere der Wohlfahrtsverluste durch den Klimawandel abzubilden. Je breiter ein CO2-Preis global und in Deutschland eingesetzt wird, desto niedriger muss er allgemein sein, da sich die Kosten weiter verteilen. So schätzt ein Report der High-level-Commission on Carbon Pricing unter der Leitung von Nicholas Stern und Josef Stiglitz, dass 44 Euro bis 88 Euro bis 2030 als globaler CO2-Preis ausreichen würden. Dem Bericht zufolge sind Schattenpreise in der Verwaltung eine gute Ergänzung zu realen CO2-Preisen (Stiglitz et al., 2017).
Bei aller Unsicherheit über die genaue Preisspanne besteht kein Zweifel daran, dass der Preis hoch genug sein muss, um die Klimaziele zu erreichen. Das Risiko eines zu hohen Preises ist jedoch die kurzfristige finanzielle Belastung durch die Kosten der Transformation zu einer klimaneutralen Produktionsweise, und die damit verbundenen politischen Risiken. Laut eines Berichts des Mercator Research Institutes on Global Commons and Climate Change (MCC) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) an den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von 2019 sind die CO₂-Preise, die sich bisher aus KSG und BEHG bis 2025 ergeben, rund 40 Euro zu niedrig. Weiterhin müssten sie danach noch sehr viel stärker steigen. Ein hoher Schattenpreis für öffentliche Ausgaben könnte für die Zeit, bis die tatsächlichen Preise ausreichend steigen, eine Übergangslösung sein.
Brauchen wir Schattenpreise für öffentliche Ausgaben?
Schattenpreise für klimaschädliche Treibhausgasemissionen aus öffentlichen Ausgaben sind kein perfektes Instrument: Die Umsetzung für alle Bereiche der öffentlichen Hand ist rechtlich komplex. Die Anwendung in der Verwaltung erfordert aufwändiges Vermeiden einer Doppelbelastung. Ein direkter Preis für Emissionen würde eine breitere Wirkung erzielen. Wie bei direkten Preisen ist auch hier die richtige Höhe umstritten und von Unsicherheit behaftet. Zu niedrige Preise verfehlen ihre lenkende Wirkung und internalisieren die Klimaschäden nicht ausreichend, zu hohe Preise verursachen hohe Ausgaben und belasten womöglich bereits jetzt finanziell eingeschränkte öffentliche Haushalte: Hohe politische Kosten und Verteilungsungleichheit sind denkbare Folgen. Gibt es trotzdem Grund, über die Anwendung der Schattenpreise in mehr Bereichen nachzudenken?
Anders als Subventionen und gesetzliche Vorgaben sind Preise transparent und technologie-neutral. Emissionen werden dadurch dort eingespart, wo es am effizientesten ist und am wenigsten Kosten verursacht. Auch Schattenpreise würden die Transformation der Wirtschaft zu weniger Emissionen unterstützen, zu den Klimazielen beitragen und das Risiko von Fehlinvestitionen verringern. Je früher Preisanreize die externen Kosten von Emissionen internalisieren, desto schneller gelingt die Transformation und desto wettbewerbsfähiger ist die deutsche Wirtschaft, wenn in Zukunft Preise für Emissionen schneller steigen. Abhängig von ihrer Komplexität und den tatsächlichen Verwaltungskosten sind Schattenpreise eine sinnvolle Möglichkeit für die Politik, zumindest für öffentliche Ausgaben einen höheren effektiven Preis umzusetzen.
Nicht zuletzt hat ein Schattenpreis für öffentliche Ausgaben auch eine Signalwirkung. Eine Selbstverpflichtung zeigt Verbindlichkeit, wenn in der EU oder mit Handelspartnern verhandelt wird. Ein Erfolg dieser Verhandlungen entscheidet über Kooperation beim Klimaschutz, über die Wirksamkeit von sogenannten Klimaklubs und Handelsmechanismen wie dem CBAM4, die die Verlagerung von Emissionen ins Ausland verhindern sollen. Auch Unternehmen beobachten das Verhalten der Regierung und passen ihr Verhalten entsprechend an. Laut McKinsey (Fan et al., 2021) benutzten 2019 schon 23 % der globalen Unternehmen5 einen internen Preis für Emissionen. 22 % planten die Einführung in den nächsten zwei Jahren. Die Gründe dafür sind einerseits eine eigene Signalwirkung an Regierung und Konsument:innen, andererseits müssen auch Unternehmen ihr Geschäftsmodell und die Risikoabschätzung bei Investitionen an Klimawandel und Klimapolitik anpassen. Für explizite CO2-Preise gibt es Hinweise, dass die Politik darüber einen direkten Einfluss auf die internen Bewertungsmaßstäbe von Unternehmen hat (Bento et al., 2021). Zumindest für Unternehmen, die viel im öffentlichen Auftrag arbeiten, sollte ein Schattenpreis einen ähnlichen Effekt haben. Und für die Politik sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich das eigene Handeln entweder direkt an den Klimaschäden orientiert oder an CO2-Preisen, die den eigenen Zielsetzungen gerecht werden.
- 1 Dabei ist die Menge der Zertifikate für die jährliche Emissionsmenge Deutschlands laut EU-Klimaschutzverordnung limitiert. Sollten diese Menge 2021 bis 2026 durch Emissionen in Deutschland überschritten werden, kauft die Bundesregierung Emissionszuweisungen aus anderen Mitgliedstaaten auf (BEHG, 2020, § 4 und § 5).
- 2 Die Asia Development Bank (ADB), Asia Infrastructure Investment Bank (AIIB), European Bank for Reconstruction and Development, European Investment Bank (EIB), International Bank for Reconstruction and Development/International Development Association (IBRD/IDA, The World Bank), Inter-American Development Bank und die International Financial Corporation (IFC, World Bank Group).
- 3 Im EU-Durchschnitt deckt das EU-ETS ca. 40 % der Emissionen ab. Der Transportsektor in Deutschland, der größtenteils durch das BEHG erfasst wird, deckt 20 % ab. Es bleiben 40 % Emissionen aus anderen Quellen (EU-Kommission, 2021b).
- 4 Der CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) wurde am 14. Juli 2021 von der EU-Kommission beschlossen, wird aber frühestens 2026 wirksam werden.
- 5 Das war das Ergebnis einer Analyse von 2.600 Unternehmen, die an das Carbon Disclosure Project (CDP) berichteten.
Literatur
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