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Die Verbraucherpreise haben in den vergangenen Monaten weltweit stark angezogen. In vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften wurden langjährige Höchststände erreicht. Im März 2022 betrug die Inflation in den USA 8,5 %, im Euroraum 7,4 % und in Großbritannien 7 %. In Deutschland wurde mit 7,3 % die höchste Inflationsrate seit 1981 verzeichnet. Die bereits vorliegenden Zahlen für den April deuten auf einen ähnlich hohen Preisanstieg hin.

Der Inflationsschub ist mit dem Ukrainekrieg in Verbindung zu bringen. Die Preise für Rohstoffe und Landwirtschaftsprodukte stiegen nach der Invasion nochmals stark an. Speziell erhöhte sich der Ölpreis nach dem Kriegsausbruch deutlich, auf mehr als 100 US-$ je Barrel der Sorte Brent, und die Preise für Erdgas in Europa und Flüssiggas weltweit legten stark zu. Kräftig gestiegen sind auch die Preise für einige Industrierohstoffe und vor allem für Nahrungsmittel. Russland und die Ukraine sind bedeutende Exporteure von Getreide und Pflanzenöl. Der Krieg hat die Verfügbarkeit dieser Güter am Weltmarkt verringert und die Unsicherheit über die Größe der kommenden Ernte massiv erhöht. Zudem haben kriegsbedingte Ausfälle bei der ukrainischen Industrieproduktion und Rückgänge im Handel mit Russland das Problem der Lieferengpässe wieder verschärft, nachdem es um die Jahreswende Anzeichen für eine allmähliche Entspannung gegeben hatte. Allerdings erfolgte der größere Teil der Inflationsbeschleunigung bereits vor dem Ukrainekrieg. Schon seit dem Frühjahr 2021 werden zunehmende Inflationsraten verzeichnet, und die Produzentenpreise waren im Februar 2022 – also vor Kriegsbeginn – in den USA bereits um mehr als 10 % höher als ein Jahr zuvor, im Euroraum sogar um 30 %. Ein wesentlicher Teil des Preisauftriebs resultierte dabei zwar aus den gestiegenen Energiepreisen, doch auch die Kernrate (Inflation ohne Energie und Lebensmittel) hat sich stark beschleunigt.

Im Vergleich zwischen den USA und dem Euroraum zeigen sich einige Unterschiede. So ist der Anteil an der Inflation, der von den Energiepreisen herrührt, im Euroraum deutlich größer als in den USA (vgl. Abbildung 1). Dies liegt vor allem daran, dass die Erdgaspreise in Europa in den vergangenen Monaten drastisch gestiegen sind, während sie in den USA bis zum Frühjahr nur moderat zugenommen hatten.

Abbildung 1
Verbraucherpreisinflation nach Güterarten
Verbraucherpreisinflation nach Güterarten

Monatsdaten, saisonbereinigt; Gesamtinflation und Kernrate: Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat in %, sonst: Beitrag zur Inflationsrate in Prozentpunkten; Kerninflation: ohne Energie und Lebensmittel; Euroraum: Daten bis April 2022, USA: bis März 2022.

Quelle: Eurostat, Refinitiv, Berechnungen des IfW Kiel.

Hingegen ist der Beitrag der Preise von Waren ohne Energie zur Gesamtinflation in den USA relativ groß, sodass sich der Preisauftrieb in den USA schon im Frühjahr 2021 stark beschleunigt hat, während die Inflation im Euroraum nur langsam zunahm. Auch der Preisanstieg bei den Dienstleistungen verstärkte sich in den USA früher; der über den gesamten Zeitraum höhere Beitrag der Dienstleistungen zur Inflation in den USA ist auch dem größeren Gewicht dieser Gruppe im Warenkorb des Verbraucherpreisindex geschuldet. Relativ ähnlich verlief die Preisentwicklung bei Lebensmitteln in den USA und im Euroraum, deren Beitrag zur Gesamtinflation sich seit einigen Monaten merklich erhöht hat.

Viel spricht dafür, dass die Unterschiede in der Inflation zwischen den USA und dem Euroraum auch eine Folge der unterschiedlichen konjunkturellen Entwicklung nach dem starken Einbruch infolge der Coronapandemie im Frühjahr 2020 sind. Zwar erholte sich die Wirtschaft in beiden Regionen im Sommer 2020 schnell; in den USA setzte sich die Erholung jedoch fort, während das BIP im Euroraum auch danach noch durch die Pandemie gebremst wurde. Speziell der private Konsum war in den USA rasch wieder gestiegen. Er überschritt bereits im ersten Quartal 2021 das Vorkrisenniveau und lag zuletzt rund 5 % darüber. Im Euroraum hat er hingegen bis Ende 2021 seinen pandemiebedingten Rückgang noch nicht wieder aufgeholt. Der kräftige Konsum in den USA resultierte daraus, dass der Konsum von Waren – speziell von langlebigen Konsumgütern – deutlich stärker zunahm als in den Vorjahren. Im Euroraum wurde der Warenkonsum hingegen nicht stärker ausgeweitet als im längerfristigen Trend (vgl. Abbildung 2). Die Dienstleistungen waren auch in den USA nur eingeschränkt konsumierbar und blieben unter ihrem Vorkrisentrend, wenn auch in geringerem Ausmaß als im Euroraum.

Abbildung 2
Private Konsumausgaben nach Güterarten
Private Konsumausgaben nach Güterarten

Quartalsdaten, preis-, kalender- und saisonbereinigt, Veränderung gegenüber dem Vorquartal. Der Vorkrisentrend wurde unter Annahme der durchschnittlichen Zuwachsrate der Güter und Diensleistungen zwischen 2015 und 2019 extrapoliert. Euroraum geschätzt als Summe von Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden.

Quelle: Bureau of Economic Analysis; Eurostat; Berechnungen des IfW Kiel.

Zu den Unterschieden im Konsumverhalten haben zum einen die finanzpolitischen Unterstützungsmaßnahmen während der Pandemie beigetragen. Zwar stützten die öffentlichen Haushalte auch im Euroraum die Einkommen der privaten Haushalte und im zweiten Halbjahr 2020 wurden die Verkäufe von langlebigen Konsumgütern durch eine befristete Mehrwertsteuersenkung in Deutschland vorübergehend angeregt. In den USA wurden die Einkommen aber im Rahmen von zwei massiven Programmen sogar deutlich gegenüber dem Vorkrisenniveau erhöht. Eines wurde zu Pandemiebeginn und ein zweites Anfang 2021 aufgelegt, als sich die Konjunktur bereits deutlich auf Erholungskurs befand. Zum anderen entwickelte sich die Sparquote in den beiden Wirtschaftsräumen unterschiedlich. Während sie in den USA nur in kurzen Phasen stark anstieg und bis zum ersten Quartal 2022 wieder unter ihren Vorkrisenwert sank, war sie im Euroraum seit Ausbruch der Pandemie durchgehend stark erhöht und lag auch zuletzt noch erkennbar über ihrem Vorkrisenniveau. Hierin dürften sich sowohl strengere Eindämmungsmaßnahmen im Euroraum als auch ein vorsichtigeres Verhalten der Verbrauchenden in der EU während der jüngsten Coronawellen widerspiegeln.

Der größere finanzpolitische Impuls in den USA dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass der Inflationsdruck in den USA derzeit noch bedrohlicher wirkt als im Euroraum. So liegt die Kernrate der Inflation mit 6,5 % deutlich höher, und anders als im Euroraum hat sich der Lohnanstieg ebenfalls auf eine Rate von zuletzt 5,5 % (durchschnittliche Stundenlöhne) erheblich verstärkt. Aber auch im Euroraum hat sich die Kernrate zuletzt deutlich erhöht – im April lag sie bei 3,5 % und damit weit über dem Notenbankziel von 2 %. Auch in den kommenden Monaten dürfte der Inflationsdruck hoch bleiben, da die enormen Anstiege bei den Erzeugerpreisen einige Zeit brauchen, um auf die Verbraucherebene durchzuwirken (Boysen-Hogrefe, 2022). Angesichts der hohen Inflation dürfte sich auch die Lohnentwicklung im Euroraum nach und nach verstärken, zumal die Arbeitslosigkeit in den meisten Ländern wieder in die Nähe ihrer historischen Tiefstände gesunken ist.

Die US-Notenbank hat mit Zinsanhebungen begonnen und die Märkte erwarten nun, dass in den kommenden Monaten rasch weitere Zinsschritte erfolgen. Die EZB hat bislang nur angekündigt, ihre Anleihekaufprogramme demnächst auslaufen zu lassen und einen ersten Zinsschritt für den Sommer in Aussicht gestellt. Die bislang zögerliche Straffung ist einerseits verständlich angesichts der zurückliegenden langen Phase sehr niedriger Inflationsraten und hoher Unsicherheit über die Auswirkungen des Kriegs auf Preise und Konjunktur. Andererseits könnte die späte und vorsichtige Reaktion der Notenbank dazu führen, dass sich der Inflationsdruck weiter verstärkt und schließlich eine stark restriktive Geldpolitik erforderlich wird, um die Inflationserwartungen zu reduzieren.

 

Literatur

Boysen-Hogrefe, J. (2022), Zur Überwälzung der Erzeuger- und Importpreise auf die Verbraucherpreise, Kiel Insight, 2022.01.

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© Der/die Autor:in 2022

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DOI: 10.1007/s10273-022-3198-0

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