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Klimaneutralität wird in Deutschland und der EU primär über eine CO2-Steuer und CO2-Zertifikate angestrebt. Um diese Kosten zu vermeiden, müssen die Unternehmen ihre Produktionskapazitäten über Investitionen umstrukturieren. Dabei ist die Rentabilität klimaneutraler Investitionstätigkeit im Vergleich zu bisherigen Investitionen durch zusätzliche Kosten deutlich niedriger. Das folgt aus einem erhöhten Stilllegungs- und Abschreibungsbedarf bei noch vorhandenen klimaschädlichen Kapazitäten. Wegen der Stilllegung entfällt auch ein Gewinnbeitrag aus der Weiterverwendung bereits abgeschriebener Kapazitäten. Zugleich müssen die Ersatz­investitionen Klimaneutralität inkorporieren. Das bedeutet Mehrkosten für ergänzende Investitionen z. B. für Filteranlagen oder klimaneutralisierende Elemente in Neuinvestitionen. Dabei bleibt über den Lebenszyklus der Ersatzinvestitionen die zum Investitionszeitpunkt installierte klimaschonende Technologie relativ unverändert. Angesichts eines progressiven CO2-Preispfades ist diese immer weniger in der Lage, die daraus folgenden weiteren Kostensteigerungen zu kompensieren. Um dies zu vermeiden, werden laufend neue Investitionen mit einer höheren Klimaeffizienz nötig. Die Investitionslebenszyklen verkürzen sich; Abschreibungs- und Wiederbeschaffungsbedarf steigen. Die Kostenentwicklung des veränderten Energiemix ist dagegen schwer zu schätzen. Diese hängt neben dem steigenden CO2-Preispfad und dem niedrigeren Preis der klimaneutralen Energie davon ab, inwieweit die Investition fossile durch klimaneutrale Energie substituieren kann. Im Ergebnis sind klimaneutrale Investitionen im Vergleich zu bisherigen Investitionen mit höheren Kosten verbunden; die Rentabilität wird entsprechend belastet.

Welches Zinsniveau passt zu dieser abgesenkten Rentabilität im Rahmen der klimapolitischen Transformation? Wie beim Energiepreisschock muss die Geldpolitik zwischen einem negativen angebotsseitigen Preiseffekt infolge des CO2-Preispfades der Klimapolitik und möglichen Zweitrundeneffekten unterscheiden. Anders als die Mehrausgaben für importierte Energie verbleibt bei der Klimapolitik das Aufkommen aus den CO2-Abgaben im Inland. Insofern ist deren aufkommensneutrale Rückerstattung zur Erhaltung der Kaufkraft möglich, z. B. durch eine Verwendung zur Förderung privater klimaneutraler Investitionen oder öffentlicher Infrastruktur, aber auch als Klimageldzahlung oder Senkung indirekter Steuern der privaten Haushalte. Wie die Gas- und Strompreisbremse beim Energiepreisschock hätte eine Senkung der Steuern gegenüber dem Klimageld zugleich einen entlastenden Effekt auf Tarifverhandlungen, das gesamtwirtschaftliche Preisniveau und damit auf den Kurs der Geldpolitik.

Wenn im Saldo von CO2-Bepreisung und Entlastung dennoch ein wiederkehrender preistreibender Effekt verbleibt, ist mit einer konzertierten Aktion aller wirtschaftspolitischen Akteure zu vermeiden, dass dieser eine das Preisstabilitätsziel überschießende Kerninflation und damit eine geldpolitische Reaktion auslöst. Da die Geldpolitik sich an der Preisentwicklung im gesamten Euroraum orientiert, muss auch in den anderen Mitgliedstaaten eine ähnliche Konzertierung stattfinden. Die klimafreundliche Investitionstätigkeit wird dabei auf nationaler und EU-Ebene erheblich staatlich gefördert, auch als Gegengewicht zur massiven klimapolitischen Subvention in anderen Regionen wie derzeit in den USA. Hinzu kommen Infrastrukturinvestitionen des Staates, die transformativ wirken und den Anpassungsbedarf der privaten Wirtschaft abmildern. Das Zinsniveau entscheidet zum einen mit darüber, was eine staatliche Förderung, soweit kreditfinanziert, kostet, wie hoch sie unter fiskalischer Nachhaltigkeit dotiert wird und wie stark sie den Zinskosten im Investitionskalkül entgegenwirkt. Zum anderen fallen Umfang und Rentabilität von privaten Realinvestitionen bei höheren Zinsen entsprechend hierbei niedriger aus, was für klimaneutrale Investitionen wegen der zusätzlichen Belastungen der Kosten und Nachfrageseite umso mehr gilt. Zur generellen Unsicherheit, mit denen Investitionen behaftet sind, kommen bei klimaneutralen Investitionen Volatilität der Energiepreise und Unsicherheit über Veränderungen eines angekündigten CO2-Preispfades hinzu. Zudem sind unvorhersehbare ordnungsrechtliche Auflagen nicht ausgeschlossen, wenn die Lenkung durch Preise nicht den erforderlichen CO2-Reduktionseffekt erbringt. Auch diese Unsicherheit wird durch einen äquivalenten Abschlag auf die erwartete Rentabilität klimaneutraler Investitionen eingepreist.

Wenn trotz Förderung aufgrund der zusätzlichen Unsicherheiten und Belastungen klimafreundliche Investitionen gegenüber bisherigen Investitionen weniger rentabel sind, kann ein vergleichbar hohes Investitionsvolumen im klimapolitischen Transformationsprozess nur bei einem entsprechend niedrigeren Zinsniveau erwartet werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Ersatzinvestitionen unterbleiben und der klimapolitisch notwendige Strukturwandel mit einem schrumpfenden Produktionspotenzial einhergeht. Auch in der derzeitigen Geldpolitik zwischen der Bekämpfung einer Kerninflation und der Gefahr einer Rezession durch Zinserhöhungen ist das Risiko einer Gefährdung der notwendigen klimapolitischen Umstrukturierung des Produktionspotenzials unbedingt miteinzubeziehen.

© Der/die Autor:in 2023

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DOI: 10.2478/wd-2023-0042