Offshore-Windparks sind eine wichtige Säule für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Weltweit boomen der Ausbau und die Entwicklung dieser nachhaltigen Technologien mit unterschiedlichen nationalen Herausforderungen. Allen Projekten ist jedoch gemein, dass mit steigender Tendenz viel Kapital benötigt wird. Für die Finanzierung von Offshore-Windparks hat sich die Projektfinanzierung in Europa in den vergangenen Jahren zunehmend etabliert, allerdings haben sich die Vertragsbedingungen stark verändert. Anhand von qualitativen Experteninterviews werden die aktuellen Entwicklungen der Finanzierungsstrukturen für die Realisierung von europäischen Offshore-Windparks aufgezeigt.
Offshore-Windparks sind eine der wichtigsten Säulen zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende und zur Erreichung der im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung angestrebten Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien. In dem am 6.4.2022 vorgelegten „Osterpaket“ der Bundesregierung (Deutscher Bundestag, 2022) sowie der am 18.5.2022 unterzeichneten Gipfelerklärung „Esbjerg Declaration“ (Bundesregierung, 2022) wurde die Dringlichkeit des Umstiegs auf erneuerbare Energien noch einmal unterstrichen und es wurden die Ziele für einen zeitnahen Ausbau spezifiziert. Weltweit boomt der Aus- und Aufbau dieser nachhaltigen Technologien mit unterschiedlichen nationalen Herausforderungen, speziell beim Bau von Windparks auf See. Diese haben den Vorteil, dass mit weniger Widerspruch aufgrund von Abstandsregelungen und Landschaftsschutz zu rechnen ist und so die Genehmigung und der Aufbau schneller vorankommen (FAZ, 2022). Allen Projekten ist jedoch gemein, dass viel Kapital benötigt wird, mit steigender Tendenz. Laut der Esbjerg-Erklärung wollen Belgien, Dänemark, Deutschland sowie die Niederlande ihre bisher installierten 15 GW bis 2030 auf 60 GW vervierfachen. Allein dieser Ausbau erfordert 90 Mrd. bis 105 Mrd. Euro, wenn der Aufbau eines Megawatts (MW) wie bisher mindestens 2Mio. bis 2,5 Mio. Euro/MW kostet. Bei der aktuellen Inflation, den Lieferengpässen und steigenden Rohstoffpreisen ist allerdings davon auszugehen, dass diese Werte eher die Untergrenze bilden.
Für die Finanzierung von Offshore-Windparks haben sich in den vergangenen Jahren Projektfinanzierungen in Europa zunehmend etabliert, die Vertragskonditionen haben sich jedoch stark verändert. Die aktuellen Entwicklungen von Finanzierungsstrukturen bei der Realisierung von europäischen Windparks auf See werden auf Basis von acht qualitativen Experteninterviews aus dem Bereich Structured Finance internationaler Banken aufgezeigt.
Projektfinanzierungen
Im Rahmen einer Projektfinanzierung wird durch den oder die Sponsor:innen eine Projektgesellschaft gegründet und mit Eigenkapital ausgestattet (Nevitt und Fabozzi, 2000). Alleiniges Ziel dieser Projektgesellschaft (SPV) sind die Planung, der Bau, der Betrieb und abschließende Rückbau eines Offshore-Windparks. Als Einzweckgesellschaft nimmt diese somit Fremdkapital auf und haftet unbeschränkt. Neben den Genehmigungen, dem eingebrachten Eigenkapital sowie den zu erstellenden Anlagen steht den Fremdkapitalgebenden keine weitere Haftungsmasse außer den aus dem Betrieb des Offshore-Windparks zukünftig zu erwartenden Cash Flows für die Deckung des Kapitaldienstes zur Verfügung. Man bezeichnet diese zurzeit vorherrschende Projektfinanzierungsform als „Non Recourse“. Im Gegensatz dazu haftet bei klassischen Unternehmensfinanzierungen unter Einbezug von Fremdkapital das gesamte investierende Unternehmen mit seinen Assets. Nach Aussage der Experten erfolgen diese nur noch selten, eine Quantifizierung ist aufgrund der unterschiedlichen MW-Zahlen der Parks jedoch schwierig. Manche Unternehmen wählen immer eine Unternehmensfinanzierung, andere beginnen mit dieser und wechseln dann nach der Inbetriebnahme und dem anteiligen Verkauf in eine Projektfinanzierung. Unabhängig von der Finanzierungsform liegt der Fremdkapitalanteil laut Aussage der Experten meist bei 80 %.
Für Sponsor:innen bieten sich für den Verlauf des Projekts zwei Varianten an. Für Unternehmen mit weniger Kapital, aber vielen Projektmöglichkeiten empfiehlt sich die Überlegung eines (Teil-)Verkaufs des Windparks nach der Bauphase. Dies bringt neues Kapital ein und erhöht die Rendite. Nach Aussage der Experten wird dieser Weg von einigen Energieunternehmen und Projektierenden umgesetzt. Teilweise erfolgt auch eine Umstrukturierung durch Ersatz von Eigen- zu Fremdkapital nach der erfolgreichen Inbetriebnahme. Für Unternehmen mit viel Kapital empfehlen sich hingegen die längere Bindung ihres Kapitals und ein Betriebsmodell bis zur Desinvestitionsphase. Je nach der individuellen Situation findet sich auch ein Mix der beiden Varianten.
Kennzahlen zur Projektbewertung von Fremdfinanzierungen – neue Grenzen
Für Projektfinanzierungen können die aus den Unternehmensfinanzierungen bekannten Bilanzstrukturkennzahlen Verschuldungsgrade oder Liquiditätskennzahlen nicht angewendet werden, da keine historischen Daten zur Bewertung vorliegen. Grundlage der Projektbewertungen sind daher die erwarteten Cash Flows (Cash Flow Related Lending), resultierend aus Windgutachten in Form der Voll-Laststunden und Marktpreiserwartungen. Für die prognostizierten Volllaststunden legen Kreditgebende die P90-Mengen zugrunde. Somit übersteigen erwartungsgemäß 90 % der erwarteten Windvolumina die zugrunde gelegten Werte. Diese konservative Grundlage für die Schätzung der Windmengen wurde von allen Interviewpartnern bestätigt.
Zur Projektbewertung von Offshore-Windparks haben sich in der Vergangenheit als zentrale Kenngrößen „Debt Service Cover Ratios“ (DSCR) durchgesetzt. Die für jeweils 12-Monatsscheiben berechneten Größen geben eine Einschätzung, inwieweit die erwarteten verfügbaren Cash Flows (CFADS) den Kapitaldienst der betrachteten Periode decken können.1 Um Risiken aus Marktpreisen und der erwarteten Windmenge zu berücksichtigen, lagen die empfohlenen Werte der Schuldendienstdeckungsgrade für Offshore-Windparks in der Vergangenheit bei 1,4. Wenn einzelne Perioden diesen Schwellenwert unterschreiten, sollte zumindest der Average DSCR, der Durchschnittswert über alle DSCR der Kreditlaufzeit, bei 1,4 liegen.
Neben den jährlichen DSCR wurde in der Literatur bisher ergänzend die Loan Life Cover Ratio (LLCR) zumindest zu Beginn des Baus von Windparks auf See vorgeschlagen. Diese auf einen Zeitpunkt berechnete Größe stellt die geschätzten diskontierten CFADS ins Verhältnis zu dem zum Betrachtungszeitpunkt offenen Kreditengagement. Anders als der DSCR bezieht diese Kennzahl somit die gesamte Laufzeit des Kredits mit ein, der Schwellenwert wurde in der Literatur mit 1,5 benannt.
Voraussetzungen für die Aufnahme von Kreditfinanzierungen mit 75 % bis 80 % Fremdkapital sind das Vorliegen einer Genehmigung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie sowie Windgutachten. Nach Aussagen der Interviewpartner sind DSCR und LLCR in der zuvor beschriebenen Höhe und Form für Offshore-Windparks aufgrund des hohen Kapitalangebots nicht mehr durchsetzbar. Im Fall von kontrahierten Revenues, wie Power Purchase Agreements (PPA), liegt der Schuldendienstdeckungsgrad aktuell mit 1,2 bis 1,25 deutlich geringer, LLCR finden kaum noch Anwendung. Ein Teilnehmer sagte, dass diese nur bei „riskanten Projekten berechnet werden, wie Müllverbrennungsanlagen“. Für nicht durch PPA abgesicherte Betriebsjahre werden DSCR von 1,4 weiterhin kontrahiert.2 Sollten die berechneten DSCR nicht den Erwartungen der Fremdkapitalgebenden entsprechen, erfolgt als Konsequenz eher eine Reduzierung der Verschuldung als eine Zinsanpassung. Dies wurde durch die befragten Banken, die an der Umfrage teilgenommen haben, ebenfalls bestätigt.
Bisherige und neue Risiken
Während vor einigen Jahren die Investierenden nach dem EEG 2014 noch eine feste Vergütung pro kWh erhielten sowie eine Abnahmegarantie für die Stromerzeugung aus Windkraft bestand, ist dies für Windparks auf See, die nach 2020 ans Netz gegangen sind, nicht mehr der Fall.3 Seit Januar 2017 wird die Höhe der finanziellen Förderung durch Ausschreibungen von Tendern gemäß WindSeeG ermittelt. In Abhängigkeit von dem im Rahmen der Auktion gewonnenen Zuschlag werden – wenn überhaupt – deutlich geringere Vergütungssätze gezahlt, einige Windparks wurden zu Zerobids versteigert und es erfolgt eine Direktvermarktung (Bundesnetzagentur, 2021). Es besteht somit ein Marktpreisrisiko für die zu erwartenden Cash Flows ab dem Jahr der Inbetriebnahme. Zur Mitigation werden seitens der Investierenden meist langfristige PPA abgeschlossen, die bisher jedoch keine Standardisierung erfahren haben. Als Problem bei Offshore-Windparks hoben die Experten hervor, dass Angebot und Nachfrage von Energie sich oft nicht decken, insbesondere aufgrund der hohen Verfügbarkeit während der Nacht. Daher werden in der Regel nur 70 % der erwarteten Energiemenge über PPA vertraglich fixiert. Trotz mehrheitlich abgesichertem Marktpreisrisiko besteht aus den PPA ein Ausfallrisiko für den Kontraktpartner und somit ein erhöhtes Gesamtrisiko für die Kreditgebenden.
Neben dem Preisrisiko ist das Volumenrisiko wichtig, das durch Simulationen der verfügbaren Vor-Ort-Messungen quantifiziert wird. Für die Finanzierung werden P90-Werte der Windvolumina unterstellt. Verbleibende Risiken werden teilweise über Versicherungen oder Terminkontrakte, wie sie z. B. über die Munich Re angeboten werden, reduziert.
Im Rahmen der Interviews wurde hervorgehoben, dass die in der Literatur favorisierten EPC-Contracts (Engineering, Procurement and Construction) zur Reduzierung des Fertigstellungsrisikos mit nur einem Kontraktpartner kaum anzutreffen sind, sondern mindestens drei Generalunternehmer für die Fundamente, den Bau sowie die Verkabelungen vorherrschend sind (Böttcher, 2013). Einige Interviewpartner sprachen von Multi-Contracting mit sieben bis acht Vertragsbeteiligten als Standard. Die Übernahme des gesamten Fertigstellungsrisikos durch einen EPC würde in einem durch Auktionen dominierten Umfeld aktuell zu teuer werden, da der EPC die übernommenen Risiken einpreisen würde. Multi Contracting Parks sind somit deutlich günstiger und die Schnittstellenrisiken werden seitens der Projektierer und Sponsor:innen übernommen.
In den vergangenen zwei Jahren sind coronabedingt neue, in den bisherigen Rechnungen nicht berücksichtigte Risiken „schlagend“ geworden und haben die Ist-Margen belastet. Die durch die Coronapandemie bedingten Ausfälle ganzer Mitarbeitergruppen beim Auftreten von Erkrankungen beim Bau sowie beim Betrieb von Offshore-Anlagen sowie die zeitweise Nichterreichbarkeit von Baustellen haben Verzögerungen beim Bau von Windkraftanlagen auf See verursacht. Dazu erhöhen die erforderlichen zusätzlichen Gesundheits- und Testmaßnahmen sowohl die Investitionssummen (CAPEX) als auch die laufenden Cash Flows während des Betriebs (OPEX). Diese auch in der Zukunft relevanten Risiken sind bei zukünftigen Kalkulationen zu berücksichtigen.
Schon heute überprüfen die technischen Berater:innen der Kreditgebenden die durchschnittlich erwarteten OPEX besonders gründlich, sowohl hinsichtlich ihrer Vollständigkeit als auch auf Basis vorliegender Durchschnittswerte. Nach Aussage der Interviewpartner ist mit Ausnahme der Turbinenwartungskosten dabei weniger die einzelne Kostenart als die gesamte OPEX-Position relevant. Die Kosten für Operation und Maintenance machen laut Ausführungen der Experten ca. 25 % der Gesamtkosten während der Laufzeit aus. Sind die OPEX von den Investierenden überdurchschnittlich hoch angesetzt, werden Simulationen bezüglich des erforderlichen Strompreises zur adäquaten Schuldendienstdeckung durchgeführt. Sind diese unterdurchschnittlich, besteht das Risiko, dass bei einem Ausfall eine Neukontrahierung des Ersatzes nur zu deutlich höheren Kosten möglich sein wird. Aus Sicht der Kreditgebenden findet im Best Case die Maintenance der Turbinen über die gesamte Betriebszeit durch ihre Hersteller statt.
Ein besonderes Augenmerk der Kreditgebenden liegt neben den Turbinenwartungskosten auf der geplanten Verfügbarkeit von Schiffen. Der Engpass von Konstruktions- und Service-Operations-Vessels (SOV) ist schon seit längerem bekannt und stellt eine Herausforderung dar, die in Preisen von über 200.000 Euro/Tag resultieren. Einige Betreiber haben inzwischen gemeinsame Langzeitcharters für SOV abgeschlossen (beispielsweise Global Tech und Borkum West) oder in ein eigenes Crew Transfer Vessel investiert, um dieses Risiko zu reduzieren, da insbesondere im Fall von Bauverzögerungen einzelner Gewerke Vessels nicht kurzfristig gebucht werden können.
Laut Aussage der Experten gelten die Fundamente als Hauptverursacherinnen von Verzögerungen, mit weitreichenden Auswirkungen auf alle nachgelagerten Bauabschnitte. Die Verzögerung wird auch von nachfolgenden Gewerken aufgegriffen, die versuchen, entstehende Zusatzkosten, beispielsweise im Fall der Notwendigkeit der Zwischenlagerung und damit verbundenen Stromversorgung von Turbinen, an die Sponsor:innen oder EPC weiterzugeben. Neben der Verfügbarkeit von Vessels reduziert sich auf Basis der gestiegenen Entfernungen neu geplanter Windparks die verbleibende Netto-Arbeitszeit der Beschäftigten für Tätigkeiten vor Ort. Diese sicher und effizient zu planen, wird nach Ansicht der Experten eine Herausforderung zukünftiger Projekte sein.
Aktuelle Zinssätze
Klassischerweise müssten sich die aktuell noch bestehenden Marktpreisrisiken sowie die coronabedingten „neuen Risiken“ in höheren Risikoprämien reflektieren, was aber überraschenderweise nicht der Fall ist. Der Bau von Offshore-Windparks ist aus Sicht der Kreditgebenden nicht mehr so riskant wie noch vor fünf bis sieben Jahren, sodass nach Auskunft der Interviewpartner während der Bauphase aktuell durchschnittlich feste Margen in Höhe von 140 Basispunkten (BP) auf den EURIBOR in Form von Bauzeitzinsen berücksichtigt werden – feste Zinskontrakte sind eher die Ausnahme.4
Das in der Literatur stets sehr ausführlich und intensiv diskutierte Fertigstellungsrisiko reflektiert sich „nur“ in 20 BP Margendifferenz gegenüber dem Zinssatz ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme. Nach der Fertigstellung und dem Betriebsbeginn sinkt die Marge auf 120 Basispunkte auf den EURIBOR für die ersten fünf Betriebsjahre. Üblicherweise steigt dieser aktuell in Fünfjahresschritten um durchschnittlich 25 BP während der Kreditlaufzeit an, die neuerdings meist der Betriebslaufzeit entspricht. Die Aufschläge reflektieren die während der Laufzeit gestiegenen Betriebsrisiken, da die erwartete Verfügbarkeit der Windturbinen mit der Laufzeit sinkt und Wartungsintervalle verkürzt werden müssen. Einheitlich bestätigten alle Ansprechpartner, dass die erzielbaren Margen im Offshore-Bereich für Fremdkapitalgebende in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sind. Diese aus Sicht der Sponsor:innen positive Kostenentwicklung wird aktuell jedoch durch den angestiegenen EURIBOR kompensiert. Die aktuell hohen Marktpreise senken die Risiken für die nicht über PPA abgesicherten Energieanteile deutlich, vor dem Hintergrund der langfristigen Bewertung einer Projektfinanzierung sind die zurzeit anzutreffenden Preise jedoch nicht repräsentativ und deren Abschätzung stellt eine weitere Herausforderung dar.
Veränderte Marktteilnehmende
Die ersten europäischen Windparks wurden schwerpunktmäßig von Projektentwickler:innen, Großbanken und Energieversorgern über Eigenkapital und Großkredite von Bankenkonsortien in Form von Club Deals finanziert. Diese Kapitalgebenden sind weiterhin vorhanden, jedoch hat sich der Teilnehmerkreis deutlich erweitert, wie in Abbildung 1 dargestellt. Haupttreiberin ist laut Experten die durch die EU-Taxonomie gestiegene Nachfrage nach Green Assets in den Bilanzen von Großunternehmen und Banken. Das Klassifizierungssystem für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten fördert die Nachfrage nach Partizipation an großen Abschnitten von Offshore-Finanzierungen. Nach Aussagen der Experten sind neuerdings auch US-Investmentbanken mit bisherigem Fokus auf Merger & Aquisitions sowie mehrere asiatische Banken aus Korea und Japan an europäischen Offshore-Finanzierungen beteiligt.
Abbildung 1
Kapitalgebende von Offshore-Finanzierungen
GOWC (2021), Global Offshore Wind Report, 61.
Quelle: FTI Consulting, GWEC Market Intelligence, Juli 2021.
Viele Finanzinvestierende sehen darüber hinaus Offshore als attraktives Investment, da Utilities bereits umfassende Erfahrungen in diesem Bereich aufbauen konnten. Weitere Gründe sind die Absicherung der eigenen Stromversorgung von industriellen Abnehmern, wie beispielsweise BASF oder Stahlkonzernen. Teilnehmende früherer Finanzierungen haben sich dagegen bereits aus dem europäischen Markt zurückgezogen. So sind Turbinenhersteller wie Siemens Gamesa oder Vestas als Eigenkapitalgeber kaum noch anzutreffen. Durch das erhöhte Angebot von Liquidität für Windparks auf See sprachen viele Fachleute von einem Markt für Sponsoren, weil diese unterstützt von Finanzierungsberatenden ihre Konditionen vorgeben können. Die in der Abbildung genannten Infrastrukturfonds, Copenhagen Infrastructure Partners oder der australische Konzern Macquarie finanzieren inzwischen erste Offshore-Windparks in Taiwan.
Nicht nur die Marktteilnehmenden, sondern auch die Finanzierungsarten haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Zwar dominieren weiterhin Konsortialkredite, allerdings wurden auch erste Green Bonds zur Finanzierung begeben. Projektbonds sind nach Aussage der Experten aufgrund des erforderten externen Ratings und den damit verbundenen Transparenzerfordernissen keine Alternative. Des Weiteren äußerten die Interviewpartner, dass das der Bauphase inhärente Fertigstellungsrisiko nicht über Projektbonds zu finanzieren ist, eine Umschuldung wäre somit frühestens ab Inbetriebnahme möglich, was bisher eher selten anzutreffen ist.
Covenants
Die Kennzahlen zur Projektbewertung werden nicht nur im Rahmen der Kreditvergabeentscheidung, sondern auch während der Laufzeit als Teil der Affirmative Covenants überwacht. Der sogenannte Forward DSCR wird auf Basis aktualisierter Ist- und Planzahlen rollierend für die kommenden 12-Monats-Laufzeitbänder geschätzt. Sollten die Schwellenwerte erwartungsgemäß nicht einzuhalten sein, folgen hieraus veränderte Sicherheitsforderungen, die in den Kreditverträgen fixiert sind. Zur Absicherung des zukünftigen Kapitaldienstes wurden früher Reserve Accounts eingerichtet, auf denen die Betreibenden eine sechsmonatige Schuldendienstreserve als Liquidität vorzuhalten hatten. Diese klassischen Reserve-Accounts findet man derzeit bei europäischen Offshore-Windparks nur noch in Ausnahmefällen. Standard ist aktuell das Einrichten revolvierender temporärer Linien (Debt Service Reserve Facilities), die bei schlechten Windausbeuten als Überbrückungsfinanzierung zur Absicherung des Kapitaldienstes dienen.
Neben den Liquiditätsvereinbarungen werden bei der Erreichung von vertraglich definierten Untergrenzen für die Kennzahlen sogenannte Lock-Up-Events kontrahiert, wie beispielsweise Cash Flow Caps. Zur Reduktion des Ausfallrisikos enthalten diese z. B. ein Ausschüttungsverbot für Dividenden oder die Notwendigkeit der Restrukturierung beispielsweise in Form von Eigenkapitalnachschüssen.
Als Sicherheiten der Kreditgebenden werden idealerweise alle Assets des SPV beschlossen, weitergehende Rückgriffsrechte auf die Sponsor:innen sind nach Auskunft der Experten aufgrund der gestiegenen Kapitalangebote auf der Eigen- und Fremdkapitalseite nicht (mehr) durchsetzbar. Die weiterhin vorherrschende Verpfändung der Aktien im Rahmen eines Share Pledges ermöglicht immerhin gesellschaftsrechtliche Eingriffe, sollte sich ein Restrukturierungsbedarf aus Sicht der Fremdkapitalgebenden ergeben. Weitere Regelungen beziehen sich auf prozentuale oder absolute Obergrenzen der Verschuldung. Zudem haben sich während der Bauphase Nachschusspflichten (Contingencies) als Prozentsatz der CAPEX etabliert. Die Höhe ist abhängig vom jeweiligen Risikoprofil auf Basis der Einschätzung der technischen Berater:innen.
Zukünftige Ausbauziele
Für die am 18.5.2022 von Belgien, Dänemark, Deutschland und den Niederlanden unterzeichnete Gipfelerklärung namens Esbjerg Declaration (Bundesregierung, 2022) wurde die Dringlichkeit des Umstiegs auf erneuerbare Energien noch einmal unterstrichen. Die bisherigen Windenergieanlagen auf See dieser vier Staaten sollen bis 2030 auf 60 GW vervierfacht werden5. Bisher wurden für den Bau eines MW 2 Mio. bis 2,5 Mio. Euro als Investitionssumme zugrunde gelegt, bezogen auf die geplante Erweiterung besteht somit ein kurz- bis mittelfristiger Kapitalbedarf von 90 Mrd.bis 105 Mrd. Euro. Andere europäische Staaten wie Polen oder Frankreich sowie der endlich beginnende Ausbau von Windkraft auf See in den USA sind nicht berücksichtigt.
Neben dieser verstärkten Nachfrage belasten die Inflation, explodierende Rohstoffpreise wie beispielsweise für Stahl und Kupfer sowie Lieferengpässe die Erreichung der Ausbauziele und erhöhen den Kapitalbedarf. Fachleute erwarten dennoch kurzfristig keine Veränderung des aktuell vorherrschenden Sponsorenmarktes. Gründe liegen in den zuvor ausgeführten ES-Anforderungen für Green Assets, die durch die Finanzierung von Windparks auf See einfach(er) zu erreichen sind, sowie in der hohen Verfügbarkeit von Liquidität und der kontinuierlichen Erweiterung der Kapitalgeberbasis.
Zur Erreichung der Ausbauziele ist daher eine Incentivierung der Utilities und Betreiber wichtig. Laut dem am 12. Mai 2022 erstmalig debattierten Gesetzesentwurf zur Beschleunigung des Offshore-Windkraft-Ausbaus sind zwei unterschiedliche Ausschreibungsmodelle geplant. Auf zentral vom Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie voruntersuchten Flächen werden Angebote gemäß den in Großbritannien bekannten Contracts for Difference (CfD) mit einer Laufzeit von 20 Jahren auktioniert. In diesen Ausschreibungen ist der Gebotswert das alleinige Vergabekriterium mit Höchstwerten von unter 6 ct/kwh. Während der Laufzeit soll ein Wechsel in die Direktvermarktung ausgeschlossen sein.6 Vorteil dieser noch zu verabschiedenden Regelungen für voruntersuchte Flächen sollen die deutliche Reduzierung des Marktpreisrisikos für die zu erwartenden Vergütungspreise der Betriebsjahre sowie die Incentivierung der Kostenreduzierung der Betreiber sein. Ein Ansatzpunkt ist z. B. die Senkung der Wartungskosten von Betreibern, deren Windparks nah beieinanderliegen, wie etwa EnBW mit den Windparks Hohe See und Albatros.
Problematisch sind jedoch die aktuellen deutlichen Preissteigerungen im CAPEX- und OPEX-Bereich, die durch CfD für die Betreiber keine zusätzlichen Erlöschancen bieten. In den vergangenen Jahren wurden nach Aussagen der Experten 3,5 ct/kwh durchschnittlich als OPEX geplant. Die angestrebte Incentivierung zur Kostenreduzierung wird somit mindestens kompensiert, das Kostenrisiko der Betriebsphase liegt aufgrund des Direktvermarktungsausschlusses umfänglich bei den Betreibern, Projektentwickler:innen werden dieses in Verträgen für CAPEX absichern. Als Folge sind höhere Kreditnachfragen mit gestiegenen Kapitaldiensten zu erwarten.
Eine vollständige Direktvermarktung über eine Partizipation am offenen Markt und damit den Schwankungen gegenüberzustehen, scheint unter Berücksichtigung des Ausbauvorhabens jedoch auch keine wirkliche Alternative darzustellen. Zumal die Energiepreise sich zunehmend volatil entwickeln und unklar ist, ob diese im gleichen Maße steigen werden wie Personal-, Material- oder Lieferkosten. Vermutlich liegt die Lösung zwischen diesen beiden Extremen. Denkbar wäre eine niedrigere Grundvergütung mit Erfolgsbezug. Steigen die Preise, so partizipiert der Betreiber zu einem festgelegten Anteil und gegebenenfalls bis zu einer festgelegten Höhe, fallen die Preise unter die Grundvergütung, sind diese Verluste hingegen abgesichert. Eine weitere Möglichkeit würde eine Erhöhung der Höchstpreise sowie eine Indexierung darstellen, bei welcher der Betreiber allerdings nicht nur an den Preissteigerungen, sondern auch an den Preisfällen beteiligt wird. Hier besteht ein konkreter Nachbesserungsbedarf im Gesetzesentwurf, den die Bundesregierung scheinbar bereits aufgreift. Ein wichtiges Detail, das die Finanzierbarkeit der zukünftigen Windausbauziele maßgeblich beeinflussen wird.
Der Beitrag basiert auf der Masterarbeit von Lukas Mann, die am Lehrstuhl für Finanzierung der HTW Berlin im Januar 2022 eingereicht wurde sowie auf weiteren Interviews mit Mitarbeitern von Structured-Finance-Abteilungen internationaler Banken. Da sich alle dieser Experten als männlich bezeichnen, wird hier auf Gendern verzichtet.
- 1 Der Cash Flow Available for Debt Service berechnet sich aus den liquiditätswirksamen Umsatzerlösen abzüglich laufender Zahlungen aus Betrieb und Wartung eines Jahres.
- 2 Höhere DSCR von 1,7 bis 1,8 werden angewendet, wenn anstelle von P90 die erwarteten Umsatzerlöse auf Basis von P50 angesetzt werden.
- 3 Das EEG 2014 sah nach § 47 für Offshore-Windparks, die vor dem 1. Januar 2020 in Betrieb gehen, zwei unterschiedliche Vergütungsansätze vor: https://www.gesetze-im-internet.de/eeg_2014/EEG_2017.pdf.
- 4 Bauzeitzinsen werden im Rahmen der Fertigstellung berücksichtigt und erhöhen die zu aktivierende Investitionssumme (CAPEX). Da noch keine Einnahmen während der Bauphase anfallen, das Fremdkapital jedoch schon bereitgestellt wird, werden Fremdfinanzierungen während der Bauphase tilgungsfrei gestellt, d. h. die Rückzahlung des Fremdkapitals erfolgt erst nach Fertigstellung des Bauprojekts und Beginn der erwarteten Rückflüsse.
- 5 Ende 2021 waren in Deutschland ca. 7,8 GW Offshore WEA installiert, das nationale Ausbauziel liegt bei 30 GW bis 2030.
- 6 Für nicht voruntersuchte Flächen sollen laut dem Gesetzentwurf Bieter um das Flächenentwicklungsrecht konkurrieren. Für diese soll eine Kombination aus fünf qualitativen und finanziellen Zuschlagskriterien zur Anwendung kommen, ohne dass staatliche Vergütungen garantiert werden (Stiftung Offshore-Windenergie, 2022).
Literatur
Böttcher, J. (2013), Projektfinanzierung eines Offshore-Windparks, in J. Böttcher, Handbuch Offshore-Windenergie, 55-88, Oldenbourg Verlag.
Bundesnetzagentur (2021), Presse, Ergebnisse der Ausschreibungen für Offshore-Windenergie.
Bundesregierung (2022), Esbjerg Declaration, https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/windkraft-kooperation-2040592 (22. Juli 2022).
Deutscher Bundestag (2022), Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes und anderer Vorschriften, Drucksache 20/1634, 6. April.
FAZ (2022), Genügend Windkraft-Flächen gibt es nur mit Konfliktpotential, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/windkraft-genuegend-flaechen-nur-mit-konfliktpotenzial-18072541.html#void (15. Juni 2022).
Nevitt, P. K. und F. J. Fabozzi (2000), Project Financing, 7. Aufl., Euromoney Books.
Stiftung Offshore-Windenergie (2022), Pressestatement: Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE teilt Kernforderungen des Bundesrates zu Nachbesserungen am Windenergie-auf-See-Gesetz | Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE (offshore-stiftung.de).