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Microsoft hat eine marktbeherrschende Stellung im Software-Markt, konkurriert aber mit einer Vielzahl von Wettbewerbern im benachbarten Markt für Cloud-Computing. Inwiefern führt die von Microsoft praktizierte Verknüpfung von Software-Produkten mit Cloud-Computing-Dienstleistungen zu Wettbewerbsvorteilen für Microsoft und zu Nachteilen für die Konsumenten? Die Produktverknüpfung von Microsoft diskriminiert bestimmte Cloud-Computing-Anbieter. Dabei nutzt Microsoft seine marktbeherrschende Stellung auf dem Software-Markt, um sich Wettbewerbsvorteile beim Cloud-Computing zu verschaffen. Dieses Verhalten führt zu höheren Preisen und geringer Wahlfreiheit für die Kunden. Zudem sinken Innovationsanreize für konkurrierende Cloudanbieter.

Microsoft sieht sich derzeit mit Vorwürfen konfrontiert, seine marktbeherrschende Stellung im Software-Markt (vor allem im Bereich Bürosoftware und Betriebssysteme) auszunutzen, um durch die Verknüpfung von Software-Lizenzen mit Cloud-Computing-Lösungen Vorteile für seine eigene Cloud-Computing-Sparte Microsoft Azure zu erlangen.1 Lizenzen für Software-Produkte von Microsoft können ohne oder mit vergleichsweise niedrigen zusätzlichen Kosten auf Microsofts eigenem Cloud-Service Azure oder auf externen Cloud-Computing-Lösungen von kleineren Anbietern genutzt werden. Im Gegensatz dazu ist eine Nutzung auf Rechenzentren der Anbieter Alibaba, AWS und Google („Listed Provider“2) nur gegen Zahlung erhöhter Entgelte bzw. in manchen Fällen gar nicht möglich. Diese Kritik an der Verknüpfungspraxis (auch als Bündelung bezeichnet) richtet sich somit gegen die Bevorzugung von Microsofts eigenen Rechenzentren gegenüber Angeboten von Wettbewerbern.

Aus juristischer Perspektive werden derartige Regelungen in Software-Lizenzverträgen kritisch gesehen: Metzger (2021) geht von einem Marktmachtmissbrauch im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§19 GWB) bzw. im Sinne des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Art. 102 AEUV) aus, da Microsoft eine marktbeherrschende Stellung in einem Markt (Software) innehat und diese dazu nutzt, Wettbewerber auf einem benachbarten Markt (Cloud-Computing) zu Lasten der Konsumenten zu behindern.

Das missbräuchliche Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung in digitalen Märkten hat schon in der Vergangenheit das Einschreiten von Wettbewerbsbehörden notwendig gemacht (OECD, 2020). Ein prominentes Beispiel ist die Produktbündelungsstrategie von Google, die 2018 durch die EU-Kommission als wettbewerbswidrig eingestuft und mit einer Strafzahlung von 4,34 Mrd. Euro belegt wurde (EU-Kommission, 2018). Auch Microsoft war in den 1990er Jahren Gegenstand regulatorischer Eingriffe, als es innerhalb von Windows die Audiosoftware Mediaplayer und den Webbrowser Internet Explorer vorinstalliert hat. Dadurch wurden konkurrierende Hersteller wie Real oder Netscape behindert und Microsofts Produktbündelungsstrategie wurde als wettbewerbswidrig eingestuft, da sie mit Nachteilen für Wettbewerber und vor allem für Endverbraucher einherging.3

Wir diskutieren ökonomische Konsequenzen von Produktbündelung am allgemeinen Fall eines Unternehmens, das ein Bündel bestehend aus zwei Produkten anbietet. Für eines der Produkte hat es eine marktbeherrschende Stellung,4 während das andere Produkt im Wettbewerb steht. Dieser generelle Fall entspricht der Produktverknüpfung von Microsoft. Microsoft hat im Markt für Software mit Windows und Office eine marktbeherrschende Stellung, nicht aber im Bereich Cloud-Computing. Somit können die aus der ökonomischen Literatur gewonnenen Erkenntnisse auf die konkrete Bündelungsstrategie von Microsoft übertragen werden.

Produktbündelungsstrategien und ihre Auswirkungen

Microsofts Produktbündelungsstrategien im Bereich Cloud-Computing

In der ökonomischen Literatur wird Produktbündelung als die Praxis von Unternehmen definiert, zwei oder mehrere Güter (bzw. Dienstleistungen) zusammen zu einem Preis zu verkaufen. Der Preis für ein Bündel ist dabei in der Regel niedriger als die Summe der Einzelpreise.

Microsofts Produktstrategie ist ein klassisches Beispiel für Bündelung. Auf dem Software-Markt ist Microsoft für sein Betriebssystem Windows und das Bürosoftwarepaket Office (Word, Excel, Powerpoint und weitere) bekannt und besitzt eine marktbeherrschende Stellung. Gleichzeitig ist das Unternehmen in zunehmendem Ausmaß im Bereich Public Cloud-Computing unter der Marke Microsoft Azure aktiv (Microsoft, 2021).5 Microsofts Software- und Cloud-Computing-Produkte können sowohl separat als auch in gebündelter Form erworben werden. Microsoft verfolgt also eine gemischte Bündelungsstrategie.6 Die seit 2019 gültigen Lizenzmodelle machen Produktbündel in bestimmten Konstellationen für Endkunden7 günstiger als einen getrennten Erwerb von Software- und Cloud-Computing-Dienstleistungen bzw. sie ermöglichen die Cloud-Nutzung von bestimmter Microsoft Software überhaupt erst.

Eine Darstellung Microsofts komplexer Software-Lizenzverträge findet sich in Jenny (2021) oder Metzger (2021).8 Die Regelungen lassen sich wie folgt darstellen: Der Endkunde kann eine bereits erworbene Microsoft-Software-Lizenz auf externen Rechenzentren nutzen, solange der Outsourcing-Partner von Microsoft als „authorized outsourcer“ zertifiziert ist. Für andere Anbieter muss der Lizenznehmer ein kostenpflichtiges Upgrade erwerben. Die „Listed Provider“ und Microsoft Azure gehören nicht zu den „authorized outsourcers“. Obwohl auch Microsoft Azure selbst kein „authorized outsourcer“ ist, bietet Microsoft vielfältige Möglichkeiten an, bestehende Lizenzen ohne oder nur zu geringen zusätzlichen Kosten auf dem eigenen Dienst Azure zu nutzen (Jenny, 2021). Da diese Möglichkeiten für die anderen „Listed Provider“ nicht zur Verfügung stehen, gibt es eine Vielzahl von Konstellationen, bei denen eine Nutzung von erworbener Microsoft Software auf Azure billiger ist als eine Nutzung auf den Rechenzentren der anderen „Listed Provider“.

Die Hindernisse zur Nutzung von Microsoft-Software auf Clouds der großen anderen Anbieter ergeben sich bei bestehenden, also bereits erworbenen Software-Lizenzen, die ein Nutzer in die Cloud „mitnehmen“ möchte. Es wäre für den Kunden zwar möglich, direkt über den Cloudanbieter (auch die „Listed Provider“) eine neue Lizenz zu kaufen und dort zu nutzen. Dies ist dann wiederum mit signifikanten Mehrkosten durch einen neuen Lizenzerwerb verbunden und stellt somit ein Hindernis dar.

Potenziell wettbewerbseinschränkende Auswirkungen

Produktbündelung kann aus ökonomischer Sicht mehrere wettbewerbseinschränkende Effekte haben. Es lässt sich zwischen unmittelbaren Auswirkungen, die schnell im Markt zu sehen sind, und mittelbaren Auswirkungen unterscheiden, die sich etwa in zwei bis fünf Jahren zeigen. Wir beschränken die Diskussion dieser Effekte auf den Fall einer Bündelung von zwei Produkten, A und B. Aus dieser Diskussion leiten wir Implikationen für die Beurteilung von Microsofts Bündelung von Software-Produkten ab.9

Unmittelbare Auswirkungen (statische Betrachtung)

Negative Wohlfahrtseffekte durch Produktbündelung können auftreten, wenn ein Mehrproduktunternehmen in zwei Märkten A und B aktiv ist und in einem der beiden Märkte eine marktbeherrschende Stellung innehat (in unserem Beispiel Markt A), während es im angrenzenden Markt für das Komplementärgut B im Wettbewerb steht. Es gibt Kunden, die entweder nur an einem der beiden Produkte interessiert sind und Kunden, die an beiden Produkten interessiert sind und diese entweder getrennt (A und B) oder im Bündel (AB) erwerben können. Falls die beiden Güter ein hohes Maß an Komplementarität aufweisen, wie dies im Software- und Cloud-Computing-Markt der Fall ist, ist die große Mehrheit der Kunden an beiden Produkten interessiert. Die Preise sind gegeben durch PA und PB für den jeweils separaten Erwerb der Produkte A bzw. B und den Preis für das Bündel PAB.

Microsofts marktbeherrschende Stellung im Bereich Software (Markt A) ist unstrittig. Dies gilt sowohl für das Segment Bürosoftware (Microsoft Office) als auch für das Segment Betriebssysteme (Microsoft Windows). Im angrenzenden Markt für Cloud-Computing-Dienstleistungen (Markt B) herrscht derzeit Wettbewerb zwischen konkurrierenden Anbietern, von denen keiner eine marktbeherrschende Stellung hat. Neben den großen Anbietern Alibaba, AWS, Google und Microsoft gibt es eine Reihe weiterer Anbieter verschiedener Größe.

In der skizzierten Situation kann das Mehrproduktunternehmen seine marktbeherrschende Stellung nutzen, um einen hohen Preis PA (im Extremfall den Monopolpreis) für den separaten Verkauf von Produkt A zu setzen. Wird der Preis für das Bündel AB (PAB ) so gesetzt, dass ein gemeinsamer Erwerb günstiger ist als ein getrennter Kauf, entsteht ein Wettbewerbsnachteil für Anbieter, die lediglich auf Markt B aktiv sind (Farrell und Katz, 2000; Reisinger et al., 2021). Sofern Kunden Produkt B von Einproduktunternehmen beziehen wollen, müssen sie zusätzlich zum hohen Preis PA auch noch PB bezahlen. Selbst wenn die Einproduktunternehmen einen geringen Preis PB setzen, ist es schwer für sie gegen das Produktbündel des Mehrproduktunternehmens zu konkurrieren, da das Bündel günstiger bleibt (PAB < PA + PB ). Als Folge werden viele Kunden das Bündel des Mehrprodukt­unternehmens bevorzugen. Dadurch kann das Mehrproduktunternehmen durch Bündelung seine Marktmacht, die ohne Bündelung auf Markt A beschränkt ist, zum Teil auch auf Markt B erweitern. Die Marktmacht in Markt A führt zu höheren Marktanteilen im Markt B als es in einer Wettbewerbssituation ohne Bündelung der Fall wäre. Dieser Effekt wird häufig als Leverage-Effekt bezeichnet.

Ein Leverage-Effekt entsteht auch durch das Lizenzmodell für Microsoft Software. Der Gesamtpreis der Nutzung von Microsoft Software (PA ) mit Cloud-Computing-Dienstleistungen von „authorized outsourcers“ (PB ) entspricht dem Preis des von Microsoft angebotenen Produktbündels (PAB ), also PA + PB = PAB. Gegenüber „authorized outsourcers“ verschafft sich Microsoft also keinen Wettbewerbsvorteil. Wie oben dargestellt wurde, ist das Produktbündel von Microsoft jedoch günstiger im Vergleich zu Cloud-Computing-Dienstleistungen der „Listed Provider“, da hier für Nutzer Mehrkosten anfallen. Daraus ergibt sich für diese „Listed Provider“ ein Gesamtpreis, der höher ist als der Preis der „authorized outsourcers“ mit PAB < PA + PB.

Der Leverage-Effekt tritt auch auf, wenn die Qualität der Produkte B von den konkurrierenden Einproduktunternehmen höher ist als die Qualität von Produkt B des Mehrproduktunternehmens. Die Erhöhung des Markanteils durch das Mehrproduktunternehmen hat für die Kunden den nachteiligen Effekt, dass sie im Bündel ein Produkt B kaufen, das qualitativ minderwertig ist oder ihren Präferenzen weniger entspricht als die optimale Wahl ohne Bündelung (Peitz, 2008). Für Kunden, die Produkte A und B erwerben möchten, nimmt damit die Wohlfahrt durch den Leverage-Effekt ab. Im Fall von Microsofts Produktverknüpfungsstrategie ist ein Leverage-Effekt klar zu identifizieren. Durch den höheren Preis für Software-Lizenzen von Microsoft, die auf den Clouds der „Listed Provider“ genutzt werden sollen, sind diese Unternehmen gegenüber Microsofts Azure im Wettbewerb deutlich benachteiligt. Microsoft kann so seine marktbeherrschende Stellung im Software-Markt gegenüber den anderen „Listed Provider“ nutzen, um sich Wettbewerbsvorteile auf dem Cloud-Computing-Markt zu verschaffen. Dies ist aus ökonomischer Sicht kritisch zu sehen, da den Konsumenten durch höhere Kosten und einer Einschränkung ihrer Wahlfreiheit Nachteile entstehen.

Diese Reduktion der Konsumentenwohlfahrt ergibt sich aus einer Diskriminierung der anderen genannten „Listed Provider“. Wären Microsofts Software-Produkte zu vergleichbaren Konditionen oder nur geringfügig teurer mit den Angeboten der anderen „Listed Provider“ zu nutzen, entstünde kein nennenswerter Nachteil für die Kunden. Erst die starke Ungleichbehandlung zwischen separatem und Bündel-Erwerb der Produkte führt zu den oben diskutierten Nachteilen. Wie von Metzger (2021) erläutert, sind die Mehrkosten substanziell, wenn Kunden wichtige Microsoft-Produkte auf den Clouds großer Mitbewerber nutzen möchten. Daher erscheint es realistisch, dass sich viele Kunden für die Microsoft Cloud Azure entscheiden.

Der Leverage-Effekt durch das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung in Markt A reduziert die Einkünfte von Einproduktunternehmen im Markt B, was im Extremfall zu deren Ausscheiden führt (Whinston, 1990; Nalebuff, 2004). Je höher die Komplementarität und je höher der Anteil von Kunden, die sowohl Produkte A und B erwerben wollen, desto stärker der Leverage-Effekt und desto größer die Wahrscheinlichkeit von Marktaustritten von Einproduktunternehmen (Carlton und Waldman, 1998). Man spricht dann von Foreclosure: Durch Produktbündelung kann es einem Unternehmen gelingen, einen Markt zu monopolisieren, obwohl in diesem Markt ohne Produktbündelung Wettbewerb bestanden hätte. Durch den Marktaustritt von Einproduktunternehmen entsteht ein negativer Effekt auch für Kunden, die nur an Produkt B interessiert sind. Zum einen sinkt ihre Wahlfreiheit, zum anderen nimmt im Zeitablauf die Marktmacht des Mehrproduktunternehmens im Markt B zu, was zu höheren Preisen PB und qualitativ schlechteren Produkten führen kann.

Der Leverage-Effekt lässt sich tatsächlich feststellen: Microsofts Marktanteil im Bereich Public-Cloud-Computing ist von ca. 13 % im Jahr 2018 auf rund 21 % im Jahr 2021 gestiegen, während die Anteile der großen Wettbewerber stagnierten. Insbesondere die kleineren Anbieter verlieren derzeit deutlich Marktanteile.10 Es bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß diese Entwicklung in den kommenden Jahren zu Marktaustritten von Cloud-Computing-Anbietern führen wird. Falls eine solche Entwicklung jedoch einsetzt, ist davon auszugehen, dass die Reduktion der Konsumentenwohlfahrt erheblich ist.

Hervorzuheben ist auch, dass im Cloud-Computing-Markt ein Anbieterwechsel mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden ist. Bei einem Anbieterwechsel müssen große Datenmengen übertragen werden, was zu Transferkosten führen kann. Da Daten oft komplementär sind, ist es für Kunden zudem vorteilhaft, alle Daten auf der Cloud eines Anbieters zu speichern. Opara-Martins et al. (2016) zeigen, dass Kunden im Cloud-Computing-Markt häufig bei einem einmal ausgewählten Anbieter bleiben. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ohne weiteres Eingreifen Microsofts Produktverknüpfungsstrategie zu im Zeitablauf zunehmenden Konzentrationstendenzen führt.

Mittelbare Auswirkungen (dynamische Betrachtung/Innovationsanreize)

Viele Software-Märkte sind von einer hohen Innovationsdynamik gekennzeichnet. Der Lebenszyklus von Software-Produkten ist kurz und Unternehmen stehen im Forschungswettbewerb, um sich durch qualitative Verbesserungen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, was zu erhöhter Wohlfahrt für die Kunden führt. In der ökonomischen Literatur wird deshalb auch diskutiert, wie sich Produktbündelung auf den Forschungswettbewerb zwischen Unternehmen auswirkt (z. B. Choi, 1996 und 2004; Choi and Stefanadis, 2001). Eines der zentralen Ergebnisse dieser Literatur ist: Die Innovationstätigkeit insgesamt wird durch Produktbündelung tendenziell verlangsamt, da die Unternehmen, die nur in einem der Märkte tätig sind, geringere Innovationsanreize besitzen.

Wir beschreiben diesen Effekt wieder mittels einer vereinfachten Marktstruktur, mit zwei Gütern A und B.11 Das Mehrproduktunternehmen ist in beiden Märkten aktiv und kann die beiden Güter getrennt oder als Bündel anbieten. Es hat eine marktbeherrschende Stellung in Markt A. Eine reine Bündelungsstrategie senkt die Innovationsanreize von Unternehmen, die in Markt B aktiv sind. Da durch Güterbündelung das Komplementär-Produkt A nicht mehr separat erhältlich ist, könnte ein forschendes Unternehmen mit einem verbessertem oder neuem Produkt B nur noch Gewinne von Kunden erzielen, die ausschließlich an Produkt B interessiert sind oder bereit sind, zusätzlich zum Bündel noch Produkt B zu kaufen. Dies ist jedoch häufig nur ein kleiner Teil des Markts. Häufig werden die Produkte A und B zusammen genutzt – insbesondere, wenn sie wie im Beispiel Software und Cloud-Computing komplementär sind. Es besteht dann fast ausschließlich Nachfrage nach dem Güterbündel, da dies die einzige Möglichkeit für Kunden ist, beide Produkte zu erhalten. Forschungs- und Entwicklungskosten sind aber im Regelfall fixe Kosten, die unabhängig von der später verkauften Menge des Produktes anfallen. Erwartet ein Unternehmen eine niedrigere Absatzmenge, müssen die Fixkosten auf eine geringere Menge umgelegt werden. Ein Einproduktunternehmen, das zwar jetzt noch aktiv in Innovation investiert, kann nur noch in geringerer Menge von der Innovation profitieren. Dies führt generell zu einem geringeren Anreiz für Einprodukt­unternehmen, ein besseres Produkt B zu entwickeln. Der Forschungswettbewerb wird somit weniger intensiv. Die Güterbündelung hat einen negativen Einfluss auf die Innovation von Einproduktunternehmen im Vergleich zum Fall ohne Bündelung, weshalb Güterbündelung die Monopolposition des Mehrproduktunternehmens verstetigen.

Für die Kunden hat dies negative Auswirkungen. Zum einen nimmt die Verfügbarkeit differenzierter Produkte ab, was die Wahlfreiheit der Kunden einschränkt. Zum anderen verfestigt dieser Effekt die marktbeherrschende Stellung des Mehrproduktunternehmens, was es diesem Unternehmen erlaubt, seine Preise zu erhöhen und damit seine dominante Stellung auszunutzen.

Ein weiterer möglicher Effekt ergibt sich durch diese verfestigte Stellung in Markt B auch für die Innovationsanreize in Markt A, dem Kernmarkt des Mehrproduktunternehmens. Da es weniger Differenzierung in Markt B gibt, ist es auch in Markt A nicht mehr so entscheidend, das Produkt mit verschiedenen Produkten auf Markt B kompatibel zu machen, was zu einer geringeren Innovationstätigkeit des Mehrproduktunternehmens in Markt A führt. Auch dies hat für die Kunden wohlfahrtssenkende Konsequenzen.

In Bezug auf die Produktverknüpfung von Microsoft ist es schwierig, bereits jetzt Auswirkungen auf Innovationsaktivitäten direkt zu beobachten, da Microsoft die diskutierten Lizenzbedingungen erst 2019 eingeführt hat. Im Markt für Cloud-Computing gibt es im Augenblick starke Innovationstätigkeit von vielen Markteilnehmern. Wie sich die Innovationsaktivität in den nächsten Jahren entwickeln wird, ist schwer vorherzusehen.

Auf Basis der obigen Argumentation ist jedoch zu erwarten, dass die deutliche Steigerung von Microsoft Azures Marktanteil im Bereich Cloud-Computing durch Lizenzverbindung die Innovation der Wettbewerber von Microsoft negativ beeinflusst. Da der Cloud-Computing-Markt oft von geringer Wechselbereitschaft der Nutzer geprägt ist, kann die Produktbündelung – wie in den 1990ern bei Internetbrowsern – daher zu einem „market tipping“ führen, bei dem die größte Zahl von Nutzern von einem dominierenden Anbieter versorgt wird (Jenkins et al., 2021). Da Wettbewerber auch durch Investitionen in Innovationen nicht die Lizenzbündelung kompensieren können, wird ihr Marktanteil kleiner – was wiederum Folgen für die Innovationsbereitschaft hat.

Mögliche Effizienzgewinne durch Güterbündelung

Produktbündelung ist ökonomisch nicht zwangsläufig kritisch zu sehen, da sie häufig aus Effizienzgründen erfolgt. Effizienzen können aus Produktionsvorteilen (Angebot) oder Kundenpräferenzen (Nachfrage) resultieren. Werden Effizienzvorteile in Form niedrigerer Preise an Konsumenten weitergegeben oder führen sie nicht-monetär zu niedrigeren Opportunitätskosten, z. B. durch eine Reduktion von Transaktionskosten im Vergleich zum getrennten Erwerb der Güter, steigert Produktbündelung sogar die Konsumentenwohlfahrt.

(i) Effizienzgewinne durch Bündelung in der Produktion

Produktionsbedingte Effizienzvorteile ergeben sich, wenn die Integration einzelner Komponenten zu einem Endprodukt effizienter ist als ein separater Erwerb von Komponenten und deren anschließende Integration durch den Endkunden.12 Ein weiterer angebotsbedingter Effizienzvorteil durch Güterbündelung resultiert aus Fixkosten, die mit dem Kauf und der Inbetriebnahme eines Produktes verbunden sind. Sofern diese fixen Kosten vielfach beim separaten Erwerb verschiedener Produkte anfallen, ist es effizienter einmal ein Bündel zu kaufen, da dann diese Fixkosten nur einmal anfallen.

Im Bereich Cloud-Computing bedeutet dies, dass Effizienzvorteile anfallen, wenn integrierte Software-Lösungen und Cloud-Computing-Infrastruktur durch ein Mehrproduktunternehmen günstiger hergestellt werden können als durch Softwareerwerb und -installation durch den Kunden. Effizienzen können sich auch einstellen, wenn Installationsaufwand und Betriebskosten von Software auf bestimmten Cloud-Computing-Plattformen durch gemeinsamen Erwerb sinken. Aufgrund des hohen Standardisierungsgrades im Bereich Cloud-Computing erscheint beides unplausibel. Ebenfalls ist nicht klar, ob mögliche Effizienzgewinne überhaupt an Endkunden in Form niedrigerer Preise weitergegeben würden. Dies hängt stark vom Wettbewerbsdruck ab. Bei einem Unternehmen, das wie Microsoft zumindest einen der beiden komplementären Märkte dominiert, erscheint dies unwahrscheinlich. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass Microsoft Anreize hätte, Effizienzvorteile – sofern sie existieren – an Kunden weiterzugeben.

(ii) Effizienzgewinne durch Bündelung aufgrund von Kundenpräferenzen

Nachfragebedingte Effizienzvorteile durch Güterbündelung ergeben sich insbesondere bei komplementären Gütern, da die Nachfrage nach Produktbündeln häufig höher ist als nach separaten Gütern. Ein Beispiel ist der gebündelte Verkauf eines DSL-Vertrags mit einem Router. Der gemeinsame Erwerb ist für Käufer deutlich effizienter, da er zur Senkung von nicht-monetären Kosten führt (geringere Suchkosten bzgl. Kompatibilität, Zeitersparnis aufgrund nur eines Kaufvorgangs, etc.).

Im Markt für Cloud-Computing ist eine Senkung der Transaktionskosten (Such- und Vertragskosten) aufgrund von Güterbündelung nur in geringem Ausmaß zu erwarten. Es ist für die Kunden mit vernachlässigbaren Kosten verbunden, Verträge für Software mit Microsoft und einen Vertrag für Cloud-Computing mit einem anderen Unternehmen zu schließen. Insbesondere besitzen die meisten Kunden bereits Lizenzen für Software-Produkte, sodass sie nur einen Cloud-Computing-Vertrag abschließen müssen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass bei den oftmals gut strukturierten und vergleichbaren Cloud-Computing-Dienstleistungen Transaktionskosten in erheblichem Maße einzusparen wären, wenn Software und Cloud-Computing-Dienstleistungen aus einer Hand bezogen werden.

Schlussfolgerungen

Unsere Analyse zeigt, dass Produktbündelung eines Mehrproduktunternehmens, das eine marktbeherrschende Stellung in einem Markt innehat, sich aber Konkurrenten in dem anderen Markt gegenübersieht, oft negative Auswirkungen auf Wettbewerb und Konsumentenwohlfahrt hat. Produktbündelung erlaubt es Mehrproduktunternehmen, ihre marktbeherrschende Stellung von einem Markt auf einen weiteren Markt auszuweiten (Leverage-Effekt). Dies hat für die Konsumenten in Form höherer Preise als Folge einer geringeren Wettbewerbsintensität unmittelbar negative Konsequenzen. Mittelfristig ist zusätzlich durch gesunkenen Forschungswettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern mit einem Rückgang der Produktvielfalt und zunehmenden Konzentrationstendenzen zu rechnen.

Im Falle von Microsofts Produktverknüpfung sind diese negativen Auswirkungen von Bündelung deutlich zu erkennen. Microsoft ermöglicht es Nutzern, ihre bestehenden Lizenzen, ohne oder nur zu geringen zusätzlichen Kosten auf Microsoft Azure zu verwenden. Falls Kunden jedoch Microsoft-Software zusammen mit Dienstleistungen der stärksten Konkurrenten im Cloud-Computing-Markt, den „Listed Provider“s, nutzen möchten, resultieren höhere Kosten im Vergleich zum Microsoft-Bündel. Ausgewählte Microsoft-Produkte können mit Dienstleistungen dieser Anbieter gar nicht kombiniert werden. Diese Diskriminierung von „Listed Provider“s verschafft Microsoft klare Vorteile im Wettbewerb und ist nachteilig für die Kunden: sie führt zu höheren Preisen und geringer Wahlfreiheit. Zusätzlich zu diesen negativen Effekten, die schnell spürbar werden im Markt, ergeben sich auch mittelbar für die Kunden negative Auswirkungen durch geringere Innovationstätigkeit.

Insbesondere ist zu erwarten, dass die Diskriminierung den Innovationsanreiz der anderen Unternehmen reduziert, was die zukünftige Produktvielfalt senkt und zu geringerem Markteintritt innovativer Produkte führen wird. Ein frühzeitiges wettbewerbspolitisches Gegensteuern, beispielsweise durch eine Prüfung der Produktverknüpfungspraxis von Microsoft oder durch die Durchsetzung nicht-diskriminierender Preise beim Nutzen von Software-Lizenzen auf allen Clouds kann daher nötig sein, um diese Entwicklung hin zu „market tipping“ zu verhindern. Andernfalls droht eine zunehmende Konzentration auf einen dominanten Anbieter, in diesem Fall Microsoft Azure.

Der Beitrag beruht auf einem Gutachten für CISPE (Cloud Infrastructure Services Providers in Europe).

    • 1 Siehe https://www.ft.com/content/350e7fed-cd52-4a0a-9902-5f2d9ebc3fe7 (13. Februar 2023).
    • 2 Siehe https://www.microsoft.com/licensing/docs/view/Listed-Providers (13. Februar 2023).
    • 3 Siehe COMP/C-3/37.792 (ABl. 2007, L 32, S. 23), bestätigt vom EuG in im Fall T-201/04 Microsoft v Kommission (Slg. 2007, II-3601).
    • 4 Im GWB ist die Definition einer marktbeherrschenden Stellung gegeben. Sie besagt, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es auf dem relevanten Markt entweder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Letztere ist in §18 Abs. 4 GWB ab 40 % Marktanteil vermutet.
    • 5 Insgesamt hat Microsoft 2021 einen Gesamtumsatz von rund 168 Mrd. US-$ erzielt (Microsoft, 2021). Eine genaue Aufschlüsselung aufgrund der Umsatzanteile auf die Produktkategorien ist schwierig. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Umsatz aus den komplementären Geschäftsbereichen Software sowie Cloud-Computing resultiert (Jenny, 2021).
    • 6 Bei reiner Produktbündelung werden Produkte ausschließlich im Bündel, nicht aber separat verkauft. Davon zu unterscheiden ist die gängigere Praxis der gemischten Bündelung. Dabei werden Produkte sowohl getrennt als auch im Bündel verkauft.
    • 7 Endkunden bezieht sich sowohl auf private Endkonsumenten als auch Geschäftskunden, die Cloud-Computing-Services nutzen.
    • 8 Die vollständigen Lizenzbedingungen in Rahmen der Nutzung von Microsoft Software im Rahmen von Cloud-Computing sind öffentlich einsehbar unter https://www.microsoft.com/en-us/licensing/news/updated-licensing-rights-for-dedicated-cloud (13. Februar 2023).
    • 9 Im verallgemeinerten Fall mit mehr als zwei Produkten im Bündel sind die diskutierten Effekte noch stärker (Bakos und Brynjolfsson, 1999).
    • 10 Siehe https://www.ft.com/content/350e7fed-cd52-4a0a-9902-5f2d9ebc3fe7 (13. Februar 2023).
    • 11 Die beschriebene Problematik würde nur verstärkt werden, falls mehr als zwei Güter betrachtet werden.
    • 12 Ein Beispiel ist das gemeinsame Angebot verschiedener Formen von Kommunikationsdienstleistungen (Video-Konferenzen, Messaging, Konferenzdienste, etc.), die bereits durch die Hersteller, wie etwa RingCentral, GoToMeeting oder Webex, aufeinander abgestimmt sind.

Literatur

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Title:Product Linkage in Software Offerings – an Economic Perspective Using the Example of Microsoft

Abstract:Microsoft has a dominant position in the software market but competes with other firms in the adjacent market of cloud computing. Microsoft is using its dominant position in the software market to gain competitive advantages in cloud computing services and discriminates against certain cloud-computing providers. This behaviour leads to higher prices and fewer choices for customers. It also reduces the incentives for innovation for competing cloud providers.

© Der/die Autor:in 2023

Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht (creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).

Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.


DOI: 10.2478/wd-2023-0055