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Es ist inzwischen unstrittig, dass Wasserstoff ein zentraler Baustein der Energiewende ist, da mit Wasserstoff erneuerbare Energie speicher- und transportierbar wird. In Deutschland können die regional und temporär vorhandenen Überschusserzeugungen von erneuerbarem Strom, die andernfalls abgeregelt werden müssten, für die Wasserstofferzeugung genutzt werden. Außerdem kann Wasserstoff in anderen Regionen der Welt erzeugt werden, die günstige Bedingungen (Platzbedarf, Sonne, Wind) für erneuerbare Energien bieten und von dort nach Deutschland importiert werden. Der Aufbau einer neuen Branche und der damit verbundenen neuen Infrastrukturen kann erhebliche Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung an einzelnen Standorten oder in einzelnen Regionen geben. In Bräuninger et al. (2022) wurde untersucht, inwieweit die strukturschwachen Regionen in Deutschland durch den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft positive Effekte auf Wertschöpfung und Beschäftigung erwarten können und welche Maßnahmen notwendig sind, damit diese eintreten. Dazu wurden die Potenziale der Wasserstoffwirtschaft in den Kreisen und kreisfreien Städten bewertet. Die Bewertung der regionalen Wasserstoffpotenziale erfolgte über die Abschätzung der Angebotspotenziale, der Nachfragepotenziale und der Wissenspotenziale. Auf Basis der Einzelbewertungen wurde dann eine Gesamtbewertung der Wasserstoffpotenziale vorgenommen. Im Vordergrund standen Regionen im Strukturwandel, da diese gezielt gefördert werden sollen.1

Angebotspotenziale

Das zukünftige Angebot von grünem Wasserstoff beruht zum einen auf der heimischen Erzeugung und zum anderen auf Importen. Nach allen Prognosen kann nur ein kleiner Teil des zukünftigen inländischen Bedarfs an Wasserstoff durch die heimische Produktion gedeckt werden und der größte Teil muss importiert werden. Dennoch sind die regionalen Erzeugungspotenziale für die wirtschaftliche Entwicklung in den Regionen von großer Bedeutung, da hier Wissens- und Wettbewerbsvorteile generiert werden, die dann auf dem internationalen Absatzmarkt für Anlagen zur Erzeugung und Weiterverarbeitung von Wasserstoff genutzt werden können.Die Anlagen mit der größten Bedeutung für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind bisher Elektrolyseure, die mit erneuerbarem Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Voraussetzung dafür ist, neben der Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom, speziell die hinreichende Verfügbarkeit von Wasser. Inzwischen wird aber auch in verschiedenen Pilotanlagen Wasserstoff aus anderen Grundstoffen wie z. B. Abfällen oder dem Abwasser gewonnen.

Die regionalen Potenziale zur Erzeugung von grünem Wasserstoff sind zunächst abhängig von der Möglichkeit zur Erzeugung erneuerbaren Stroms. 2020 hätten in Deutschland aus erneuerbaren Energien 6,14 TWh erzeugt werden können, die aber nicht über das Netz an Anwendende gebracht werden konnten und deshalb abgeregelt wurden. Etwa die Hälfte dieser Abregelung erfolgte in Schleswig-Holstein, wo es eine sehr hohe Einspeisung von Windstrom gibt, wobei der lokale Strombedarf relativ gering ist. In Nordrhein-Westfalen gab es trotz hoher Erzeugung von erneuerbaren Energien kaum Abregelungen, da der lokale Bedarf hoch ist und zugleich gut ausgebaute Netze in andere Regionen existieren. In den nächsten Jahren werden zunehmend Onshore-Windenergieanlagen in Betrieb sein, die aus der Förderung durch das EEG ausscheiden. Die Erzeugung von Wasserstoff könnte eine Möglichkeit für einen weiteren wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen sein.

Die Verwendung von Wasserstoff erfordert nicht zwingend, dass dieser vor Ort erzeugt wird, sondern er kann aus anderen Regionen importiert werden. Im Wesentlichen erfolgt der Transport über Pipelines. Insofern ist die Verfügbarkeit von Wasserstoffleitungsnetzen von zentraler Bedeutung für das Wasserstoffpotenzial einer Region. Die Fernleitungsnetzbetreiber haben auf Basis einer Studie zur Regionalisierung von Wasserstofferzeugung und -verbrauch den Leitungsausbau geplant. Die geplanten Leitungen verbinden Regionen der Wasserstofferzeugung und des Wasserstoffverbrauchs unter Nutzung der bestehenden Erdgasnetze. Das gesamte Netz hat dann eine Länge von ca. 5.900 km. Es verläuft durch 154 Kreise, davon sind 66 Regionen im Strukturwandel.

Die Bewertung der Angebotspotenziale erfolgte in der Regel auf Basis der Kapazitäten von Windparks, die älter als zehn Jahre sind, da die neueren in EEG geförderten Anlagen vorrangig in das Netz einspeisen werden. Nur in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden die Gesamtkapazitäten verwendet, da es hier häufiger zu Abregelungen kommt. Für die Bewertung der regionalen Angebotspotenziale wird die Summe aus der Bewertung für die Windeinspeisung und das Wasserstofffernleitnetz gebildet. Hohe Angebotspotenziale finden sich besonders im Norden an den Küsten, wo sowohl On- als auch Offshore-Windenergie zur Verfügung steht, um Wasserstoff zu produzieren. Zudem ergeben sich Potenziale aus den Importmöglichkeiten. Dies gilt speziell für Wilhelmshaven, wo die vorhandene Hafeninfrastruktur für den Wasserstoffimport umgewidmet werden kann. Außerdem könnten auch Importe über das bestehende Erdgasnetz aus den Niederlanden erfolgen, wobei der Wasserstoff dort erzeugt oder über die Häfen importiert werden könnte.

Nachfragepotenziale

Industrielle Anwendungen stehen für 29 % des gesamten deutschen Energieverbrauchs, wobei sich der Verbrauch auf einige besonders energieintensive Branchen konzentriert. Wasserstoff wird bisher im Wesentlichen in Raffinerien und in der chemischen Industrie eingesetzt, wo er für die Herstellung von Ammoniak und Methanol unverzichtbar ist. Dabei wird der heute eingesetzte Wasserstoff für diese Anwendungen fast vollständig mit fossilen Energieträgern erzeugt. Die Dekarbonisierung dieser Prozesse erfordert es, zukünftig grünen Wasserstoff einzusetzen, sodass eine Nachfrage nach grünem Wasserstoff entsteht. Außerdem ist Wasserstoff in der Stahlindustrie unverzichtbar, um Koks für die Reduktion von Eisenerz zu Roheisen zu ersetzen. Zudem kann Wasserstoff in allen Industriebereichen als Energieträger verwendet werden.

Bisher ist die Energiewende im Verkehrssektor relativ wenig umgesetzt worden. Grüner Wasserstoff könnte direkt oder in Form von E-Fuels einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen leisten. Das betrifft den Luft- und Schiffsverkehr sowie den Transport schwerer Lasten über große Distanzen, da in diesen Verkehrssegmenten auch perspektivisch keine Alternativen zu flüssigen und gasförmigen Kraftstoffen existieren. Eventuell könnten Wasserstoff und E-Fuels aber auch im Pkw-Bereich genutzt werden.

Einem schnellen flächendeckenden Einsatz von Wasserstoff im Verkehrssektor steht neben der Verfügbarkeit des Wasserstoffs speziell die fehlende Infrastruktur entgegen. Bei deren Aufbau ergibt sich das Problem, dass die Umstellung der Fahrzeuge ohne Infrastruktur nicht sinnvoll ist und umgekehrt der Aufbau der Infrastruktur nur erfolgt, wenn auch Abnehmende für den Wasserstoff da sind. Initiale Keimzellen für die Wasserstoffanwendungen im Verkehrsbereich können Güterverkehrszentren darstellen, die häufig intermodale Schnittpunkte verschiedener Verkehrsträger (Binnenschiff, Bahn, Lkw) sind. Ausgehend von den Güterverteilzentren erfolgt die Auslieferung der Waren in der Region, wobei der Radius begrenzt ist, sodass immer die Möglichkeit besteht, den Wasserstoff im Güterverteilzentrum zu tanken. Deshalb wurden diese in der Bewertung der Nachfragepotenziale nach Wasserstoff besonders berücksichtigt. Außerdem wurden die 102 bestehenden Wasserstofftankstellen einbezogen, die relevant sind, wenn sie sich im Umfeld von Güterverkehrszentren befinden.

Dem Wärmemarkt kommt eine zentrale Rolle bei der Energiewende zu. Da der Wohnungsbestand auf absehbare Zeit nicht perfekt gedämmt sein wird, würde die vollständige Umstellung der Wärmeversorgung auf Strom erhebliche zusätzliche erneuerbare Stromerzeugungskapazitäten erforderlich machen, die nur in der kalten Jahreszeit genutzt würden. Wasserstoff könnte hier aufgrund seiner Speicher- und Transportierbarkeit Abhilfe schaffen, wobei verschiedene Nutzungsformen möglich sind. Eine Option wären Brennstoffzellen, die in einem effizienten Prozess gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen. Wegen der Effizienz dieser Technik hat die Bundesregierung ein Förderprogramm für Brennstoffzellen im Gebäudebereich aufgelegt. Da für die Verwendung im Einzelgebäude die Wasserstoffleitung zum Gebäude bestehen muss, ist ein komplexer Leitungsaus- oder -umbau notwendig, der einer schnellen flächendeckenden Einführung entgegensteht. Sehr viel größer ist das Brennstoffzellenpotenzial im Bereich der Fern- und Nahwärme, sofern hier schon Netze vorhanden sind.

Insgesamt ist die potenzielle Wasserstoffnachfrage sehr viel stärker in der Fläche verbreitet als das Angebotspotenzial. Dies ist vor allem auf die Sektoren Verkehr und Wärme zurückzuführen, die fast flächendeckend zu einer möglichen Wasserstoffnachfrage beitragen, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Gleichzeitig wird die „sichere“ Nachfrage nach Wasserstoff in Zukunft von einigen Industriestandorten sowie von wenigen initialen Standorten für den Verkehrsbereich bestimmt. Deshalb hat das Wasserstoffnachfragepotenzial der Industrieunternehmen eine höhere Bedeutung als die Nachfrage aus dem Verkehrs- oder Wärmesektor.

Wissenspotenziale

Die Entwicklung der Wasserstoffindustrie erfordert Innovationen und neue Technologien, die kontinuierlich weiterentwickelt werden müssen. Dies setzt Wissen und Erfahrung voraus, die sich am besten durch die Anwendung der neuen Technologien gewinnen lassen. In großen Teilen werden diese Erfahrungen in Unternehmen gesammelt, die Wasserstoff anwenden. Aktuelle Entwicklungen und neue Technologien in der Erzeugung und Anwendung von Wasserstoff werden derzeit in der Regel durch Förderprogramme unterstützt. Die Bewertung der Wissenspotenziale erfolgt auf Basis der bestehenden PtX-Anlagen und der Förderprojekte. Insgesamt sind 27 PtX-Anlagen in Betrieb oder in Planung, davon 11 in Regionen im Strukturwandel. Bei den Förderprojekten haben die IPCEI aufgrund ihrer Größe eine besondere Bedeutung. Dabei ist allerdings die regionale Zuordnung nicht immer eindeutig, da sich die Projekte auf größere Regionen beziehen und in der Regel verschiedene Partner zusammenarbeiten, von denen auf Basis der veröffentlichten Projektdaten nur der führende Projektpartner räumlich zugeordnet werden kann. In den Projektdaten sind 58 der 62 genehmigten Projekte konkretisiert, wobei die Projekte 36 Regionen zugeordnet werden können, von denen sich 19 im Strukturwandel befinden. Die Projekte beschäftigen sich mit Erzeugungsanlagen für grünen Wasserstoff, mit der Nutzung von Wasserstoff in der Stahl- und Chemieindustrie sowie mit Infrastruktur und Mobilität. In Reallaboren der Energiewende werden 20 innovative Technologien aus der Energieforschung praktisch im industriellen Maßstab und unter realen Bedingungen erprobt. Davon sind zehn Projekte in Regionen im Strukturwandel angesiedelt. Insgesamt zwölf Reallabore beschäftigen sich mit Wasserstoff, davon neun in den Regionen im Strukturwandel.

Gesamtbewertung

Die positiven Effekte der Wasserstoffwirtschaft auf den Strukturwandel werden nicht in allen Regionen gleichermaßen eintreten (vgl. Abbildung 1). Die Regionen im Strukturwandel mit hohen oder moderaten Wasserstoffpotenzialen können in vier Cluster geordnet werden. Dabei umfasst das norddeutsche Cluster Regionen in Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Das Cluster Berlin-Brandenburg-Lausitz umfasst Berlin sowie Regionen in Brandenburg und Sachsen (sächsischer Teil der Wirtschaftsregion Lausitz). Im Cluster Mitteldeutschland finden sich Regionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und im nordrhein-westfälischen Cluster meist Regionen im Ruhrgebiet und im Rheinischen Revier. In allen vier Clustern lassen sich bei den Wirkungen der Wasserstoffwirtschaft auf die wirtschaftliche Entwicklung und den Strukturwandel positive Effekte über alle drei Wirkungskanäle identifizieren, wobei im norddeutschen Cluster ein Schwerpunkt im Bereich der Erzeugung und Verteilung von Wasserstoff liegt. Auch in Berlin-Brandenburg-Lausitz finden sich hohe Erzeugungspotenziale und hohe Nachfragepotenziale bei Verkehr und Wärme. In Nordrhein-Westfalen und im mitteldeutschen Cluster liegen die Schwerpunkte in industriellen Anwendungen. Außerhalb der vier Cluster finden sich nur wenige Regionen im Strukturwandel, die zugleich Wasserstoffpotenziale besitzen. Diese sind im räumlichen Kontext eher an Regionen gebunden, die sich nicht im Strukturwandel befinden und deshalb in der Analyse nicht im Fokus stehen.

Abbildung 1
Gesamtbewertung der Wasserstoffpotenziale
Abbildung 1

Quelle: ETR.

1 Die Regionen im Strukturwandel sind die Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sowie die vom Kohleausstieg betroffenen Gebiete im Rheinischen Revier.

Literatur

Bräuninger, M., J. Brock und S. Stiller (2022), Wasserstoffpotenziale in den Regionen im Strukturwandel, Studie im Auftrag von Germany Trade and Invest (GTAI) Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH.

Title:Regional Hydrogen Potentials

Abstract:The paper analyses the potential of the hydrogen economy in German districts and cities. The paper focuses particularly on regions suffering from strong ongoing structural change. The assessment is based on quantitative indicators for the supply structures (renewable energy, pipeline network), the demand side (industry, transport and heat), and on regional knowledge (research institutions and projects). The results show four regional clusters suffering from structural change that could potentially establish a hydrogen economy. These regions will benefit from investments in hydrogen structures and the associated strengthening of regional value chains.

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© Der/die Autor:in 2022

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DOI: 10.1007/s10273-022-3304-3