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Bereits vor den verhängten Sanktionen gegenüber russischen Unternehmen sind in Deutschland die Energiepreise gestiegen. Die in Deutschland seit dem Atomausstieg begonnene Energiewende und der beschlossene Ausstieg aus der Verstromung der heimischen Energieträger Stein- und Braunkohle haben zu einer deutlichen Veränderung des Portfolios der Stromerzeugungskapazitäten geführt. Die daraus resultierende Angebotsverknappung und eine vergleichsweise unelastische, zukünftig noch weiter steigende Energienachfrage von Industrie und privaten Haushalten hat damit in Deutschland schon vor den verhängten Sanktionen zu steigenden Energiepreisen geführt. Der häufiger zu hörende Begriff einer fossilen Inflation ist daher nicht passend.

Mit den exemplarischen Zielen einer auf grünem Wasserstoff basierenden Industrieproduktion oder einer ausschließlich mit erneuerbaren Energien betriebenen Mobilität geht eine weiter steigende Energienachfrage einher. Die dafür zukünftig notwendigen Erzeugungskapazitäten erneuerbarer Energien sind dabei noch länger nicht verfügbar. Damit können auch mittelfristig hohe Energiepreise erwartet werden. Die ökonomischen Folgen der Coronapandemie und die verhängten Energiesanktionen haben diese Preisentwicklungen weiter verstärkt. Insgesamt ergeben sich vielfältige Auswirkungen auf alle Handlungsfelder der deutschen Wirtschaftspolitik.

Bereits der von den Energiesanktionen unbeeinflusste Entwicklungspfad der deutschen Energiewende sah Erdgas als Übergangsenergieträger vor. Dabei sind die zugehörigen Erzeugungskapazitäten bisher allerdings nicht in ausreichendem Maß vorhanden. Es ergeben sich weitere allokative Effekte, die aus Sicht der Klimaschutzpolitik kritisch zu beurteilen sind. Dies insbesondere, weil sie teilweise langfristig bindende Wirkungen entfalten. Durch die gestiegenen Preise wird beispielsweise Flüssigerdgas, das häufig aus Fracking-Aktivitäten stammt, ökonomisch rentabel. Die Exportierenden haben dabei ein Interesse an langfristigen Verträgen. Eine parallel aufzubauende Infrastruktur für eine grüne Wasserstoffwirtschaft – Gas muss in der mittelfristigen Übergangsphase weiter genutzt werden – führt zu hohen Investitionsvolumina. Damit diese Investitionen realisiert werden, müssen sie für die Unternehmen auch über angemessene Erlöse amortisierbar sein.

Aus allokativer Sicht sind die daraus resultierenden hohen Energiepreise für eine preislenkende Klimaschutzpolitik förderlich und notwendig, da von ihnen die erwünschten Verhaltensänderungen erwartet werden. Andererseits werden die Unternehmen und einkommensschwächere Haushalte stark belastet. Umweltfreundliche Produktionstechnologien müssen existieren und profitabel für die Unternehmen einsetzbar sein, um bei vorhandener Emissionsbepreisung den Wechsel von Alt-Technologien zu erwirken. Die Sozialverträglichkeit der Klimaschutzpolitik für die privaten Haushalte soll dabei über Transferleistungen, beispielsweise im Rahmen von Energieentlastungspaketen, dargestellt werden. Je höher diese Transferleistungen jedoch sind, umso mehr werden die klimapolitischen Lenkungswirkungen hoher Energiepreise relativiert. Dabei ist auch hier eine notwendige Bedingung für die angestrebte Klimaschutzwirkung, dass umweltfreundlichere und wettbewerbsfähige Substitutionsgüter existieren. Ansonsten gehen von den Transferleistungen bei höheren Preisen keine Lenkungswirkungen, sondern reine Mitnahmeeffekte aus. Im Grenzfall kommt es so lediglich zu einer Stabilisierung der Produzentenrenten. Werden die negativ wirkenden Preiseffekte für die privaten Haushalte nicht überkompensiert, wovon auszugehen ist, wird in jedem Fall eine Verschlechterung des ökonomischen Nutzens des repräsentativen Haushalts auch nach Erhalt der Transferleistungen die Folge sein. Allokative und distributive Wirkungen der Politikmaßnahmen befinden sich in einem Dilemma.

Durch die integrierten Wertschöpfungsketten in der industriellen Produktion haben sich bereits Überwälzungen der gestiegenen Energiepreise auf die Endproduktpreise ergeben. Die Steigerung des allgemeinen Preisniveaus erklärt sich dabei auch durch den hohen Anteil energieintensiver Bestandteile des repräsentativen Warenkorbs.

Die wirtschaftspolitischen Herausforderungen für die Stabilisierung der zukünftigen Entwicklung der Wirtschaft und der Energiepreise sind immens. Dies umso mehr, als die von hohen Energiepreisen betroffenen Industrien in Deutschland bisher einen hohen Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung aufweisen. Dieser wird sich bei anhaltend hohen Energiepreisen durch den zunehmenden Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dieser Wirtschaftszweige verringern. Energiepolitische Beiträge zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung dürften daher mittelfristig in Deutschland schwierig zu erreichen sein.

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© Der/die Autor:in 2022

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.1007/s10273-022-3202-8