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Der US-amerikanische „Inflation Reduction Act“ (IRA) schlägt in der EU hohe Wellen. Es wird befürchtet, dass Unternehmen durch die Subventionspolitik des IRA in absehbarer Zeit reihenweise aus Europa in die USA abwandern. Warum? Der IRA umfasst viele verschiedene Aspekte, die der Eindämmung der Inflation dienen sollen – von einer Reform der Bepreisung von Medikamenten über verschiedene Steueranpassungen bis hin zur Förderung von grüner Technologie.

Letzteres wird dabei zum Streitpunkt mit der EU, da der IRA beispielsweise großzügige Zuschüsse für Verbraucher für den Kauf von Elektroautos vorsieht. Das Problem dabei ist (aus europäischer Sicht), dass eine „Made-in-America“-Klausel gilt und die Fahrzeuge in Nordamerika (sprich USA, Kanada oder Mexiko) produziert sein müssen. Für die notwendigen Batterien gilt ebenfalls, dass ein signifikanter Teil der Wertschöpfung in diesen Ländern oder in Ländern, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen hat, stattfinden muss. Unternehmen aus anderen Ländern – inklusive der EU, da diese kein Freihandelsabkommen mit den USA hat – müssen also im nordamerikanischen Markt produzieren, um von diesen fiskalischen Anreizen profitieren zu können. Und für solche Neuansiedlungen kann es Subventionen geben. Daher besteht die Befürchtung, dass Unternehmen sich aus Europa verabschieden und stattdessen Produktionsstätten in Nordamerika aufbauen.

Dass einige Unternehmen den Anreizen folgen möchten, ist nicht verwunderlich (wobei bekanntermaßen Vorhaben nicht immer auch in konkrete Aktionen münden). Aber ob diese Einzelbeispiele auf eine bevorstehende Abwanderungswelle aus Europa in die USA hindeuten, lässt sich diskutieren. Dagegen spricht beispielsweise, wie der St. Gallener Ökonom Simon Evenett ausführt, die gestiegene Unsicherheit für Unternehmen hinsichtlich wirtschaftspolitischer Entscheidungen der USA, die zunehmend protektionistischer geworden sind. Dies kann Unternehmensansiedlungen abschrecken. Es ist unwahrscheinlich, dass solche strukturellen Probleme durch Steueranreize oder andere finanzielle Anreize, wie sie das IRA vorsieht, gelöst werden können.

Nichtsdestoweniger besteht jedoch die Gefahr, dass einzelne Unternehmen den Subventionsanreizen nicht widerstehen können und Produktion in die USA verlagern. Das würde vor allem aus politischer, wenn auch nicht unbedingt aus gesamtwirtschaftlicher Sicht schmerzen. Trotzdem sollten die Europäer jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Die europäische Überlegung, selbst Subventionen massiv auszubauen, ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. Dies würde einen Subventionswettbewerb starten, der auf einen Handelskrieg mit den USA hinauslaufen könnte. Aus einem solchen würden (fast) alle Beteiligten als Verlierer hervorgehen. Die Subventionierung der Unternehmen hätte nur eine Gewinnergruppe: die Anteilseigner der an sich schon sehr profitablen technologieintensiven Firmen, die diese Subventionen erhalten.

Stattdessen sollte an zwei Punkten angesetzt werden:

  • Zum einen sollten die Europäer ihre Hausaufgaben machen und die Attraktivität des Standorts Europa erhöhen, aber nicht mit Subventionen. In einer aktuellen Studie des ZEW Mannheim zeigt sich, dass Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien besonders schlecht bei Standortfaktoren, wie z. B. Regulierung, Arbeit und Steuern abschneiden. Diese fundamentalen Faktoren sind wichtig – wichtiger als finanzielle Anreize. Gerade da die USA, wie oben erwähnt, mit eigenen Problemen zu kämpfen haben, kann eine Verbesserung dieser Faktoren auf europäischer Seite große Wirkung entfalten.
  • Zum anderen sollte eine engere Zusammenarbeit mit den USA auf dem Feld der grünen Technologien angestrebt werden. Ein erklärtes Ziel der US-amerikanischen Maßnahmen ist ja, die Energiewende voranzutreiben. Das ist auch im europäischen Interesse. Das „US-EU Trade and Technology Council“ (TTC), also ein bereits bestehender gemeinsamer Rat, in dem wirtschaftspolitische Themen den Handel und die Technologie betreffend abgestimmt werden, bildet dafür einen geeigneten Rahmen. In diesem Rat sollte darüber diskutiert werden, wie die Energiewende gemeinsam angegangen werden kann und welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen in Abstimmung zwischen den USA und der EU ergriffen werden können, um solche Technologien in diesen Wirtschaftsräumen nachhaltig anzusiedeln. Wichtig ist dabei, dass die EU geschlossen auftritt und nationale Alleingänge einzelner EU-Staaten vermieden werden. Nur so können gemeinsame europäische Interessen gegenüber den USA effektiv vertreten werden.

© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0024